Planar-Kopfhörer in Leichtbauweise
Der US-amerikanische Hersteller Audeze bringt mit dem in offener Bauweise gefertigten LCD-1 Kopfhörer ein Leichtgewicht auf den Markt. In der Sparte unter 500,- Euro werden sowieso schon harte Kämpfe um die Gunst der Kundschaft ausgetragen, nun soll sich der speziell für Musiker, Toningenieure und Pro-Audio-Schaffende ausgelegte Kopfhörer behaupten.
Ein Kopfhörer als Studioreferenz
Lange Zeit hatte ich bei mir im Studio nicht die optimale Raumakustik und wollte das mit einem sehr guten Kopfhörer kompensieren. Zwar spielen beim Mischen und Mastern langjährige Erfahrungswerte und Klangkenntnisse des eigenen Equipments eine tragende Rolle, doch ist der Studioraum nicht ordentlich ausgemessen, machen Nachhallzeiten und Frequenzverläufe, gepaart mit ungünstiger Anordnung des einen oder anderen Mobiliars, ein falsches Bild von dem, was da gemischt werden soll. Der Kopfhörer an sich bietet da schon eine gute Lösung, da eine Over-Ear-Konstruktion die Ohren komplett umschließt und so der Schall direkt auf die Ohren trifft, ohne dass die Studioräumlichkeiten etwas hinzufügem oder wegdichten.
Unterschieden werden muss die Bauweise des Kopfhörers. Offen, halb offen und geschlossen werden im Fachhandel angeboten. Das Hörempfinden ist bei den genannten Systemen recht unterschiedlich, da Außengeräusche jeweils mit unterschiedlicher Intensität durch die Ohrmuscheln gelangen. Bei geschlossenen Systemen stellt sich für manche Personen ein gewisses beengtes Gefühl ein, ich kenne einige Sänger bzw. Sprecher, die das überhaupt nicht abkönnen. Die Körperwärme spielt bei geschlossenen Systemen auch eine Rolle, denn das Ohr kann, bildlich gesprochen, durch die starke materialbedingte Abschirmung weniger atmen.
Ich nutze seit ca. 6 -7 Jahren den Beyerdynamic T1 1.st Generation und bin damit immer noch sehr zufrieden. Inzwischen ist mein Studio längst mit Helmholtz-Resonatoren, Diffusoren und Absorbern und einer amtlichen Abhöre optimiert und somit möchte ich den Test des Audeze LCD-1 im Vergleich zum Raumklang im Studio schildern.
Mein erstes Fazit: Ein Kopfhörer als Studioreferenz ist ok, aber ein im guten Raum gehörtes Signal ist vorzuziehen.
Bauweise und technische Fakten
Das Audeze Branding ziert die meisten der Audeze Kopfhörer. Formschön ist auch beim LCD-1 das stilisierte A zu erkennen. Ganz dem mobilen Bedarf für unterwegs geschuldet, kann der Audeze LCD-1 Kopfhörer schnell gefaltet bzw. eingeklappt werden und passt so bequem in die mitgelieferte Box. Dieses Prinzip ist nicht neu, doch hatte Audeze in der Vergangenheit eher die wuchtigeren Kopfhörer mit entsprechendem Gewicht für die verwöhnte Highend-Fraktion vorgesehen. Falten war da keine Option.
Die offene Bauweise des Audeze LCD-1 macht von vornherein ein recht luftiges Klangbild. Man bekommt auch die Außengeräusche recht gut mit, das kann je nach Anforderung stören oder keine Beeinträchtigung darstellen. Nachteilig wirkt sich das bei Gesangsaufnahmen aus, die bei lauter Umgebung aufgenommen werden sollen, etwa bei Aufnahmen der ganzen Band im selben Raum. Das Signal muss recht laut auf den Kopfhörer gegeben werden, unter Umständen hört man dann ein hochfrequente Gezissel bei der Aufnahme. Ferner sind baubedingt die Bässe nicht so wuchtig vorhanden, es ist eben alles gefühlt durchlässiger.
Der Audeze LCD-1 kann mit der Memory-Foam-Ohrmuschel voll punkten. Der Tragekomfort ist exzellent, echtes Lammleder bestärkt das angenehme Tragegefühl. Natürlich muss in der heutigen Zeit über Nachhaltigkeit und Materialien diskutiert werden, ich persönlich kann Kunstleder nicht ausstehen. Stoff, Samt oder eben echtes Leder haben bei mir die Nase vorn.
Der Frequenzgang wird von 10 Hz bis 50.000 Hz angegeben, magnetostatische Wandler, Planar Treiber und Fluxor Magneten bilden den technischen Kern des Audeze LCD-1 Kopfhörers.
Die Begriffe Fluxor und die als „ultra thin Uniforce“ bezeichnete Membran sind von Audeze rechtlich geschützt worden.
Bitte schaut ggf. mal in meinen anderen Test rein für mehr Details und technischen Einblick im Audeze Fertigungsprozess.
16 Ohm Impedanz machen den Kopfhörer auch für unterwegs interessant, denn geringe Widerstände liefern auch bei vom Smartphone oder Tablet ausgegeben Pegel eine ordentliche Lautstärke. 120 dB Pegel (Angabe bei 5 W) kann der Kopfhörer maximal leisten. Das reicht zu Genüge.
Mit 252 g wiegt der LCD-1 quasi nichts, die Kabel sind bei der Gewichtsangabe nicht eingerechnet. Apropos Kabel: Hier hat sich der Hersteller auf die Beigabe von einem reversiblen knapp 2 m langen Kabelstrang entschieden. Das ist sehr sinnvoll, denn es ist egal, ob die linke oder rechte Seite vertauscht wird, die korrekte Links/Rechts-Information ist durch die reversible Technik immer gewährleistet. Ab Werk wird der LCD-1 Kopfhörer mit Miniklinke ausgeliefert, es ist ein Adapter für Großklinke dabei, der bei Bedarf aufgesteckt werden kann.
Klangverhalten des Studiokopfhörers
Im Studioalltag habe ich viel mit Sprache und Musik sowie deren Aufnahme und Mischverhältnisse zu tun. Der LCD-1 muss einen Dauertest ertragen, ich habe ihn knapp eine Woche für alle anfallenden Audioproduktionen eingesetzt. Den Gesamteindruck erkläre ich im Fazit, zunächst die Songs mit Detailerklärungen.
Wie auch beim Test anderer Kopfhörer habe ich sechs unterschiedliche Songs verschiedenster Genres zum Test in den Computer geladen, CD Standard 44,1 kHz, 16 Bit, stereo.
Klassik Orchester: Ravel, Bolero, Einspielung Orchestre de la Suisse Romande, CD Edition DDD
Eindruck LCD-1: Der Hallraum des Orchesters ist in einem gedachten Dreieck Nase obere Ohrmuschel abgebildet, die Panoramazeichnung des Halbovals wird also in der oberen Kopfhälfte wiedergegeben, Höhen sind verglichen mit dem Raumeindruck etwas blass und Tiefen laufen in den Raum, das ist sicherlich der offenen Bauart geschuldet. Dynamische Faktoren wie Spitzen des Blechs werden verhallt im Raum eingebettet und stechen nicht unangenehm hervor. Die Mitten sind zum Raum überbetont. Der Track ist dafür fast so luftig wie im Raum zu hören.
Eindruck im Raum: Das Klangerlebnis im Raum ist natürlich ein anderes, da der Schall auch von hinten wahrgenommen wird, man fühlt sich mehr im Konzert eingebettet.
Jazz, Fusion: Marcus Miller, Panther, CD The Sun don’t lie
Eindruck LCD-1: sehr gute Ortung und Wahrnehmung von Hall und Delay Zugehörigkeiten. Satte schnelle Bässe, es fehlen mir etwas die lebendigen Höhen, dafür sehr direkte Mitten, die Kompression der Bassdrum wirkt sehr griffig, aber pappig und die Synthiebass-Elemente sind vom klar Bass getrennt, der Shaker ist gut abgetrennt perkussiv zu hören, alle Panoramaparameter sind sehr fein abgestuft nachzuvollziehen. Die Snare, da sie im Mittenbereich liegt, ist etwas weit vorn. Bei lauterem Hören ist die Mittigkeit des Tracks etwas ermüdend. Tiefbass liegt in Kinnhöhe, bietet kein breites Stereogefühl, er ist halt da, umspielt aber nicht den Kopf.
Eindruck im Raum: Der Track umfließt den Sweetspot am Abhörplatz, gerade was im weiteren Panorama und speziell im Tiefbass passiert, kann der Kopfhörer gegenüber dem Raum nicht wiedergeben.
Pop: Seal, Crazy, CD 1991
Eindruck LCD-1: Analoge und synthetische Drums sind zwar voneinander zu unterscheiden, vermischen sich jedoch auf der 12 Uhr Position. Sequencer und wandernde Signale von den Keys und den Gitarren sind deutlich wahrnehmbar, die Gesangsspitzen der S-Laute sind kein Problem für den LCD-1. Die eingesetzten Mehrstimmigkeiten, die den Song so reizvoll machen, erlebt man ausgewogen. Hallräume und einzelne Modulationseffekte, beispielsweise der Gitarren, sind sehr breit warm und griffig dargestellt. Gutes ,wenn auch starkes Panorama, der Raum vermischt gegenüber dem Kopfhörer den Song homogener. Komischerweise ist der Tiefbass hier sehr nah am Raumeindruck dran, bei den anderen Tracks hatte ich nicht dieses Gefühl.
Eindruck im Raum: Seals Pop Masterpiece erfüllt den ganzen Raum noch mehr um einen herum. Die S-Laute verschwinden im Hallanteil bzw. verschmelzen mit der gesamten Produktion.
Anmerkung für Sänger: Zum Üben von zweiten Stimmen ist der offen gebaute LCD-1 prima, denn man hört seinen eigenen Gesang schön zum Track durch.
Funk, Fusion, Soul, Pop: Earth, Wind and Fire, September, CD Greatest Hits 1978
Eindruck LCD-1: eine Band in Vollbesetzung mit allen Extensions, die man nur haben kann. Präzise gespielt und extrem aufgeräumt gemischt, jedoch trotzdem im Stil der Zeit oder besser gesagt zeitlos, denn der Song funktioniert noch heute ohne Remix & Co. Der Kopfhörer ortet alles extra breit auf einer gedachten Linie Ohrmitte zu Ohrmitte, der Gesang kommt Richtung Stirn. Ich vermisse die 10 und 14 Uhr Position beim Kopfhörer. Die Nummer ist insgesamt sehr mittig abgebildet, macht aber doch einen warmen und aufgeräumten Eindruck.
Eindruck im Raum: Im Raum klingt die Produktion typisch Ende 70er, der LCD-1 macht diesen Eindruck nicht moderner. Raum mit dem Hallanteil sind im Raum hintergründiger und diffuser.
Prog Rock: Yes, State of Play, CD Talk 1994
Eindruck LCD-1: Schöner druckvoller, stereo empfundener Tiefbassanteil für einen offenen Kopfhörer. Die Snare und auch die Vocals sind zwar vorn, aber die Mittenfrequenzen transportieren die Snare direkt vors Gesicht, das strengt bei lauterem Hören an. Hier vermisse ich die Lebendigkeit des Tracks.
Eindruck im Raum: Das Raumerlebnis der Tiefbässe ist voluminöser im Bauch zu spüren. Die Produktion ist nicht so mittig und direkt, der Raum klingt offener wärmer und lebendiger.
Metal: Slayer, Discible 2001
Eindrücke: Der LCD-1 macht aus diesem Track viel Arbeit für die Ohren, da Gitarren, Vocals und Drums, speziell die Snare, ziemlich aggressiv und mittig gemischt sind. Der LCD-1 betont das auch noch. Das hat zur Folge, dass die Ohren leichter schlappmachen und man nicht die Lautstärke hören möchte, zu der einem der Song eigentlich verführt. Alle Bestandteile der Drums sind jedoch gut abgestuft zu orten, Slayer Neuzeit Drummer Paul Bostaph trommelt sich sprichwörtlich die Seele aus dem Hinterteil und bevor von eingefleischten Fans Drummer Personaldiskussionen aufkommen, Dave und Paul wissen beide, wie es geht. Im Raum gehört macht die Nummer mehr Druck und hat mehr Eier. Der Kopfhörer punktet dafür mit einer schönen Kompaktheit, der Song kommt wie eine Wand rüber und ist perfekt im Panorama verteilt.
Bei Sprachaufnahmen macht der Audeze LCD-1 eine gute Figur. Männliche sonore Synchronstimmen haben natürlich nicht ganz so satte Bässe, dafür aber präsente Mitten. Exakte Mischverhältnisse Sprache zu unterlegter Musik sind problemlos mischbar, Hallräume und Effekt werden sauber dargestellt. Einzig die mir etwas zu mittige Darstellung ermüdet auf Dauer die Ohren. Abhilfe schafft der leiser gestellte Kopfhörer.