Soundfonts auf dem iPad
4Pockets FontStack ist eine iOS/iPadOS App und ein AUv3-Plug-in zum Abspielen von SoundFont-2-Sample-Bibliotheken für iPad und iPhone. Auf dem Desktop erregt dieses Thema vielleicht nicht so viel Aufsehen, auf dem iPad jedoch gibt es nicht viele Apps, die SoundFonts handhaben können. Als einzige Alternative fielen mir spontan nur Bismarck BS-16i und VirSyn AudioLayer ein. Doch auch 4Pockets FontStack kann mit Features wie Disk-Streaming aus externen Ordnern und einer wohl organisierten Oberfläche punkten.
Kurz & knapp
- SoundFont-Support: Kreatives Arbeiten mit SoundFonts auf dem iPad.
- Disk-Streaming: Große Bibliotheken direkt von externen Speichern nutzbar.
- Layer & Scenes: Vier Layer und sechs Scenes pro Layer für flexible Setups.
- Gute Basis: Solide App mit modernen Features und Ausbaupotenzial.
Inhaltsverzeichnis
SoundFont 2
Sample-Bibliotheken sind die Grundlage vieler Musikproduktionen und erlauben das Benutzen von Klängen, die man nicht mal so eben mit einem Synthesizer erzeugen kann. Aber eben mal so z. B. eine Note, gespielt auf der Violine, aufzunehmen und dann über die MIDI-Klaviatur bis zu einer Oktave über oder unter der gesampelten Grundnote wiederzugeben, klingt nicht gut – oder zumindest nicht realistisch. Bei menschlichen Stimmen reicht das höchstens noch zur Lachnummer. Also muss (fast) jede Tonhöhe einzeln aufgenommen werden. Damit stellt sich dann automatisch die Frage der Organisation der Samples: Wie spiele ich die Samples ab, wie arrangiere ich sie auf der Klaviatur – und vor allem: In welchem Format reiche ich die Aufnahmen an andere weiter?
Genau um diese Probleme zu lösen, erfanden EMU Systems (die mit dem berühmten Emulator I und II bzw. dem SP-12 / SP-1200) und Creative Labs (die mit der SoundBlaster-Karte) im Jahr 1990 das SoundFont-Format. Die erste Version wurde jedoch nie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Erst mit Version 2.0 von 1996 war der Weg für das allgemeine Erstellen, Benutzen und Vertreiben von Sample-Bibliotheken im SF2-Format geebnet. Das Format wurde im Jahr 2005 mit Version 2.04 offiziell um 24-Bit-Samples erweitert.
Da nach den 1980er-Jahren nun auch die 1990er wieder in den Fokus der Musikproduktionen treten – wie z. B. mit pluggnb-Musik, die viel mit den Romplern der 1990er arbeitet – liegen 4Pockets mit FontStack wohl im aktuellen Trend. Denn die meisten SoundFonts stammen aus dieser Zeit. Zudem gibt es unzählige freie Bibliotheken zum Herunterladen, und Lo-Fi ist ja gerade auch wieder schwer angesagt.
4Pockets FontStack
4Pockets FontStack bietet vier unabhängige Layer, in welche die SoundFonts geladen werden können und die anschließend über drei Sektionen – MIDI Input Control, Layer Settings und Instrument Scenes – manipuliert werden können.
MIDI Input Control
In der Sektion MIDI Input Control können die MIDI-Eingaben entweder im OMNI-Modus an alle Layer geschickt werden – natürlich entsprechend sortiert nach MIDI-Kanal und Keyboard-Zone. Alternativ lassen sich die Layer auch solo spielen, d. h. alle MIDI-Eingaben gehen nur an die ausgewählte Ebene. Zusätzlich gibt es pro Layer eine Schnellzuweisung für das Mod-Wheel, mit der sich die Stärke der Effektanteile für Panoramabreite, Reverb, Delay, Chorus und Filter steuern lässt.
Layer Settings
Bei den Layer Settings wird es deutlich komplexer. Hier kann zunächst einmal der gewünschte SoundFont ausgewählt werden. Einige SoundFonts werden mitgeliefert, es können aber auch externe SoundFonts verwendet werden – und „extern“ bedeutet hier explizit die Unterstützung von USB- oder Thunderbolt-Massenspeichern (SSD). Diese Funktion nennt sich Remote Folder.
Dabei lässt sich über das Wirbel-Symbol sogar auswählen, ob die Daten physikalisch in das RAM geladen oder von der Disk gestreamt werden. Letzteres bedeutet, dass nur die gerade zum Abspielen benötigten Daten geladen werden. Das schont das RAM des iPads, erfordert jedoch mehr CPU-Leistung.
Neben den Einstellungen für Hüllkurven und Effektstärken ist bei den Layer Settings von 4Pockets Fontstack auch ein sehr praktischer Haas-Effekt eingebaut. Dieser psychoakustische Effekt beeinflusst die Stereobandbreite des Quellmaterials – und funktioniert sogar bei Monoquellen, sodass man sich darüber schon mal keine Sorgen mehr machen muss.
Haas-Effekt kurz & knapp
Der Haas-Effekt, auch Präzedenz-Effekt genannt, ist ein psychoakustisches Phänomen, bei dem zwei nahezu identische Klänge mit minimalem Zeitversatz (etwa 1–35 Millisekunden) so wahrgenommen werden, als kämen sie aus einer bestimmten Richtung. In der Musikproduktion wird dieser Effekt genutzt, um Monoquellen räumlicher wirken zu lassen, ohne sie tatsächlich in Stereo aufzunehmen. Das sorgt für mehr Breite im Mix, ohne Phasenprobleme zu verursachen.
Die vier Layer werden auf der Klaviatur in Zonen verteilt. Um das entsprechende Panel zu erreichen, wird einfach die Bedienoberfläche nach oben geschoben. Dort können die Layer per Ziehen in ihrem Notenumfang und ihrer Position auf der Klaviatur angepasst werden.
Instrument Scenes
Da SoundFonts nicht nur ein einzelnes Instrument, sondern auch ganze Instrumentensammlungen enthalten können – wie z. B. eine General-MIDI-Instrumentierung, Orchester-Cluster oder Drum-Kits – gibt es die dritte Sektion: die Instrument Scenes.
Diese Scenes können jeweils mit bis zu sechs Instrumenten aus einem SoundFont belegt werden. Mehr ist derzeit leider nicht möglich.
Alle Scenes liegen zwar auf demselben MIDI-Kanal wie das übergeordnete Layer, jedoch können die Keyboard-Zonen des Layers für jede Scene separat festgelegt werden. Das gilt übrigens auch für viele der Layer-Parameter, sodass sich beispielsweise unterschiedliche Varianten desselben Instruments spielen lassen – etwa in der Strophe ein leicht gefiltertes, verstimmtes Klavier, im Refrain ein helles, resonantes und im Solo ein Effekt-getränktes Setup. Die grundlegenden Effekteinstellungen gelten allerdings global für alle Layer – nur wie viel vom Klang in den Effektbus geschickt wird, lässt sich pro Scene einstellen.
Da nur ein MIDI-Kanal pro Layer zur Verfügung steht, ist die Begrenzung auf sechs Scenes durchaus nachvollziehbar – auf einer Klaviatur mit weniger als 88 Tasten wird es sonst schlicht zu eng für sinnvolles Zonen-Arrangement. Dennoch wäre es wünschenswert, die MIDI-Fähigkeiten deutlich auszubauen: idealerweise mit voller Unterstützung für alle 16 MIDI-Kanäle pro Port und der Möglichkeit, den einzelnen Scenes eigene MIDI-Kanäle zuzuweisen.
Mit Version 1.01 wurden AUv3-Multi-Outs hinzugefügt, was gerade bei einer Layer-basierten Architektur extrem sinnvoll ist, um die einzelnen Layer direkt in der DAW separat abgreifen zu können.
Vorbildlich ist auch die Verwaltung der SoundFonts gelöst. So werden etwa die Verzeichnisse externer Daten gecacht, was die Suche spürbar erleichtert und beschleunigt – da nicht jedes Mal alle Daten neu eingelesen werden müssen.
SoundFonts und RAM-Bedarf
SoundFonts können sehr groß sein – teilweise mehrere Gigabyte. Deshalb weist das interne, englischsprachige Handbuch von 4Pockets FontStack ausdrücklich auf die RAM-Limitierungen für Apps auf dem iPad hin. Diese hängen vom jeweiligen Modell ab und liegen meist irgendwo zwischen 3 und 6 GB, die einer App zur Verfügung stehen.
Verwendet man mehrere AUv3-Plug-in-Instanzen, kann man also recht schnell an die Speichergrenze stoßen. Hier heißt es also: „Augen auf!“ – besonders beim Laden größerer Bibliotheken. 4Pockets empfehlen daher, SoundFonts unter 500 MB zu halten.
Im Handbuch finden sich zudem hilfreiche Links zu einer Reihe freier SoundFont-Archive, über die sich Material direkt aufs iPad laden lässt – ein praktisches Extra für den schnellen Einstieg.
Hallo Markus,
danke für den interessanten Artikel!
Ich bin ja durchaus ein Fan von Soundfonts (biete auch selbst ein Multiplattform-DAW-Plugin dafür an), und finde es natürlich prima, wenn sie auf diversen Plattformen verfügbar gemacht werden.
Man muss natürlich sehen, dass Soundfonts einige Nachteile haben (z.B. kein Round-Robin, fehlende Keyswitches, keine Samplekompression etc), aber es ist insgesamt ein recht leistungsfähiges und durchdachtes Format.
Wenn man Soundfonts intelligent bearbeitet, dann kann man mit den Platzrestriktionen der App von z.B. 500MB wunderbar klarkommen. Die Restriktion auf sechs parallele Instrumente ist aber dürftig, da teile ich Deinen Wunsch nach der vollen 16-Kanal-Unterstützung.
Und man sollte mal sehen, wie gut der von Dir zitierte Soundfont-Standard von der App implementiert wird: da gibt es oft ziemliche Defizite (z.B. bei Modulatoren). S. Christian Collins hatte dazu vor Jahren einen interessanten Vergleichstest, und der war doch recht ernüchternd…
Gruß
Fredi
@Fredi Hi Fredl,
freut mich, dass der Artikel gefällt.
die 500 MB sind ja nur ein Richtwert, da 500MB x6 = 3GB = die RAM-Größer der normalen, älteren iPads. Das ist natürlich recht konservativ und bei Streaming ist das auch eher unrelevant.
Im übrigen habe ich auch gesehen, dass die meisten 4Pockets Apps auch für den Mac verfügbar sind.
greetz,
Markus