Mathematische Sequenzen im Eurorack
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Das Unternehmen Acid Rain Technology stammt aus Seattle, USA, und hat bislang ein überschaubares Portfolio an Produkten auf dem Markt. Mit dem Modul Maestro überraschte ART, denn es ahmt Automationsverläufe von DAWs in der Eurorack-Welt nach. In optisch sehr ähnlicher Anmutung ist nun Constellation erhältlich, ein vielversprechender Pattern-Generator.
Acid Rain Technology Constellation reiht sich in die Riege der euklidischen Sequencer in der Eurorack-Welt ein. Die Besonderheit bei euklidischen Sequenzen ist die mathematische Verteilung und die Rotation der Sequenzschritte, was zu interessanten polyrhythmischen Variationen führt. Insgesamt beschreitet dieses Modul, beziehungsweise dessen Entwickler, einen sehr interessanten Weg.
Also: Hefte raus! – Klassenarbeit in Algebra!
Oberfläche und Bedienung
Acid Rain Technology Constellation kommt in einem matten Schwarz ins Eurorack und macht es sich auf 28 TE Platz bequem. Das ist zwar nicht gerade schlank, bietet dafür im Gegenzug jedoch ausreichend große Taster, die sich gut bedienen lassen. Das Modul ist mit 25 mm erfreulich flach in der Einbautiefe und kommt somit vermutlich mit den meisten Cases klar.
Die Oberfläche wirkt gut aufgeräumt und die Funktionen sind logisch zueinander angeordnet. Insgesamt befinden sich auf dem Panel 37 weiße beleuchtete Drucktaster, die einen deutlich (aber nicht unangenehmen) klickenden Druckpunkt aufweisen. Diese werden durch einen Push-Encoder ergänzt. Werteinformationen liefert ein dreistelliges LED-Display. Das sind die wesentlichen Bedienelemente des Moduls.
Auch die Beschriftung des Moduls ist gut lesbar, zumal die weiße Schrift sich gut vom schwarzen Hintergrund absetzt und durch die stets weiß leuchtenden Taster die Buchstaben gut reflektiert. Zumindest so lange keine oder wenig Patch-Kabel angeschlossen sind.
Denn, was ich nicht so gut gelöst finde, ist die Position der CV-Inputs und Trigger-Outputs. Diese befinden sich im oberen Drittel des Moduls. Die angeschlossenen Patch-Kabel fallen erstmal direkt über die Bedienoberfläche und das Display. So lässt sich das Modul zum einen umständlich bedienen und zum anderen sind die Funktionen nicht gut lesbar. Klar, ich kann die Kabel zusammenbinden und seitlich oder oberhalb wegführen. Ich persönlich hätte eine Positionierung der Anschlussbuchsen im unteren Bereich des Moduls als besser empfunden.
Auf der Bedienoberfläche befinden sich in der unteren Tastenreihe die Kanäle, dargestellt mit den römischen Ziffern I-VIII. Darüber befinden sich für jeden Kanal die Patterns P1-P8. Für jeden Kanal können die Patterns entsprechend ausgewählt werden oder anhand einer Kombinatorik automatisch durchwechseln. Dazu später mehr.
In den beiden oberen Reihen befinden sich die Funktionstasten der Parameter.
Acid Rain Constellation: It’s all about rhythm
Constellation verfügt über insgesamt 8 Kanäle, die Trigger- und Gate-Signale ausgeben. Allein durch die Anzahl an Ausgängen lässt sich z. B. ein ordentliches Drumkit ansteuern. Und jeder Kanal spielt bis zu 8 Patterns gleichzeitig.
Acid Rain Technology verfolgt dabei den Ansatz, die Steps einer Sequenz aus mehreren Parametern abzuleiten. Im Klartext heißt das, es gibt keine Lauflicht- oder Step-Programmierung wie bei klassischen Sequencer-Konzepten. Das Prinzip erinnert mich in diesem Fall eher an das Modul Euclidean Circles V2 von VPME.
Es werden also nicht gezielt Trigger programmiert, sondern nach mathematischen Mustern gesetzt. Das inspiriert auf der einen Seite und lässt andererseits nicht zu, gezielte Trigger nach Belieben zu setzen. So entstehen aber auch erst die interessanten, polyrhythmischen Patterns – echte Maschinenmusik eben.
Bedienung des Eurorack-Sequencers
Im Einschaltzustand befindet sich Constellation im Edit-Mode. Pro Kanal kann zunächst Grundlegendes entschieden werden: Wie viele Trigger/Gate-Signale pro Kanal und Patterns sollen ausgegeben werden? Der Wert kann logischerweise maximal so hoch sein wie die Pattern-Länge. Es folgen Parameter wie Divide zur Zählerteilung und Length für die Pattern-Länge. Ein Pattern kann bis zu 999 Schritte lang sein.
Rotate ändert die Schrittposition eines Triggers auf der Zeitachse. Die Pulsbreite eines Gate-Signals lässt sich in Relation zum Tempo zwischen 0 % und 100 % einstellen. In der Maximalstellung blenden Gates in den benachbarten Impuls über und ermöglicht das Spielen eines längeren Signals.
Soweit, so theoretisch. In der Praxis bedeutet es: Drücke einen der Parameter und drehe den Encoder. Push – Turn – Repeat. Und in Sekundenschnelle entstehen Sequenzen. Das klingt gut.
So können zum Beispiel die Parameter in einer grafischen Umsetzung aussehen:
Dies veranschaulicht ziemlich gut den grundsätzlichem Aufbau eines Kanals und eines Patterns und es lassen sich sehr zügig polyrhythmische Sequenzen erzeugen.
Aber es geht ja noch weiter. Abgerundet wird die Erstellung von Patterns durch Ratcheting, Bursts und Wahrscheinlichkeitsbeeinflussung für mehrere Parameter. Hier veranschaulicht in einem Ausschnitt aus dem verständlich geschriebenen, englischsprachigen Benutzderhandbuch:
Jeder der acht Kanäle verfügt über einen CV-Modulationseingang. Diese Eingänge sind bestimmten Parametern frei zuweisbar, zum Beispiel diejenigen, die auch in Tastenfunktion vorliegen. Also beispielsweise Divide, Length, Events oder Rotate. Wenn man all diese Variationsmöglichkeiten zusammen nimmt, findet die Abwechslung anscheinend kein Ende.
Kanallogik
Alle Patterns innerhalb eines Kanals können miteinander nach Boolescher Logik kombiniert werden. Wer hierzu einen tieferen Einblick oder eine kleine Auffrischung braucht:
Beim Constellation Modul werden die drei Verknüpfungsoperatoren AND, OR und XOR verwendet. Nach diesen Logiken werden die Patterns eines Kanals miteinander in Beziehung gesetzt, was zu immer neuen Kombinationen führt.
Acid Rain Technologys spricht in diesem Zusammenhang von Events im Status „high“ oder „low“. Damit ist zum Beispiel gemeint, dass wenn in allen aktiven Patterns eines Kanals zur selben Zeit ein Trigger gesetzt ist, wird der Status auf „high“ gesetzt und ein Triggerimpuls am Ausgang generiert, bis zum nächsten „high“ Event.
Clock
Das Constellation Modul verfügt über eine interne zentrale Taktung und es können ebenso Clock-Signale von außen zugeführt werden. Das Tempo wird in Beats per Minute angegeben. Ein zentraler Swing-Faktor zwischen 50 und 90 % sorgt bei Bedarf für den nötigen Groove.
Jeder Kanal verfügt zusätzlich über eine eigene Clock in Relation zur Masterclock. Über Divide und Ratchet kann die Kanaluhr auf eigene Werte gesetzt werden. Eine Delay-Funktion erlaubt es, jeden Kanal im Mikrotiming zu verschieben. Dies ist dann schon sehr speziell.
Das Modul ist für externe Reset-Befehle empfänglich und verfügt über eine eigene Reset-Funktion.
Spielhilfen
Constellation bietet jede Menge Speicherplatz für Patterns. Kanaleinstellungen lassen sich auf 20 Speicherplätzen pro Bank unterbringen. Insgesamt können 999 Bänke gespeichert werden. Es sollte wohl kaum zu Platzproblemen kommen. Gespeichert wird auf einer Micro-SD-Card, über die auch Updates eingespielt werden.
Über die Taste „Live“ gelangt man in den Live-Mode des Moduls. Denn eine der großen Stärken des Moduls ist der Live-Betrieb. Constellation spielt zunächst das zuletzt ausgewählte Pattern. Über die 20 Tasten in den mittleren zwei Tastenreihen können Patterns dazwischen gefeuert werden, solange der jeweilige Taster gedrückt ist. Mit Druck auf „Load“ begibt man sich in den Latch-Modus und kann von Pattern zu Pattern schalten.
Kanäle können im Live-Mode über die Kanaltasten stummgeschaltet werden. Dies ist auch im Edit-Mode der Fall.
Constellation macht im Gesamtpaket betrachtet viel Spaß! Insgesamt lässt sich das Modul schnell und flüssig bedienen, wenn man sich ein wenig auf die Bedienphilosophie eingerichtet hat.
Bei mir fallen keine Kabel über das Display da das Modul direkt vor mir liegt und die Kabel nach oben brav Platz machen. Wären die Buchsen unten wäre das störend. Um beiden Varianten gerecht zu werden müssten sie an der Seite sein. Tolles Modul!
Hallo Gerhardt,
Herzlichen Dank für deinen interessanten Test Bericht. Ich kannte der Constellation noch nicht und habe mir den vorgemerkt!
Ich bin dir einig das die Kabel-Anschlüsse bei (Eurorack) Modulen unten sein sollten da ja die meisten Racks senkrecht benützt werden und somit automatisch Schwerkraft-bedingt die Kabeln nach unten abhängen.
Obwohl ich kein Freund bin von das hier folgende Idee, könnte das für dich eventuell eine Lösung sein: Nach eine Einlernzeit und man das Modul fast auswendig kennt, könnte man sich überlegen das Modul 180 Grad um zu drehen und es dann im Rack schrauben damit halt die Buchsen unten sind…
Noch mal vielen Dank, viel Spaß mit dem Modul und viele Grüße, Garfield.