Impulsantwort Hall
Vor fast genau 2 Jahren, zur NAMM Show im Januar 2010, zeigten AudioEase ein Preview des Altiverb 7 Faltungshalls. Seitdem hat die DAW Welt den Schritt in Richtung 64 Bit gemacht und fast jeder Hersteller hat ein eigenes Convolution Hall Plug-in im Programm, nicht selten als kostenlose Grundausstattung des Hosts. Gleichzeitig wurde es eigenartig still um Altiverb, sodass schon mancher User im Forum des niederländischen Hallpioniers vermutete, Altiverb 7 wäre lediglich Vapourware und würde gar nicht mehr erscheinen. Weit gefehlt, denn nun meldet sich AudioEase endlich mit dem lang ersehnten Update zurück. Ob sich das Warten gelohnt hat und was sie von der neuen Version erwarten können, erfahren Sie in diesem Testbericht. Mehr über das Plug-in und zusätzliche Soundbeispiele finden sie in diesem Amazona Test.
Installation
Zunächst der Frust für Windows User: Altiverb 7 gibt es vorerst nur in einer Version für OS X. Die Windows Version soll laut AudioEase nachgeliefert werden, sobald die Portierung abgeschlossen ist. Mac User wollte man nicht unnötig länger auf die Folter spannen.
Vertrieben wird das Programmupdate über das Internet, die Vollversion gibt es weiterhin auch beim Händler der Wahl. Der Download schlägt inkl. Samples mit gut 3 GB zu Buche. Dabei muss auch bei einem Update von Version 6 das komplette Samplepack neu installiert werden. Als Kopierschutz dient ein iLok Dongle, Challenge/Response wird nicht mehr unterstützt. Leider wird bei der Installation von Altiverb 7 die bisherige Installation überschrieben. Zwar kann Altiverb 7 die Settings aus den alten Session Files lesen, dennoch wäre die Möglichkeit einer Parallelinstallation von 6 und 7 wünschenswert gewesen. Noch ärgerlicher ist, dass sich mit dem Dongle nach dem Update nur noch die 7er Version betreiben lässt. Ein evtl. auf einem anderen Rechner installiertes Altiverb 6 startet mit der neuen Lizenz leider nicht mehr. Andere Hersteller wie. z.B. Steinberg haben das mit eigenen Programmen und dem eLicenser besser gelöst.
Alles so dunkel hier
Auch Altiverb 7 verschließt sich nicht den Zeichen der Zeit und erfreut den User mit einem neuen, dunkleren Look. Damit passt sich das Plug-in an den aktuellen Trend in der Audio-Softwarewelt an, denn praktisch alle DAWs von Logic über Cubase bis Studio One sind mittlerweile dunkel gehalten und damit auch bei stundenlangem Gebrauch augenfreundlich. Edel wirkt die virtuelle Oberfläche noch immer. Einige Funktionen wurden neu sortiert. Kleine Dreiecke zeigen nun an, dass man weitere Features durch Aufklappen erreichen kann. Altiverb versucht somit das Gleichgewicht zwischen Funktionsvielfalt und Übersichtlichkeit zu halten. Das Plug-in Fenster wird beim Ausblenden von Informationen leider nicht kleiner und gibt so auch im eingeklappten Zustand der Reiter nicht mehr Bildschirmfläche frei. Außerdem ist natürlich die Gewichtung der Programmierer letztlich Geschmackssache. Zumindest die Regler zur Einstellung der Early- und Late-Reflections hätten für mich auch gut immer eingeblendet bleiben können. Weiterhin sind einige der gewählten Schriften leider wieder sehr klein geraten und deuten darauf hin, dass zumindest die Programmierer bei AudioEase keine Probleme mit den Augen haben können. Für alle anderen ist eine Brille Pflicht. Trotz der kleinen Kritikpunkte ist Altiverb sehr hübsch anzusehen und lässt sich im Studioalltag auch gut und vor allem flüssig bedienen.
Das interessanteste neue Feature der Oberfläche ist selbstverständlich der neue Browser. Bisher musste man sich beim Durchsuchen der Library durch ein hierarchisches Verzeichnis hangeln, bei dem man wählen kann, ob die Schrift so klein ist, dass sie schwer lesbar wird, oder so gross, dass man einen Teil der Information innerhalb des kleinen Fensters nur erraten kann. Altiverb 7 beinhaltet nun einen Browser, der die Arbeit mit dem Hall-Plug-in angenehmer macht. Dabei fällt zuerst auf, dass das neue Konzept wirklich zum Spielen einlädt. Natürlich ist die Logik der Sortierung zunächst grundsätzlich gleich geblieben, man kann sich aber durch Anwählen der Bilder von Raum zu Raum hören. Dies ist eine unglaubliche Erleichterung gegenüber der Vorgängerversion. Dazu kommt aber in Altiverb 7 nun auch die Möglichkeit einer Suchfunktion. Wenn man den Namen der geliebten Räumlichkeit schon kennt, reicht ein einfaches Eingeben ins Suchfeld und schon ist man – zumindest akustisch – da. Eine weitere Möglichkeit zur Suche eines geeigneten Raumes ist auch interessant: Altiverb kann nun aufgrund des gewählten Raumes Vorschläge von ähnlich klingenden Räumlichkeiten machen. Für die praktische Studioarbeit ist das eine sehr große Arbeitserleichterung, denn häufig sucht man bei der Arbeit mit einem Impulsantwort-Hall für eine Mischung z.B. nach einem kleinen Raum, ist aber mit der Auswahl noch nicht so ganz zufrieden. Mit Hilfe von Altiverb 7 kann man sich nun schnell einen Überblick verschaffen, ob es in der Library einen Raum gäbe, der für die gesuchte Situation noch besser geeignet wäre. Das Umschalten zwischen den Räumen erfolgt blitzschnell per Klick auf das Foto. Die ständig wachsende Library an wirklich ausnahmslos hervorragenden Samples lässt sich so noch besser überblicken und ist nun optimal in das Programm eingebunden. AudioEase kopiert somit das schon aus Speakerphone 2 bewährte Konzept der Libraryintegration. Zukünftig wird man übrigens die Installation weiterer Samples aus dem Internet direkt über den Browser vornehmen können. AudioEase hat eine entsprechende Funktion bereits vorgesehen, im Testzeitraum aber noch keine neuen Samples bereitgestellt.
Alles so hell hier
Als ich mich zum ersten Mal mit dem Altiverb Plug-in beschäftigte und mit einem lieben Kollegen aus dem Masteringbereich darüber unterhielt, war seine erste Frage: „Und, wie klingt das Teil? Ist es wirklich so toll, wie alle behaupten?“ Meine Antwort war eindeutig mit einer kleinen Einschränkung. Ja, das Teil klingt wirklich verdammt ähnlich wie echte Räume. Insbesondere die kleinen Räume klängen aber teilweise etwas wummerig oder muffig und wenig seidig. Daraufhin lachte er und meinte, dann wäre es der erste Hall, der kleine Räume nicht falsch darstelle. Recht hatte er, denn kleine Räume haben ohne bauakustische Massnahmen meist wirklich große Probleme mit Raummoden in den höheren Bässen und tiefen Mitten. Zwar war es mittels des integrierten EQs schon in Altiverb 6 leicht möglich, das Wummern oder den boxigen Klang der Räume herauszufiltern, den übertrieben seidigen oder weichen Klang eines künstlichen Halls konnte Altiverb aber bis jetzt nur mittels Librarys mit Samples von künstlichen Hallgeräten erstellen.
Neu in Version 7 ist der Bright Knopf, mit dem Altiverb neben dem Faltungshall auch einen Anteil algorithmischen Hall zum Signal mischen kann. Der Regler dient dabei lediglich als Lautstärkeknopf. Der künstlich berechnete Hall passt sich automatisch dem gefalteten Hall an. Einstellungen einzelner Parameter des Algorithmus sind ebenso unnötig wie unmöglich. Damit kombiniert Altiverb endlich das Beste beider Welten. Dabei klappert und scheppert der Hall nicht oder klingt zu wenig dicht bzw. bröselig, wie so mancher virtuelle Raum. Andererseits hat Altiverb nun auch im Hochtonbereich immer genügend Reserven und wirkt daher seltsamerweise gleichzeitig realistisch und übertrieben schön, im Prinzip also wie ein Model auf dem Cover einer Modezeitschrift. Wenn man die Einstellung des Brightness Parameters übertreibt, kann man an einen Punkt geraten, wo die Höhen wie ein leises Rauschen klingen.
Nicht zu verwechseln mit der neuen Bright Funktion ist die Möglichkeit, die Hallfahne mittels eines Chorus Effekts zu modulieren. Bekannt geworden ist dieses Feature durch die Firma Lexicon, den wohl berühmtesten Hersteller von hochwertiger Hall Hardware. Die Idee ist so simpel wie genial. Durch die ständigen minimalen Abweichungen des Signals wirkt der Gesamtklang der Mischung weniger statisch. Besonders wenn man mit virtuellen Instrumenten arbeitet und die Produktion aufgrund zu weniger Zufälle zu künstlich wirkt, könnte das Feature helfen, etwas mehr gewolltes Chaos in ein sonst zu sauberes Klangbild zu bringen.
Ich baue mir einen Raum zum Hören
Wer gut hören können will, braucht in der Regel keine neuen Ohren oder Lautsprecher, sondern vor allem gut klingende Räumlichkeiten, so gibt es die Physik unumstößlich vor. Der Einfluss des Raumes auf das Hören ist nämlich viel stärker als die Frage, über welche Lautsprecher man einen Klang abspielt. Deshalb kann man im Tonstudio plötzlich Fehler hören, die einem im Proberaum nicht aufgefallen waren.
Für Altiverb und jeden anderen Impulsantwort Hall bedeutet das aber, dass man auf gute Samples angewiesen ist. Zwar ist die mit Altiverb mitgelieferte Library einzigartig gut und vor allem umfangreich, aber mancher Benutzer wird dennoch evtl. gerne einen eigenen Raum mit all seinen Stärken und Schwächen künstlich abbilden wollen.
Bis jetzt war das mit Altiverb zwar möglich, aber leider auch unnötig umständlich, denn man benötigte ein kleines Helferprogramm, das die aufgenommene Impulsantwort in eine für Altiverb brauchbare Datei umwandelte. Der Rechenprozess ist natürlich noch immer notwendig, wird mit Version 7 aber durch einfaches Drag & Drop einer Wave-Datei auf das Plug-in Fenster ausgelöst. Wie Sie dem Testbericht von Altverb 6 entnehmen können, hatte das Helferprogramm einige Schwächen und so kann man die neue Methode definitiv als Hinzugewinn werten. Besonders schön für Kunden aus dem Post Produktion Bereich: Nun kann auch das Klicken von Klappen, wie sie am Set zum Einsatz kommen, anstelle der aufwendig zu erstellenden Sweeps verwendet werden. Die neue Drag und Drop Methode ist wirklich kinderleicht zu bedienen und überzeugte im Test mit realistischen Ergebnissen.
Neben den erwähnten neuen Funktionen ist in Altiverb XL die Möglichkeit zum TDM-Chip Management gekommen. Die Funktion konnte leider aufgrund fehlender kompatibler Hardware nicht getestet werden, soll hier aber doch zumindest erwähnt werden. Für ProTools 10 User hat AudioEase übrigens schon angekündigt, zu einem späteren Zeitpunkt auch das neue AAX-Format unterstützten zu wollen.
Neu ist auch die interaktiv zu bedienende parametrische EQ-Grafik, die das editieren in 4 Bändern angenehmer und übersichtlicher macht. Damit ist endlich auch ein Kritikpunkt des letzten Tests gelöst worden.
Hmm…. bei so einem Programm hätte ich mir andere Klangbeispiele gewünscht.
Diese regen einen nicht unbedingt an sich mit dem Program zu beschäftigen, auch wenn es schon sehr bekannt ist.
Darüber hinaus ist ein Best Buy bei der Konkurrenz die bereits existiert arg hoch gegriffen.
@brazmann Hi brazmann,
im diesem Update Test werden nur die neuen klanglichen Aspekte von Altiverb mit Beispielen gewürdigt. Die Klangbeispiele aus dem Altiverb 6 Test gelten nach wie vor.
Den best buy halte ich vor allem wegen der umfangreichen Library mit sehr vielen echten Räumen für absolut begründet.