Hybrid, modern, episch und cineastisch
Mit Jaeger präsentiert die auf Filmmusik und Sound-Design spezialisierte Sound-Schmiede Audio Imperia ihre bis dato umfangreichste Orchester-Library. Der Fokus liegt dabei auf hybriden, modernen, epischen sowie cineastischen Filmscores. Mit Jaeger adressiert Audio Imperia professionelle Komponisten, die unter knappen Timelines nach Inspiration und einem einfach zu bedienenden Plugin suchen, das Out-of-the-box fantastisch klingt. Um den professionellen Ansprüchen gerecht zu werden, liegen alle Samples in 48 kHz/24 Bit vor. Die einzelnen Patches bestehen aus bis zu 6 Velocity-Layern und bis zu 9 Round-Robin-Samples.
Eine weitere erfreuliche Nachricht vorweg: Der Kunden-Support von Audio Imperia ist vorbildlich und die Wünsche der Community wurden seit der Erstveröffentlichung von Jaeger in Produkt-Updates nachgeliefert. Auch zukünftig verspricht Audio Imperia weitere Produkt-Updates in Form von zusätzlichen Artikulationen und Patches. Dieser Testbericht basiert auf der aktuellen Jaeger Version 1.2.
Installation (VST & AU)
Die Installation erfolgt mittels Continuata Installer und umfasst ganze 36,2 GB. Voraussetzung, um Jaeger zu verwenden, ist die Vollversion von Native Instruments Kontakt ab Version 5.8.1. Mit dem Direkt-Download umgeht Audio Imperia die Lizenzierung über Native Access, weshalb man Jaeger über den File-Browser von Kontakt öffnen muss. Dies hat den Nachteil, dass man bei langsamer Ladezeit der Patches einige Einstellungen in den Computer-Settings vornehmen muss, da beispielsweise unter Windows Betriebssystemen der Windows Defender die Ladezeiten stark beeinträchtigt. Eine Anleitung zu Performance-Boosts findet sich auf dem YouTube Channel von Audio Imperia. Einmal eingerichtet, läuft alles wie am Schnürchen, zumindest wenn man die Library auf eine schnelle SSD oder gar ein M.2-Modul installiert hat.
Benutzeroberfläche und Bedienkonzept
Das Interface ist sehr übersichtlich gestaltet. Rund um den sogenannten BIG KNOB in der Mitte befinden sich die vier Sektionen: Mixer, Articulations, Controllers und Options. Je nachdem welche Instrumentengruppe man ausgewählt hat, unterscheiden sich die Parameter im Detail.
Mixer
Für die Ordner Hangar I bis II (Strings und Brass) stehen im Mixer fünf verschiedene Stereo-Mikrofonierungen zur Auswahl:
- Spot
- Decca (Tree-Mikrofonierung)
- Wide
- Far
- Full Mix
Für die Sektion Hangar III Percussion gibt es zusätzlich noch eine Full Mix Processed Mischung.
Audio Imperia bietet produktübergreifend stets dieselbe Mikrofonierung an, damit Jaeger nahtlos mit weiteren Orchester-Librarys aus dem eigenen Hause kombiniert werden kann.
Articulations
Je nach Instrumentengruppe und Patch stehen unterschiedliche Artikulationen zur Verfügung, darunter auch echtes Legato für Violinen, Celli, Trompeten und Hörner. Mit weiteren Updates sollen noch weitere Artikulationen und Patches folgen. Alle Artikulationen können via Keyswitch zugewiesen und beim Spielen geändert werden. Artikulationen, die nicht benötigt werden, können auch einfach deaktiviert werden. Um Rechner-Ressourcen zu sparen, stehen alle Artikulationen auch vereinzelt im Ordner INDIVIDUAL PATCHES zur Verfügung. Obendrein gibt es einen weiteren Ordner mit der Bezeichnung LITE PATCHES, die sehr ressourcenfreundlich sind, aber aufgrund dessen auf Funktionen wie den BIG KNOB, Step Mod und die Send und Insert FX verzichten.
Controllers
Mit dem DYNAMICS-Regler, der auch über das Modulationsrad angesteuert werden kann, triggert man Crossfades zwischen den verschiedenen aufgenommenen Sample-Layern, die besonders bei langen Artikulationen wie Sustains und Tremolos zum Tragen kommen. Mit dem Regler DYN.RANGE lässt sich der Dynamikumfang vergrößern. Auf Nullstellung werden die Samples so abgespielt, wie sie aufgenommen wurden, in Maximalstellung erreicht man den größtmöglichen Dynamikumfang von absoluter Stille bis hin zur maximalen Lautstärke. EXPRESSION bietet eine zusätzliche Lautstärkekontrolle, mit VIBRATO kann man zwischen Non-Vibrato und Vibrato-Samples crossfaden. SAMPLE START bestimmt das Pre-Padding, das von Haus aus auf -125 ms eingestellt ist, um einen sehr natürlichen Attack zu erzeugen und mit dem Regler LEGATO SAMPLE START kann man im Live-Betrieb für mehr Responsivität der Samples sorgen. Letzterer hilft dabei, langsame wie auch schnelle Passagen zu spielen und dabei ein sehr natürliches Klangbild beizubehalten.
Options
Hier finden sich vier weitere Optionen. Im Fenster VELOCITY CURVE kann man zwischen drei Kurven wählen, um zu bestimmen, wie sich die Velocity verhalten soll. Mit TRANSPOSE lassen sich Samples auf dem Keyboard transponieren. Mit RANGE kann man pro Artikulation die spielbaren Noten erweitern. LOW CPU reduziert die maximale Stimmenanzahl, um CPU zu sparen und POLYPHONIC LEGATO erlaubt, bis zu drei Noten gleichzeitig in Legato zu spielen, wobei die zusammengehörenden Noten jeweils die gleiche Velocity-Range haben müssen, um gegenseitig erkannt zu werden.
Big Knob
Der große Drehknopf in der Mitte ist ein Makro-Controller, dem verschiedene Effekte zugewiesen werden können. Er findet auch in vielen anderen Audio Imperia Librarys seinen Einsatz und ist mitunter der Grund, warum Jaeger nicht nur eine klassische Orchester-Library ist, sondern man mit ihr auch hybride Sounds erzeugen kann.
Unterhalb des BIG KNOBS hat man über einen kleinen Settings-Button Zugriff auf die verschiedenen Effekte. Darunter Compressor, Distortion, Lo-Fi, Rotator, Chorus, Flanger und Phaser. Für jeden der einzelnen Effekte stehen weitere individuelle Parameter zum Einstellen zur Verfügung.
FX
Über den Button FX öffnet sich ein Untermenü, in dem man zwischen den beiden Ansichten STEP MOD und INS/SENDS wechseln kann.
Step Mod
Mit dem Step Modulator lassen sich komplexe Modulationskurven für 10 unterschiedliche Effekte einstellen. Das Beste daran: Alle Effekte lassen sich wahlweise über Keyswitches antriggern oder manuell durch Klick auf den entsprechenden Button auswählen. Damit lassen sich extrem abgefahrene Modulationen realisieren und mit einem Tastendruck wird so beispielsweise aus einer klassischen Orchester-Performance plötzlich ein hybrider Gate-Sound, der dazu noch im Takt und der Geschwindigkeit des Sequencers die Lautstärke und das Panorama ändert.
FX
Genau wie auch im Bereich STEP MOD lassen sich die 9 Effekte des Menüs INS/SENDS via Keyswitch oder Klick auf den Button auswählen. Darunter findet sich ein Compressor, Distortion, Lo-Fi, Rotator, Chorus, Flanger, Phaser, Delay und eine Convolution Reverb Sektion. Damit werden Drittanbieter-FX Plugins so gut wie überflüssig.
Klang
Hangar I: Strings
Unter dem Ordner „Hangar I“ finden sich Strings. Insgesamt gibt es fünf Haupt-Patches, die aus folgenden Instrumentengruppen bestehen:
- 16 Violinen
- 10 Violas (Bratschen)
- 6 Celli
- 4 Basses
- Full Ensemble
Beim ersten Anspielen fällt direkt die hochwertige und moderne Klangfarbe auf. Die Samples klingen klar, präsent und crisp, was unter anderem der Mikrofonierung zu verdanken ist. Im Gegensatz zu Librarys wie Albion One von Spitfire Audio, die in den AIR Studios aufgenommen wurden und das Ziel haben, die Raumakustik einzufangen, klingt Jaeger trocken. Damit lassen sich im finalen Mix ohne Einschränkungen eigene Reverb und ggf. weitere Effekte hinzufügen. Mittels Modulationsrad steuert man beim Spielen den DYNAMICS-Regler an und entdeckt dabei sofort die Liebe zum Detail der Library. Je nach Instrument und Artikulation wurden bis zu sechs verschiedene Velocity-Layer aufgenommen, die nahtlos ineinander überblenden. Dadurch entsteht ein sehr realistischer und dynamischer Sound. Mit den Patches lassen sich sowohl samtweiche Streicherpassagen als auch epische Streichereinlagen realisieren.
Doch damit nicht genug. Dank der umfangreichen Effektsektion, die sich in der Mitte der Benutzeroberfläche befindet, lassen sich im Handumdrehen aus klassischen Sounds hybride Klänge basteln, doch dazu später.
Hangar II: Brass
Der Ordner Brass wartet ebenfalls mit fünf Patches auf:
- 3 Trompeten
- 6 Hörner
- 2 Tenor & 2 Bass-Posaunen
- 2 Tuben
- Full Ensemble
Klanglich kann auch diese Sektion voll überzeugen. Von gemuteten Blechblässern bis hin zu episch lautstarken Passagen, lässt sich hiermit die ganze Bandbreite umsetzen. Es macht einfach Spaß, das Modulationsrad zu bedienen und im Handumdrehen den Klang formen zu können. Gerade im Layering der verschiedenen Spielweisen trennt sich bei Orchester-Librarys die Spreu vom Weizen und Jaeger macht deutlich, dass es sich bei der Library um ein Profi-Werkzeug handelt.
Hangar III: Percussions
Die Percussion-Engine basiert auf CERBERUS, der Epic & Cinematic Drums Library von Audio Imperia. Hier finden sich:
- Gran Cassa Ensemble
- Taikos (Small, Medium, Large)
- Concert Tom Ensemble (Small, Large)
- Concert Snare Ensemble (Small, Large)
- Stick Ensemble
- Tam Tam
- Piatti
Insgesamt stehen zwei Patches mit identischen Instrumenten zur Verfügung, wobei sich die Mikrofonierung unterscheidet. Einmal wurden die Samples mit distance compensated und einmal mit non-distance compensated Mikrofonen aufgenommen. Erstere eignen sich durch den extra Punch für den Einsatz epischer Musik und Trailer, während das Stereo-Bild bei den non-distance compensated Mikrofonen natürlicher klingt und sich damit mehr für klassische Kompositionen eignet.
Von der Klangqualität überzeugt auch diese Sektion, allerdings fällt sie im Umfang im Vergleich mit den anderen Sektionen klein aus. Es gibt auch keine Loops, die man sich eigentlich in dieser Sektion wünschen würde, sondern nur einzelne Samples. Das liegt vielleicht daran, dass mit CERBERUS bereits eine eigenständige DRUM Library existiert, die in den gleichen Mikrofonierungen wie Jaeger aufgenommen wurde und damit als ideale Ergänzung dient.
Hangar IV: Vocals by Merethe Solvedt
Aufgrund der positiven Reaktionen auf Hangar IV ist diese Sektion sogar als Einzelprodukt erhältlich. Mit der Sängerin Merethe Solvedt wurden für Jaeger zehn verschiedene Artikulationen aufgenommen. Neben Legato und Sustained AAH, OOH und MMMs finden sich hier auch Phrasen, Up Scales (verschiedene Tonleitern) und Breathes (Atemgeräusche). Die Legato-Patches überraschen durch den sehr natürlichen Klang. Gerade bei Vocals hört man den Wechsel zwischen verschiedenen Samples oftmals ziemlich deutlich, aber bei Jaeger haben die Sound-Designer hervorragende Arbeit geleistet.
Hangar V: Sound Design
Insgesamt acht Patches gibt es in diesem Ordner:
- Mech Hits
- Mech SFX
- Mech Braaams Full Mixes
- Mech Braaams Braaams Only
- Braaams
- Drones
- Drones – Tonal Mapping
- Hits
In der Kategorie Sound Design unterscheidet sich das User-Interface erheblich von den anderen Sektionen. Über den GLOBAL-Button kann man wählen, ob die Soundparameter auf einzelne Samples oder global angewendet werden sollen.
Links neben dem BIG KNOB lassen sich die Lautstärke, das Panorama und der Pitch einstellen. Rechts neben dem BIG KNOB hat man direkten Zugriff auf die FX-Sektion, den Attack- und Release-Regler sowie den Stereo-Spread, mit dem man einen subtil bis sehr extremen Widening-Effekt erzeugen kann.
In der Wellenformanzeige lässt sich der Startpunkt des Samples einstellen, durch Klick auf den gelben Pfeil kann man diese auch rückwärts abspielen. Unterhalb der Wellenform befinden sich Filter und EQs.
JAEGER vs. NUCLEUS – THE ORCHESTRAL CORE
Mit NUCLEUS – THE ORCHESTRAL CORE hat Audio Imperia kürzlich eine weitere Orchester-Library veröffentlicht. Doch wo liegen die Unterschiede und welche Library eignet sich für wen? Tatsächlich ergänzen sich beide Librarys und es werden sogar Crossgrades angeboten. Während Jaeger durch die hohe Anzahl an Velocity-Layern und Round Robins glänzt und sich an Profis richtet, die nach einer modernen und hybriden Library suchen, zielt Nucleus auf Einsteiger und Profis ab, die nach einer umfassenden rein klassischen Orchester-Library suchen. Nucleus bietet dabei weniger Mikrofonierungen und Round-Robins sowie keine hybriden Sound-Design-Möglichkeiten, bietet dafür aber ein umfassendes klassisches Orchester. Den vollständigen Testbericht zu NUCLEUS gibt es hier zu lesen.