Ein Traum von einem Channelstrip
Der Avalon VT-737SP ist ein Röhren-Channelstrip mit einem Preamp, Kompressor und 4-Band-Equalizer. Und um es gleich klarzustellen: Wir haben es hier mit einem Gerät im High-End-Segment zu tun. Wer sich einen Channelstrip wie den VT-737SP anschaffen möchte, der will nicht per Kompressor „Lautheit“ erzeugen oder per Equalizer eine Raummode ausblenden, sondern hier geht es ein feines klangliches Ausbalancieren und einem Hinzufügen von etwas, das ich in diesem Bericht versuche zu beschreiben.
Inhaltsverzeichnis
Was bietet der Avalon VT-737SP?
Der Avalon VT-737SP ist ein Rackmount-Channelstrip mit zwei Höheneinheiten, der nach einem äußerst stabilen Rack-Schrank verlangt, denn mit seinen 10 kg Gewicht zerrt die Schwerkraft schon sehr ordentlich an diesem edlen Gerät. Der elektrische Aufbau wurde in diskreter Class-A durchgeführt und die Verstärkung übernehmen insgesamt vier Sovtek 6922 Dual-Triodenröhren.
Der Avalon VT-737SP hat in großen Tonstudios einen legendären Ruf, insbesondere wenn es um die Bearbeitung von Stimmen geht. Natürlich könnte man auch E-Gitarren (über den HI-Z Input) oder andere Instrumente damit aufnehmen, aber tatsächlich findet der Avalon seine Bestimmung beim Voiceover. Dafür verfügt er über alle gängigen Funktionen wie einen Kompressor, der (ähnlich einem Universal Audio Teletronix LA-2A) als Opto-Kompressor ausgeführt ist und einen parametrischen 4-Band-Equalizer mit den Bereichen Bass, Low Mid, High Mid und Treble.
Die Ausstattung des Avalon VT-737SP
Ich möchte hier nicht zu sehr auf alle Details eingehen, denn an den Bildern kann man die grundsätzlichen Funktionen des Kompressors (Threshold, Compression/Ratio), Attack und Release) gut erkennen und auch der Equalizer gibt mit seinen Pegelreglern und den Frequenzauswahlschaltern keine Rätsel auf. Deswegen möchte ich mich mehr auf die speziellen Funktionen des Avalon beschränken.
High Gain
Der Preamp des Avalon bietet eine Gainrange von 0 dB bis +58 dB, was an sich ganz anständig ist, aber für sehr leise dynamische Mikrofone (z. B. Shure SM 7 B) etwas zu wenig ist. Damit ist das Signal selbst bei voll aufgedrehtem Gain-Regler immer noch sehr leise und mit einem leichtem Rauschteppich unterlegt. Bei Aktivierung der High-Gain-Schaltung werden weitere 18 dB bereitgestellt und das ist auch für sehr unempfindliche Mikrofone ausreichend.
EQ > Comp
Geht man den klassischen und logischen Weg in der Signalbearbeitung, dann würde man immer zuerst den Equalizer und danach den Kompressor in die Signalkette einbinden. Der Grund liegt auf der Hand: Warum ein Signal durch den Kompressor schicken, wenn ich es nachher mit dem EQ wieder ausblende?
Nun, die Studiotechnik funktioniert nicht immer logisch und es haben sich im Laufe der Zeit einige Techniken durchgesetzt, die zwar weniger logisch, aber dafür besser klingend sind. Warum betont man bei einem Pultec Equalizer zuerst die Bässe und nimmt sie dann wieder heraus („Pultec Trick“)? Weil es gut klingt.
Und bei Chanelstrips hat dies auch noch eine andere Bewandtnis, denn hier finden wir meist den Kompressor vor dem Equalizer. Denn die Summe des Gain, mit dem das Signal in den Kompressor geschickt wird, beeinflusst das Verhalten der Gain-Reduction immens. Auch beim Avalon ist dies der klassische Weg: erst in den Kompressor, dann in den EQ. Allerdings können wir mit dem EQ > Comp Schalter die Reihenfolge vertauschen und so bleiben wir flexibel.
Frequency x10
Ein normaler parametrischer Equalizer deckt den kompletten Hörbereich von 20 – 20.000 Hz ab. Aber wenn ich ein Instrument mit einem sehr schmalen Frequenzband im Detail bearbeiten möchte, dann wäre es doch gut, wenn ich die Bänder weiter zusammenschieben könnte. Mit dem x10 Schalter für Low-Mid und High-Mid ist dies möglich. So kann ich beispielsweise den Low-Mid auf x10 schalten und so deckt dieser Regler dann den Bereich von 350 – 4.500 Hz ab und der High Mid (ohne x10) 220 – 2.800 Hz.
Eine E-Gitarre spielt zwischen 82 Hz und etwa 5.000 Hz und so kann ich mit dem Avalon EQ hier sehr gut eingreifen. Und mit der „HI-Q“ Schaltung verschmälert das Frequenzband von einem Q-Wert von 0,2 auf 0,85 und ermöglicht so dedizierte Eingriffe in einem schmalen Frequenzbereich.
SC > Mids
Ein weiteres nützliches Feature ist das Side-Chaining der beiden mittleren Equalizer-Frequenzbänder in den Kontrollpfad des Kompressors. Somit kann man eine genaue Abstimmung der Gain-Reduktion auf bestimmte Frequenzbereiche ermöglichen und so zum Beispiel auch einen De-Esser-Effekt.
Stereolink
Wenn man den einzigartigen Sound des Avalon VT-737SP auch bei Stereoquellen haben möchte, dann kann man auch zwei dieser wunderbaren Geräte über ein Link-Kabel (6,3 mm Mono-Klinke) zu einem Stereopärchen vereinen. Dies allerdings nur, wenn man zufällig weitere knapp 4.500,- Euro ungenutzt rumliegen hat.
Kritik am Avalon Vt 737sp
Gut, der Preis ist mit 4.498,- Euro natürlich happig und die 10 kg Gerätegewicht wollen erstmal gestemmt werden, aber ansonsten halten sich die Kritikpunkte sehr in Grenzen. Zum einen wird das Gerät sehr warm – es empfiehlt sich also, ein wenig Platz über dem Avalon im Rack-Schrank.
Dann die rote Betriebs-LED: Wenn man frontal vor dem Avalon sitzt und genau in die rote LED hineinschaut, dann ist man für die nächsten 2 Stunden blind oder man sieht zumindest noch lange einen roten „Phantompunkt“. Die Betriebsbereitschaft könnte man auch ein wenig dezenter vermelden.
Der Avalon VT-737SP in der Praxis
Das Anschließen ist schnell erledigt. Entweder auf der Front eine E-Gitarre oder E-Bass per HI-Z einstecken und den Input-Selektor auf „Instrument“ schalten oder eine Line-Quelle auf der Rückseite per XLR-Kabel und Schalter vorne auf Line. Und wer hätte es gedacht, ein Mikrofon in die Mic-Buchse und vorne entsprechend umschalten. Bei Kondensatormikrofonen haben wir natürliche eine 48 V Phantomspeisung und das Gerät kann mit dem frontseitigen Netzschalter aktiviert werden – sehr erfreulich.
Über die Verarbeitung möchte ich beim Avalon VT-737SP kein extra Kapitel aufmachen, denn sie ist schlicht und ergreifend perfekt. Jeder Schalter und jede Buchse sitzt bombenfest, die Frontplatte scheint aus einer Bahnschiene gefertigt zu sein und auch an Details, wie das interne Netzteil mit Ringkerntransformator, wurde gedacht.
Die Bedienung ist intuitiv und jeder Schalter wird mit einem Lichtlein bestätigt. Die Regler sind sauber auf Achse und sehr gut ablesbar beschriftet und so steht dem fröhlichen Recording nichts im Wege. Übrigens wird der Avalon in drei Farben angeboten:
- Avalon VT-737SP in schwarz
- Avalon VT-737SP in gold
- Avalon VT-737SP in silber
Für meine Klangbeispiele bin ich den für den Avalon klassischen Weg der optimalen Voiceover-Einstellungen gegangen.
Gainstaging
Es wäre schade, wenn man den typischen Sound des Avalon nicht betonen würde. Deswegen habe ich mein Lewitt LCT640 TS Kondensatormikrofon an den Avalon angeschlossen, den Lowcut am VT737 auf 40 Hz gesetzt und den Preamp-Gain ordentlich auf 38 dB hochgeschraubt und dies am Output-Regler wieder kompensiert, um keine Verzerrungen zu hören.
Schon jetzt hört man den schönen, gesättigten Klang des Channelstrips ohne Kompressor und Equalizer:
Kompression
Der Kompressor reagiert, wie oben erwähnt, auf den Gain-Pegel. Mit Threshold und Kompression kann man nun den Grad der Verdichtung einstellen. Bei einem High-Class-Gerät wie dem Avalon geht man hier nicht grob vor. Mit einer Ratio von nicht mehr als 1:4 und einem Threshold von 3-4 dB wird meiner Stimme eine perfekte Wärme und Dichte hinzugefügt. Die S-Laute lassen reduzieren wir gerne etwas durch einen schnelleren Attack und der Release darf gerne etwas nachklingen und so stellen wir diesen tendenziell auf Slow. Mit Druck auf den „Meter“-Button können wir beim Sprechen die Gainreduction am schönen VU-Meter gut ablesen:
Equalizer
Auch hier gehen wir tendenziell behutsam vor. Die Bänder Bass und Treble sind als Shelf-Filter ausgeführt und der Frequenzwert bestimmt die Einsatzfrequenz des Kuhschwanzes. Bei mir passen 30 Hz und eine sanfte Betonung um 3 dB in den Bässen und ein „Air-Effekt“ bei 20 kHz und +5 dB in den Höhen ganz gut. Bei Frauenstimmen kann man hier gerne auch mit der Einstellung 32k experimentieren.
Ich habe eine tiefenlastige Stimme, die ich bei 220 Hz etwas zurücknehme (-3 dB) und im Präsenzbereich um 1,5 kHz gebe ich ganz leicht Gas (+1 dB), um die Sprachverständlichkeit zu optimieren:
Und voilà, hier ist er, der berühmte Avalon-Sound, der gleichzeitig Wärme, Sättigung, aber auch Klarheit und Verständlichkeit mit sich bringt. Selbst leise Sänger kann man mit diesem Gerät wunderbar zum Scheinen bringen und gegen die Begleitband sauber durchsetzen.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Abschließende Bemerkungen zum Avalon VT-737SP
Das Arbeiten mit dem Avalon und seine Besonderheit erschließen sich erst nach einiger Zeit. Man schafft es auch mit deutlich günstigeren Komponenten, solch ein tonales Ergebnis zu erreichen, aber diese Mischung aus Röhren-Preamp, Opto-Kompressor und dem sehr feinen Equalizer wurde bei Avalon zu einer wahnsinnig tollen Kombination zusammengebracht.
Hier stimmt die Zusammenarbeit der Komponenten auf den Punkt und das Ergebnis ist immer mit dieser speziellen Aura umgeben, wie es nur wenige High-Quality-Geräte bieten können. Und als provokative These: Mit einem Plug-in könnte ich solche Ergebnisse nicht erreichen.
Dies wird dadurch bekräftigt, dass der Avalon in den besten und aufwendigsten Tonstudios eingesetzt wird und Producer, wie Dr. Dre, Steve Aoki und Nicky Romero, auf den VT 737 schwören. Auch Künstler, wie Ed Sheeran und Pharell Williams, setzen auf diesen Channelstrip mit seinem besonderen Klang.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Vielen Dank für den tollen Artikel. Eventuell sollte man sich gleichzeitig einige Sovtek Röhren als Vorrat anlegen, wenn man denn mit dem Gerät liebäugelt.
@FaderMode hab zum Glück noch vor dem Krieg ein paar hundert meiner lieblings Rasierklingen aus Russland gekauft.
heute nur Restposten deutlich teurer erhältlich…
Mein Tipp mit zu leuchtenden LEDs: Ein kleines Stück transparenter Klebestreifen mit wasserfestem schwarzen Filz anmalen und darüber kleben. Funktioniert tadellos und das Licht sieht man immer noch ohne das man direkt die Birne verhunst.
@Filterpad ich hab bei einer zu hellen Led Uhr dunkle Folien für Auto fensterscheiben verwendet! echt gut 😁
@Numitron Geile Idee!
@Filterpad danke! 😎
Moin zusammen.
Wer wie ich Röhren nicht so mag, könnte mit dem Avalon U5 oder V5 (+Mic-Eingang.) glücklich werden. (reine Class A Technik)
Beide haben zudem einen Kopfhörer-Ausgang.
Gruß
SlapBummPop