Die Zukunft war gestern heute
Aly James Lab Syncussion SY-4X vom Renaissance Man Aly James ist ein Software-Plug-in des Pearl Syncussion SY-1 auf Steroiden. Im Interview hier auf AMAZONA.de erklärte der DSP-Autodidakt zum jetzt fertigen Drum-Synthesizer Plug-in:
„Als nächstes kommt der Syncussion SY-4X, dieser ist für echte Drum-Synthesizer-Fans. Ich nehme den legendären Pearl Syncussion SY-1 und drehe ihn auf elf.“
ANZEIGE
Genau dieser ist nun auf der Website von Aly James Lab erhältlich und wir wollen uns einmal ansehen, was „drehe ihn auf elf“ in diesem Fall genau heißt.
Inhaltsverzeichnis
Installation und Bedienungsanleitung
Nach dem Kauf über den Service SendOwl wird eine E-Mail mit dem Download-Link und der Lizenznummer an den Kunden verschickt. Beim ersten Aufruf wird diese abgefragt und schaltet dann den Aly James Lab Syncussion SY-4X frei. Lauffähig ist der Drum-Synth ab macOS 10.14 bzw. Windows 10 in den Varianten VST3 und AU. Der Preis beläuft sich auf 51,- Euro.
Zum Aly James Lab Syncussion SY-4X gehört eine ausführliche englischsprachige Anleitung, in der auch auf die Feinheiten des ungewöhnlichen Filterdesigns eingegangen wird. Und da der Drum-Synthesizer auch ein komplexes System bietet, um die Drums tonal spielen zu können, sind die Ausführungen dazu sehr willkommen. Danke auch für das verlinkte Inhaltsverzeichnis.
Oberfläche und Preset-Verwaltung des Aly James Lab Syncussion SY-4X
Die Oberfläche des Plug-ins präsentiert sich in einem Mix aus Fotorealismus und moderner flacher Darstellung und ahmt unverkennbar das Antlitz des Originals Pearl Syncussion SY-1 nach. Die obere Leiste ist u. a. für das Aufrufen der verschiedenen Sektionen
- Main,
- Set,
- Matrix,
- Map und
- Presets zuständig.
Dort finden sich auch die Anzeige für das aktuelle Preset und die aktuell gespielte Stimme. Auch zwischen den vier vollständig voneinander unabhängigen Syncussion-Modulen, die aus je zwei eigenen Drum-Synth-Stimmen bestehen kann hier umgeschaltet werden. Leider saufen die virtuellen LED-Taster in dem Schwarz ab und sind kaum zu erkennen.
Jedes Modul hat seine eigene Akzentfarbe: orange, gelb, türkis und lila unterscheiden die Module. Obwohl ich bei einem Full-HD-Monitor den Aly James Lab Syncussion SY-4X als groß genug empfinde, könnte es bei 4k-Monitoren eng werden, da es leider kein skalierbares GUI gibt.
Die Preset-Verwaltung zeigt einfach nur die Presets im Ordner auf der Festplatte an und es gelang mir auch nicht, durch eine Unterordnerstruktur eine übersichtliche Ordnung zu schaffen. Da es keine Suchfunktion, Schlagworte oder Favoriten gibt, ist dann auch die Suche entsprechend mühsam, wenn sich die Presets häufen. Für die nächste Revision ist aber bereits ein Ausbau der Preset-Verwaltung angekündigt. Immerhin können ganze Bänke im- und exportiert sowie Presets von beliebigen Orten geladen werden.
Bedienung des Drum-Synthesizer Plug-ins
Die Bedienung des eigentlichen Drum-Synthesizers ist recht selbsterklärend. Pro Drum-Stimme, die hier „Channel“ (Kanal) genannt wird, gibt es vierzehn Regler und sechs Schaltelemente – auch an einen Trigger-Button und -Anzeige wurde gedacht. Auf die einzelnen Bedienelemente möchte ich später eingehen. Alle Regler auf der Oberfläche zur Klangerzeugung können mit einer MIDI-Learn-Funktion bestimmten MIDI-CCs zugewiesen werden.
Auf der Map-Seite können die auslösenden MIDI-Noten festgelegt werden, wobei Kanal 6 einen Choke-Modus besitzt und so für HiHat-Sounds prädestiniert ist. Vor allem, da eine der Trigger-Noten den Decay-Wert des Kanals um einen festgesetzten Wert länger macht – eine Open-HiHat also.
Die Standard-Drum-Map orientiert sich am GM-Standard, kann aber über eine Learn-Funktion neu belegt werden. Diese ist dann für alle Instanzen des Drum-Synthesizer Plug-ins speicherbar. Bei Bedarf kann aber auch die Standard-Map wieder hergestellt werden.
Aly James Lab Syncussion SY-4X besitzt Einzelausgänge, wobei jedem Drum-Modul einem Stereokanal zugewiesen wird.
Sehr interessant ist die Matrix-Seite, die aber nur als Platzhalter für eine spätere Entwicklung steht. In der Anleitung findet sich dazu die orakelnde Aussage: Platzhalter für eine zukünftige Cross-Modulationsmatrix zwischen den Drum-Kanälen – ich freue mich drauf.
Die Abteilung mit den Einstellungen hat es in sich. Hier wird nicht nur das Verhalten auf eingehende Velocity-Werte eingestellt, sondern auch globale Einstellungen für das Oversampling (maximal 16-fach) und den Berserk-Modus. Dabei wechselt die Farbe des GUI auf weiß. Dieser Modus verpasst der Aly James Lab Syncussion SY-4X entweder ein Drive-Effekt vor dem Filter-Modul jeder Drum-Stimme oder einen Bitcrush-Effekt hinter dem Filter. Die Stärke kann auch hier eingestellt werden, gilt allerdings für alle Stimmen. Eine einzelne Zuweisung ist leider nicht möglich.
Auch der Oszillator-Trigger-Reset, der in Hardware-Geräten oft als Modifikation eingebaut wird, kann global aktiviert werden. Dieser bewirkt, dass die Oszillatoren bei jedem Triggern komplett neu gestartet werden und so immer die gleiche Phase haben. Das sorgt wiederum für einen vorhersagbaren Klang.
Die Einstellung S&H Voltage Level wird vor allem mit dem Pitch-Scaling System-interessant. Dort bestimmt es, wie weit die einzelnen Töne des S&H-Prozessors auseinanderliegen. Dieser greift seine virtuellen Tonhöhen aber nicht von einer Noise-Quelle, sondern vom Dreiecks-LFO des jeweiligen Drum-Synths ab. Das führt dann zu auf- und absteigenden Sequenzen, basierend auf der Speed-Einstellung des LFOs und der eingehenden Trigger-Noten. Das Ergebnis sind einfache zyklische Melodien. Hier ein Beispiel mit verschiedenen Speed-Einstellungen.
Jedes Modul des Aly James Lab Syncussion SY-4X, das ja aus zwei Drum-Synthesizern besteht, besitzt eine Notenquantisierung, die im Zusammenhang mit der S&H-Funktion und der Keyboard-Pitch-Kontrolle zum Einsatz kommt. Bestimmt der S&H-Generator die Basistonhöhe, kann er dieses also auch quantisiert tun. Zur Auswahl stehen nicht nur bekannte und exotische Skalen, sondern auch Mikrotonales in Form von Vierteltonabständen oder 19 Tone Equal Temperament (19-TET).
Aufbau eines Drum-Kanals in Syncussion SY-4X
Die fotorealistischen Regler auf der Oberfläche entsprechen denen der Hardware-Vorlage Pearl SY-1:
- Oszillator Mode
- Tune
- Decay
- Width
- Sweep Speed
- Sweep Range
- Sweep Up/Down
- LFO Speed
- LFO Depth
- LFO Tri/Square
- S&H On/Off
Hinzugekommen sind zwei neue Oszillator-Modes G und H, die verschiedenen Verschaltungen der Synthesekomponenten OSC1, OSC2, ENV2, Noise und Filter entsprechen; dazu passend ein Mode-Trig, der dafür sorgt, dass bei jeder eingehenden Trigger-Note ein anderer Oszillator-Mode gewählt wird und ein Randomize-Button, der einen zufälligen Mode auswählt. In der LFO-Sektion befindet sich dann noch die Option den LFO des Aly James Lab Syncussion SY-4X mit dem Host-Tempo zu synchronisieren.
Dabei fällt ein Missstand auf: Es gibt hier keinerlei Werteangaben in Form von Noten-Teilern. Überhaupt hat keiner der Parameter eine numerische Repräsentation. Da die einzelnen Modes teilweise recht feinfühlig auf minimale Verstellungen reagieren, würde ich das aber bevorzugen. Sweet-Spots sind so schwer wiederzufinden.
Auf der rechten Seite befinden sich die erweiterten Parameter, die die Aspekte des modellierten Schaltkreises direkt beeinflussen. So z. B. „CMOS“ für die Asymmetrie der von den Oszillatoren erzeugten Schwingungsformen (und damit deren Obertongehalt) oder „Spread“, der für die Platzierung der beiden Filter-Peaks der LP-Filter zuständig ist.
Der Effekt ist vor allem im Noise-Modus hörbar, hat aber nichts mit Vokalfiltern zu tun. Es ist eher, wie scharf oder weich das Filter klingt, wenn die Resonanz aufgedreht ist.
Was ich schmerzlich vermisse, vor allem im reinen Stereo-Betrieb, ist ein Mischer. So muss jede Lautstärke auf jeder Modulseite einzeln angepasst werden und Panorama-Regler gibt es auch nicht. Sicherlich ist der Weg über die Einzelausgänge machbar, aber eben manchmal nicht das, was man braucht.
Hold bestimmt eine längere Öffnungszeit der Lautstärkehüllkurve. Zusammen mit dem Decay-Regler können so anhaltende Töne erzeugt werden, was für das tonale Spielen im Keyboard-Mode sinnvoll ist.
Mit Offset und Tune für Oszillator2 kann vor allem das Verhalten in FM-Modes beeinflusst werden. Damit geht auch die Einstellung „OSC1 & 2 Tuning Sync“ in den Haupteinstellungen einher, die dafür sorgt, dass die genau modellierten ungenauen analogen Oszillatoren stimmstabil bleiben. Nur so kann die FM vorhersagbare Ergebnisse liefern.
Wie klingt Aly James Lab Syncussion SY-4X?
Generell hat der Aly James Lab Syncussion SY-4X diesen Charme, bei dem man denkt: „Ach so haben sich die Leute vor 50 Jahren die Zukunft vorgestellt.“ Der Klang einer originalen SY-1 trifft der Drum-Synthesizer sehr gut. Alleine schon die kleinen Erweiterungen wie andere Hold-Zeiten für die Hüllkurve oder die Synchronisation des LFOs machen aber einen großen Unterschied.
Von knackig kurz bis Sustain reicht die Bandbreite und alles klingt authentisch, kann aber auch durch die erweiterten Einstellungen im Vergleich zur Hardware eine größere Palette abbilden.
Beim tieferen Eintauchen entpuppt sich der Aly James Lab Syncussion SY-4X als echtes analoges Drum-Wunder. Dafür sorgt unter anderem die Mode-Trigger-Funktion, die aus einer Stimme quasi acht macht, da die gleichen Reglereinstellungen bei verschiedenen Oszillator-Modes eben anders klingen.
Nun sind aber sogar insgesamt vier Module mit zwei Kanälen vorhanden, alles MIDI-Learn-fähig oder über die DAW-Automation beeinflussbar. So können über den Keyboard-Mode Noten gespielt werden wobei andere Module den Beat machen.
Innerhalb des Drum-Synthesizer-Kosmos ist mir jetzt kein Plug-in bekannt, das so komplexe analoge Drum-Klänge mit doch recht einfachen Mitteln erzeugen kann. Aber auch Bleep-Bloop kann der Gute.
Vom Clipper hätte ich mehr erwartet, der geht für meinen Geschmack einfach nicht aggressiv genug zur Sache.
Die Plug-in-Programmierer haben es freilich zunehmend schwerer – in einer Zeit, in der die Preise für entsprechende Hardware langsam, aber unaufhörlich in Richtung Preise für Software sinken. Zudem braucht Hardware keine Updates und übersteht mit Sicherheit einige bewusst herbeigeführte Inkompatibilitäten mit „modernisierten“ Betriebssystemen der Plugin-Hostrechner.
@Aljen Da ist aber ja auch noch die Frage nach dem Platz auf dem Studiotisch. Weiterhin benötigt neue Hardware auch wieder Inputs (Mixer/Soundcard). Neue Hardware muss daher bei mir wirklich gut begründet sein. Eine gute Softwarealternative hat mE. durchaus noch seine Berechtigung.
Abgesehen davon hat man hier 4 Syncussions in einem :)
@Aljen Es gibt genügend Leute die nur Software oder Hard- und Software oder nur Hardware nutzen. Das größte Problem der Plugin-Programmieren ist die zunehmende Marktsättigung und Vergiftung von belanglosen Plugin Kopien die Plugin Boutique & Co fluten.
Durch und durch danke ich für Deinen Bericht und kann sowohl alle von dir benannten Plus- als auch Minuspunkte bestärken!
Der SY-4X klingt wirklich sehr gut und ist ein gute altenative wenn man keine Hardware kaufen will.
Der Behringer Syncussion Sy-1 klingt in meinen Ohren schon noch etwas besser aber der SY-4X kann dafür viel mehr und ist als Software alternativlos.
Ich kann ihn nur empfehlen.
Also das Nichtvorhandensein einer Demoversion wäre mir schon einen Minuspunkt wert gewesen…
Schade , so hat es mein Audio Damage Axon3 nichts zu befürchten:)
@harrymudd Der Audio Damage – Axon 3 ist mehr auf Basis des Zufallsprinzips mit dem neuronale Netzwerksequenzer programmiert und nutzbar. Somit kann man das nicht mit SY-4X vergleichen. Dazu sollte man auch erwähnen, dass die Zielgruppen von Audio Damage und Aly James Lab nicht die gleichen sind. Besonders die Roots von Aly sind ganz andere. Er ist ein genialer Funk Musiker der Instrumente für seine Bedürfnisse programmiert.
PS: Aly ist ein äusserst freundlicher und fairer Mensch. Sollte dir das Instrument wirklich nicht gefallen, dann bekommst Du in der Regel dein Geld zurück (sollte unmittelbar zeitnah sein). Frag ihn, er antwortet dir unmittelbar.
@Round Robin hi, es ging mir nicht um den Sequenzer sondern um die klangliche Verwandschaft der beiden.
Ich finde es nur schade, dass der Hersteller keine Demoversion anbietet.
Und da ist Audio Damage auch ein gutes Beispiel für: früher hatten die auch keine und mittlerweile bieten sie welche an.
Und besonders kundenfreundlicch ist diese Art, erst einmal zu bezahlen und bei Nichtgefallen oder anderer Probleme eine Rückerstattung anzufordern, auch nicht gerade.
@harrymudd Ich verstehe was Du meinst. Aber ich kann Aly insoweit nachvollziehen, weil er wirklich ein ganz kleines Unternehmen ist. Aber bei ihm wirst Du nicht enttäuscht. Du bekommst das was Du tatsächlich hörst.
https://soundcloud.com/alyjameslab/sets/sy-4x-syncussion-vst
Ich war schon immer sehr zufrieden mit seinen Produkten.
schöner Test, hat mich nun überzeugt! :)