Flower-Power im Auenland
2011 hatten wir hier die Erstausgabe der Fantasy-World-Music-Sound-Library „Forest Kingdom“ im Test (die damals noch ausschließlich auf einer DVD ausgeliefert wurde), zwei Jahre später gab es die Fortsetzung (auf zwei DVDs). Und beide Librarxs bekamen von unseren Autoren Höchstwertungen: Ein „Sehr gut“ für Teil 1, gar ein (sehr selten von uns vergebenes) „Best Buy“ für den zweiten Teil. Nun, weitere acht Jahre später, ist mit Best Service Forest Kingdom 3 eine weitere Folge erschienen. Ebenfalls wieder ein Best-Buy-Kandidat? Eine willkommene Ergänzung zu seinen Vorgängern? Oder wird da nach all der Zeit Altbekanntes noch einmal aufgewärmt?
Eduardo Tarilonte
„Der emsige Spanier, der scheinbar niemals schläft“ – nannte ich Tarilonte in meinem Test zu NADA im letzten Jahr. Ein Eindruck, der sich einfach aufdrängt, wenn man sich anschaut, was er da schon alles an Librarys veröffentlicht hat; das schafft man nur, wenn man auf Nebensächlichkeiten wie Essen oder Schlafen größtenteils verzichtet. Von jeher sind die Bread-and-Butter-Produktionen nicht sein Ding; eine 08/15-Orchester-Library oder ein „Trumpets Solo 1“ wird es von ihm niemals geben, er ist ein Freund der eher ungewöhnlichen Klänge.
Eine Chor-Library mit vier afrikanischen Männer- und zwei Frauenstimmen (KWAYA), ein Counter Tenor (Altus) oder exotische Soundscapes mit orientalischen Blasinstrumenten (Desert Winds) – das ist Tarilonte. Und natürlich ganz viel Fantasy: Hätte ich Tarilontes Librarys wie „Dark ERA“ (finsteres Mittelalter), Celtic ERA (keltische Sagenwelt), Ancient ERA Persia (vergessene Welten des Mittleren Ostens) oder eben Forest Kingdoms schon damals in den 90ern gehabt, als ich noch Videogames wie „Ambermoon“ vertont habe, dann wäre mir wohl viel Arbeit erspart geblieben. In einem Interview (https://www.amazona.de/interview-eduardo-tarilonte-sounddesign-aus-dem-silmarillion/) mit uns erklärte Tarilonte mal vor Jahren, dass er selber viel in volkstümlichen Gruppen Musik gemacht habe und zudem neben Klavier auch Akkordeon und keltische Harfe spiele. Ich bin mir aber sicher, dass ihm als Kind sicher keine Märchen, sondern der Herr der Ringe vorgelesen worden ist, anders kann man seine Liebe zu Fantasy-Sounds nicht schlüssig erklären.
Download und Installation
Nach dem Kauf landet die Library im Nutzerprofil bei Best Service und kann anschließend bequem heruntergeladen werden. Beim Entpacken der sieben Einzelfiles (ca. 12 GB) hat es sich bewährt, da tatsächlich den empfohlenen (kostenlosen) 7-Zip-File-Manager zu nutzen; ich hatte es bei NADA damals erst mit meinem Standard-Packer versucht und hatte prompt Probleme bekommen. Entpackt belegt Forest Kingdom 3 dann rund 20 GB auf der Platte; das ist durchaus moderat, wenn man sich anschaut, was da alles an Klängen und Sequenzen drinsteckt. Obendrauf beim Download gibt es auch noch eine Cubase Expression Map und – falls noch nicht vorhanden – die neueste Version der „Engine 2“; ja, Tarilontes Produktionen laufen nämlich nicht – wie die meisten anderen Librarys inzwischen – mit dem Kontakt Player von NI, sondern eben mit der Best Service Engine. Die übrigens extrem leistungsstark und überraschend reich an Features ist – sieht man ihr auf den ersten Blick gar nicht an. Ein Blick in das 160 Seiten starke deutsche PDF-Handbuch (zu erreichen über das Fragezeichen-Symbol in der Engine Oberfläche) lohnt auf jeden Fall. Die „Engine 2“ ist kostenlos und gibt es sowohl als Plug-in (VST, AAX, AU) als auch Stand-Alone. Das letztere auf meinem Musikrechner nicht laufen will, ist a) ziemlich sicher ein Problem meines schon in die Jahre gekommenen und mit Tests malträtierten PCs (ein neuer ist nicht nur deshalb in Planung) und b) kein Drama, weil die Engine als Plug-in ja ohne zu murren funktioniert.
Forest Kingdom 3: Das ist drin
„Forest Kingdom 3 ist eine Sammlung exotischer Instrumente, inspiriert von der Vielfalt der Natur, den Klängen dichter Wälder und bunter Vögel sowie der Erinnerung an lang vergangene Urwälder.“ – beschreibt Tarilonte selber seine Library. Die umfasst rund 20.000 individuelle Samples, die sich auf über 700 Presets verteilen. Darunter finden sich 210 Soundscapes, 90 ethnische Percussion-Instrumente, 30 Blasinstrumente, Fabelwesen und Stimmen von Schamanen sowie 300 Multitrack-Performance Grooves. Der besseren Übersicht halber ist die Library in der Engine in sechs Kategorien eingeteilt:
- Instruments
- Soundscapes
- Fantasy Creatures
- Voices
- Swishes
- Performance Groove Audition
Und in die hören wir natürlich gleich noch im Detail rein. Zuvor aber eben noch ein schneller Blick auf die Benutzeroberfläche der Engine 2. Die ist – wie immer bei Tarilonte – passend zum Thema der Library gestaltet; in dem Fall mit einem äußerst farbenfrohen Hintergrund, in den die wenigen grundlegenden Bedienelemente (Volume, Pitch, Pan, Reverb) im Edelstein-Design als schmückende kleine Objekte eingearbeitet wurden – das sieht mehr nach einem Gemälde denn nach einem GUI aus. Hinzu kommen dann je nach Instrument noch weitere, zum Teil sehr spezielle Regler, um Klangfarbe und Spielarten zu verändern, etwa ein „Holes Volume“ bei den Flöten.
So klingt Forest Kingdom 3: Instruments
Starten wir mit den Instruments. In der Unterabteilung „Percussion“ finden sich zum einen gute alte Bekannte, wie Berimbau, Djembe, Taiko, Udu oder Wind Chimes. Die sind sowohl als Einzeltöne spielbar, werden aber auch schon in fertigen Sequenzen angeboten, was durchaus brauchbar und reizvoll klingt – wie etwa diese Wardrums hier.
Zum anderen taucht dort aber auch das ein oder andere eher ungewöhnliche Instrument auf, wie etwa Jawbone, venezulanische Culo e Puya Drums, die westafrikanische Rassel Shekere oder das Marimba-ähnliche Marimbola aus Afrika, das allerdings viel voller und tiefer klingt.
Unter „Plucked“ sind die Celtic Harp (die, wie wir ja jetzt wissen, von Torilonte gespielt wird), die Music Box, und die Kalimba. Interessanterweise gibt es hier wahlweise eine akustische Celtic Harp…
…und eine elektrifizierte Version (von der ich gar nicht wusste, dass eine solche überhaupt existiert.
Und während man sich bei der gut klingenden Musicbox seine Abläufe noch selber einspielen muss…
… finden sich auch bei der Kalimba dankenswerterweise wieder gut klingendes vorgefertigtes Material.
Torilontes Lieblingskind bei den Instrumenten sind aber die „Wind“, die Blasinstrumente, die hier erstaunlich vielseitig und umfangreich vertreten sind und auch wahlweise in MIDI CC gewählt werden können. Allein die indianischen Flöten aus verschiedensten Materialien mit ihrem seidenweichen Legato sind mit zehn Vertretern besetzt, darunter auch eine Cedar Native American Flute in Contrabass-Lage. Über Keyswitches sind da etwa 10-15 Spielarten abrufbar, hinzu kommen Einstellmöglichkeiten im GUI wie Triplet Speed, Drone Volume, Blasintensität oder Vibrato Speed.
Hinzu kommen noch Exoten wie Aztec Clay Flute, Mayan Seashell Horn, Panflöten in jeder nur denkbaren Größe und Spielart (der Alptraum jeder Fußgängerpassage), eine Tenor Ocarina und natürlich kistenweise Didgeridoo Grooves.
So klingt Forest Kingdom 3: Soundscapes & Fantasy Creatures
Die Soundscapes sind noch einmal weiter unterteilt in die Kategorien Ancien Secrets, Creatures of Nature, Exotic Flutes, Fantasy Harps, Forests and Jungles, Lost Places und Mother Nature – aussagekräftige Bezeichnungen, die eine ungefähre Richtung vorgeben und ihrerseits wieder gut mit Klängen gefüllt sind. Die wiederum sind aus verschiedenen Samples zusammengemischt, deren Anteil einstellbar ist. Da singen „Fantasy Birds“, die von uns aufgeschreckt durch den dichten Urwald flattern…
…besuchen wir uralte Ruinen…
… lauschen dem morgendlichen Wind…
… oder tasten uns ängstlich durch einen „Hidden Forest“
Wenn man das alles durchhören will, hat man einiges zu tun. Und das muss man dann wohl auch, will man erfahren, was wirklich hinter den Bezeichnungen steckt. Die Bandbreite der Sounds reicht hier von friedlich-relaxt bis düster-bedrohlich, alle Klänge passen gut zum Thema Natur und sind die Basis für weitere Aufbauarbeiten in Sachen Atmosphäre-Fundament.
Die Fantasy Creatures hätte ich mir noch ein wenig ausführlicher gewünscht. Die werden in erster Linie von vielen Vögeln bevölkert, wie Carnivore Bird, High Tree Bird, Love Bird, Willow Forrest Bird oder Swamp Birds…
… plus 20 weiteren nicht näher bezeichneten Bird Calls – allesamt gut und abwechslungsreich gemacht und in höchstem Maße brauchbar, um jedwede Art von Landschaft zu beleben. Vom kleinen Rest hätte ich aber eben gerne mehr gehabt, denn auch der ist wirklich gut. Wie etwa der White Mountain Gorilla
…oder das „Small Running Creature”
So klingt Forest Kingdom 3: Voices, Swishes & Performance Grooves Audition
Die Voices beschränken sich auf ein schöne Ethereal Female Solo Voice, die über anderthalb Oktaven reicht und auf verschiedenen Vokalen singt…
… sowie auf einen Schamanen, der allerdings mit Deep Chants, über Shaman Rhythms, Words und Mantras bis hin zu Ritual Soft über eine gewaltige Bandbreite verfügt.
Noch kleiner ist die Abteilung Swishes ausgefallen, wo sich lediglich drei Sounds in unterschiedlichen Spielarten tummeln. Klingt nach angeblasener Riesenflöte – ganz nett, aber nicht wirklich wichtig.
Besonders interessant sind dann wieder die Performance Grooves, schön durchkomponierte, atmosphärische Mehrspur-Arrangements, zwischen 30 Sekunden und einer Minute lang und zwischen 60 und 180 bpm schnell. Zwar wie gesagt durchkomponiert, aber stets so allgemein gehalten, dass sie sich nicht zu sehr ins Ohr drängen und dass man sie noch mit anderen Sounds individualisieren kann. Da erleben wir eine „Peaceful Night“
…vielleicht sogar im „Forest of Wishes“…
…besuchen eine „Sorcerer Hut“…
… gehen auf „Man Hunt“…
…um am Ende einen „War of the Worlds“ anzuzetteln.
Auch hier ist die Bandbreite der Klänge sehr breit, so dass man für fast jede Stimmung den geeigneten Track findet. Zusammen mit den gut gewählten Titeln lassen sie Bilder im Kopf entstehen. Allerdings heißt es aber auch hier wieder: Durchhören und suchen.