Sequencer mit variablen Pattern
Analogue Solutions Generator ist nach etlichen Irrungen und Wirrungen (das Gerät wurde zwischenzeitlich in Amsterdam angetroffen, offensichtlich unter Einfluss von Substanzen) endlich bei mir angekommen und ist seit Langem der erste analoge Sequencer, den ich teste.
Das ziemlich genau 19 Zoll breite und 3 HU tiefe Sequencer-Brett macht schon mal durch seine durchgängige Verarbeitung in Metall eine gute und robuste Figur. Mit diesen Maßen kann man es auch wunderbar in ein Eurorack schrauben, wozu man es allerdings aus seiner Wanne befreien muss. Um den Analogue Solutions Generator tatsächlich in ein Eurorack zu integrieren, muss man allerdings noch die Steckerpins ein- und die 12 Volt Buchse auslöten.
Dabei bedeutet eine Höhe von gerade mal 2,7 cm die perfekte Erreichbarkeit, wenn das Gerät vor (Laptop) oder hinter (Desktop) der Tastatur platziert wird. Die vier Gummifüße sind dabei mit 0,5 cm hoch genug, so dass das Tastaturkabel darunter verschwinden kann.
Was ist so speziell an einem analogen Sequencer? Nun, zunächst werden die Spannungen tatsächlich direkt von den Potis abgegriffen. Und dann gibt es eben keine digitale Steuerung (abgesehen von der Clock), was automatisch bedeutet, es können keine Presets gespeichert werden (Hallo Patch-Sheet!). Warum diese und andere Einschränkungen auch die Stärke des Analogue Solutions Generator darstellen, wird sich noch zeigen.
Analogue Solutions Generator – die nackten Tatsachen
Der AGS ist ein analoger Sequencer mit drei Reihen zu sechzehn Steps. Jede dieser Reihen gibt eine Steuerspannung von 0 bis 5 Volt aus. Allerdings gibt es nur einen Gate-Ausgang (5 Volt), der zwar gedoppelt ist und auch invertiert vorliegt, es bleibt jedoch bei einem Gate-Signal. Die drei Reihen sind also konzipiert, um zusammen eine Sequenz zu spielen. Die Anzeige der gesetzten sowie des gerade aktiven Steps wurde optisch schön gelöst. Es blinken nämlich keine kleinen 3 mm LEDs, die meistens hinter den Knöpfen verschwinden, sondern die Achsen der Potis selber leuchten. Kombiniert mit teilweise durchsichtigen Potikappen ergibt das eine erfreulich frische und übersichtliche Art der Lauflichtdarstellung.
Die erste Reihe (A) stellt die CV-Werte für den Ausgang A ein. Die dritte Reihe (C) hat ihren eigenen CV-Ausgang und zeigt darüber hinaus an, welcher Step gerade aktiv gespielt wird; die zweite Reihe (B) hat auch ihren eigenen CV-Ausgang und zeigt das eigentliche Gate Pattern an. Natürlich liegen an den CV-Ausgängen auch Spannungen an, wenn das entsprechende Gate nicht aktiv ist. Jede der drei CV-Reihen lässt sich über einen eigenen Transpose-Eingang transponieren. Dass hier mehr Potential schlummert als nur eine einfache Tonhöhenänderung, muss man sich aber erst mal klar machen. Da diese Eingänge rein analog aufgebaut und nicht quantisiert sind, ist es eben auch kein Problem, als Transpose-Signal einen VCO anzuschließen, der die ganze CV-Reihe dann FM-moduliert. Als ich das erst Mal entdeckt hatte, war ich dann gleich mal 2 Stunden im FM-Wunderland spazieren – war schön da.
Gate-Eingabe mal anders beim Generator
Nun kommt eine weitere Besonderheit des Analogue Solutions Generator ins Spiel, die dem einen Benutzer gefallen, den anderen Benutzer wohl dankend abwinken lassen wird – man kann die Gates nicht direkt selber eingeben. Die Eingabe des Gate-Patterns geschieht über vier Potis, die unterhalb der CV-Reihen liegen. Angenommen wir takten den Sequencer auf eine eintaktige Sechzehntel-Sequenz. Dann repräsentiert das erste Poti alle Sechzehntel, die auf den ganzen Zählzeiten (1, 2, 3 und 4) liegen. Durch Drehen des Potis kann man nun alle sechzehn möglichen Variationen für diese vier Stellen einstellen.
Die anderen drei Potis sind dann für die restlichen 16tel-Positionen (also die „unds“ und „undunds“ und etc.) im Takt verantwortlich. Klingt kompliziert? Ist es aber nicht und de facto kann man so alle 65.536 möglichen Gate-Pattern einstellen. Etwas nerdig, aber effektiv. Vor allem beim Improvisieren kommt man auf interessante Variationen, die einem so wohl nicht direkt eingefallen wären. Um eine schnelle Eingabe zu ermöglichen, wurde hier auf gerasterte Potis verzichtet. Diese hätten das Auffinden einer bestimmten Position enorm erleichtert. Nach einer Weile hat man aber die Stellungen ganz gut „im Gefühl“.
Über zwei weitere Potis kann man Start- und End-Steps des Pattern einstellen. Überkreuzt man diese, so dass der Stop-Step vor dem Star-Step liegt, so stoppt die Wiedergabe nicht, sondern es entsteht ein Lücke in der Mitte des Patterns.
Diese Loop-Punkte werden durch schwaches Leuchten in der zweiten CV-Reihe dargestellt. Leider werden sie deswegen oft von aktiven Gates verdeckt; besser wären sie meiner Meinung nach in der untersten CV-Reihe untergebracht, wo das Licht sowieso ständig läuft. Toll wäre auch gewesen, könnte man diese wichtigen Steps über CV verstellen – leider geht das nicht.
Analogue Solutions Generator: Die Sache mit der Intensität
Nun hat sich Analogue Solutions noch was Besonderes einfallen lassen. Über den Eingang INTENSITY (0 bis 5 Volz) kann man zum bestehenden Gate-Pattern festgelegte Gate-Pattern addieren. Es stehen fünfzehn Variationen zur Auswahl. Der FILL-Eingang macht das Gleiche, beschränkt sich jedoch auf die letzten vier Steps des Gate-Pattern. Eine interessante Sache für spontane Eingriffe und auch sehr gut über den Voltage Generator zu bedienen.
Der Voltage Generator, ein Multifunktionswerkzeug
Bevor nun die Ein- und Ausgänge und deren besondere Eigenschaften genauer betrachtet werden, schauen wir uns den Voltage Generator an. Dieser erfüllt gleich mehrere Funktionen. Zum einen sind die Dreiecke drucksensitiv (in dem Sinne, dass bei mehr Druck auch mehr Fleisch das Dreieck berührt). An einem eigenen CV-Ausgang kann dann eine Spannung bis 5 Volt abgegriffen werden. Jede Berührung erzeugt auch einen Gate-Impuls, wieder mit eigenem Ausgang. Ein dritter Ausgang gibt dann eine bestimmte Steuerspannung für eine der sechs Positionen aus, die am korrespondierenden Poti eingestellt wird. Zusätzlich zu diesem kontinuierlichen CV-Ausgang gibt es noch zwei quantisierte CV-Ausgänge, die der V/Okt-Skala gehorchen und auf Halbtöne quantisiert sind.
Aber warum sind aber auch hier Leuchte-Potis verbaut? Einer der Kippschalter ganz unten am Gerät ist mit END PULSE VG CLOCK beschriftet. Ist dieser aktiv, wird aus dem Voltage Generator ein Mini-Sequencer, der immer nach Vollendung eines Patterns einen Step weiterschaltet. Dabei werden jedoch nur vier der sechs Spannungen in der Sequenz verwendet. Das lässt die restlichen zwei für weitere Eingriffe frei. Diese Funktion kann man z. B. dazu nutzen, eine der 3 CV-Reihen in einer viertaktigen Sequenz jeden Takt anders zu transponieren. Gut zu sehen im Video.
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Wichtig für den Live-Einsatz: Hält man eine der ersten vier Dreiecke, so springt die Sequenz dort hin und bleibt dort stehen. Danach fährt die Sequenz mit dem nächsten Step fort. Drückt man Dreieck Fünf oder Sechs, fängt die Sequenz danach bei Eins an.
Die letzte Funktion des vielseitigen Voltage Generators ist Freeze. Wenn aktiv, dann hält die Sequenz beim aktuellen Step an und wiederholt diesen, samt Gate.
Analogue Solutions Generator: Eine Sequencer-Kette geht um die Welt
In der recht locker geschriebenen englischsprachigen PDF-Anleitung wird auch angedeutet, dass mit der nächsten Funktion theoretisch eine Analogue Solutions Generator-Kette rund um den Globus realisiert werden könnte. Aktiviert man die IMPULSE-Funktion, so gibt der Sequencer am Ende der Sequenz ein Gate-Signal am END-Ausgang ab und bleibt dann beim ersten Step wieder stehen. Bekommt er dann ein Signal am START-Eingang, läuft die Sequenz wieder durch. Verbindet man mehrere Sequencer, sind also beliebig lange Anordnungen vorstellbar. Mit entsprechenden Multiples könnte man sogar eine Art CV-technisches Domino aufstellen, das sogar immer wieder von vorne anfängt.
Das sollte aber bitte nicht von Hipstern jeglicher Art gemacht werden, denn die sollten doch bitte den Analogue Solutions Generator gar nicht erst bedienen. Jedenfalls steht das so in der Bedienungsanleitung bei den Sicherheitsanweisungen: „Never allow young children, hipsters or animals to operate the unit or adaptor“. Zum Glück gibt diese auch Tipps, wie man verhindern kann, zum Hipster zu werden: „Don’t grow a hipster beard. Ever“. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Clockwork Orange
Natürlich kann der Analogue Solutions Generator von außen geclockt werden und zwar auf vielerlei Weise. Da wäre erstens der einfache SYNC IN, der bei einem Gate-/Trigger-Signal einen Step weiterschaltet. Dazu muss die SYNC SOURCE auf EXT stehen. Zusammen mit dem START-Trigger könnte man so den Sequencer als Hüllkurve konfigurieren. Ist der Analogue Solutions Generator im internen Clock-Modus, kann man ihn natürlich über das TEMPO-Poti steuern, wobei die Clock-Rate bis in den niedrigen Audiobereich geht. Allerdings verschluckt sich die Clock ab ca. 4-Uhr-Stellung des TEMPO-Potis und wird wieder langsamer. Da die Clock digital generiert wird, vermute ich hier Aliasing. Wenn das noch nicht reicht, kann man über den TEMPO-Eingang mit einer Spannung von 0 bis 12 Volt noch einen draufsetzen. Dabei liegt sowohl am internen Clock-Out als auch am OUT der Sync-Sektion ein Clock-Signal an.
Da man bei SYNC-IN auch nicht von digitalen Vorgaben, wie einer bestimmten BPM-Spannbreite, ausgebremst wird, kann man ihn locker mit einem Rechteck-VCO speisen. So wird der AGC quasi zu einem Wavetable-Generator, dessen Schwingungsfom man an den CV-Reihen einstellen kann. Da die einzelnen Steuerspannungen der Sequenz nicht kontinuierlich ineinander übergehen, sondern harte Treppen darstellen, kann man so deftige Aliasing-Artefakte erzeugen. Möchte man es ein wenig glatter, sollte man einen externen Slew-Generator nutzen. Oder einfach ein Filter dahinterschalten.
Küss‘ die Hand, MIDI-In
Es wurde sogar an einen MIDI-Eingang gedacht, der ausschließlich für Clock-Signale zuständig ist. Analogue Solutions haben sich hier aber etwas einfallen lassen, um die Steuerung über MIDI flexibler zu gestalten. Anstatt die eigentlichen Start/Stop-Signale des MIDI-Protokolls zu nutzen, werden spezielle MIDI-Noten auf Kanal 2 benutzt:
- MIDI-Note 60 – Step/Clock
- MIDI-Note 61 – Start
- MIDI-Note 62 – Stop
- MIDI-Note 63 – Reset
Damit lässt sich wesentlich mehr Unfug und auch Fug betreiben, als es sonst möglich wäre. So kann man eben auch seine eigenen Clock-Pattern programmieren und bleibt so unabhängig vom geraden Taktmaß.
Zur Bedienung des internen Sequencers am Gerät stehen noch Start-, Stop-, Reset- sowie eine manuelle Step-Funktion zur Verfügung, alle über Schalter realisiert.
Arbeit mit dem Analogue Solutions Generator
War ich zunächst ein wenig enttäuscht, dass der Analogue Solutions Generator nur über einen Gate-Ausgang verfügt, wich diese der Begeisterung, als ich die Transpose-Eingänge für FM-Modulationen entdeckte. Befeuert man dann damit einen guten FM-fähigen VCO, lassen sich schon sehr gute Sachen herausholen. Dann wagte ich mich mehr an die Integration des Voltage Generators und stellte fest, dass der wirklich unglaublich vielseitig einzusetzen ist. Läuft über den Transpose-Eingang z. B. mein externer FM-Modulator und verzögere ich die Carrier-Sequenz über die Freeze-Funktion, landen die Modulationen entsprechend auf anderen Noten, was das gesamte Pattern teilweise dramatisch verändern kann. Nutzt man dann noch die Sequencer-Funktion des Voltage Generators, ist es ein Leichtes, eine Sequenz zu erhalten, die sich über 4 Takte verändert und so aus dem monotonen 1-Takt-16tel-Pattern ausbricht.
Die „Wavetable-Funktion“ ist interessant zum Experimentieren und liefert z. B. gute Sample-Grundlagen. Sie richtig tonal zu spielen, ist in Grenzen auch möglich und gibt auf jeden Fall eine gute Portion 8-Bitness in den Mix.
Also doch Eurorack-fähig.
Ist der Umbau für einen Laien zu bewerkstelligen?
Ich hatte irgendwo gelesen, dass AS zur Superbooth noch eine extra Eurorack-Version vorstellen wird.
Auf jeden Fall toller Sequencer!
Sachen von Analogue Solutions haben immer ihre eigene persönliche Note; ich mag meinen EKG Variant Sequencer sehr gerne. Der Generator setzt dem aber noch einiges oben drauf…