Ein kleiner Wavestate für das iPad
Wenn 4Pockets im letzten Jahr durch etwas auf sich aufmerksam gemacht haben, dann durch ihren enormen Ausstoß an Apps, die dennoch nicht an Qualität mangeln lassen. Nach diversen Effekten haben 4Pockets 2019 mit dem Sampler Chameleon nach AKAI-Rezept noch den Drum-Sequencer DigiStix Drummer, den MIDI-Sequencer DigiKeys und das Multitrack-Recorder-Plugin – für Apps die keine (hinreichenden) Audioaufnahmefunktionen bieten, wie Kymatica AUM oder Audiobus und damit eine nicht unerhebliche Lücke schließt – herausgebracht.
Auch das neue Instrument schließt gewissermaßen eine Lücke, denn der EvolverFX ist kurz gesagt ein Wave-Sequencing-Synthesizer für iOS, nach Art eines Korg Wavestate. Sogar der Joystick ist vorhanden! Ok, wir haben ja zwar schon die hervorragende Korg iWavestation, die aber zwei gravierende Nachteile hat: Zum einen ist sie kein AUv3-Plugin und zum anderen fehlt der Sample-Import. EvolverFX bietet beides, zusammen mit einem deutlich geradlinigeren, wenn auch nicht ganz so mächtigen Interface.
Zunächst einmal bietet EvolverFX vier identischen Wave-Sequencing-Spuren genannt „Lanes“ A bis D, die jedes bis zu 64 Schritte lang sein kann. Dabei kann können je Lane bis zu 16 Samples in die Slots 1 bis 16 geladen werden. Um eine Lane zu hören, muss der ENABLE-Taster aktiviert sein. Der SEQ-Taster bestimmt, ob die Sequenz gespielt wird, wenn eine MIDI-Note gespielt wird oder das gerade ausgewählte Sample 1 bis 16 per Keyboard gespielt wird. Neu in Version 1.03 hinzu gekommen sind die Lane Variationen 1 bis 3. Eine Variation kann andere Noten und Akkorde beinhalten, aber keine anderen Samples. Zusätzlich können die Variationen taktsynchron und auch per MIDI umgeschaltet werden.
Jede Lane besteht aus den Panelen TIMING, SAMPLES, NOTES und ARP. Im Samples-Panel kann für jeden Step entweder ein einfaches Sample oder ein Multi-Sample geladen werden. Bei Letzterem wird auch der Direktimport aus Chameleon unterstützt. Der SFZ Soundfont-Import ist derzeit noch im experimentellen Stadium und daher mit Vorsicht zu genießen. Die einfachen Samples können auch in EvolverFX editiert und mit Loop-Punkten versehen werden. Mit Multi-Samples geht das nicht, was uns wieder zurück zu Chameleon bringt.
Die Option HARMONICS öffnet dagegen ein ganz anderes Feld. Hier können die harmonischen Anteile eines Klanges in 32 Bändern verändert und damit in ganze neue Richtungen gebogen werden.
Für jeden Sample-Slot gibt es die Parameter Oktave, Panorama und Lautstärke. Zusätzlich lässt sich im ZONES-Panel der Klaviaturbereich, Transponierung, Anschlagsstärkenbereich und die MIDI-Ein- und Ausgangskanäle wählen.
Wie diese Einstellungen letztendlich wirken, wird im NOTES-Panel des Sequencers mit STEP-TYPE festgelegt: Keine Note bedeutet Leerschritt, bei FIXED NOTE spielt das Sample nur auf der eingestellten Tonhöhe, egal welche MIDI-Noten eingehen und bei Transpose wird das Sample entsprechend transponiert, hier können die Multisamples voll punkten.
Dann gibt es noch den Loop-Start und das Loop-Ende, die festlegen, welche aufeinanderfolgenden Steps geloopt werden, solange die Sequenz gespielt wird. Was davor und danach liegt, entspricht dem Anschlagen und dem Loslassen einer Taste der Klaviatur. So lassen sich z. B. Samples bzw. Steps erzeugen, die nur am Anfang oder am Ende einer Sequenz gespielt werden. Die Länge der Sequenz wird hier ebenfalls festgelegt, bis zu 64 Steps kann sie lang sein.
Die Voice-Modi Wave-Cycle und Sequence sind weniger weitreichend als man anfangs denkt. Sie machen effektiv nur einen Unterschied, wenn Samples länger ausklingen als ein Step lang ist. Bei Sequenzen werden die Samples immer entsprechend (polyphon) gemäß ihrer One-Shot-Länge oder Hüllkurve abgespielt. Bei Wave-Cycle lässt sich mit dem W/C-Fade -Regler festlegen, wie lange die Überblendung zu dem nachfolgenden Samples dauert. Der Play-Modi CHORDS bedeutet die 1:1 Umsetzung einer Keyboard-Eingabe, bei BASS wird nur die unterste Note eines Akkords gespielt und ARP folgt den Einstellungen auf der ARPEGGIATOR-Seite.
Im TIMING-Panel wird die Notenlänge für jeden Step festgelegt, die von 1/16tel bis 8 Takte (64 Steps) reicht. Leider sind hier keine ungeraden Taktmaße verfügbar. Immerhin sind die Step-Längen farblich codiert und damit leicht im Sequencer erkennbar. Ein besonderes Augenmerk gilt hier dem Speed-Multiplizierer. Da jede Lane ihr eigenes Taktmaß hat, kann hier die Abspielgeschwindigkeit von Faktor 1.0 bis 16.0 verändert werden.
An lokalen Hüllkurven und Effekten stehen sowohl für jede der vier Lanes als auch für jeden ihrer 16 Sample-Slots ein Multimode-Filter mit ADSR-Hüllkurve und Effektanteil, eine ADSR-Lautstärkehüllkurve und ein LFO mit den Zusatzparametern Attack und Einschwingverzögerung zur Verfügung.
Der LFO moduliert dabei die VCF- und die AMP-Hüllkurve, wobei die VCF-Modulation (derzeit) nur für die Lane möglich ist, nicht für die Samples. An globalen Effekten gibt es Delay, Reverb, Chorus und einen 8-bandiger graphischen EQ. Der Effektanteil der einzelnen Lanes wird über die Send-Regler bestimmt. Der EQ kann nur direkt hinzugeschaltet werden.
Song und Performance
Die Performance-Seite ermöglicht die Kontrolle des Auslösestatus, der vier Lanes und ihrer Variationen ohne z. B. externes MIDI-Gerät benutzen zu müssen. Die Lanes und Variationen können taktsynchron oder frei um- bzw. stummgeschaltet werden. Dies sind im Übrigen auch die einzigen Funktionen (plus Joystick), die sich per MIDI steuern lassen. Spartanisch wie das Original.
Des Weiteren gibt es noch das Chord-Pad, das einer Erklärung bedarf. Hier können bis zu 12 Akkorde festgelegt werden, die bei Betätigung abgespielt werden. Eigene Akkorde werden mit dem ASSIGN-Taster, Halten des Akkords auf der Bildschirmklaviatur oder per MIDI-Keyboard und Auswählen des gewünschten Akkord-Slots eingegeben. Vorhandene Akkorde können über das Pop-up-Menü verändert werden.
Über diese 12 Akkorde wird auch die Song-Chain gefüttert. Ein Akkord wird in der Grundeinstellung vier Takte lang gespielt, was aber über den LENGTH-Parameter nach oben und unten angepasst werden kann. Etwas merkwürdig ist, dass die Song-Chain nur über die Akkorde erstellt werden kann und nicht einfach über Auswahl der Lanes und Variationen. EvolverFX kann während der Wiedergabe auch alle diese erzeugten Noten und Status ausgeben, die dann z. B. in einer DAW aufgenommen werden weiterverwendet können.
Das ausführliche interne Handbuch hilft über alle Idiosynkratien, welche die App leider hat, hinweg und gibt auch hilfreiche Tipps zum Einbinden von Samples und MIDI. Außerdem bietet der Browser von EvolverFX volle Unterstützung für das iOS-Dateisystem mit allen Drumherum und es gibt sogar einen eigenen HTTP-Browser zum Sichern und Austauschen der eigenen Daten.
Auf YouTube gibt es im Übrigen noch ein sehr gut gemachtes sechsteiliges Tutorial zu EvolverFX von Paul the Musicman:
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Genau das Richtige die endlose Wartezeit auf den Wavestate etwas erträglicher zu machen.
Um die Wartezeit auf den Wavestate zu verkürzen, reife man alternativ zu der Wavestation (egal welcher, der Hardware-Versionen), die man heute wirklich (bez. gebotener Leistung) günstig bekommt. Nicht desto trotz: Die hier vorgestellte App ist die knappen € 11,- allemal wert gekauft und benutzt zu werden.
Danke für den aufschlussreichen Testbericht.
@rauschwerk Man greife besser nicht zur SR-Version, die ist echt mies zu bedienen.
Besser die Wavestation AD nehmen.
@Michael Krusch Die SR hat die besseren DA Wandler. Zum ernsthaften editieren ist ein Software Editor sowieso bei allen hardware Modellen empfehlenswert.