Behringer goes Vintage – oder doch nicht?
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USB-Mikrofone gehören längst zum Alltag in Tonstudios und bei Streamern. Sie sind besonders praktisch, weil außer einem USB-Kabel kein weiteres Gerät benötigt wird, um das Mikrofon mit dem Computer zu verbinden und mit der Aufnahme zu beginnen. Viele Hersteller haben solche Mikrofone vor allem für Streamer, die regelmäßig Videos für YouTube und andere Videoplattformen produzieren und Podcaster im Programm. Behringer schickt mit dem Behringer BV44 Vintage Broadcast Type 44 USB Mikrofon nun einen eigenen Vertreter dieser Gattung ins Rennen. Wie wird sich dieses für Behringer-Verhältnisse nicht ganz günstige Mikrofon im Test schlagen?
Behringer Vintage-Serie
Behringer hat kürzlich eine komplett neue Serie von Mikrofonen vorgestellt – die Behringer Vintage-Serie. Sie umfasst zahlreiche Modelle, die an Klassiker der Recording-Geschichte angelehnt sind. Dazu gehören das BV44, BVR84, BV635, BV-Bomb und BV4038. Wer nun anhand der Kürzel bereits errät, welche berühmten Klassiker hier als Vorbild gedient haben, darf gespannt sein, was es mit dieser Serie auf sich hat. Wird Behringer den berühmten Vorfahren und Vorbildern tatsächlich gerecht?
Behringer BV44 – Äußeres
Das Behringer BV44 spielt nicht nur mit seinem Namen auf das berühmte RCA 44 Bändchenmikrofon an, sondern auch mit seinem äußeren Erscheinungsbild. Der Mikrofonkorb, der Körper und auch die Gabelhalterung sind dem RCA 44 nachempfunden. Wären nicht die gelbe LED, die die Betriebsbereitschaft des Mikrofons signalisiert sowie das Behringer Logo, könnte man es von weitem tatsächlich für ein RCA 44 halten.
Auf der symmetrisch aufgebauten Rückseite finden wir einen USB-C-Anschluss und die Produktbezeichnung „behringer BV44“.
Technische Daten zum Behringer BV44
Nun schüren das optische Erscheinungsbild, das Wort „Vintage“, die Produktbezeichnung und nicht zuletzt der Preis des Mikrofons innerhalb der Vintage-Reihe und der gesamten Behringer-Mikrofonlinie eine recht hohe Erwartungshaltung. Immerhin soll das Behringer BV44 im Handel für 129,- Euro erhältlich sein und wäre damit hinter dem Behringer BVR84 das zweitteuerste Behringer Mikrofon.
Auf der Behringer Website ist zu lesen:
„The BV44 is an inspired design from a highly popular studio microphone, the Type 44, that was used during the 1940s.“
Doch schon ein Blick auf die technischen Daten erschlägt alle Erwartungen: Das Behringer BV44 ist kein Bändchenmikrofon, sondern schlicht ein Kondensatormikrofon mit Supernieren-Charakteristik. Vom Kapseldurchmesser her ist es den Kleinmembran-Kondensatormikrofonen zuzuordnen. Auch ansonsten sind die technischen Ähnlichkeiten zum RCA 44 gering, das als Bändchenmikrofon über einen eingeschränkten Frequenzgang von 50 Hz bis 15 kHz mit sehr ausgeprägtem Nahbesprechungseffekt und eine bauartbedingte Achtercharakteristik verfügt. Der warme Klang des RCA 44 macht es bis heute zu einer gesuchten und sehr wertvollen Rarität.
Der Frequenzgang des Behringer BV44 hingegen reicht von 50 Hz bis 17 kHz und die Wandlung findet mit 16 Bit Auflösung und 48 kHz Sampling-Rate statt. Das ist zu heutigen Zeiten recht wenig, reicht aber für Sprachanwendungen locker aus. Nicht ganz so rosig sieht es bei der Signal-to-Noise-Ratio aus (S/N Ratio), die von Behringer mit 78 dB angegeben wird. Schon günstige Audiointerfaces bringen es hier locker auf über 100 dB S/N Ratio. Der maximale Schalldruck wird immerhin mit bis zu 132 dB angegeben (@1 kHz, 1 % THD).
Es bleibt auch hier bei einem rein optischen Vintage-Flair. Immerhin macht man bei Behringer keinen Hehl aus dem Innenleben des Mikrofons und wer genau liest und nicht nur auf das Wort „Vintage“ oder das äußere Erscheinungsbild schielt, wird nicht zu einem Fehlkauf verleitet.
Aus analog mach digital
Das Interface ist als USB-C-Interface ausgezeichnet. Leider sagt das noch überhaupt nichts darüber aus, welcher USB-Standard denn unterstützt wird, denn USB-C ist zunächst einmal nur ein Steckertyp. Ruft man am Mac den Systembericht auf und schaut dort unter USB nach, erfährt man mehr zum USB-Interface des Behringer BV44:
Wir haben es hier also mit einem USB 1.0 Standard zu tun. Der Wandler-Chip kommt von Cmedia, einem Unternehmen aus Taiwan, das hochintegrierte Wandler für Audioanwendungen herstellt. Interessanterweise funktioniert das Behringer BV44 nicht am USB-C-Anschluss meines Mac Mini M1, während andere Geräte mit USB-C problemlos laufen. Erst durch die Verwendung des mitgelieferten USB-C auf USB-A Kabels konnte das Behringer BV44 zur Zusammenarbeit überredet werden.
Positiv ist, dass das Behringer BV44 USB class-compliant ist und am iPhone und iPad mit einem passenden Adapter wie dem Camera-Connection-Kit problemlos funktioniert.
Praxiseinsatz des Behringer BV44
Das Mikrofon funktioniert am Mac mit dem mitgelieferten Kabel an einem freien USB-A Port problemlos und ohne weitere Treiberinstallation. Das gilt im Prinzip auch für Windows PCs, allerdings sollte man sich von der Behringer Website (oder einer anderen Seite) den aktuellen ASIO4All-Treiber herunterladen, möchte man das Mikrofon mit minimaler Latenz in einer DAW oder einer anderen Software einsetzen, die mit ASIO-Treibern arbeitet.
Wie immer bewirbt man das Behringer BV44 mit Schlagwörtern wie „High-Quality Capsule“, „professional-quality condenser microphone“, „ultra-low noise design“, „incredible high-quality performance“, „built to last a lifetime, just like the original“. Beim letzten Punkt möchte ich nicht unbedingt widersprechen, denn die Verarbeitungsqualität ist in der Tat in Ordnung. Das Mikrofon wirkt sehr stabil, wenn es auch nicht sonderlich schwer ist.
Bei den anderen Punkten scheiden sich wie immer die Geister. Wer hier professionelle Studioqualität erwartet, wird enttäuscht. Hier hat man es mit dem typischen Klang von günstigen Kondensator-Kapseln „made in China“ zu tun. Je nach Besprechungsabstand sind mal die Bässe, mal die Höhen überbetont. Der Klang ist relativ klar, doch zu sehr bewegen darf man sich vor dem Mikrofon nicht, denn durch die Supernieren-Charakteristik ist der Aufnahmebereich vor der Kapsel vergleichsweise eng. Dafür verträgt das Mikrofon aber etwas höhere Besprechungsabstände, wofür es schließlich konzipiert wurde.
Die größte Limitierung erfährt das Mikro durch den Wandler-Chip mit 16 Bit und die recht dürftige Signal-to-Noise Ratio des Wandlers. Diese macht sich zwar nur bei sehr leisen Signalen bemerkbar, sollte aber nicht unerwähnt bleiben. Eine andere Limitierung, die man kennen sollte, ist das fehlende Direct-Monitoring. Das Mikrofon besitzt anders als so mancher Konkurrent keinen Kopfhöreranschluss und auch keinen USB-Return, sodass das eigene Mikrofonsignal oder bereits aufgenommene Signale über ein anderes Interface oder den Computer abgehört werden müssen. Immerhin ist die Eingangslatenz des Behringer BV44 mit 0,67 ms bei einem Buffer von 32 Samples sehr gering. In Abhängigkeit des verwendeten Interfaces lässt sich eine globale Latenz von rund 5 ms bei minimalem Buffer erreichen, was zumindest das Abhören ohne Dopplungen oder Echos zulässt.
Der für mich größte Schwachpunkt des Behringer BV44 ist das mitgelieferte Tischstativ. Dieses sollte eigentlich für eine gute Körperschallentkopplung sorgen, die gerade beim avisierten Anwendungsbereich gegeben sein muss. Leider ist das Gegenteil der Fall. Die Entkopplung ist dermaßen schlecht, dass jedes leichte Berühren der Tischplatte sich sofort auf das Mikrofon überträgt und für Rumpelgeräusche sorgt, die sich auch durch Low-Cut-Filterung nicht entfernen lassen. Schon das Unterlegen mit einer leicht dämmenden Korkplatte sorgt für eine deutliche Verbesserung. Interessenten sollten deshalb gleich ein vernünftiges Tischstativ mitbestellen.
Die Klangbeispiele zeigen das Behringer BV44 in seiner typischen Anwendung als Sprachmikrofon für Streaming und Podcasting. Das Mikrofon wurde dabei auf meinem Studiotisch aufgestellt. Zwei Sprechabstände geben einen guten Eindruck vom Klang des Mikrofons. Alle Aufnahmen sind unbearbeitet und erfolgten mit Ableton Live auf einem Apple Mac Mini M1.
Preis-Leistungs-Verhältnis
Im Preisbereich des Behringer BV44 tummeln sich zahlreiche Alternativen. Eine davon ist das mittlerweile bei Streamern etablierte und sehr beliebte Rode NT-USB. Dieses besitzt zwar ebenfalls nur ein 16 Bit/48 kHz Interface, dafür aber einen Kopfhörerausgang für das Direct-Monitoring. Mit einer S/N Ratio von 96 dB ist es dem Behringer BV44 ebenfalls überlegen und ein Metall-Poppschutz wird mitgeliefert. Durch die Nierencharakteristik ist es zudem unempfindlicher gegenüber Bewegungen beim Sprechen. Der Verkaufspreis liegt bei 138 Euro und damit nur leicht höher als der des Behringer BV44.
Geld sparen kann man mit dem Rode NT-USB Mini. Das Interface verfügt über 24 Bit/48 kHz Wandler und Direct-Monitoring. Der Frequenzbereich reicht von 20 bis 20.000 Hz. Bei einem Verkaufspreis von 91 Euro ein echter „No Brainer“.
Mit 149,- Euro spielt auch das Beyerdynamic FOX. Das integrierte Interface arbeitet mit 24 Bit/96 kHz und bietet Direct Monitoring. Das FOX besitzt Nierencharakteristik und einen Frequenzgang von 70 – 20.000 Hz.
Interessant sind auch die diversen günstigeren Mikrofone der Thomann-Hausmarke the t.bone. Darunter sind auch echte Großmembranmikrofone. Die einfachsten Modelle starten bei 49 Euro (the t.bone SC 440 USB).
Nicht vergessen sollte man zum Schluss auch nicht die exzellenten Mikrofone von Blue Microphones: Das Blue Microphones Snowball Ice liegt bei günstigen 55 Euro, während der Klassiker von Blue Microphones, das Yeti, für rund 129 Euro im Handel zu haben ist und sogar eine umschaltbare Richtcharakteristik bietet und Broadcast-Vocal-Effects. Die Dreikapsel-Konstruktion erlaubt außerdem sogar den Stereobetrieb, was das Mikrofon auch über das Streaming hinaus für Tonaufnahmen interessant macht.
Nimmt man all das zusammen, sollte das Behringer BV44 vor dem Kauf gut mit den Alternativen verglichen werden, denn das Preis-Leistungs-Verhältnis ist in meinen Augen alles andere als ideal.
Dann kauft man doch lieber en t.bone SC 425 oder Rode NT USB.. Was soll das denn bitte..
Ganz lustig zur Dekoration oder wenn man bei einem Podcast was vintage-mäßiges auf dem Tisch stehen haben möchte.
Für ernsthafte Anwendungen wohl eher nicht zu gebrauchen, zumal 16bit von vorgestern ist – da man ja nicht vorher so exakt aussteuern kann, erreicht man effektiv vielleicht 12 oder 13 bit ….
Vielen Dank für den ausführlichen Test.
Elektroschrott mit Garantie – so ein Gerät sollte nicht in den Verkauf kommen.
Damit hat Behringer wieder einmal ein Eigentor gekonnt verwandelt.
Ach wie schade, denn das Mikrofon ist extrem chic geworden. Umso ärgerlicher, dass es für uns Musiker überhaupt nichts taugt. Behringer hat in den letzten Jahren, durch ihre Synthesizer, gezeigt, dass sie es eigentlich besser können. 😕