Nackter Berliner Jam-Sequencer
Vor rund sechs Wochen stellten wir auf unserer Seite den Audiowerkstatt mini-midi-step-seq mit einer Top News vor. Schon kurz nach Veröffentlichung der News war klar: Das Teil polarisiert. Optisch konnten dem „nackten“ MIDI-Sequencer noch einige Leser etwas abgewinnen, spätestens beim Preis waren dann aber viele skeptisch. Wir wollten es natürlich genauer wissen und haben uns einen der ersten mini-midi-step-seq direkt bei Audiowerkstatt in Berlin besorgt.
Hinter der Firma „audiowerkstatt“ steckt vor allem Olaf Giesbrecht. Nach einer Flucht aus seinem Heimat- und Studienort Heidelberg tauchte Olaf in die Berliner Party- und Synthesizer-DIY-Szene ein, sammelte erste Erfahrung beim Zusammenlöten von Bauvorschlägen aus dem Internet und wurde Mitinitiator des „19 Zoll-Stammtisch“ und des Experimentalkollektivs „Transistors Of Mercy“ (siehe Links). Irgendwann geriet er an das STK 500 Development Board für Atmel-Prozessoren und entwickelte damit PWM-Synthesizer und eine Applikation, die wenig später zu seinem erstem Produkt werden sollte, den „midi-clock-divider“. Später verbesserte Olaf auch den damals verbreiteten „Sync“ von Mungo Enterprises: Das Ergebnis dieser Arbeit sind der Audiowerkstatt „midi-restarter“ und – in leicht abgewandelter Form – der „din-restarter“.
Nach Abschluss seines Jurastudiums arbeitete Olaf für einige Zeit als Rechtsanwalt und beschloss, sein Hobby zum Beruf zu machen. Im März 2014 gründete er die audiowerkstatt. Auf die bereits erwähnten Lösungen folgten „midi-clock-shifter“, „din2midi2din“ und „trigger2midi2trigger“ sowie – zur Superbooth 2016 – der „mini-midi-step-seq“, unser heutiges Testgerät.
Nakedware
Der mini-midi-step-seq ist ein „Jam-Sequencer“ für ein MIDI-basiertes Setup, der sich wie ein klassischer analoger Step-Sequencer anfühlen und bedienen lassen soll. Er besitzt einen MIDI In zur Synchronisation und einen MIDI Out zur Fütterung von Klangerzeugern. Analoge Steuerspannungen werden nicht ausgegeben.
Augenfälliges Merkmal: Wie alle audiowerkstatt-Produkte kommt der midi-mini scheinbar nackig daher, nämlich ohne erkennbares Gehäuse. Das täuscht: Zwar besteht der Sequencer aus drei Epoxidplatten, aber nur die mittlere ist mit elektronischen Bauteilen bestückt und führt Strom. Bedien- und Bodenplatte dienen allein der Stabilisierung und Einhausung, sind mit den Funktionen der Bedienelemente beschriftet und – um das Konzept auf die Spitze treiben – sogar mit Fake-Leiterbahnen und Fake-Durchkontaktierungen versehen. Allein die Taster stützen sich an der Leiterplatte in der Mitte ab, die Potentiometer sind dagegen an der Bedienplatte verschraubt und die Gummifüße am Boden. Zusammengehalten wird der Sequencer von Sechskant-Distanzhaltern aus Metall. Die Konstruktion ist ausgesprochen steif und weitaus robuster, als sie auf den Fotos erscheinen mag.
Spät am gestrigen Abend schrieb mir die Audiowerkstatt:
Hallo Falk,
ich habe heute tatsächlich ein kleines Update vorgenommen; es gibt nunmehr das gewünschte „Start/Stop-Feature“ nach Deinen Vorschlägen!
Wenn man jetzt in das Setup-Menü geht, aber noch keinen Unterpunkt ausgewählt hat (alle Step-LEDs blinken), ist „A“ die Stop-Taste und „B“ die Start-Taste für einen sofortigen, also un-synchronisierten, Neustart. Einen Synchronstart bekommt man – wie gehabt – mit der Restartfunktion. Ich wünsche viel Spaß beim Ausprobieren!
Beste Grüße,
Olaf.
„Nach einer Flucht aus seinem Heimat- und Studienort Heidelberg“
Das kann ich nur allzugut nachvollziehen!
Denke ich muss meine Meinung über das Teil doch etwas revidieren.
Nicht deswegen sondern wegen der interessanten Live-Performance-Möglichkeiten.
Grüße,
M.
Ich muss sagen, Qualität kostet durchaus seinen Preis, und oft werden Kisten hergestellt die doch sehr wackelig sind. Die Art und Weise wie das Gerät mit Liebe und Hingabe hergestellt wird gefällt mir. Und ich bin doch jetzt begeistert.
Ein netter Mensch dieser Olaf, hatte mich mit ihm auf der Superbooth unterhalten, unter anderem in Bezug auf ein Gehäuse für diese und finde diese Mini-MIDI-Boxen sehr interessant. Sehr gut verarbeitet und eben mit Liebe gemacht…was auch den Preis in meinen Augen rechtfertigt. Sicherlich ein Nischenprodukt, aber ein sehr praktisches und schönes…
Alles Gute damit!
Das fehlende Gehäuse ist für mich immer noch ein No-Go. Für Staub und anderen Dreck ein gefundenes Fressen.
Ich konnte einfach nicht anders und habe mir so ein Teil bestellt. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob es wirklich das ist was ich suche, aber das gesamte Konzept spricht mich einfach zu sehr an. Die absoult reduzierte Konzeptionierung liegt momentan ganz auf meiner Linie. So bezahle ich sehr gerne etwas mehr, um genau das entscheidende etwas weniger zu bekommen.
Das auf Wertigkeit und Haltbarkeit ausgelegte Konzept spricht mich auch an, das Design ist gewöhnungsbedürftig, der Preis liegt recht hoch, ist aber wohl gerechtfertigt. Mir scheint der (günstigere) SQ-1 etwas flexibler zu sein, oder liege ich da falsch?
Würde den Sequenzer gerne mal live testen.
Hallo,
die Geräte sind schon recht unterschiedlich:
Der Fokus des SQ-1 liegt auf der Steuerung von analogen Synthesizern via Gate/CV, insbes. der neuen MS-Serie. Er ist vielseitiger, aber auch fummeliger und weniger für den rauhen Einsatz als Live-Werkzeug – insbes. im Clubkontext – zugeschnitten.
Hier liegt eindeutig die Stärke des mini-midi, auch wegen der viel besseren Haptik. Beachte aber: Der mini-midi-step-seq kann auf direktem Wege nur MIDI-Klangerzeuger steuern.
Du hast beim Kauf 2 Wochen Widerrufsrecht und kannst den mini-midi in aller Ruhe ausprobieren.
@falconi Heutzutage bin ich kaum mehr live unterwegs, meine Arbeitsweise ist aber stark „Echtzeit“-geprägt, daher finde ich Hardwaresequenzer generell interessant. Der Funktionsumfang des mini-midi hört sich nach nochmaligem Lesen deines Artikels durchdacht und praxisbezogen an, aber irgendwie kriege ich die Preis/Leistungs-Balance gedanklich noch nicht hin und komme immer wieder auf die Tatsache zurück, daß ich für den Preis des Geräts fast drei SQ-1s kriegen würde. Klar, der mini-midi geht konzeptionell in eine andere Richtung und Audiowerkstatt sind nicht Korg, mein schmales Budget erlaubt teure Experimente halt nur bedingt… :)
Hmmm was soll ich da sagen? Ich verstehe das gewisse Qualität kostet und Kleinproduktionen teurer sind als ein Massenauswurf vom Fließband und Design und Optik auch nicht immer billig ist.. Aber in Zeiten wo ich einen Hardwaresequencer ala Pyramid bekomme der Midi und Cv ausspuckt frage ich mich warum ich 300 euro für einen 2 mal 8 Stepklopfer ausgeben soll der nicht mal ein Gehäuse hat und nur Midi ausgibt?
@Ashatur Z.B. wegen der flüssigen Bedienung, der Performance-Features (Patternwechsel in Echtzeit, Verschieben um einen Step, Restart, …), Verarbeitungsqualität, Haptik, Optik, weil Du kein Gate/CV brauchst, wegen des günstigeren Preises oder schlicht wegen der sofortigen Verfügbarkeit.
Der Squarp Pyramid wird vielleicht auch toll, aber so genau wissen wir das ja noch nicht…die derzeit ausgerufenen 700 Euro (Preorder!?) halte ich für recht gewagt.
Vor einigen Tagen ist nun mein midi-mini-step-seq bei mir angekommen und ich konnte schon einige Stunden damit experimentieren.
Mein erstes Fazit: der Kauf hat sich absolut gelohnt und war jeden Euro wert. Nach kurzer Zeit konnte ich loslegen und hatte Spass ohne Ende. Dass man nichts speichern kann fand ich äusserst spannend; ich hatte ein ähnliches Gefühl wie beim Improvisieren am Klavier. Ich kam immer mehr in einen Fluss und vergass die Zeit.
Das restliche Setup war auch ganz einfach konzipiert: Die Clock kam vom RH301 von Koma, der Synth war ein Dark Energy. Dabei kam sicher kein neuer Hit heraus, aber wann tut es dass schon…
Dank noch an Amazona, dass ihr auch solche Nischenprodukte vorstellt – von mir aus gerne mehr.