Modularer Groove-Synth für die Bauchtasche
O Freude, das Testobjekt, die Bastl Kastl Drum Groovebox, hat mich erreicht! Die Kastl Drum ist eine patchbare Drum-Maschine mit monophoner Klangerzeugung, die weder einen programmierbaren Sequencer, Tasten oder ein Display hat. What? Kann das funktionieren? Das werden wir hier in diesem Test herausfinden. Doch fangen wir ganz klassisch an.
Ich kenne Bastl Eurorack-Module und auch manche Desktop-Gerätschaften, da ich schon Hand und Ohr an einige davon legen konnte. Das Bastl Teakick Modul ist z. B. meine am häufigsten genutzte Kick-Drum im Rack und begleitet mich dauerhaft. Der Kastl Synth und dessen Format sind an mir vorbeigegangen, daher gehe ich auch völlig frisch und völlig unvoreingenommen an diesen Test heran.
Eine kleine weiße Packung, kleiner als jede Eurorack-Verpackung, steht vor mir. Ich möchte euch diesen Moment nicht vorenthalten: Darin findet man, noch mal in Papier gewickelt, das Gerät nebst einem 10er Pack Mini-Patchkabel und einem Aufkleber. Ausgepackt traut man seinen Augen kaum. Es ist klein, sehr klein, sogar von der Fläche her kleiner als eine Visitenkarte. Unglaublich klein! Sofort schießen mir die Gedanken durch den Kopf: Wie soll ich damit ein Video drehen, so dass man auch sieht, was ich hier patche? Kann ich das Ding überhaupt bedienen? Ich glaube, ich muss meine Brille aufsetzen. Nun, an kleine musikalische Gadgets hat man sich ja seit den Teenage Engineering Pocket Operatoren gewöhnt, doch das ist eine Herausforderung.
Ok, bleiben wir erstmal sachlich: Das „Gerätchen“ misst 68 x 57 mm in der Fläche und ist 45 mm hoch, inkl. Potiachsen. Das ganze Teil sieht gut aus und fühlt sich auch wie ein stabiler Würfel an. Super exakt gearbeitet und golden bedruckt ist es. Wenn drei AA-Batterien in der Unterseite eingebaut sind, wird es so richtig schwer und kann gut als Wurfgeschoss genutzt werden. Richtig massiv wirkt es dann. Optional kann man es auch per USB mit Strom versorgen. Dafür gibt es sogar einen Umschalter am Gerät. Nicht schlecht! Da es direkt auf den Batterien steht, hat es aber keinen guten Halt am Untergrund und wandert hin und her. Es ist eben als Hosentaschen-Drum-Synth designt! Besonders hübsch sind die Gehäuseseiten. Diese sind mit silbernen Fäden verziert, das sieht ziemlich edel aus. Also, das Design ist äußert ansprechend. Bravo!
Bevor ich die Fakten des Herstellers erwähne und näher auf diese eingehe, probieren wir einfach mal, was man der Box intuitiv entlocken kann. In der Tat entdecke ich keine Tasten und nichts, was mich an einen „Drum-Computer“ erinnert. Ach, was soll’s. Ich habe einen großen Eurorack-Gerätepark – so schlimm wird’s schon nicht sein. Also, Kopfhörer eingesteckt, die kleinen Kabel ausgepackt und das ungepatchte Gerät eingeschaltet: Man hört nichts, egal was ich drehe und mache. Einzig der obere rechte Regler ohne Aufschrift erzeugt durch Drehen kurze, hörbare Artefakte. Laut Anleitung ist das der Auswahlknopf für die 8 Synthese-Engines. Die einzige LED ganz unten rechts zeigt das Tempo des dazugehörigen LFO-Reglers an. Da haben wir doch schon mal eine Basis!
Na egal! Probieren wir einfach mal blind, nach Eurorack-Manier, etwas zu patchen. Mit den Beschriftungen kann ich was anfangen, aber nicht bei mit Hieroglyphen verzierten Make-Noise-Modulen. 15 Minuten später habe ich zwar einiges Interessantes auf dem Kopfhörer gehabt, aber den richtigen Durchblick habe ich nicht. Was sind überhaupt die Eingänge und Ausgänge für die Tiny-Patchkabel? Nee, das wird nichts. Nur die Anleitung schafft jetzt hier Abhilfe.
Unter dem Häubchen
Hier sind die technischen Fakten:
- 8 Drum-Synth-Engines
- Noise-Output für weniger tonale Klänge
- Acceleration charge dynamic envelope ???
- Decay-Regler
- PITCH-CV-Eingang mit Offset und Attenuator
- Clock (Rechteck und Dreieck) mit CV-Eingang
- Stepped-Voltage-Generator mit Zufall, 8-Step- und 16-Step-Loopmode
- 2 CV-In- und Out-Ports, die an jeden Patch-Point gesteckt werden können
- Komplettes Open-Source-Konzept
Unter der Haube sollen 2 ATTINY 85 Boards mit 8 mHz werkeln. Im Programmcode der Firmware konnte ich entdecken, dass die Klangerzeugung auf Samples basiert. Ebenso konnte ich nur sieben Bearbeitungsmodi für die Samples entdecken. Im Speicher sind 38 Samples unterschiedlicher Art, wie diese jedoch mit den Engines verknüpft sind, blieb mir verschlossen. Da das Gerät opensource ist, kann man diese auch austauschen, wenn man das notwendige Wissen hat. Den Link zum GitHub vom Drum Kastl findet man auf der Webseite des Herstellers.
Ok, nach dem Studium der Anleitung sehe ich nun klarer. Dann beschreibe ich mal, was das Gerät alles beinhaltet. Die Klangerzeugung besteht aus acht verschiedenen Synth-Engines, die über den „DRUM“-Regler manuell ausgewählt werden können. Welche Engines dort enthalten sind, konnte ich nicht herausfinden. Es ist aber eine Auswahl vorhanden, die einige Bereiche vom synthetischen Drum-Ausgangsmaterial abdecken kann. Die Tonhöhe der Drums kann durch den Pitch-Regler modifiziert werden. Ebenso besteht ein Einschleifpunkt „DRUMS“ in die Soundengine, um externe Audiosignale mit in das Gerät zu senden. Pitch und die Soundengine können in der Intensität moduliert werden, ebenso mit einem eigenen Poti.
Die meist in gold eingefassten Bereiche sind Signalausgänge und alle schwarzen Patchpoints-Eingänge. Es gibt eine Noise-Quelle zum Abgreifen, die aber nicht konstant im Ton, sondern auch direkt abhängig von der gewählten Synth-Engine ist. Und nicht nur das! Auch der interne Pattern-Generator beeinflusst den Noise-Ausgang, dafür muss auch nichts gepatcht sein. Dies konnte ich durch Verbinden des Noise-Blocks mit dem I/O-Ausgang testen, als ich dort einfach einen Kopfhörer angeschlossen habe. Die Noise-Quelle ist somit nicht nur durch Rauschen definiert, sondern variiert, je nachdem wie das Gerät gepatcht ist. Von langweiliger Noise-Quelle kann also nicht die Rede sein! Es gibt einen Click- und LFO-Ausgang, beide werden durch den LFO-Regler in der Geschwindigkeit manipuliert. Dieser regelt auch noch gleichzeitig das Tempo und den internen Pattern-Generator.
Der DECAY-Regler ist etwas speziell, daher gehe ich extra darauf ein. In Mittelstellung gibt es kurze Hüllkurven, beim Drehen nach links erhöhen sich nicht nur die Ausklingzeit des Klanges, sondern gleichzeitig die Tiefe der Modulation auf die Tonhöhe und die Lautstärke. Nach rechts gedreht erhöhen sich ebenfalls die Ausklingzeit und die Lautstärke, aber die Tonhöhe wird nicht moduliert.
An diesem Beispiel kann man sehen, dass jede Funktion nicht nur die Funktion bereitstellt, die man durch den Namen erahnen kann, sondern es meist noch tiefer ins Detail geht, was ja begrüßenswert ist. Noch ein Beispiel? Der LFO liefert eine Dreieckschwingung. Wenn man allerdings das Tempo moduliert oder einen Trigger anlegt, kann man auch komplexere LFOs erzeugen. Noch ein Beispiel? Ein Signal am TRIG IN triggert nicht nur die Hüllkurve, sondern variiert die Intensität, je nachdem, welche Spannung hier anliegt. So lassen sich akzentuierte dynamische Drums erzeugen. Diese tiefer-gehende Komplexität findet sich bei fast allen Funktionen und zieht sich durch das gesamte Gerät. Ein Filter gibt es nicht!
Der Drum Kastle kann sowohl als Master als auch Slave betrieben werden. Es sind sowohl ein Click IN auf der Frontplatte sowie ein IN- und OUT-Port (auf der Rückseite) vorhanden. Ja, der Port kann gleichzeitig als Eingang und Ausgang genutzt werden, da es sich um einen Stereoklinkenanschluss handelt. Wer ein Adapterkabel von Stereo auf 2x Mono-Miniklinke hat, ist rundum versorgt und kann ganz wild sein Eurorack-System oder andere kleine Spielzeuge mit Miniklinken Sync (Volcas) anschließen. Diese Eingänge stehen dann auch auf der Frontplatte einzeln zum Patchen bereit (I/O L + R). Es funktioniert aber auch nur ein normales Monoklinken-Kabel. Dann steht nur ein Signal zur Verfügung. Das ist super gelöst. Volle Konnektivität auf kleinstem Raum! Hier sind Tür und Tor geöffnet. Wenn man bedenkt, dass andere Hersteller mit ihren neuesten Geräten es nicht einmal schaffen, einen Klinken-Sync-In/Out zu bieten … Dafür gibt es eben kein MIDI.
Die Patch-Punkte sind minimal mit zwei Steckpunkten vertreten, die meisten aber mit drei Steckplätzen für die kleinen Patchkabel. Man kann also auch mehrfach patchen und schauen, was passiert. Übrigens, es besteht keine Gefahr, etwas falsch zu verbinden. Der Drum Kastl ist so ausgelegt, dass er keinen Schaden nimmt. Bastl selbst gibt den Hinweis, dass man jeden Patchpoint miteinander verbinden kann. Das beruhigt!
Pattern erzeugen
Aber wie erzeuge ich denn nun einen Drumloop? Nicht selbst, das macht der Pattern-Generator. Dieser hat 16 Steps, kann aber auch durch Patchen auf 8 Steps, auf Zufallswerte oder auf „Halb-Zufall“ gesetzt werden. Das Konzept basiert auf dem Rungler Schaltkreis von Rob Hordijk. Hier werden 8 verschiedene Spannungen erzeugt und durch das Durchlaufen des LFO werden viermal neue Spannungen erzeugt. Mit anderen Worten: Der Pattern-Generator bietet Möglichkeiten, die Engines durchzuschalten, um in einem Pattern verschiedene Klänge abzurufen. Wer sich jetzt noch vorstellt, dass man kreuz und quer patchen kann, dem fliegen gehörig die Sounds um die Ohren. Und das beschränkt sich ja nicht nur auf das interne Gerät. Den Generator kann man auch an andere Klangerzeuger wie den BASTL KASTL senden – oder ins Eurorack. Es ist sozusagen etwas Ähnliches wie das „Turingmaschine“-Konzept im Miniformat.
Bedienung
Um den Drum-Synth zu bedienen, benötigt man gute Augen oder eine Brille. Die Steckplätze für die Patchkabel sind natürlich fummelig zu treffen. Wobei die 10 kurzen Kabel, die übrigens beiliegen, nicht die von der billigsten Sorte sind, sondern einen sehr stabilen Eindruck machen, auch von der Steifigkeit. Besser wären aber unterschiedliche Farben gewesen, denn bei rein grauen Kabel muss man noch genauer hinschauen, wo etwas nahe beieinander eingesteckt ist.
Konzeptionell ist die Bedienung fummelig – wen wundert es. Aber ich finde das wirklich sympathisch. Längere Sessions machen sich jedoch psychisch wie physisch bemerkbar, weil man sich so auf das Gerät fokussiert und die Ohren konzentriert sind. Es gibt eben keinerlei optische Hilfsmittel, nur den Schaltplan im Kopf und die Verkabelung vor sich. Die sieben Regler haben aber immerhin so viel Platz zueinander, dass es an dieser Bedienung nichts auszusetzen gibt.
Komischerweise wünscht man sich irgendwann, das Gerät per Maus und Bildschirm bedienen zu können. Also, mal genau andersrum. Immerhin würde die Frontplatte komplett 1:1 auf jedes moderne vertikale Smartphone Display passen. Nur mal so am Rande!
Wie klingt’s?
Man kann es ja fast schon ahnen, wenn Wörter wie Glitch und Noise vom Hersteller vorne angestellt werden. Das Teil klingt echt derb! Aber im Kontext ist das nicht negativ zu sehen. Wer klaren HiFi-Sound mit ebenem Klangbild haben möchte, ist hier falsch. Frequenztechnisch gibt es keine richtigen Höhen. Alles bewegt sich irgendwie in der Mitte und der Sound ist irgendwie eingesperrt. Ähnliches konnte ich bei Korgs Volca Modular beobachten. Also, so richtig Tiefes, Drückendes oder auch Zischelndes gibt es hier nicht. Scheppernd und wummernd trifft es eher, Nebengeräusche miteingeschlossen. Aber nicht falsch verstehen! Groovige Patterns mit „HiHats“ lassen sich definitiv erzeugen, auch glockige Sounds oder Low-Toms etc. Auch Bumm-Tschak-Beats bekommt man. Und das macht auch tonal/total Spaß. Erwartet bitte nur eben keine durchgestylten Trap-Sounds! Wer das Ausgangssignal noch extern mit Effekten nachbearbeitet, wird mit Sicherheit viel Neues für sich entdecken. Schade, dass es kein Filter am Gerät gibt. Das hätte die Möglichkeiten nochmals drastisch erweitert.
Ein Vergleich: Um diese Soundkomplexität der Drum Kastle mit Eurorack-Gerätschaften hinzubekommen, müsste man ziemlich viele Module einsetzen. Somit liefert die Firma Bastl genau das, was man erwarten kann: innovatives Sounddesign auf kleinstem Raum und für wenig Geld. Es ist ein kleines Modularsystem!
Hier nur einige Patch- und Klangbeispiele der 1.000 Möglichkeiten. Zuerst der Durchlauf der Soundengines mit verschiedenen Pitch-Einstellungen und mit Hilfe des internen LFOs. Mehr Beispiele sind im Video zu hören und zu sehen.
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Nimmt nicht viel Platz weg und ist auch nicht allzu teuer (verglichen mit dem DFAM). Das sind schonmal zwei Vorzüge, die nicht jedes Gerät bietet. Aber reicht das, um Haben-Wollen bei mir auszulösen? Ich befürchte nein. Aber vielleicht hab ich Sinn und Fähigkeiten der kleinen Box auch noch gar nicht verstanden. Ich werde noch ne Nacht drüber schlafen…
Extrem klein, kostet hundert Euro, stört nicht und ist schnell vergessen. Ein klassisches Stehrumchen.
Wenn ich am Radio drehe klingt das genau so. Traurig, dass für solche eine Schrott Rohstoffe verschwendet werden.
@Haurein Ja, so ist das mit mancher Gerätschaft. Des einen Freud, des anderen Leid.
@Haurein Das habe ich auch gedacht, beim letzten Beispieltrack. Wie ein altes Telefunken Radio auf Mittelwelle durchs Band gedreht. Ziemlich fertiges Teil … für verwackelte LA electro trasher sicher genau das Richtige.