Sampler für Klanggemälde im Taschenformat
Der Beetlecrab Tempera des tschechischen Boutique-Herstellers Beetlecrab ist ein 16-stimmiger Granular-Sampler, den man sich im Prinzip wie einen Taperecorder mit 8 Stereospuren und frei beweglichen Tonköpfen vorstellen kann. Man kann über das Touchgrid des Gerätes (eine polyphone berührungssensitive und hinterleuchtete 8×8 Felder große Matrix) die Samples abspielen. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: Loops remixen und neu zusammensetzen, Flächen und Klanggebilde generieren, prozedurale Kompositionen umsetzen, all das und noch viel mehr ist möglich.
Inhaltsverzeichnis
Beetlecrap Tempera V2
Nach der Erstvorstellung auf der Superbooth 2023 wurden mittlerweise erste Batches ausgeliefert und Beetlecrab hat eben die Firmware 2.0 mit neuen Funktionen und Bugfixes veröffentlicht. Höchste Zeit also, sich dieses kleine innovative Gerät näher anzusehen.
Erster Eindruck und technische Eckdaten
Der Tempera wird in einem neutralen Überkarton in der Größe einer Schuhschachtel ausgeliefert. Darin befindet sich gut in Luftpolsterfolie eingewickelt der eigentliche Karton des Instruments. Erhältlich ist der Granular-Sampler derzeit nur direkt vom Hersteller. Nach erfolgter Anzahlung kann man jederzeit über die Homepage den Herstellungs- und Zustellstatus abrufen. In meinem Fall waren bei Bestellung gerade die Platinen des aktuellen Batches in Herstellung und Bestückung, die Wartezeit betrug samt Endmontage und Versand in meinem Fall 5 Wochen, es ist eben ein Gerät, das in Kleinserie hergestellt wird. Entnimmt man das ca. 21 x 14 x 4 cm messende Gerät aus dem Karton, ist der erste Eindruck rundum positiv. Die Verarbeitung des Gerätes ist tadellos und professionell. Das Touchgrid und die 4 leuchtstarken OLED-Displays sitzen perfekt ausgerichtet und ohne Spaltmaße im Gehäuse, die 4 Potis mit mehrfarbig hinterleuchtetem Ring sitzen fest und sind angenehm zu bedienen, auch die 19 relativ klein geratenen Buttons haben einen klar definierten Druckpunkt. Die Finger gleiten angenehm über das Touchgrid.
Das Layout des Gerätes selbst ist klar definiert und durchdacht. Oben und links des 8×8 Touchgrids sitzen je 8 kleine Drucktaster. Die Taster rechts führen jeweils in über kleine Piktogramme ersichtliche Funktionsmodi und Untermenüs. Die entsprechenden Informationen und Parameter werden in den 4 OLED-Displays angezeigt und können mit den je zwei Tastern unter und dem Knopf über dem Display editiert werden. Sind mehr als 4 Parameter einstellbar, kann mit den Up/Down-Tastern weitergeblättert werden.
Alle Verbindungen zur Außenwelt befinden sich auf der Rückseite des Tempera. Die von oben gesehene linke Buchse ist eine Kombibuchse mit Audio Out L und Stereo Headphones, daneben der Audio Out R und ein Audio In als Stereo-Klinkenbuchse (schaltbar als Line oder Instrument Signal), alle drei erfreulicherweise im 6,35 mm Format. Daneben eine USB-Host- und eine USB-Device-Buchse zur Verbindung mit dem Rechner oder Controllern und zum Anschießen von Speichermedien. Für Fullsize MIDI im DIN-Format war leider nicht genug Platz vorhanden, hier muss man mit TRS-Adaptern das Auslangen finden, die per Software auf TYP-A oder TYP-B geschaltet werden können. Abschließend noch die Buchse für das 12 V DC-Netzteil und ein Netzschalter.
Der Tempera ist sehr leicht, dank guter Gummifüße ist er aber standsicher.
Im Inneren des Tempera arbeitet ein ARM Cortex A-72 Quad-Core-Prozessor, die interne Signalverarbeitung findet mit 32 Bit statt. Insgesamt kann der Prozessor 4096 Stereo-Grains verarbeiten, diese werden auf die 16 Stimmen verteilt. Der interne Speicher des Tempera beträgt 8 GB, die Audiodaten werden verlustfrei in das FLAC-Format konvertiert. Externe Speichermedien, wie USB-Sticks oder in den Reader an der Vorderseite eingesteckte microSD-Karten müssen in FAT32 formatiert werden, auch die Ordnerstruktur ist vorgegeben. Audiodateien müssen immer in einem Ordner „samples“ abgelegt werden, Programme (die beim Tempera als „Canvas“ bezeichnet werden) müssen in einem Ordner „programs“ abgelegt werden. Hält man sich nicht an diese Vorgaben, werden die Dataien nicht gefunden
Der Beetlecrab Tempera in der Praxis I
Bevor man sich daran machen kann, eigene Samples im Tempera zu verwursten, empfiehlt es sich, einmal die darauf befindlichen Patches zu durchstöbern. Die gut sortierte Auswahl zeigt die Möglichkeiten gut auf – Klanglandschaften, Grooves zerhacken und live umbauen, Melodisches. Mit großem Vergnügen habe ich auf der „Leinwand“ des Tempera die Klänge manipuliert, vieles davon findet sich in den Klangbeispielen. Ist die erste Faszination verflogen, möchte man natürlich auch eigene Patches bauen, doch dazu muss man sich doch ein wenig einarbeiten.
Touchgrid und Emitter des Granular Samplers
Ein Patch oder Canvas besteht aus maximal 8 Samples, den Emittern und den Modulatoren.
Zentrale Elemente sind dabei die 8 Tracks die jeweils durch eine Spalte am Canvas repräsentiert sind. Auf jedem der Tracks kann ein bis zu 11 Sekunden langes Audio-Sample abgespielt werden. Bei tonalem Material ist dabei das Tuning wesentlich, ein Pitch-Detector hilft, das Ausgangsmaterial richtig einzuordnen und die entsprechende Abspielgeschwindigkeit einzustellen. Alternativ können Samples im BPM-Mode abgespielt werden, dabei synchronisiert sich die Abspielgeschwindigkeit zum Projekttempo.
Auf jeder Zelle des Touchgrids können dann Emitter platziert werden. Die Emitter kann man sich wie Tonköpfe vorstellen, die, sobald eine Stimme gespielt wird, Grains streamen. Dabei können Länge, Dichte und das Zeitverhalten der Trigger angepasst werden. Spray ermöglicht zufällige Abweichungen in Y-Richtung innerhalb des Samples, aber auch in X-Richtung, also zwischen verschiedenen Samples. Die Grains können oktaviert oder in Quinten in beide Richtungen quantisiert werden, auch das Verhalten des Touchgrids kann angepasst werden, die Emitter können bei Berührung gestartet und bei Loslasssen gestoppt werden, bei Berührung geschaltet, mittels Lock gesperrt oder mit Latch bis zur nächsten Berührung gehalten werden, all das mit einstellbarem Fade-in und Fade-out. Die Emitter können farbcodiert werden, damit gerade auch bei intensiv eingesetztem Spray oder rythmischen Sequenzen Übersicht gegeben ist, welche Emitter gerade getriggert werden, auch die LED-Ringe um die Regler oberhalb des Touchgrids sind entsprechend farbcodiert. Die Farbe ist dabei frei wählbar.
Die Emitter können über ein extern angeschlossenes MIDI-Keyboard gespielt werden, dabei kann jeder Spur ein eigener MIDI-Kanal zugewiesen werden. Möchte man ohne externes Gear performen, kann auf dem Touchgrid ein Overlay-Keyboard, das weiß hinterleuchtet wird. angelegt werden. Das Overlay-Keyboard kann frei positioniert und in Halbtönen transponiert werden und auf Major oder Minor Skalen angepasst werden oder chromatisch gespielt werden.
Modulatoren und Effekte
Zu den wesentlichsten Synthesefunktionen zählt natürlich ein Filter, dieses findet man beim Tempera in der FX-Sektion, ein 12-Pol-Lowpass-, Bandpass- und Highpassfilter sowie ein Lowpass 24 Pol und ein Formantfilter sind am Start. Es kann pro Stimme ein eigenes Filter eingesetzt werden, während die Effekte Chorus, Delay und Reverb als Master-Effekte in der Stereosumme platziert werden können. Die Qualität der digitalen Filter und Effekte ist sehr gut und absolut studiotauglich. Der Send-Level für die Master-Effekte kann dabei für jeden Emitter separat eingestellt werden.
Zur Modulation von Parametern stehen 10 Modulatoren (LFOs) und eine ADSR-Hüllkurve pro Stimme zur Verfügung, moduliert werden kann hier so ziemlich alles, von den Abspielparametern der Emitter über Filter-Cutoff und Resonance bis zu den Parametern der Effekte.
Für die direkte Interaktion und Performance können für jeden Canvas Macros definiert werden, die dann unmittelbar über die Drehregler über dem Touchgrid zugänglich sind.
Im Übrigen können sehr viele Parameter des Tempera über MIDI-CC kontrolliert werden, man kann also mit externen Controllern die Echtzeitkontrolle stark erweitern oder diese Parameter umfangreich in der DAW automatisieren.
Die bisherige Beschreibung der Möglichkeiten ist bei Weitem nicht vollständig, wer sich im Detail über alle Möglichkeiten, die Speicherverwaltung und das Sampling am Gerät selbst und die Möglichkeiten, den Tempera als kreativen Looper einzusetzen, informieren möchte, sei auf die Videos auf der Beetlecrab Homepage verwiesen, unter anderem die Beiträge von Red Means Recording geben ein umfangreiches Bild über die Möglichkeiten des Tempera wieder.
Beetlecrab Tempera: Lernkurve und Praxis II
Es empfiehlt sich zunächst, die zahlreichen sehr guten Werks-Presets in Hinsicht auf Art und Modulation der Emitter zu analysieren und erst danach eigene Samples in das Gerät zu laden und damit zu experimentieren. Der Tempera ist definitiv kein einfach zu verstehendes Gerät, man braucht einige Sessions, bis man die Möglichkeiten und Abhängigkeiten der Parameter und Modulationen verstanden hat und gezielt Patches erstellen kann. Auch ist es sinnvoll, sich anhand der vorbereiteten Samples im Voraus zu überlegen, wie der Canvas aufgebaut werden soll, zu leicht verliert man sich in den Möglichkeiten. Als Belohnung für die Einarbeitung erhält man aber ein einzigartiges Werkzeug zur Klangmanipulation für Klangreisen mit Echtzeiteingriff, die so nur mit dem Tempera möglich sind.
Der Beetlecrab Tempera Sampler on YouTube
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Ich mag die kleine Kiste. Um sich wirklich ein Bild über die Möglichkeiten zu machen, muss man mit dem Tempera spielen. Allein durch YouTube Videos oder Reviews hätte ich ihn wahrscheinlich nicht gekauft. Hatte jedoch das Glück, den Tempera mal bei mir im Studio testen zu können. Nach knapp einer Stunde ging die Bestellung raus. Hab sie bis heute nicht bereut.
@hardberg Danke für deinen Kommentar.
Gruß masterBlasterFX
Danke für den Test, sehr interessantes Teil!
Hallo toneup
Danke für den Test.
So stelle ich mir einen modernen vielseitigen Sampler vor.
Der Preis ist hoch, bei kleiner gefertigter Serie und schon auf den Fotos sichtbaren TOP Qualität
und der luxeriösen 4 Displays, aber gerechtfertigt !
Gruß masterBlasterFX
@masterBlasterFX Die Verarbeitung ist für so eine kleine Firma wirklich top. Was man leider mit Worten so gar nicht gut beschreiben kann, ist das Spiel- und Performance Erlebnis. Die kleine Kiste ist auch für live oder spontane Sessions wirklich toll.
@toneup Danke, das glaub ich auch 🙂
Bleibe dran, vielleicht wird das etwas mit Beetlecrap Tempera V2 und mir.
Gruß masterBlasterFX
Will der Hersteller keinen Vertrieb über die Händler oder scheuen diese das Risiko? Hängt es davon ab, wie schnell man produzieren kann? Die Klangbeispiele jedenfalls sind sehr schön. Oft ist Granular ja viel Geschwurbel und Gezirpe, aber hier definitiv brauchbar.