Lifestyle-Lautsprecher oder Studiomonitor?
Die aktiven Audio-Technica AT-SP3X Kompaktlautsprecher richten sich eigentlich nicht primär an den Studiobetreiber, sondern gehören zur Kategorie der sogenannten Regallautsprecher. Doch genau diese kleinen Lautsprecher sind es, die in Ergänzung zu hochwertigen Studiomonitoren einen guten Eindruck davon vermitteln, wie der Mix später im Wohnzimmer klingen wird.
Inhaltsverzeichnis
Studiomonitore vs. Hifi-Lautsprecher
Lautsprecher ist Lautsprecher – könnte man meinen. Dem ist aber nicht so, denn Lautsprecherbau ist einerseits eine Kunst, andererseits aber auch eine höchst subjektive Angelegenheit, bei der manchmal allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz durch Marketing Mythen zum Grundsatz erhoben werden.
Letzteres gilt für hochwertige Studiomonitore genauso wie für Hifi-Lautsprecher. Gerade die Hifi-Fraktion hat sich in den letzten Jahren zunehmend in eine Richtung entwickelt, in der wie im Mittelalter Aberglaube mehr zählt als elektro-akustische Fakten. Doch schon bei der Abgrenzung von professionellen Studiolautsprechern zu Hifi-Lautsprechern hat man mit Mythenbildung zu kämpfen. Das häufigste Missverständnis ist die folgende Aussage: Die Wiedergabe eines Studiolautsprechers ist linear. Oder: Der Frequenzgang eines Studiolautsprechers muss linear sein.
Beide Aussagen sind nur bedingt richtig. Ich habe in den vielen Jahren meiner Tätigkeit als Tester unzählige Studiolautsprecher aus allen möglichen Preisklassen getestet. Kein einziger dieser Lautsprecher hatte einen linearen Frequenzgang. Trotzdem waren es fantastische Studiolautsprecher.
Die zweite nicht korrekte Aussage ist die, dass Studiomonitore nicht gut klingen müssen. Man stelle sich vor, man müsse über viele Stunden hinweg Musik auf Lautsprechern mischen, die fürchterlich klingen. Vermutlich würde jeder Mixing- oder Mastering-Toningenieur seinen Job innerhalb kürzester Zeit hassen.
Die Grundlage dieser beiden Mythen ist eigentlich eine andere: Studiolautsprecher sollten in der Mittenwiedergabe möglichst linear sein. Hier ist unser Gehör sehr empfindlich und wir nehmen kleinste Veränderungen sofort wahr. Eine lineare Wiedergabe im Mittenbereich ist essentiell, um Schwächen im Mix sofort aufzudecken.
Außerdem ist der Mittenbereich der kleinste gemeinsame Nenner aller Lautsprecher. Musik wird auf einer Vielzahl an unterschiedlichen Lautsprechern wiedergegeben: vom großen Lautsprechersystem mit zusätzlichem Subwoofer, bis hin zur kleinen Bluetooth-Box oder gar dem Smartphone-Lautsprecher.
Hifi-Lautsprechern wird oft eine Schönfärberei vorgeworfen. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen, doch ist es genau diese Schönfärberei, die wir beim Mix berücksichtigen müssen. Manch ein Hifi-Lautsprecher entpuppte sich außerdem als beliebter Studiomonitor. Man denke nur an die berühmten Yamaha NS-10. Diesen konnte man weder Schönfärberei noch einen linearen Frequenzgang bescheinigen und doch waren (und sind) sie ein für viele Toningenieure unverzichtbares Mix-Tool.
Ebenfalls berücksichtigt werden müssen kleine Kompaktlautsprecher, Regallautsprecher, Bluetooth-Boxen und mehr. Genau hier kommen die Audio-Technica AT-SP3X Monitore ins Spiel. Star-Toningenieur Bob Clearmountain erwähnt in Interviews gerne die kleinen alten Apple Desktop Speaker, die er zum Gegenchecken seiner Mixes nutzt. Und auch die AT-SP3X Aktivlautsprecher können uns hier gute Dienste leisten.
Audio-Technica AT-SP3X Kompaktlautsprecher
Die Audio-Technica AT-SP3X Kompaktlautsprecher sind wirklich klein. Beim Auspacken aus der Umverpackung entdecke ich einen kleinen Produktkarton halber Größe, der dann einen noch einmal deutlich kleineren Inhalt besitzt. Der Hersteller, der sonst eher für Mikrofone, Kopfhörer und auch Plattenspieler bekannt ist, begibt sich hier auf neues Terrain. Einige wenige Infos zu den neuen Kompaktlautsprechern gibt es auf der Herstellerseite.
Schaut man sich die von audio-technica vorgeschlagenen Einsatzgebiete an, wird auch klar, warum: Die Audio-Technica AT-SP3X Kompaktlautsprecher werden zum Einsatz mit Plattenspielern, Smartphones, Computern, Fernsehern oder als Regallautsprecher vom Hersteller empfohlen. Sie sollen eine unauffällige und gut aussehende Ergänzung sein und weniger Mittelpunkt des Geschehens.
So hatte ich keine Probleme damit, die beiden kleinen Lautsprecher noch zwischen meinen Computerbildschirm und die beiden großen Event 20/20 Studiomonitore daneben aufzustellen.
Lautsprecherbestückung
Bestückt sind die mattschwarz lackierten Lautsprecher mit je einem 3“ Tief/Mitteltöner und einem 1,1“ Hochtöner, der inmitten eines kleinen Waveguide sitzt und durch dieses auch gleichzeitig vor Beschädigungen geschützt wird.
Im Inneren der Lautsprecher arbeitet ein DSP, der den Sound der Lautsprecher formt. Auf diesen haben wir von außen keinen Zugriff, können also keine eigenen Einstellungen am EQ etc. vornehmen. Unterstützt werden Sample-Rates von 44,1 und 48 kHz sowie 16 Bit und 24 Bit.
Die Anschlüsse der audio technica Speaker
Angeschlossen werden die Lautsprecher gemäß ihres vom Hersteller avisierten Einsatzgebiets entweder per Bluetooth oder per Cinch-Stereokabel. Das rechte Lautsprechermodell enthält die Verstärkerelektronik, während es sich beim linken Lautsprecher um ein rein passives Modell handelt. Verbunden werden beide Lautsprecher über ein beiliegendes circa 2 m langes Lautsprecherkabel über die Anschüsse an der Rückseite. Dort befindet sich auch der Eingang für das externe Netzteil.
Das aktive Modell besitzt an der rechten Seite des Gehäuses einen Lautstärkeregler sowie einen kleinen Schalter, mit dem das Bluetooth-Pairing angestoßen werden kann. Außerdem dient dieser auch als Umschalter zwischen dem kabellosen Bluetooth-Betrieb und dem kabelgebundenen Betrieb über die Cinch-Eingänge.
Multipoint-Pairing
Alle bislang beschriebenen Funktionen und Ausstattungsmerkmale sind wenig besonders und an zahlreichen anderen Produkten auch zu finden. Was aber eine Besonderheit darstellt, ist das sogenannte Multipoint-Pairing. Beim Multipoint-Pairing ist der Bluetooth-Empfänger in der Lage, sich mit mehreren Bluetooth-Quellen gleichzeitig zu verbinden.
Bei vielen Bluetooth-Empfängern ist nur eine singuläre Verbindung zur Zeit möglich. Möchte man sich mit einem anderen Gerät mit dem Empfänger verbinden, muss die zuvor hergestellte Verbindung getrennt werden. Beim Multipoint-Pairing der Audio-Technica AT-SP3X Kompaktlautsprecher hingegen können zwei dauerhafte Verbindungen zu unterschiedlichen Zuspielern bestehen, plus die Verbindung über Cinch.
Auf diese Weise ist der Betrieb von bis zu drei Zuspielern an einem Pärchen AT-SP3X möglich. Die AT-SP3X arbeiten übrigens mit Bluetooth-Version 5.3. Die Reichweite beträgt bei Sichtlinie circa 10 m. Zum Einsatz kommt der Codec SBC, was etwas schade ist, da es besser klingende Codecs wie AptX und AAC gibt.
Praxis und Klang der AT-SP3X
Wie erwähnt, sind die kleinen AT-SP3X Kompaktlautsprecher schnell aufgestellt und einsatzbereit. Die Bluetooth-Verbindung hat mir am Anfang etwas Probleme bereitet, was aber vermutlich daran lag, dass zwischen dem Apple Mac Mini und seinem Bluetooth Transmitter und der aktiven AT-SP3X Lautsprecherbox nur wenige Zentimeter und ein 1,5 cm dickes Holzbrett lagen. Die Verbindung mit meinem Apple iPhone klappte auf Anhieb.
Der erste Klangeindruck ist „groß“. Die kleinen Lautsprecher klingen deutlich größer, als ihre physischen Ausmaße es vermuten lassen. Das gilt insbesondere für den Bassbereich. Hier leistet der DSP ganze Arbeit. Es werden Bässe wiedergegeben, die aufgrund der Membranfläche nicht zu erwarten wären. Es klingt alles sehr voll und rund. Je nach Musikstil geht das bisweilen etwas zu Lasten der Höhenwiedergabe, die im direkten Vergleich zu den Bässen eher als gezügelt zu bezeichnen ist.
Sehr gut gemischte Musik klingt auf diesen kleinen Lautsprechern auch sehr gut. Künstliche Überhöhungen im Bassbereich mögen die Kompaktlautsprecher allerdings nicht, denn zusammen mit den Bearbeitungen durch den DSP wird es dann schnell zu mulmig und es kommt zu Maskierungen.
Ein regelrechter Hörgenuss war das Titel „Moonriver“, interpretiert von Eric Clapton und dem kürzlich verstorbenen Jeff Beck auf dem neuen Clapton-Album „Meanwhile“. Interessant ist, dass die Stereobasisbreite deutlich über die Lautsprecherbasis hinausragt. Das fällt insbesondere bei vielen Stücken aus den 80ern und auch orchestralen Werken auf.
Drei Bass-Härtetests sind immer die drei Songs „One of us“ von ABBA mit dem extrem knurrigen und runden Fretless-Bass von Rutger Gunnarsson, „Fields of Gold“ vom Sting Live-Album „All this time (live)“ sowie „Rivers of Gold“ von Eric Clapton mit seinem wahnsinnig tiefen Arpeggio-Bass vom Album „Pilgrim“. Schon so manche kleine Lautsprecherbox hat hier sprichwörtlich alle Viere von sich gestreckt, nicht so die Audio-Technica AT-SP3X. Es zerrt nichts, der Bass mulmt nicht und alles klingt ausgewogen.
Dire Straits und auch Mark Knopflers Solo-Alben klingen ebenfalls erstklassig und es macht Spaß, sich die Musik über die kleinen Lautsprecher anzuhören. „Darling Pretty“, „Golden Heart“, „Brothers in Arms“ mach Lust auf mehr. Ähnlich ist es bei den Alben von Bruce Springsteen. Insbesondere das Glockenspiel von Danny Federici, das oft das Piano von Roy Bittan im Top-End ergänzt, klingt schön crisp und klar, während Springsteens Stimme beschwörend mit dem Bass in der Mitte steht und die Gitarren sich rechts und links verteilen. „Born to Run“ und „Jungleland“ klingen hervorragend auf den AT-SP3X.
Allerdings waren hier auch die besten Misch- und Mastering-Ingenieure am Werk. Ganz anders sieht es bei Musik aus, die nicht gut gemischt ist. Hier entlarven die AT-SP3X die Mixfehler gnadenlos. Es klingt dann topfig und unangenehm. Ein mahnendes Beispiel wäre hier das Iron Maiden Album „Senjutsu“, eines der wohl am schlechtesten klingenden Maiden-Alben am Markt. Besser verstehen sich die Kompaktlautsprecher mit den frühen Maiden Alben bis „Seventh Son of a Seventh Son“.
Und genau das ist ihr Job, denn tagtäglich wird Musik auf ähnlichen Lautsprechern konsumiert – bei gedrückter Loudness-Taste oder voll aufgedrehten Bässen am EQ.
Die Lautsprecher haben aber auch einen Nachteil: Sie vertragen keine allzu hohen Pegel, ohne anzufangen zu verzerren. Diese beruhen in erster Linie auf Gehäuseresonanzen, die bei höheren Pegeln entstehen und nur teilweise auf Verzerrungen der Verstärkerelektronik. Die Audio-Technica AT-SP3X Monitore klingen am besten bei Zimmerlautstärke.
Alternativen
Als Alternative würden mir vor allem die kleinen IK Multimedia iLoud Micro Monitore einfallen, die ebenfalls sehr kompakt sind und ähnlich bestückt sind.
Ebenfalls interessant, aber dreimal so teuer sind die Genelec 8010 AW.
Danke Markus,
diesen Satz liebe ich
„Gerade die Hifi-Fraktion hat sich in den letzten Jahren zunehmend in eine Richtung entwickelt, in der wie im Mittelalter Aberglaube mehr zählt als elektro-akustische Fakten.“
Ich nenne es HIFI Voodoo.
Ich denke man muss sie hören um beurteilen zu können ob sie den eigenen Ansprüchen entsprechen.
Ohne Anpassungsmöglichkeit wärs nichts für mich.
Mit den KH 80DSP habe ich meine kleinen Lautsprecher für die verschiedensten Szenarien gefunden, aber die sind eine ganz andere Preisklasse.
Empfehlung? Budget festlegen, vergleichen und dann zuschlagen.
@TomH Die KH 80DSP gehen schon wieder deutlich mehr in Richtung Studiomonitore. Das ist hier nicht die Zielgruppe. Deshalb gibt es auch keine großen Anpassungsmöglichkeiten.
@Markus Galla Ja, das ist klar.
Mir meißeln die kleinen auf jeden Fall ein grinsen ins Gesicht, gerade auch beim Musikhören. So von wegen Studio Monitore sind anstrengend und machen keinen Spaß.
Aber die Botschaft ist, setzt Euch ein Budget und hört Euch die Kandidaten in Eurer Preisrange an.
IMO sind Kandidaten mit Anpassungsmöglichkeiten besser, da hier zumindest auf den immer vorhanden Einfluß von Raum und der Aufstellung reagiert werden kann.
Aber nur meine 2 cent
@TomH Das „…in den letzten Jahren“ hätte Markus sich sparen können…das war vor 30 Jahren schon so, und wird in 30 Jahren immernoch so sein.