Geheimtipp als zusätzliche Abhöre: Avantone Mixcubes
Das amerikanische Unternehmen Avant Electronics labelt und vertreibt diverse Kondensator-, Tauchspulen- und Bändchenmikrofone aus dem Reich der Mitte, die auf dem europäischen Markt teils auch unter anderen Namen bekannt sind. Eine „Unique Selling Position“ besitzt dagegen ein Paar würfelförmiger Monitorlautsprecher, welche konzeptionell an die besonders in den mittleren achtziger Jahren weit verbreiteten Auratone 5C Super Sound Cubes erinnern.
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Die „Auratones“ gibt es seit langem nur noch gebraucht zu kaufen. Es soll Toningenieure geben, welche die Super Sound Cubes bevorzugt zum Mischen auf die vielzitierte einsame Insel mitnehmen würden, für andere sind die „Horrortones“ die amtlichen „Grot Speakers“ schlechthin. Viele können schlicht darauf verzichten.
Losgelöst von der Debatte um Kult und Verdammnis wollen wir herausfinden, was man mit einem Paar kompakter Einweg-Passivmonitore im Jahre 2008 anfangen kann.
Haptik und Aufbau der Avantone Mixcube
Passivmonitore. Sie benötigen also eine Endstufe oder einen Vollverstärker, dessen empfohlene Ausgangsleistung laut der englischsprachigen Anleitung zwischen 50 und 200W liegen sollte. Der Verstärker sollte ruhig hochwertiger sein, immerhin wird es im weiteren um räumliche Auflösung, Durchhörbarkeit und Tiefenstaffelung des Klangbildes gehen. Ich habe die Mixcubes, deren nominelle Impedanz 8 Ohm beträgt, mit handelsüblichem 4mm²-Kabel an eine Bryston 3B-ST-Endstufe angeschlossen.
Angekündigt ist eine aktive Version der Mixcubes. Für viele Nutzer mögen diese schlicht praktisch erscheinen. Für das zusätzlich erforderliche Budget gibt es heutzutage aber auch schon kleine, lüfterlose Studioendstufen aus Fernost zu kaufen. Zudem läßt die Ankündigung offen, ob bei den Active Mixcubes Gebrauch von der Möglichkeit einer aktiven Entzerrung des Breitbandlautsprechers gemacht wird. Eine Frequenzweiche im eigentlichen Sinne ist bei einem Einweg-Konzept ja ohnehin nicht erforderlich.
Somit ist die Passiv-Version in aller Regel möglicherweise auch die bessere Wahl für diejenigen, die nicht über einen arbeitslos gewordenen Verstärker verfügen. Bereits Verstärker der Einstiegsklasse, die über sehr kurze, dicke Lautsprecherkabel angeschlossen werden, vermögen theoretisch besser zu klingen als die in fast sämtlichen Aktivmonitoren verbauten integrierten „Einchip“-Endstufenlösungen.
Wie auch immer: Zum Zeitpunkt des Tests standen die aktiven Mixcubes noch nicht zur Verfügung. AMAZONA wird diese zu gegebenem Zeitpunkt in einem kurzen Update vorstellen.
Der 5 ¼-Zoll-Breitbänder besitzt einen frontseitig blitzblank polierten Gusskorb und eine Papiermembran mit einer schmalen, eingestrichenen Textilsicke, die eher geringe Membranhübe zulässt. Der Luftspalt um die rund 25mm kleine Schwingspule kann demzufolge enger dimensioniert sein. Dazu paßt der vom Hersteller propagierte hohe Wirkungsgrad von 93dB SPL bei 1kHz pro zugeführtem elektrischen Watt, gemessen in einem Meter Abstand.
Ein echter Breitbandlautsprecher also, aber einer der heutzutage überaus selten anzutreffenden hochwertigen Sorte.
Derzeit kommen alle Mixcubes in hellgelb glänzendem Finish daher, der Hersteller nennt das „ButterCream“, der deutsche Vertrieb hat sich die Bezeichnung „RetroCream“ einfallen lassen. Bis zur ersten „StrawberryFields“ Special Edition gibt es also Corporate Identity in kleinen Buttercreme-Portionen. Das fällt in einem mit mattschwarzen Briketts gefüllten Regal auf, und der Kult geht weiter.
Die Unterseite der Würfel wird von einer Lage Schaumstoff geschützt, die Würfel können also schwingsgedämpft und rutschfest auf der Meterbridge Ihrer Vier-Meter-Konsole ruhen. Da auch diese Spezies im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends immer seltener wird, ermöglicht ein Innengewinde im Boden jedes Lautsprechers die Montage auf einem Mikrofonständer. Da bereits ein jeder passiver Mixwürfel 3,2kg wiegt, sollte es schon ein sehr stabiler Ständer sein. Freilich erlaubt das Gewinde auch die sichere Befestigung an einer selbstgebauten Hochständerkreation. Es gibt immer was zu tun.
Das Gehäuse aus 18mm starker „Mittel Dichter Faserplatte“ ist tadellos verarbeitet, alle Kanten sind zur Verminderung von Beugungseffekten sauber verrundet, und die Lautsprecherklemmen entsprechen dem heutigen HiFi-Standard. Vorbildlich ist deren Kunststoff-Isolierung, weniger gut die farbliche Kennzeichnung über rote und schwarze „Gummiringe“, die über die Jahre auch schnell einmal futsch sind. Laut Hersteller sind die Lautsprecher magnetisch geschirmt.
Die Verarbeitungsqualität ist ähnlich hoch, wie man es von vielen elektroakustischen Produkten aus China mittlerweile schon gewohnt ist, und um Klassen besser als beim mittlerweile 30 Jahre alten „Original“. Die Auratones sind im neuen Jahrtausend angekommen.
Vergleichbare Studiomonitore
Ein „Breitbandlautsprecher in einem Gehäuse“ also.
Sieht man sich in der Monitorlandschaft des Jahres 2008 um, sind die Avantones sozusagen die Vertreter der Einfachst-Ökovariante, oder neudeutsch „vintage“. Und in dem Preissegment schlicht einzigartig am Markt.
Der günstige Verkaufspreis ist dabei eher relativer Natur: Für ähnliche Beträge erhält man bereits ordentlich verarbeitete und bestückte aktive Nahfeldmonitore der 5″-Tieftönerklasse durchweg fernöstlicher Provenienz: Fostex, KRK, die bauähnlichen Prodipes, Samson, ESI, Yamaha, Tapco, M-Audio, Alesis um nur einige zu nennen. Alles recht gelungene Allrounder für den „Einsteiger“ und das viel zitierte „Projektstudio“. Somit eher keine Konkurrenz für die Mixcubes, aber dennoch ungleich mehr Hardware fürs Geld.
Konzeptionell ähnliche Lautsprecher gibt es dagegen kaum:
Die winzigen United Minorities Ginko sind mit einem 4″-Breitbandlautsprecher in einem bildschönen, aufwendig geformten, geschlossenen Holzgehäuse untergebracht. Sie kommen konzeptionell den Avantones sehr nahe. Ich habe sie noch nicht gehört. Der auf der Herstellerwebseite abgebildete Frequenzgang ist bis hinauf zu 20kHz sehr linear. Zu haben ab 1000 Euro für das Pärchen.
Die aktiven Coax C5 Tiny von Ksdigital sind Monitore mit Punktquellen-Philosophie, besitzen ein echtes Coaxial-Zwei Wege-System und sind im Hochtonbereich „vollbereichtstauglich“. Weder „Mittenbrett-“ noch „Grot-„Attiude also, sondern ein ernsthaftes Werkzeug mit Fokus auf den Broadcast-Markt. Sie sind knapp viermal so teuer wie die Avantones.
Ein Tivoli Model Two Stereoset besitzt 3″-Breitbandlautsprecher mit Reflexöffnung, klingt gefällig, „warm“, „boomy“ und ziemlich undifferenziert, aber auch „angenehm“ und somit fast diametral verschieden zu den Avantones. Zivilisiert wirkende JVC Boom Blaster-Alternative und somit echte „Grot Speakers“, auf der Meterbridge oder in der Lounge zum Kaffee mit dem A&R. Das Set gibt es ab 279 Euro.
Der Klang der Avantone Mixcube
Mittig.
Es mag möglich sein, einer Lautsprecherbox dieser Größe luftig-edle Höhen zu verleihen oder ein gewisses Bassvolumen abzuringen. Letzteres unter Zuhilfenahme akustischer Mittel, wie etwa einer Bassreflex-Öffnung, sowie durch elektrische Mittel mit Hilfe einer aktiven Entzerrung. Beide Möglichkeiten funktionieren aber nur dann, wenn der verbaute Lautsprecher in der Lage ist, große Membranhübe zu vollführen – und das durchweg um den Preis höherer Verzerrungen. Wie bereits erwähnt, ist das Breitband-Chassis der Mixcubes für allzu viel Bewegung nicht geschaffen, und die Cubes sind passiv und geschlossen.
Auch „oben rum“ ist nicht allzu viel los: Oberhalb des für die Sprachverständlichkeit und Durchhörbarkeit wichtigen Präsenzbereiches präsentieren sich die Avantones nicht nur recht zurückhaltend, auf Grund des für diese Region riesigen Membrandurchmessers ist die Schallabstrahlung auch stark gerichtet. Die Physik läßt sich eben nicht überlisten, und eine Ausrichtung auf den Abhörplatz ist unvermeidlich. Andernfalls wird der „Off Axis“-Klang schnell belegt und dumpf. An diesem Abhörplatz sollte man verharren können, wenn man mit den Avantones arbeiten will. Die Oberfläche des eingangs erwähnten Vier Meter-Mischpultes stellt für die Avantones streng genommen keine homogen beschallbare „Spielwiese“ dar.
Somit geben die Avantones wirklich nur eines von sich: Saubere, in der Tiefe wie in der Breite überaus fein aufgelöste und gestaffelte Mitten. Diese werden weder von tieffrequenten Signalen zugedeckt noch von hochfrequenten verschmiert. Beide gibt es nämlich nicht wirklich. Das ist die Philosophie dieser Würfel.
Bassdrum oder E-Bass klingen nicht unbedingt dünn, sondern eben schlicht „viel leiser“ als gewohnt. Sie können nun versuchen, diese Signale durch gezielten Filtereinsatz im mittleren Spektrum deutlicher hörbar zu machen, ohne sie aber zugleich im Pegel anzuheben. Vielleicht wird Ihr Mix dadurch knackiger und tighter, und das Arrangement wird auch auf einem Küchenradio erfassbar. Für viele Pop-Produzenten ist das erstrebenswert.
Mit einem Male erlauben die Cubes dann auch eine sehr genaue und zugleich entspannte Beurteilung des Timings auch von jenen Schallereignissen, deren Grundton ausserhalb des typischen „Mittenbrettes“ liegt. Bassdrum und Bass „dröhnen“ nicht mehr, Ein- und Ausschwingphasen werden dagegen sehr akzentuiert wahrnehmbar. Eine über gewöhnlich Monitore abgehörte, brilliant klingende, aber auch maskierende, HiHat, sendet über die Cubes angenehme „Klopfsignale“. Dennoch: Ich hätte mir eine luftigere, offenere Darstellung gewunschen.
Im Grundtonbereich von Stimmen, Akustikgitarren oder einer Vielzahl von Blasinstrumenten klingen die Cubes überaus detailliert und sauber, ohne anstrengend zu wirken. Sie können so beispielsweise sehr gut die Lautstärke zwischen Leadgesang und Chören ausbalancieren, den Chor um den Leadgesang herum gruppieren und später für die notwendige Binnendynamik der Vocals in ihrem Mix sorgen.
Die Pegelreserven sind für eine konzentrierte Arbeit im Nahfeld absolut ausreichend; richtig laut hören will man über die Mixcubes ohnehin nicht. Die Mixcubes sind Lautsprecher für Menschen mit feinen Ohren. Mit etwas Übung kann auch Ihre Musik feiner werden.
Gerade in Eingewöhnungsphase wird es Ihnen nicht erspart bleiben, das Ergebnis Ihrer Arbeit über einen Fullrange-Monitor zu kontrollieren. Schnell passiert es sonst, dass es zu beiden Enden des Frequenzspektrums mit einem Male hoch her geht.
In dieser Eingewöhnungsphase werden Sie auch lernen müssen, damit umzugehen, dass das Umschalten auf die Cubes immer eine gewisse Ernüchterung mit sich bringt, das Zurückschalten auf Ihre Standard-Abhören dagegen einen gewissen „Stress“.
Es soll Musiker geben, die ihre Arrangements gerne mit Mixcubes aufbauen oder schlicht darüber „spielen“, weil es sich eben sehr lange und ohne Ermüdung darüber „Musik hören“ läßt, und man sich auf einen wesentlichen Aspekt des heranreifenden Werkes besser konzentrieren kann: Die Töne.
Avantone Mixcube Messungen
Wir haben einen Avantone Mixcube am AMAZONA Audio Precision-Meßplatz gemessen:
Es handelt sich um eine echte 8Ohm-Box mit einem Gleichstromwiderstand von 7,4Ohm und einem zweiten Impedanzminimum von 8.2Ohm bei rund 500Hz.
Die Frequenzgangkurve (ROT) wurde bei einem Watt zugeführter Leistung, aber in einem Abstand von 20cm aufgenommen, um Raumeinflüsse zu minimieren. In einem Meter Abstand ist der Lautsprecher somit knapp 14dB leiser als die im Diagramm abzulesenden 104dB SPL bei 1kHz, und liefert einen noch immer hohen Schalldruck von 90dB SPL/W.
Die untere Grenzfrequenz liegt bei 190Hz: Darunter wird die geschlossene Box auf natürliche Weise mit 12dB/Octave leiser, es wirkt also kein weiterer elektrischer Hochpaß im Inneren.
Die obere Grenzfrequenz liegt bereits bei 7kHz, direkt hinter einer recht ausgeprägten Membran- oder Kuppenresonanz um 6kHz.
Bei 10kHz ist die Box bereits 10dB leiser als im mittleren Frequenzbereich, oberhalb 12kHz ist faktisch Schluß. Wie erwähnt, kann man diesen Abfall auch deutlich hören.
Der Bereich zwischen 900Hz und 2,5kHz ist überbetont und trägt zu dem ausgeprägt mittigen Klangcharakter der Box bei. Es sei dahingestellt, ob dies vom Hersteller gewünscht ist; mit ein wenig akustischer Feinabstimmung des Gehäuses ließe sich dieser Buckel beseitigen. Eine aktive Entzerrung könnte den Frequenzgang noch weiter begradigen. Die dafür erforderlichen Filter auf Basis von Operationsverstärkerschaltungen verursachen aber Phasendrehungen. Der sehr direkte Klang der Cubes mag auch daher rühren, daß auf derartige Maßnahmen verzichtet wurde.
In ihrem nutzbaren Frequenzbereich sind die Verzerrungen (GRÜN) der Avantones sehr gering: Erst unterhalb von 100Hz wird die 2%-Grenze überschritten; hier ist der Lautsprecher aber bereits um 15db leiser: Ein „seriöser“ Frequenzgang im Baßbereich, der zur Philosophie des Lautsprechers paßt.
diese monitore, nachbau der auratone aus den 70ern sind super um die perfekte mittenbalance zu finden.
auch für vocal-lautstärke richtig mischen.in meinen augen nix für hobby-bastler.
DAS ist mal n Test! Sauber! Fachlich DAS Highlight auf dieser Seite.
Vielen dank für den tollen Artikel!
Kann man mittlerweile etwas genaueres zu den aktiven Cubes sagen?
Hallo Lukas,
bislang werden über den deutschen Vertrieb keine aktiven Cubes ausgeliefert. Wenn es soweit ist, werden wir auch einen Kurztest durchführen.
Gruß,
Falk.