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Test: Arturia ARP2600 V3 Software-Synthesizer

ARP Klassiker als Arturia Klon

15. März 2005

Das neuste Baby der französischen Firma Arturia ist die visuelle und klangliche Kopie des legendären ARP 2600, welcher wohl einer der begehrtesten Synthesizer für jeden Klangexperimentalisten sein dürfte. Als Software mit der hauseigenen TAE – True Analog Emulation soll der ARP 2600V dem heimischen Rechner maximal authentischen Analogklang einhauchen. Beim zweiten Hinsehen entdeckt man, dass die Franzosen auch für die Umsetzung des ebenso berühmt berüchtigten APR Sequenzer Model 1601 gesorgt haben. Na klar, ohne einen amtlichen Step-Sequenzer macht so ein Klangbaukasten auch nur halb so viel Spaß. Ich kann schon mal verraten, dass es noch mehr leckere Extras gibt, die ein echter ARP so nicht bietet. Wer noch nicht weiß, wie das Original von 1970 aussieht, was es kann oder wie es klingt, dem empfehle ich einen Blick in unser Archiv. Dort hat Theo Bloderer einen Bericht über seine ganz persönlichen Erfahrungen mit dem ARP 2600 geschrieben. Auch der Testbericht zum ARP Avatar Modular ist eine gute Basis, um eventuelle Wissenslücken über der ARP 2600 auszubügeln. Alle, die jetzt wissen worum es geht, lade ich ein, sich ein Bild vom Abbild zu verschaffen.

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„Was hab’ ich, was er nicht hat?“

Kurz vorweg: Rein funktionell bietet der Arturia ARP alles das, was ein echter ARP 2600 auch hat. Drei kraftvolle Oszillatoren, einen Noise-Generator, ein Tiefpassfilter, zwei Envelopes, einen LFO, Sample&Hold, einen Ringmodulator und den schrulligen Federhall. Stürzen wir uns aber auf das, was der echte ARP nicht kann. Am auffälligsten sind natürlich die Module, die sich per Knopfdruck dort einblenden lassen, wo sich normalerweise die Lautsprecher eines ARP 2600 befinden. Auf der linken Seite sitzt ein Effektmodul mit Chorus und Delay und auf der rechten präsentiert sich der so genannte Tracker, ein interaktiver 4-Kanal Funktionsgenerator, mit dem sich in Echtzeit beliebige Modulationskurven erstellen lassen. Aber dazu gleich mehr. Was ist noch anders? Nun, ein echtes Bonbon findet man im Filtermodul, denn hier gibt’s neben dem Standard-Tiefpassfiler mit 24dB Flankensteilheit auch die 12dB Multimode-Variante aus dem ARP 2500. Diese bietet Low-, Hi- beziehungsweise Bandpass und ein sehr charakteristisches Notchfilter, dem sogar ein eigener Regler spendiert wurde. Allein diese zusätzlichen Filtermodelle erweitern das Klangspektrum des ARP um einiges. In der Oszillatorabteilung fällt auf, dass im Gegensatz zum Original, zwei der drei Oszillatoren umfangreicher ausgestattet sind. Außerdem findet man noch einen winzigen Schalter zum synchronisieren von Oszillator 1 – das konnte der echte ARP nicht. Zu guter letzt wurde der Voltage Prozessor noch etwas erweitert. Hier kann nun jeder der vier Kanäle als Inverter, Mixer oder Lag-Prozessor genutzt werden. Ach ja, ich sollte vielleicht auch erwähnen, dass der Arturia ARP im Gegensatz zum maximal duophonen Original 32-fach polyphon und unisono-fähig ist – soll heißen, man kann beim Spielen mehr als zwei Finger auf die Tastatur legen, um beispielsweise richtig breite Flächensounds zu spielen.

Auch an die Menschen, die schon seit langem auf der Suche nach einer ganz bestimmten Baureihe des 2600 sind, wurde gedacht. Alle drei geschichtliche Modellvarianten können grafisch bestaunt werden, indem man im Menu einfach eines der drei Skins auswählt. An Sound und Funktionsumfang ändert sich dabei aber nichts.

Funktionsgenerator

Ein wirklich mächtiges Modulationstool hat Arturia dem ARP mit dem Tracker spendiert. Mit ihm lassen sich auf vier Kanälen zyklische Funktionen frei zeichnen, die dann als Quelle für beliebige Modulationszwecke genutzt werden können. Die Zyklusgeschwindigkeit reicht von 0 bis 100 Hz und kann auch zur MIDI-Clock synchronisiert werden. Drückt man auf den Edit-Button, so öffnet sich ein kleines Zeichenprogramm mit den obligatorischen Werkzeugen wie Radiergummi, Stift und Linealen zum zeichnen von verschiedenen Kurven oder sogar Rauschen. Mit dem Smooth-Regler lässt sich danach das Ausgangsignal glätten. Das Ganze ist kinderleicht zu bedienen und es macht wirklich Spaß zu verfolgen, wie sich die Modulationen auswirken, während man die wildesten Kurven zeichnet.

Zusatzeffekte

Wie schon erwähnt, versteckt sich hinter der linken Lautsprecherverblendung ein zusätzliches Effektmodul mit einem Chorus und einem Delay an Board. Die sind zwar nicht sonderlich spektakulär, verrichten aber ihren Dienst mit ordentlicher Klangqualität. Gut auf dem Bild zu sehen ist die ärgerliche Tatsache, dass die eh schon winzigen Regler teilweise die Beschriftung verdecken und damit unleserlich machen. Ein Manko, das sich auf Grund des 3D-Looks überall auf der Bedienoberfläche wiederfindet. Leider kann man aber auf einem 2D Bildschirm nicht um die Ecke gucken.

Model 1601

Hier fängt der Spaß richtig an. Mit diesem Step-Sequenzer lassen sich Melodien und Rhythmen entwickeln, auf die man unter normalen Umständen gar nicht kommen würde. Und ehrlich gesagt: ohne ihn wäre die Software wirklich nur halb so spannend. Zwei mal acht Steps können parallel- oder zu 16 Steps zusammengeschaltet werden, die dann sequentiell oder zufällig durchlaufen werden. Jeder Step wird durch einen Fader für die Tonhöhe und einen Schalter für den Drei-Wege-Gate-Bus repräsentiert. Der dritte Bus kann dabei zum Zurücksetzen des Sequenzers benutzt werden. Rechts neben den Fadern kann die Sequenzer-Clock auf vielfältigste Art und Weise moduliert und manipuliert werden. Für Start/Stopp, Step und Reset gibt es jeweils einen Knopf und Buchsen zum Abgreifen oder Modulieren dieser Signale. Der LFO, der sich beim originalen ARP auf dem Keyboard befindet, ist hier wahrscheinlich der Übersicht wegen mit in den Sequenzer gerutscht. Er bietet alles, was man von einem umfangreichen LFO erwartet, inklusive MIDI-Synchronisation. Nur zur Erinnerung: Sollte der LFO mal nicht ausreichen, was meistens der Fall ist, hat man immer noch den genialen Tracker zur Verfügung. Rechts neben dem LFO sitzen dann noch ein paar Schalter zur globalen Einstellung des Sequenzers. Hier befindet sich auch ein kleiner Schalter, der wieder eine Funktion bietet, die am echten ARP unmöglich ist. Das Erzeugen von polyphonen Chord-Sequenzen ist nämlich ebenso machbar, wie das Spielen von Unisono-Klängen. Wie das klingt, kann man in den Soundbeispielen hören. Rutschen wir aber vorher noch ein Stockwerk tiefer zur ARP-Tastatur.

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Model 3620

Diese bietet vier Oktaven und präsentiert sich in authentischem zahnweisgelb. Hier kann mal eben schnell ein Soundcheck durchgeführt werden, ohne eine MIDI-Tastatur angeschlossenen zu haben oder den Sequenzer zu bemühen. Rechter Hand befinden sich das für das Model 3620 typische Pitch-Bend-Rad und der dazugehörige Range-Hebel. Des Weiteren gibt’s einen Portamento-Fader und jede Menge Signalausgänge von Velocity, Aftertouch, Modulationsrad, Pitchbend und Key CV.

Sound

Jetzt kommt es darauf an, was man mit dem Arturia ARP2600 V3 alles so anstellen kann. Wir wissen ja aus den Geschichtsbüchern, dass sich in den letzten 35 Jahren schon viele berühmte Künstler den Klängen eines ARP mit beeindruckenden Resultaten bedient haben. Einige von ihnen haben sich zusammen mit mehreren namhaften Sounddesignern in den mehr als 400 zur Verfügung stehenden Presets verewigt. Dazu gehören unter anderen Klaus Schulze, Darell Diaz und Jean-Michel Blanchet, um nur einige zu nennen.

zu den Soundbeispielen:

Zur besseren Beurteilung der klanglichen Authentizität habe ich ein paar Soundbeispiele erstellt, die den Arturia ARP genau dort auf den Zahn fühlen, wo Software-Synthesizer im Allgemeinen ihre Schwachstellen haben, nämlich in den hohen Frequenzen. Ein Ziel der TAE – True Analog Emulation von Arturia ist es, gerade diese frei von Aliasing, quasi digitalen Verzerrungen, zu halten. Zur Berechnung einer sauberen Ringmodulation ist dies äußerst aufwendig. Aber urteilen Sie selbst.

Bedienung

Wie auch beim Moog Modular V lässt sich das Gesamtsystem nicht im Ganzen auf dem Bildschirm darstellen. In diesem Fall wären die Bedienelemente und deren Beschriftung mit bloßem Auge nicht mehr erkennbar. Also wird im geöffneten Fenster immer nur ein Teil des Systems angezeigt. Dabei lässt sich der Focus schnell per Knopfdruck auf den Synthesizer oder den Sequenzer legen oder man scrollt mit dem Mausrad durch das System. Praktisch ist auch, dass die Größe des Fensters nicht fixiert ist, sondern in der Länge beliebig verändert werden kann. In der wunderschön anzusehenden und detailverliebten Grafik liegt aber auch mein einzig großer Kritikpunkt. Die einzelnen Bedienelemente sind doch etwas zu klein geraten, und so ist die Bedienung der Fader, Schalter und Drehknöpfe etwas mühselig. Oftmals scheint die Maus nicht beim ersten Mal zu greifen, sodass man ein zweites Mal zielen und ansetzen muss, um einen Wert zu verändern. Das strengt auf Dauer ziemlich an. Persönlich hätte ich mir die Funktion gewünscht, mit dem Mauszeiger über einen Regler zu fahren und diesen dann via Mausrad bedienen zu können. Lobenswert ist dagegen aber die MIDI-Integration. Wirklich jeder kleine Schalter und Regler kann einer beliebigen MIDI-Controller-Nummer zugeordnet werden. Am schnellsten funktioniert das über die MIDI-Learn-Funktion, in der das Programm auf Wunsch registriert, an welchem MIDI-Contoller Sie gerade schrauben und diesen dann automatisch dem ausgewählten Regler zuordnet. Wer im Besitz einer Doepfer Drehbank ist, kann damit fast das ganze ARP-System fernsteuern. Zum Kabelziehen muss dann aber doch die Maus bewegt werden.

Performance

Der Arturia ARP2600 V3 ist als Stand-Alone-Programm oder als PlugIn einsetzbar, wobei alle Formate für Windows und Mac OS unterstützt werden. Die Hardware-Anforderungen halten sich in Grenzen, so dass man auf einem 1GHz-Rechner mit 256 MB RAM ordentlich soundtüfteln kann. Zum Arbeiten mit mehreren PlugIn-Instanzen und Effekten sollte es dann aber doch schon ein aktuelles Rechnermodell sein. Die Installation geschieht zügig und ohne umständliche Registrierungszwänge. In der gesamten Testphase lief die von mir getestete Version 1.0 so wie es sein sollte, durchweg stabil und absturzfrei.

Kommentar von Axel Jungkunst

AMAZONA.de-Autor und Besitzer eines ARP 2600

Ja, die Arturia-Leute haben es geschafft, den ARP 2600 zu emulieren – und darüber hinaus noch mit wesentlichen Funktionen, die es zum Teil nur für teures Geld als Modifikation am Original gab, zu erweitern, so wie es auch der Testbericht deutlich aufzeigt. Die vielen Presets, die zur Grundausstattung gehören, geben einen Überblick über die Klangqualität dieses PlugIns.
Gerade die ARP 2600 Patchbook-Sounds zeigen in puristischer Weise, wie sehr diese Software ihrem Hardware-Vorbild nahe kommt.
Leichte Wermutstropfen sind jedoch auch zu finden, die aber sicherlich in einem Update abgestellt werden können. Zum einen wäre da ein unangemessener Glide-Effekt beim Sample & Hold festzustellen, der absolut harte Sprünge bei den zu modulierenden Zielen verhindert.
Des Weiteren vollführt das LFO-Delay, welches zu einem Einschwingen des Vibratos zur Keyboard CV führen soll, einen abrupten Beginn nach der eingestellten Verzögerungszeit.
Aber das soll nicht verhindern, diesen Software-Synthesizer als einen der außergewöhnlichen zu bezeichnen. Die Möglichkeiten, die schon an der Hardware vielfältig sind, werden dafür sorgen, dass dieses VSTi für lange Zeit immer wieder für neue Überraschungen sorgen wird, wenn man sich erst einmal mit den Audio- und Steuerspannungswegen vertraut gemacht hat.
Ich werde mit Sicherheit einige meiner ARP 2600-Lieblingsklänge mittels der Software emulieren und für den sofortigen Zugriff speichern können. Aber in den Keller kommt die Hardware natürlich nicht, so viel ist gewiß!

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Fazit

Wie immer beim Bewerten von Software Synthesizern, leidet das Gesamturteil an der praktischen Bedienung. Das Exprimentieren mittels Mauszeiger ist einfach nicht so kreativ und intuitiv wie das Kabelziehen am Original. Dennoch sind die Vorteile eines virtuellen ARP 2600 ernorm. Abgesehen vom wesentlich günstigeren Anschaffungspreis und unnötigen Instandhaltungskosten, ist ein ARP 2600 im Laptop jederzeit und überall sofort einsatzbereit, wobei selbst komplexeste Verkabelungen per Knopfdruck im Nu zur Verfügung stehen. Durch die zusätzlichen Filtermodelle und dem genialen Tracker ist das mögliche Soundspektrum gegenüber dem echten ARP wesentlich größer. Die Klänge, Modulationen und Sequenzen des Arturia ARP2600 V3 sind wirklich beeindruckend, kraftvoll und inspirierend. Von subtil bis extrem außerirdisch ist alles möglich. Auch der kultige ARP Federhall trägt seinen Anteil am Gesamtsound. Dreht man ihn auf, klingt es irgendwie sofort nach Seventies SciFi. Bleibt als bitterer Nachgeschmack nur noch die etwas hakelig geratene Bedienung der kleinen Schalter und Knöpfe. Wer hier keine präzise Maus zur Hand hat, bekommt schnell einen Krampf in der Hand.

Direkter Mitbewerber zum Arturia ARP ist übrigens der TimewARP 2600 von der Firma Way Out Ware. Dieser läuft im Moment zwar nur als RTAS PlugIn unter Protools, soll aber bis Juli 2005 auch die VST, AU und TDM Standards unterstützen. Seine Ausstattung ist aber wesentlich puristischer. Ohne Sequenzer und mit weitestgehend originaler Umsetzung der Module (ohne weitere Extras), muss er mit seinen maximal acht Stimmen schon um einiges besser klingen, damit die potentiellen Käufer nicht zu Arturia laufen. Aber wie immer gilt: vergleichen lohnt sich!

Plus

  • sehr guter Klang
  • ARP Sequenzer
  • Tracker
  • moderater Leistungsbedarf

Minus

  • mühselige Bedienung

Preis

  • 149,-€
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Klangbeispiele
Forum
  1. Avatar
    AMAZONA Archiv

    Axel Jungkunst, bitte dringend melden !

    Habe mir 2 Tage lang Arturia vs "WOW" zu Gemüte geführt und habe das Ohrgefühl, das beide Emus gar nicht miteinander verglichen werden können. Beide PlugIns klingen komplett different. Da Du ja den Original ARP hast, bitte einfach mal ein Statement abgeben bitte. Meines Erachtens nach ist rein unter klanglicher Beurteilung das WOW PlugIn dem Arturia um Welten voraus. der Timewarp klingt für mich als erstes Synth PlugIn überhaupt "analog" und "old stylisch". Was da aus meinen Dynaudio Monitoren kommt hat nicht nur Druck, sondern es klingt einfach wie ein echtes Instrument- 3 dimensional. Arturia wie alle anderen PlugIn Verdächtigen (mit Ausnahme impOSCar) sind für mich 2 dimensional flach , was den Klang betrifft.

    • Profilbild
      a.jungkunst AHU

      Entschuldigung, dass ich jetzt erst Deinen Kommentar gesehen habe, aber Deiner Einschätzung kann ich nur zustimmen, der TimewARP kommt dem Original sehr nahe. Er ist einer der ganz wenigen Software-Synthesizer, die ich guten Gewissens empfehlen kann. Ich hoffe, ich komme damit nicht zu spät :-)

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