Wie man Reverb-Effekte beim Gitarren-Recording sinnvoll einsetzt
Der richtige Einsatz von Reverb kann den Unterschied zwischen einem amateurhaften und einem professionellen Gitarrensound ausmachen. In diesem umfassenden Workshop erfährst du, wie du Halleffekte gezielt einsetzt, um deiner E-Gitarre mehr Räumlichkeit und Charakter zu verleihen. Egal ob du im Homestudio arbeitest oder professionelle Produktionen erstellst – die richtige Reverb-Technik ist entscheidend für einen ausgewogenen Mix. Von klassischen Spring-Reverbs bis hin zu modernen algorithmischen Hallräumen zeigen wir dir Schritt für Schritt, wie du das volle Potenzial deiner Gitarrenaufnahmen ausschöpfst.
Inhaltsverzeichnis
- Reverb im Mix: Von Vintage-Sound bis Modern Rock
- So nutzt du Reverb-Effekte richtig für deine E-Gitarre
- Wie setze ich den Hall bei Recording am besten ein?
- Praxis-Guide: Reverb-Parameter perfekt einstellen
- Der klassische Federhall: Reverb für E-Gitarre
- Reverb-Effekte für den klanglichen Zusammenhalt
- Hardware vs. Plug-in: Die besten Reverb-Lösungen für Gitarristen
Ein ganz normaler Raumhall für etwas Räumlichkeit oder der beliebte Spring-Reverb, der in vielen Amps ja bereits vorhanden ist, sind meist die pragmatische Wahl für Gitarristen. Aber es ist noch viel mehr möglich: Mit den richtigen Einstellungen kann man mit einem guten Reverb noch einiges aus dem Sound herausholen. Insbesondere im Mix spielt die Art des Halleffekts und dessen Einsatz eine entscheidende Rolle.
Reverb im Mix: Von Vintage-Sound bis Modern Rock
Ein Halleffekt gehört zu den ältesten Effekten, den Gitarristen für sich nutzen und ist grundlegend für viele gute Gitarren-Sounds. In den frühen 1960er-Jahren wurde der Federhall erstmals in Gitarrenverstärkern verbaut. Heute steht mit der digitalen Technik eine große Auswahl an Halltypen zur Verfügung, die jederzeit für Gitarristen, Tontechniker und Produzenten abrufbar und editierbar sind. Daher möchte ich ein paar Ratschläge zum Thema Reverb für E-Gitarre geben, wie man den Hall in verschiedenen Situationen am besten einsetzen kann.
So nutzt du Reverb-Effekte richtig für deine E-Gitarre
Obwohl Reverb für E-Gitarre für Gitarristen oft ein „Set-And-Forget“-Effekt ist, sollte man sich vor einer Aufnahme zunächst ein paar Gedanken hinsichtlich des Einsatzes machen. Unabhängig davon, ob man die Gitarre über eine DI-Box oder über einen Verstärker aufnimmt, ist es sinnvoll, diese Gitarrenspur zunächst einmal ohne Hall, also trocken, aufzunehmen. Auch wenn das verwendete Effektgerät oder der Hall des Verstärkers anscheinend dezent eingestellt ist, könnte der Effekt auf der Aufnahme und im Mix zu prominent sein.
Da man bei Aufnahmen im Nachhinein immer noch etwas hinzufügen kann, es aber schwierig ist, etwas wegzunehmen, würde ich daher generell ohne Hall aufnehmen. Auf diese Weise kann man im fertigen Mix verschiedene Hallarten per Plug-in oder Reamping ausprobieren. Man ist flexibler und umgeht die Gefahr, dass die Gitarre im Mix bereits zu verwaschen klingt. Reamping ist zwar immer etwas aufwändiger, aber wenn ein Gitarrist seinen perfekten Reverb-Sound gefunden hat, sollte er diesen auch verwenden. Anderenfalls gibt es zahlreiche gute Plug-ins, die man durchstöbern kann.
Für das perfekte Gefühl beim Aufnehmen kann man natürlich auf die Kopfhörer einen Hall mischen. Dieser wird dann jedoch nicht mit aufgenommen. Nur wenn man seinen Gitarren-Sound ganz genau kennt und weiß, wie die Gitarre im Mix klingen soll, kann man mutig sein und den Reverb für E-Gitarre direkt mit aufnehmen. Dann aber nach Möglichkeit immer eher mit dezenten Einstellungen.
Wie setze ich den Hall bei Recording am besten ein?
Wenn man den Reverb-Effekt auf einer separaten Aux-Spur hinzufügt, kann der Sound des Reverbs besser geformt werden, ohne dass der Grundsound der Gitarre verändert wird. Man kann ihn jederzeit einblenden und beispielsweise mit einem EQ, einem Kompressor oder etwas Modulation bearbeiten. Vor allem mit Hilfe eines Equalizers kann der Sound des Reverb-Effekts perfekt an den jeweiligen Gitarren-Sound angepasst werden.
Praxis-Guide: Reverb-Parameter perfekt einstellen
Auch wenn es sowohl in Plug-ins als auch in Reverb-Pedalen zahlreiche Presets gibt, macht es doch immer Spaß, seinen eigenen Sound zu formen. Reverb für E-Gitarre bedeutet nämlich auch: Zu jedem Gitarristen, Equipment und Song passt ein anderer Reverb-Typ am besten. Dafür muss man sich natürlich erst einmal mit den Möglichkeiten befassen.
Für den Grund-Sound des Effekts sollte man sich zunächst zwischen den gängigen Emulationen entscheiden: Hall, Plate, Spring und manchmal auch größere Cathedral-Flächen stehen bei den meisten Effektgeräten und Plug-ins zur Verfügung.
Decay
Ein wichtiger Parameter ist das Decay, also die Abklingzeit des Reverb-Effekts. Hiermit wird die virtuelle Raumgröße simuliert. Die optimale Einstellung des Decays hängt natürlich von der Art des Songs und dem Tempo ab. Je schneller ein Song ist, umso kürzer sollte das Decay eingestellt werden.
Aber auch die Anzahl der verwendeten Instrumente spielt eine Rolle, da lange Ausklingzeiten des Halleffekts sehr viel Raum einnehmen. Wenn das Decay zu lang eingestellt ist und überlappt, wird das klangliche Ergebnis verwaschen.
Der Gitarren-Sound kann dadurch unklar klingen, aber auch in Verbindung mit anderen Instrumenten, die mit einem Halleffekt belegt wurden, kann es zu einem unerwünscht „filzigen“ Klangteppich kommen. Dies kann bei bestimmten Musikstilen wie dem Shoegaze gewünscht sein, bei einem klaren Mix sollte man diesen Hinweis jedoch im Hinterkopf behalten.
EQ
Mit dem EQ kann beim Hall mutiger gearbeitet werden als beim Grund-Sound der Gitarre. Alle nicht benötigten Frequenzen dürfen im Halleffekt radikal abgeschnitten werden. Vor allem mit gekappten Bässen im Hall wird der Gesamt-Sound sehr viel differenzierter. Ein beliebter Trick der Abbey Road Studios war es, den Hall in den Bässen bei 600 Hz und in den Höhen oberhalb von 10 kHz zu kappen.
Viele Reverb-Pedale haben bereits eine wirklich effektive Klangregelung. Um den Reverb-Sound besser zu hören, kann man den Mix-Regler einmal voll aufdrehen und dann spielen. Nun darf man mit den Tone-Reglern die Frequenzen mutig einstellen und den Mix anschließend wieder zurückregeln. So klingt der Reverb für E-Gitarre gleich viel besser.
Pre-Delay
Das Pre-Delay ist ebenfalls ein wichtiger Parameter beim Reverb für E-Gitarre, den viele Gitarristen leider zunächst einmal meiden. Hiermit wird der Beginn der Hall-Reflexionen verzögert. Dadurch werden die Transienten des gespielten Tons besser hörbar. Durch ein etwas höheres Pre-Delay setzt sich die Gitarre im Mix besser durch, selbst wenn das Decay etwas länger eingestellt ist. Durch das Pre-Delay wirkt außerdem der eingestellte Raum größer. Wenn Reflexionen länger brauchen, um das Ohr zu erreichen, wurde der Ton virtuell in einem größeren Raum gespielt, bei dem es etwas länger dauert, bis die Wände die Reflexionen zurückwerfen. Für mehr Klarheit im Reverb für E-Gitarre darf also gerne mit dem Pre-Delay gespielt werden.

Wer im Recording schon etwas fortgeschritten ist, kann auch direkt das Reverb-Signal des Amps mit aufnehmen
Der Mix zwischen dem direkten und dem Reverb-Signal ist ebenfalls sehr wichtig. Ein größerer Hall mit längerem Decay kann, wenn er dezent dazu gemischt wird, trotzdem funktionieren. Wenn man mehr Hall hinzumischt, reduziert man meist das Decay. Mix, Decay und Pre-Delay interagieren also und in Verbindung mit den gewählten Frequenzen lässt sich jeder Reverb-Effekt besser in den Gesamt-Sound hineinregeln. Bei der Aufnahme wird der Reverb-Anteil dann über das Volume des Aux-Kanals hinzugemischt.
Der klassische Federhall: Reverb für E-Gitarre
Der Federhall ist nach wie vor einer der beliebtesten Reverbs für E-Gitarre. Er liefert eine Lebendigkeit, die sonst kein Hall-Typ bieten kann und die sehr gut der Gitarre passt. Wenn man einen Verstärker mit einem eingebauten Federhall hat, kann man ihn durchaus dauerhaft dazumischen.
Um diesen ganz besonderen Sound aufzunehmen, darf man ihn auch ruhig direkt mit einspielen. Zur Not – und für die meisten Musikrichtungen – kann man ihn aber auch mit Plug-ins oder Pedalen bereits sehr gut nachbilden. Insbesondere die Spring-Reverbs von Source Audio und Strymon gehört zu den besten, die ich bisher gehört habe.
Wenn man den Federhall als wirklichen klanglichen Effekt einsetzt, kann man übrigens trotzdem noch einen Hall hinzuschalten. Während ein dezenter Raumhall vom Effektgerät kommt, könnte man bei bestimmten Parts den scheppernden Federhall zufügen.
Reverb-Effekte für den klanglichen Zusammenhalt
Wenn man in einer Band mit mehreren Gitarristen spielt, kann man überlegen, ob man nicht eine identische Reverb-Einstellung wählt. Das sorgt nicht nur emotional für ein Gemeinschaftsgefühl, sondern verbindet auch den gesamten Band-Sound. Durch den gleichen Hall-Sound klingt es so, als würden alle Instrumente im selben Raum spielen. Und das ist für einen Band-Sound oft richtig wichtig.
Insbesondere wenn zwei Rhythmusgitarren genutzt werden, ist dies bei Aufnahmen ebenfalls sehr interessant. Wenn man nun mit einem Delay die beiden Gitarren, die im Stereospektrum verteilt sind, anreichert und dieses Delay mit 25 bis 40 ms und 100 % Wet-Einstellung auf die entsprechend gegenüberliegende Seite legt, klingt der gesamte Band-Sound noch räumlicher. Diese beiden Delays bekommen dann ein gemeinsames Reverb, das dezent eingestellt wird. Es wirkt nun so, als wären beide Gitarren im selben Raum und würden von der anderen Wandseite reflektiert werden.
Hardware vs. Plug-in: Die besten Reverb-Lösungen für Gitarristen
Viele Effektgeräte bieten bereits die Möglichkeit, den Hall zu modulieren. Dadurch bekommt der Hall etwas mehr Bewegung. Aber auch mit einem Kompressor oder sogar ein wenig Verzerrung kann der Hall einen ganz besonderen Charakter bekommen. Im Gitarren-Setup kann das der Verstärker übernehmen. Bei Aufnahmen kann man hier mit Plug-ins nachhelfen. Durch die Kompression bekommt der Hall einen volleren Sound. Daher würde ich ein Reverb-Pedal auch nicht in einen Effekt-Loop einschleifen. Es sei denn, man möchte den Preamp für Hi-Gain-Sounds nutzen.
Wenn der Song und die Instrumentierung ausreichend Raum bieten, kann man diesen natürlich auch gerne mit einem Reverb füllen. Vor allem bei langsamen Songs bietet sich dies an. Mit etwas Delay garniert, kann man auf diese Weise eine tolle Atmosphäre erzeugen.
Denkst du nicht, dass „für E-Gitarre“ den Beitrag unnötig eingrenzt? Das meiste dürfte auch für Akustik Gitarre, sogar für fast alle anderen Instrumente gelten. Im Gegensatz zum Floorboard ein Artikel weiter.
@Tai Selbstverständlich, aber dann würden die 3 von Thomann am Ende angepriesenen Hall-Pedale nicht zum Atikel passen 😉
Jede Produktkategorie bekommt seine(n) eigenen „Artikel“…
@GAFR Die Geräte sind die, die ich selbst gerne nutze und super finde. Und wenn jemand Bock hat, sie auszuprobieren, dann kann er oder sie die Links unter dem Artikel nutzen oder auch überall sonst im Internet danach suchen. Es ist ja niemand gezwungen, auf die bunten Bildchen unter dem Artikel zu klicken 🤟
@Tai Ich bin in erster Linie E-Gitarrist, daher macht es für mich Sinn, diese Erfahrungen aus der Sicht eines E-Gitarristen hier zu teilen🎸. Eine Akustik-Gitarre nimmt man einfach ganz anders auf.
Aber klar, man kann das Ganze gerne auch mit anderen Instrumenten machen😉.