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AMAZING Readers Music: Rudolf Heimann – Die Unendlichkeit des Augenblicks

Die Unendlichkeit des Augenblicks

24. Februar 2019

Rudolf Heimann – Die Unendlichkeit des Augenblicks CD

Der Name Rudolf Heimann taucht bereits seit über 25 Jahren im Bereich der „Elektronischen Musik“ auf, obwohl er nicht als typischer Vertreter der Berliner Schule gilt. Bereits seine ersten Alben zu Beginn der 90er Jahre fanden ihren Weg auf den Musikmarkt und die legendäre WDR-Sendung „Schwingungen“.

Nach seinem Rückzug aus der EM-Szene Ende der 90er – er produzierte Musik anderer Genres, von Hardtrance bis Gothic Rock – veröffentlicht Heimann seit 2010 wieder regelmäßig CDs mit instrumentaler Synthesizermusik. Dabei verwendet er immer wieder eher ungewohnte Elemente wie Gitarrensounds oder stilistische Brückenschläge zu Klassik, Ambient und Progressive Rock.

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Behringers Model D im Einsatz

Auf seiner neuen Produktion „Die Unendlichkeit des Augenblicks“ setzt er nun ein markantes Ausrufezeichen, das bereits im Vorfeld der Veröffentlichung nicht nur in der „Szene“ für Aufmerksamkeit und einige Fragen sorgte: Das über 30-minütige Stück „Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei“ vertont quasi den gleichnamigen Text des Dichters Jean Paul, ein Ausschnitt aus dem Opus „Siebenkäs“, welches als Meisterstück deutschsprachiger Literatur gilt. Seine Musik nennt Heimann nun „Cinematic Electronic“. Inhaltlich setzt sich der Track mit der Existenz Gottes und anderen existentiellen Grundfragen auseinander – durchaus starker Tobak, der plötzlich und unerwartet in die klassisch-romantische Hörwelt der Sequencer und Synthesizer hereinplatzt.

Grund genug für uns, konkret nachzufragen und Rudolfs Gedankenwelt kennenzulernen.

AMAZONA.de:
Hast du einen besonderen Bezug zu Jean Paul? Wie bist du auf den Text gestoßen?

Rudolf:
In den 80er Jahren erschien eine CD des legendären Oskar Sala auf dem Label Erdenklang. Darauf war eine eher experimentelle Umsetzung dieses Textes zu hören. Das fand ich damals richtig genial und innovativ. Bei konkreterer Betrachtung merkte ich, dass über die Hälfte des Textes fehlte. Zudem wurden – in meinen Ohren – die überladenen Soundeffekte sowie der theatralische Pathos des Sprechers nicht wirklich dem Text gerecht. Meine Vision, meine Illusion, mein Wunsch war: Wenn ich so etwas jemals produzieren könnte, dann würde ich es vollkommen anders machen. Vor etwa drei Jahren stieß ich im Internet wieder auf diesen Text und mir war klar: Du kannst es in deinem Studio technisch umsetzen, also mach es jetzt! Gemacht habe ich es tatsächlich, wie man nun hören kann – allerdings habe ich für die Umsetzung auch über zwei Jahre gebraucht.

AMAZONA.de:
Wer ist der Sprecher auf der CD, woher kennst du ihn?

Rudolf:
Roland Paroth ist ein Sänger und Keyboarder, der in mehreren Bands gespielt hat und noch immer spielt. Als wortgewandter Moderator und Conferencier ist er mir schon vor einiger Zeit im Rahmen einer Big Band – Aufführung aufgefallen. Später habe ich ihn privat kennengelernt und immer wieder bei Konzerten getroffen. Als ich dann einen professionellen Sprecher für meine Produktion suchte, habe ich selbstverständlich die einschlägig bekannten Sprecheragenturen durchforstet. Letztlich wollte ich lieber mit jemandem auf Augenhöhe interaktiv zusammenarbeiten, nicht einen gemieteten Sprecher engagieren. Da Roland nicht nur ein begnadeter Erzähler, sondern zudem ein angenehmer Zeitgenosse mit Lebenserfahrung ist, war er für meine Umsetzung die perfekte Ergänzung. Wir haben nicht nur ein gutes Hörerlebnis erarbeitet, sondern auch viel Spaß bei den Aufnahmen gehabt.

Rudolf Heimann in seinem Studio

AMAZONA.de:
Musikalisch wirkt die neue CD relativ ernst. Der Optimismus deines Klassikers „Touch The Sky“ ist auf deinem neuen Album kaum zu hören. War es Absicht und meinst du, dass sich die Hörer damit anfreunden können?

Rudolf:
Ja, denn ich denke, das es quasi zwei Seiten derselben Medaille sind. Die eher etwas düster-melancholische Grundprägung der neuen CD ist unüberhörbar, aber letztlich – wenn man sie wirklich bis zum Ende hört – hat alles ein Happy End. Optimistisch zu sein, bedeutet ja nicht, alles kritiklos hübsch zu finden, sondern an eine mögliche Lösung zu glauben und konkret daran zu arbeiten. Bei mir überwiegt auch privat der Optimismus. Jedoch muss ich mir selbst und anderen auch die Zeit für Fragen und Zweifel zugestehen bzw. einräumen. „Die Unendlichkeit des Augenblicks“ wirft eher Fragen auf, die ein Optimist sich selbst beantworten kann.

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Ernsthafte, sachbezogene Themen setze ich des Öfteren musikalisch um, z. B. auf den CDs „Into The Unknown“ und „Tiefenrausch“. Die Thematik der CD ist diesmal durchaus schwere Kost. Aber letztlich durchdringt sie stets unseren Alltag: Sonntagmorgens läuft ein Gottesdienst im Fernsehen, abends Terra X – das ist doch kein Widerspruch, oder doch? Ich habe mich recht intensiv mit dem vordergründigen Widerspruch von Religion und Wissenschaft auseinandergesetzt. Das alles spiegelt sich letztlich in meinem musikalischen Output wieder. So bin ich eben, für mich ist ein Steinbruch nun mal interessanter als ein warmes Solebecken.

AMAZONA.de:
Wenn du Musik komponierst, spielst du deine Ideen live ein oder konstruierst du sie am Computer?

Rudolf:
Beides hat seinen eigenen Reiz. Das meiste erstelle ich kompositorisch tatsächlich am PC mit Steinberg Cubase. Wenn eine dynamische Spielweise erforderlich ist, nutze ich dabei gerne mein Kurzweil Stage Piano als Masterkeyboard. Soli und Fills spiele ich dagegen lieber auf dem Korg Triton Taktile mit ModWheel und Pitchbend ein. Meine zeitweise opulent gefüllten 19″-Racks sind weitestgehend verschwunden, denn Software-Instrumente haben mich mittlerweile in vielen Bereichen klanglich überzeugt. Als Inspiration für Sequenzen bin ich sehr angetan vom Behringer Deepmind, der einen ausgefuchsten Arpeggiator an Bord hat. Für elektronische Drumsounds verwende ich Roland TR-8 und Akai Tom Cat, akustisch klingende Drumsets konstruiere ich gerne mit dem Software-Programm Studio Drummer von Native Instruments. Die gesamte Musik von „Die Rede des toten Christus“ habe ich ohne DAW, Sequencer oder sonstige Programmierung live gespielt und direkt digital aufgezeichnet. Später habe ich in Magix Samplitude die verschiedenen Parts mit den ausgewählten Takes der Sprachaufnahmen zusammengeschnitten.

AMAZONA.de:
Muss es bei dir vintage sein oder darf es auch virtuell-analog klingen?

Rudolf:
Ich möchte die Frage gerne mit zwei konkreten Beispielen beantworten.
Viele Jahre benutzte ich einen Roland JX-8P, ein anerkannter „Klassiker“ mit eigenständigem Sound. Die Bedienung bzw. Haptik war 1984 sicherlich zeitgemäß, für mich aber in der Anwendung nur noch nervig. Aus Spaß habe ich eines Tages ein Freeware-VST-Plugin mit ähnlichem Namen ausprobiert. Der Klang war vergleichbar, die klanglichen Möglichkeiten bedeutend umfangreicher, die Bedienung eine wahre Freude. Bereits eine Woche später habe ich mein viel gelobtes Original liebend gerne an einen begeisterten Synthesizerfreund abgegeben.

Das zweite Beispiel: Ich hatte nie einen Mini, kenne von Moog aber Rogue, Prodigy und den kleinen Werkstatt. Aus reiner Neugierde habe ich mir vor kurzem den „Model D“ von Behringer bestellt. Den kann man ja bei Nichtgefallen auch wieder zurückschicken, dachte ich. Nach der Lieferung und dem Einschalten am frühen Nachmittag kam ich leider viel zu spät zum Abendessen – das ging dann mehrere Tage so. Alter Wein in neuen Schläuchen kann richtig sexy sein.

AMAZONA.de:
Bist du gespannt, was es noch an neuem Equipment geben wird oder bleibst du deinen jetzigen Gerätschaften treu?

Rudolf:
Mein ältester hybrid-analoger Synthesizer ist momentan ein Korg DW-8000, mein neuester ein Behringer DeepMind 6. Wenn ich Geräte über ein Jahr lang nicht benutzt habe, veräußere ich sie meistens, denn ich muss aus räumlichen und finanziellen Gründen strukturiert und logisch vorgehen, da ich nicht Synthesizer sammeln, sondern aktiv Musik machen möchte. Sehr erfreut bin ich über die erfrischend neue Produktpalette bei Moog, genauso gespannt bin ich auf die bereits angekündigten Odyssey und Pro One von Behringer! Im Software-Bereich verfolge ich stets die Entwicklungen von Software für Native Instruments Kontakt.

Rudolf Heimanns Studio

AMAZONA.de:
Auf deinen letzten CDs kann man immer wieder interessante Gitarrenparts hören. Hast du sie selbst eingespielt?

Rudolf:
Grundsätzlich ja. Allerdings nehme ich dabei nur noch ganz selten eine E-Gitarre oder meine MIDI-Gitarre von Yamaha in die Hand. Die meisten Gitarrenspuren erstelle ich im PC mit geeigneter Physical-Modeling-Software oder den Sample-Librarys meiner steinzeitlichen AKAI- und EMU-Sampler. Sehr verdeutlichende Beispiele für diese Umsetzung sind die auf YouTube zu findenden Tracks „Blues For Robert Falcon Scott“ (CD: Into The Unknown) und „In die Tiefe“ (CD: Tiefenrausch).

AMAZONA.de:
Deine aktuelle CD ist bereits deine dritte Veröffentlichung auf Spheric Music …

Rudolf:
Moment mal, nein – genau genommen ist es bereits meine vierte! Sicherlich habe ich weitaus mehr CDs veröffentlicht, aber auf Spheric Music sind rückblickend immer die „Key Albums“, die wichtigsten Alben meiner musikalischen Entwicklung erschienen: „Twilight Voyager“ war meine letzte Elektronik-CD, bevor ich mich 1997 aus der Szene zurückgezogen habe. Im Jahr 2010 war „Tide“ quasi mein Wiedereinstieg. 2017 erschien „Touch The Sky“ dort endlich wieder auf CD, beeindruckend remastered von Eroc. Jetzt ist „Die Unendlichkeit“ meine vierte CD auf Spheric Music, für mich meine bisher wichtigste und musikalisch tiefgreifendste Produktion.

AMAZONA.de:
Was meinst du, wie sich die elektronische Musik in Zukunft entwickeln wird?

Rudolf:
Ich hoffe zunächst, dass sie sich überhaupt noch weiterentwickeln kann. Wenn ich mich in einigen Foren, Gruppen und Internetradios umhöre, kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass viele Hörer lebenslänglich nur „Moondawn“, „Wir sind die Roboter“ und „White Eagle“ oder sehr ähnlich klingende Musik hören wollen. Jegliche Innovation oder Modernisierung – z. B. eine „Four on the floor“ Bassdrum oder die Einbindung von Gesang wird gerne als „andere“ Musikrichtung abgelehnt. Innovativ finde ich momentan eher Produktionen aus den vielen Stilrichtungen der Schubladenbegriffe Electronica und Ambient, man kann dort wirklich neue Klangbilder und Sounds, andere Arrangements, experimentellere Spielweisen bekannter Klangerzeuger hören. Das ist dann sehr oft nicht wirklich „my cup of tea“, aber dort wird elektronische Musik hörbar weiterentwickelt. Allerdings bezeichnet das in diesen weitaus größeren Kreisen auch niemand mehr als „EM“.

AMAZONA.de:
Wie geht es nach der „Unendlichkeit des Augenblicks“ weiter? Hast du Zukunftspläne?

Rudolf:
Bisher war es eigentlich immer so, dass ich bereits vor der physikalischen Veröffentlichung einer CD bereits mit der Arbeit an der nächsten begann. Zurzeit höre ich jedoch noch immer „Die Unendlichkeit“ täglich mit Freude und eruiere mit Roland Paroth eine Möglichkeit, weitere Lyrikvertonungen bzw. eine inszenierte Lesung in ein elektronisch gestaltetes Konzert einzubinden. Da ist noch nichts spruchreif und buchbar, aber wir arbeiten daran.

Diskografie (Elektronik):

„Strange Delight“ (LP), 1990 bs-musikverlag
„Touch The Sky“ (CD), 1992 Musique Intemporelle / BMG-ARIS
„Trancefusion“ (CD), 1993 Musique Intemporelle / BMG-ARIS
„Twilight Voyager“ (CD), 1997 Spheric Music
„Tide“ (CD), 2010 Spheric Music / h’Art
„Into The Unknown“ (CD), 2013 Syngate Records
„Perpetuum Mobile“ ( CD), 2015 Syngate Records
„Polychronos“ (CD), 2016 Syngate Records
„Touch The Sky“ (CD) 2017 – Remastered Rerelease, Spheric Music
„Tiefenrausch“ (CD) 2018 Mellowjet Records
„Trancefusion“ (CD) 2018 – Remastered Rerelease, Mellowjet Records
„Die Unendlichkeit des Augenblicks“ (CD) 2019 Spheric Music

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Forum
  1. Profilbild
    iggy_pop AHU

    „Jegliche Innovation oder Modernisierung – z. B. eine „Four on the floor“ Bassdrum […]“ — ob die Einbindung eines seit mehr als 25 Jahren ebenso wenig veränderten Stilelementes (soviel zum Thema „innovativ“) die Szene revitalisieren würde, wage ich mal zu bezweifeln. Zumal die auf diesem Stilelement basierende und in dieser Szene goutierte Musik von Schiller, ATB oder Robert Miles als der Gipfel der Modernität betrachtet wird — das wurzelt ebenfalls in der Vergangenheit und nicht gerade in der Zukunft.
    .
    Was sehr viel über die dortige Orientierung aussagt — ich für meinen Teil höre lieber eine gutgemachte Reminiszenz an vergangene Tage als Modern-sein-Wollen-auf-Deibel-komm-raus-und-dabei-keine-Substanz-haben.
    .
    Ist aber nur meine Meinung.
    .

    • Profilbild
      heimannrudolf

      @iggy_pop Hallo iggy,

      genau so wie von Dir beschrieben habe ich meine Antwort auf die Frage auch gemeint.

      Ich bezog mich jedoch nicht auf das „jetzt“, sondern auf die Situation Ende der 90er Jahre, als ich mich – u.a. genau deswegen – aus der „EM“ und Stildiskussionen herausgehalten und lieber zwei EPs für Influence Records produziert habe.

      Damals waren „Techno“, „Trance“, „EBM“ etc. in der post-Schwingungen-Szene jedoch nicht goutiert, sondern strikt verpöhnt. Grundsätzlich hat sich daran nichts geändert, man schwelgt gerne in der Vergangenheit. Da hast Du Recht.

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