Gallagher spielte oft kleinere und schnelle Fills in Gesangspausen, während er in anderen Passagen gleichzeitig den eher reduzierten Rhythmuspart übernahm. Dieser war meist stark gedämpft und eher angedeutet, bevor er mit kräftigen Licks und Fills förmlich aus dem Song herausexplodierte.
So gerne er es auch tat, spielte Rory Gallagher aber nicht immer unter Volldampf und konnte auch eine unglaubliche Dynamik an den Tag legen. So etwa zu hören in „Walk on Hot Coals“ in dem er über mehrere Minuten ein Crescendo aus gedämpften Noten spielt, das sich auf beinahe völliger Stille in ein kleines Feuerwerk aus Alternate-Picking, zahlreichen Legati und Hammer-on-Pull-off-Kombinationen verwandelt. Dabei nutze Gallagher bei vielen Passagen das Volume-Poti seiner Gitarre, um den Grad der Verzerrung und den Druck der Gitarre zu regeln und schien dabei immer ein unheimliches Maß an Kontrolle über seinen Sound zu haben.
Eines seiner Markenzeichen dabei war auch ein weiches Einfaden in einzelne Töne oder Akkorde mithilfe des Volume-Reglers. Insbesondere in ruhigeren und melodischeren Stücken verlieh er seinen Soli und Fills so viel Ausdruck und das richtige Maß an „Weltschmerz und Blues-Melancholie“.
Stilistisch bewegte sich Gallagher dabei immer zwischen Rock ’n‘ Roll, klassischem Blues, Folk und Rock. Er schaffte es, viele dieser Elemente miteinander zu verbinden, ohne sie zu karikieren oder zu sehr zu entfremden und seine klassisch bluesigen und bisweilen sehr düsteren Texte wirkten irgendwie immer richtig platziert.
Rory war in erster Linie auch ein Livekünstler und die vielen Aufnahmen von Konzerten aus der halben Welt zeigen eindrucksvoll, wie viel Herzblut er in jedes seiner Lieder steckte, wenn er auf der Bühne war. Zwischen traurig bittersüßem Folk bis explosiven Rock mit souligem „Brüllen“ lieferte eine ganze Palette an Stimmungen innerhalb kürzester Zeit und bis heute ist seine Energie und sein Enthusiasmus für die Musik äußerst ansteckend.
Rory Gallagher – seine Gitarren
So war schon Anfang der Siebzigerjahre nicht mehr viel von der originalen Sunburst-Lackierung übrig, die einmal das Instrument schmückte und Rory befand es nie für nötig, diese zu erneuern oder auszubessern. Auf diesem Wege wurde eine der optisch auffälligsten und wiedererkennbarsten Stratocaster geboren, die bis heute ein mit Gallagher fest verbundenes Markenzeichen darstellt.
Abgesehen von der „originalbelassenen“ Lackierung, modifizierte Gallagher seine Stratocaster stark und ständig. So ersetzte er mehrmals die Pickups bis auf den mittleren Singlecoil und passte auch die Verkabelung entsprechend seiner Wünsche an. So tauschte er den originalen Dreiwege-Schalter durch einen moderneren Fünfwege-Schalter aus und klemmte das untere Tone-Poti zugunsten eines Mastertone-Reglers für alle Pickups ab. Auch der Pickguard und die Mechaniken wurden erneuert und hoffentlich bekam die Gitarre auch mindestens einmal neue Bünde spendiert.
Fender war über die Treue Gallaghers zu ihrem wichtigsten Modell so erfreut, dass sie zu seinen Ehren nach seinem Tod eine Replik seiner 61er Strat herausbrachten, die die Abnutzung bis ins Detail abbildete und zudem über ähnliche Modifikationen verfügte.
Abgesehen von seiner Hauptgitarre war Rory Gallagher auch das eine oder andere Mal mit einer cremefarbenen Fender Telecaster aus dem Jahr 1966 zu sehen. Diese Gitarre kam vor allem beim Spiel mit dem Bottleneck zum Einsatz und war im Vergleich zur Stratocaster größtenteils originalbelassen und ganz gut in Form.
Ein heimlicher Liebling kam bis zuletzt fast nur im Studio zum Einsatz und schaffte es nie an die prominente Stelle der Bühne: eine Danelectro 3021 Shorthorn. Diese Gitarre wurde bei zwei seiner bekanntesten Lieder für die Studioaufnahme genutzt, nämlich „A Million Miles Away“ und „Cradle Rock“, die beide auf dem Album Tattoo erschienen. Rory liebte die Gitarre für ihren präzisen und hellen Klang, der allerdings etwas mehr Sustain und Körper bot als seine Stratocaster. Er konnte sich aber nie dazu durchringen, sie auch in der Öffentlichkeit zu spielen.
Bei zahlreichen Liedern wie etwa dem Tony Joe White Cover „As The Crow Flies“ kam auch eine 1932er National Triolian Resonator zum Einsatz. Ein Klassiker im Folk, Blues und Country durfte dieses Stück Americana auch im Set-up vieler europäischer Musiker der Sechziger und Siebziger nicht fehlen. So natürlich auch nicht bei Rory Gallagher. Der setzte die Gitarre oft auch mit einem Bottleneck ein und spielte auf ihr ebenso virtuos und lebendig wie auf seinen E-Gitarren.
Zusätzlich zu seiner Telecaster, die er oft mit einem Brass-Bottleneck spielte, griff Gallagher in seinen späteren Jahren immer wieder zu einer 1963er Gretsch Corvette, die er einem Freund abgekauft haben soll. Diese lieferte einen kräftigen und schneidenden Slide-Sound, der auf seinen letzten Studioalben zu hören ist.
Rory Gallagher – seine Amps und Effekte
In den ersten Jahren mit Taste und bis zu seinem dritten Album, dem „Live in Europe“, bevorzugte Rory Gallagher einen Vox AC30 Top Boost, den er beinahe immer auf voller Last betrieb und mittels seines Volume-Potis an der Gitarre zähmte. Dieses spätere Sondermodell unterschied sich vor allem durch den namensgebenden Top-Boost, der die Höhen hervorhob und Gallaghers Stil damit sehr entgegen kam, der einen eher schneidenden Ton bevorzugte.
In den späteren Jahren und vor allem seit der Aufnahme von Lou Martin am Keyboard suchte Gallagher einen Amp, der ein wenig voller und weniger aggressiv klingen sollte und sich so besser in das vollere Bandgefüge einreihte. Dabei landete er bei verschiedenen Fender Verstärkern und schließlich beim Fender Twin Amp. Dieser kam aber vor allem im Studio und eher selten auf Tour zum Einsatz.
Diesen Platz besetzte ab Mitte der Siebziger immer öfter ein Fender Bassmann, der neben dem AC30 live zum Einsatz kam. Ebenso wie seine Stratocaster, hatte der Amp mit der 4×10″ Jensen Speaker-Bestückung wenig zu lachen und sah am Ende seiner Karriere ebenso übel mitgenommen aus. Wie die besprochene Gitarre. Mit der Zeit ersetzte der Bassmann die anderen Amps auf Tour und wurde zum Haupt-Amp des Iren.
Bei den Effekten blieb Rory Gallagher Zeit seines Lebens absoluter Purist und verzichtete so ziemlich auf alles. Ein Effekt, der jedoch über seine ganze Karriere hinweg seinen Sound mitbestimmte, war ein Treble Booster aus dem Hause Dallas, der auf den Namen Rangemaster hörte. Diesen setzte er insbesondere in Verbindung mit seinem Vox AC30 ein, er kam aber auch bei den Fender Amps zum Einsatz und komplettierte das sehr einfach Set-up Gallaghers.
Auf Overdrive-Pedale, Delays oder Wah-Effekte verzichtete er so gut wie ganz und bildete damit auch einen Gegenpool zum effektüberladenen Psychedelic- und Pop/Rock der sechziger und siebziger Jahre.
Ja, schade… sein Tod ist ein trauriges Beispiel für die Iren und ihrer in aller Regel stark ausgeprägten und nicht selten verhängnisvollen Zuneigung für Bier und Hochprozentiges.
Neu für mich die Danelectrogeschichte. M.E. die meist unterschätzte Gitarre der Geschichte, obwohl sie alle mal draufrumklampften, Hendrix (fing mit ’ner Danelectro an, glaub‘ ich), Clapton, Jimmy Page….
Hey Wellenstrom,
Ja das ist schon auffällig wie oft einem ne Danaelectro begegnet, wenn man sich mit der Gitarrengeschichte befasst. Aber man sieht sie nie auf irgendwelchen Liveaufnahmen oder Fotos. War wohl nicht hübsch genug oder das letzte bisschen Zang und Durchsetzungskraft hat ihr für die Bühne einfach gefehlt. Wer weiß?
Aber gerade für das Lied A million miles away gefällt mir der Stratocaster Sound irgendwie besser.
@tilmann.seifert Jo, keine Ahnung. Liegt vielleicht auch am Image… billige Ramschgitarre aus dem Kaufhaus eben. War vielleicht dem Image früherer Gitarrenheroes nicht so wirklich zuträglich, je ne sais pas.
…und während ich das hier tippte, explodierte quasi das Frühstücksspiegelei in der Pfanne
@tilmann.seifert … und da fällt mir noch was ein, was da mit reinspielen könnte…. von Jimmy Page weiß ich aus einem Interview, dass er keinerlei Support oder „Sponsoring“ durch Danelectro erfuhr, was ja bei anderen Marken anders aussieht. Kann durchaus auch sein, dass das mit reinspielte.
Wahrscheinlich ist es auch das – obwohl man von Danelectro aus ja schon klug gewesen wäre, das auch ein wenig zu vermarkten und den ein oder anderen Künstler mit dem eigenen Produkt in Szene zu setzten..
Schlecht sind die Gitarren im Grunde ja nicht.
Zwei Studioalben bei Taste. Taste und On the Boards.
Hey Gaffer,
Vielen Dank für den Hinweis. Hab ich wohl verdreht.
Gruß
Die „Irish Tour“ von 1974 ist ein Wahnsinnsalbum, selbst wenn man nicht soo auf Bluesrock steht. Höre ich immer wieder gern.