If Pigments could fly
Arturia Pigments 6 ist nun die sechste Version des, wie Arturia es ausdrückt, „polychromen“ Software-Synthesizers. In diesem Test wollen wir vor allem die Neuerungen erkunden, aber auch noch mal generell das Konzept des Hansdampf-in-allen-Gassen darstellen. Das Upgrade ist für Besitzer des Arturia Pigments kostenlos und es wird auch einen Einführungspreis für neue Nutzer geben.
Inhaltsverzeichnis
Installation von Arturia Pigments 6
Für die Installation ist ein Arturia-Konto und das Arturia Software Center nötig. Hier wird das Plug-in dann auch installiert, wobei es fünf Einzelplatz-Lizenzen gibt. Als Mindestvoraussetzung werden Windows 10 und macOS 11 genannt – ich konnte Arturia Pigments 6 aber auch erfolgreich auf einem macOS 10.14 installieren. Die installierbaren Formate sind VST, AU, AAX, NKS und Standalone-Applikation.
Arturia Pigments 6 Oberfläche und Preset-Verwaltung
Die Oberfläche präsentiert sich in einem Anthrazitgrau und wirkt dadurch angenehmer als rein schwarze Oberflächen. Neu ist das Light-Theme, das ebenfalls vermeidet, zu hell zu sein. Die GUI-Größe ist frei oder in Schritten verstellbar.
Alle Bereiche sind optisch gut voneinander abgesetzt und so gleitet das Auge nach kurzer Zeit beinahe von alleine zu den richtigen Stellen. Oben befinden sich die Klangerzeuger und Filter, darunter eine Zeile, in der die Signale aller aktiven Modulatoren dargestellt werden. Es folgen unterhalb schließlich die eigentlichen Einstellungen dieser Modulatoren und daneben die vier frei belegbaren Makro-Regler.
Modulationszuweisungen des Arturia Pigments 6 werden über Drag-and-Drop vorgenommen. Verstelle ich allerdings einen Parameter in der grafischen Darstellung, z. B. einer Hüllkurve, so wird mir dessen Wert nicht angezeigt; nutze ich hier den eigentlichen Regler dieses Parameters, sehe ich aber die Release-Zeit.
Ganz oben finden sich die Übersichten für eben die Synth-Engine, die drei Effektketten und den Sequencer/Arpeggiator. Die Play-Ansicht zeigt dann dieses regenbogenfarbene „polychrome“ Audiospektrum und die wichtigsten Parameter der Klangerzeuger und Filter.
Die Preset-Verwaltung nutzt Schlagwörter, Favoritenmarkierungen und eine Suche, um den ab Werk über 1300 mitgelieferten Presets eine Ordnung abzuringen. Daneben gibt es noch Abschnitte für die installierten Soundbanks und eine Verbindung zum Arturia Shop, um neue erwerben zu können. Hier gibt es freie Soundbanks und drei gestaffelte Preise von $ 9,99 / $ 14,99 / $ 29,99. Warum genau die Preise hier in Europa von einer europäischen Firma in US-Dollar angezeigt werden, entzieht sich meiner Kenntnis.
Ich wünschte, hier würden auch die User-Samples verwaltet, die stattdessen in einem Unterfenster der Sample-Engine zu sehen sind. In den Foren wird auch häufig über die etwas erratische Art der User-Sample-Verwaltung geklagt.
Seitlich ausklappbar befinden sich dann schließlich die Einstellungen, in denen auch mikrotonale Stimmungen und ein vollständiger MPE-Modus aktiviert werden können, sowie die MIDI-Zuweisungen und ein Reiter, der nur für Tutorials gedacht ist.
Das Han liegt als PDF in deutscher Sprache vor (zusätzlich zu Englisch, Französisch, Spanisch und Japanisch). Dieses umfasst satte 241 Seiten und ist ausführlich, gut bebildert und klar geschrieben, inklusive eines verlinkten Inhaltsverzeichnisses.
Zur schnellen Orientierung gibt es auch Tooltips in der unteren Leiste von Arturia Pigments 6 und so ist der Griff zum Handbuch meist gar nicht notwendig.


Übersicht zum Arturia Pigments 6
Um die Neuerungen richtig würdigen zu können, hier nochmal ein kleiner Abriss zum Arturia Pigments 6. Es handelt sich um einen monotimbralen Synth mit maximal 32 Stimmen. Zur Erzeugung stehen drei Oszillatoren bereit, von denen zwei alle Engines beherbergen und der dritte, die Utility-Engine, zwei einfache Noise-Generatoren und einen VA-Oszillator.
In der aktuellen Version kann der Arturia Pigments 6 nun fünf verschiedene Synthese-Engines nutzen:
- Analog
- Wavetable
- Sample (mit neuem Scan-Parameter)
- Harmonic (additive Synthese)
- Modal (die neue Physical-Modeling-Synthese)
Die Signale gelangen dann in das Dual-Filter, dessen Routing von seriell auf parallel stufenlos geregelt werden kann. Die Filter enthalten sowohl Emulationen klassischer Filter aus Geräten wie dem Matrix 12 als auch digitale Versionen. Neu hinzugekommen sind hier das Lo-Fi-Filter und die sieben Cluster-Filter. Letztere zeichnen sich alle durch eine verstellbare Doppelresonanz aus. Diese sind sehr gut für Vokal-Filter- oder Phaser-Effekte nutzbar.
Die neuen Features
Neue Engine: Modal
Beginnen wir gleich mit der größten Neuerung, der „Modal“-Engine des Arturia Pigments 6 Software-Synthesizers. Hier haben wir es mit einer effektiven Form der Physical-Modeling-Synthese zu tun. Effektiv deswegen, da hier die vielen möglichen Parameter auf ein gesundes Maß geschrumpft wurden und Nutzer deswegen schnell an entsprechende Klänge kommen.
Es gibt zwei Exciter-Modelle, die den Vorgang einer physikalischen Klangerzeugung nachahmen, String und Beam. Zweiteres ist für metallische Klänge zuständig.
Dazu gesellen sich Collision Modes, die es ermöglichen, den Attack-Sound genau zu bearbeiten. Zur Auswahl stehen verschiedene Transienten-Samples und eine „Collision“ genannte Anregung sowie die Anregung über ein externes Audiosignal.
Bei externen Audiosignalen werden in erster Linie Impulssignale zu einer vollständigen Anregung dienen und vor allem für die Verfremdung von Drum-Sounds gibt es hier eine Menge zu entdecken.
Am besten wird der zweite Exciter, „Friction Mode“, dazu auch auf externen Audio-Input gestellt. Friction, also Reibung, bestimmt, was nach der Erzeugung des Klangs passiert. Hier stehen auch noch Noise-Quellen, Granular-Schnipsel und die Friction Engine selber zur Verfügung. Der Effekt ist meist subtil und gibt dem Klang einen rauchigen Charakter.
Die Einstellungen Range, Warp, Shape und auch Partials bestimmen direkt den Obertongehalt in Verteilung und Dichte. Hier kommen also Elemente der additiven Synthese hinzu, die die neue Modal-Engine auf jeden Fall zu einer interessanten Ergänzung des Arturia Pigments 6 machen.
Neuer Scan Parameter in der Sample-Granular-Engine
Es mag zwar auf dem Papier nach nicht viel aussehen, aber der neue Scan-Parameter in der Granular-Abteilung der Sample-Engine des Arturia Pigments 6 ermöglicht ein vor- und rückwärtiges Durchfahren des geladenen Samples, und das in einer beliebigen Geschwindigkeit. Wenn diese moduliert wird kommen interessante Dinge dabei heraus.
Neues Filter: Cluster
Diese neue Filter-Art des Arturia Pigments 6 mit sieben Unterkategorien
- Peak 9
- Peak 18
- Bandpass 12
- Bandpass 24
- Lowpass + Highpass 12
- Lowpass + Highpass 24
- Notch 24
zeichnet sich vor allem durch das Vorhandensein von zwei oder mehr Resonanzspitzen aus. Natürlich ist das prädestiniert für Vokal-Filterfahrten oder Filter-Phaser-Effekte. Vorher mussten dafür beide Filter mit unterschiedlichen Cutoff-Einstellungen bemüht werden.
Die Resonanzspitzen sind dabei immer voll ausgeprägt, der Resonance-Regler bestimmt in diesem Fall den Abstand der Spitzen zueinander.
Neues Filter: Lo-Fi
Hier wird es knarzig und es darf nach Herzenslust gecruncht werden bis die Bits brechen. Zur Abmilderung der härtesten Bruchstellen gibt es aber noch einen Post- und ein Pre-LP-Filter.
Neues Filterverhalten: mehr Bass bei hoher Resonanz
Die analogen LP-Filtermodelle behalten jetzt ihr Bassfundament, wenn die Resonanz auf hohen Einstellungen steht.
Neuer Effekt: Vocoder
Der Vocoder des Arturia Pigments 6 ist von guter Sprachverständlichkeit und wohl eine längst überfällige Addition zu den Effekten. Klangliche Erkundungen sind auch möglich, wenn die Bandwidth- und Decay-Parameter moduliert werden.
Der Gate-Parameter ermöglicht es, den Vocoder nur auszulösen, wenn die Lautstärke in einem der Vocoder-Bänder eine bestimmte Schwelle übertritt.
Das waren die wichtigsten klanglichen Erweiterungen, es gibt aber noch neue Modulatoren, wie z. B. den Envelope Follower in der etwas ungelenk benannten „Combinate“-Sektion. Dieser kann sowohl von internen Signalen als auch von externen Audiosignalen über die Sidechain angesteuert werden.
Dann gibt es noch einen neuen Random-Modulator und vor allem einen recht interessanten „Voice“-Modulator, der nichts mit der Modulation menschlicher Vokaltrakte zu tun hat, sondern auf die einzelnen Stimmen des Arturia Pigments 6 Software-Synthesizers abzielt. Beim Spielen werden die verschiedenen Synth-Stimmen (maximal 32 an der Zahl) durchgeschaltet. Der Voice-Modulator zählt mit und stellt einen Modulationsparameter für jedes Note-on-Ereignis zur Verfügung. Wird das auf Filter-Cutoff gelegt, so wird das Filter bei jeder neuen Note etwas anders klingen. Damit kommt mehr Bewegung in den Klang.
Klang des Arturia Pigments 6
Das Klangpotential des Arturia Pigments 6 wächst mit den neuen Engines, Filtern und Effekten weiter an und viel fehlt nicht mehr, bis wir ihn den „Einen-Synth-um-alle-zu-Binden“ nennen müssen. Fehlt eigentlich noch Phase-Distortion und FM-Synthese und die Engine beherrscht alle Syntheseformen in einem gewissen Maße.
Neben den Klangbeispielen zur Demonstration der neuen Features habe ich auch noch eine Auswahl an Presets des Arturia Pigments 6 gemacht, um das Spektrum aufzuzeigen. Für mich klingt der Software-Synth von Arturia klar und durchsetzungsstark. Mit entsprechendem Einsatz von Filter-Drive und Distortion-Modulen in der FX-Sekion gelingen auch „schmutzige“-Sounds.
Richtig geiles Zeug! Total Phein! Danke für diese Darlegung…
Der Pigments ist jetzt nicht ganz mein bevorzugter Sound, aber ich denke das er sehr vielseitig ist und im Prinzip für nahezu jedes Genre geeignet. Für Brot,- und Buttersounds wäre er allerdings nicht meine erste Wahl. Möchte er vermutlich auch nicht sein. Es ist das besondere, das Gewürz im Song. Der digitale Feinschliff nach dem fetten Analogbass.
@Filterpad was ist deines Erachtens nach die für dich passende Wahl?
Für mich ist Pigments eine gute Grundlage für das Erarbeiten eines Sounds!
@CDRowell Zum Beispiel (etwas spitz formuliert): Der Synapse Dune klingt extrem klischeehaft, kann prinzipiell mehr oder weniger nur den einen Dance-Säge-Klang. Die Architektur ist murks (kompliziert)! Nun, dieser passt eben wenn man genau das möchte und benutze den daher ständig. Ich denke Pigments ist da anders. 🤷♀️
Einfach nur Klasse von Arturia, dass Updates kostenlos sind. :-)
Der Synth hat sehr vielseitige Funktionalität, die zu Recht gelobt wird. Und dennoch kann ich wegen seines stets deutlichen Grundklanges wenig damit anfangen.
Der m.E. immer etwas flach und harsch klingende Grundsound, der nie den Punch z.B. eines Serum erreicht, sich aber auch irgendwie nicht so unbekümmert frisch anhört wie Arturias hauseigener MiniFreak, ist einfach nicht mein Ding . Beim eigenen Antesten und in all den Demos hab ich kaum mal Klänge gehört, die ich musikalisch gern einsetzen würde oder mir im Mix gut vorstellen könnte.
Denen, die das ganz anders hören und ihn gern verwenden, wünsche ich nichtsdestoweniger viel Spaß dabei!
@defrigge „Beim eigenen Antesten und in all den Demos hab ich kaum mal Klänge gehört, die ich musikalisch gern einsetzen würde oder mir im Mix gut vorstellen könnte.“
Geht mir genauso.
@defrigge Bei mir ist es genau andersrum: etliche Presetklänge haben mich total geflasht und ich hatte sofort neue Songideen im Kopf.
ich werde mir die Demo auf alle Fälle runterladen.
Alleine die Modal Engine ist die Kohle wert. Ach Moment, nee, das Update kostet ja nicht mal was.
Die Kiste ist schon echt super, selbst wenn man nur die Hälfte der Möglichkeiten nutzt.
Und der Neupreis von 99€ ist auch echt mehr als fair für Leute, die den noch nicht haben.
Ein Hammer-Synthesizer. Wenn man mal baukastenartige Systeme wie »Omnisphere«, »Phaseplant«, »Falcon«, etc. weg lässt und auch virtuelle Modularsysteme nicht mit ins Kalkül zieht, dann ist »Pigments« vermutlich der vielseitigste Synthesizer, den es gibt.
Bei mir läuft er übrigens nach wie vor unter Windows 7 SP1 ohne Probleme. Auch über seinen Ressourcen-Hunger kann ich mich nicht beklagen: Der ist ziemlich genügsam (abhängig natürlich von dem, was man so macht). Erwähnt werden sollte evtl. auch noch, dass der »Pigments« selber eine »Multicore«-Option bietet, er also selber mehrere Prozessor-Cores nutzen kann (das kenne ich sonst nicht).
Ich glaube, die angesprochenen Schwächen in der Sample-Verwaltung sind auch so ziemlich das Einzige, was man ihm ankreiden kann. Ansonsten schreit das Ding echt überall »Volle Möhre voraus!« 😁
Habe aus aktuellem Anlaß ein Update mit dem Arturia Software Center unter Manjaro-Linux gemacht und alle Arturia Plugins mit yabridge gesynct. Alles läuft wunderbar und der neue Pigments tuckert im vollen Projekt mit 7% Auslastung auf einem AMD 5900X rum. Sind schöne Presets dabei, dafür nutze ich den fast ausschließlich.