Die entspannendste Library aller Zeiten
Ach ja, Eduardo Tarilonte. Was hat dieser emsige Spanier, der anscheinend niemals schläft, nicht schon alles für ausgefallene Sample-Librarys auf die Beine gestellt. Die Butter-und-Brot-Sounds überlässt er gerne den anderen – ihn treibt es in finstre Mittelalter (Dark ERA), in die keltische Sagenwelt (Celtic ERA) oder in die „vergessenen Welten des Mittleren Ostens“ (Ancient ERA Persia). Er bringt Counter Tenöre (Altus) zum Klingen, kramt gregorianische Chöre (Cantus) aus der Versenkung, entführt uns in „Cinematic Landscapes“ (Epic World) oder in „magische Wälder und urzeitliche Dschungel“ (Forest Kingdom II). Da scheint die jetzt erschienene Library namens „NADA“, die „Meditation & New Age Sounds“ zum Thema hat, sowohl logische Folge als auch Essenz des bisherigen Schaffens zu sein. Hören wir mal rein.
Download und Installation
Der Download der etwa 9 GB großen Library (die ausgepackt am Ende etwa 13,5 GB auf der Platte belegt) und des dazugehörigen Players, der „Best Service Engine 2“ – die zum Zeitpunkt des Tests in der Version 2.6.1.2 (PC und Mac) vorlag – geht schnell und unkompliziert über die Bühne, gleiches gilt für die Installation. Dass sich dann der Player auf meinem Desktop-Rechner (Windows 10) in der Standalone-Version nach einmaligem Start mit der Meldung „Engine funktioniert nicht mehr“ verabschiedete und auch anschließend nicht mehr zur Mitarbeit überredet werden konnte, wird wahrscheinlich mit der relativ großen Zahl an Soundtreibern und -Programmen auf meinem Testrechner zusammenhängen. Laut des Best Service-Supports – der wie immer schnell und zuverlässig hilfreich zur Seite stand – hat es da in den letzten Jahren nie größere Probleme gegeben und auch auf meinem Zweitrechner lief die Engine tadellos (und auf dem Desktop-Rechner als Plugin ebenfalls, nur eben in der Standalone-Ausgabe nicht). Ich wollte es nur der Vollständigkeit halber erwähnt haben.
Ein Hinweis: Zum Download-Paket gehört auch eine Installationsanleitung in mehreren Sprachen, nicht aber ein Benutzerhandbuch zur Engine. Wer zuvor damit noch nicht gearbeitet hat, sollte sich das unbedingt über die Help-Funktion im Player herunterladen; die Lektüre des 175-Seiten-PDFs beantwortet viele Fragen und hilft beim Einstieg in den durchaus komplexen und leistungsstarken Player.
Als Plugin gibt es den Engine-Player in den Formaten VST3 (32 und 64 Bit) und AAX Native 64 Bit. Für die 64 Bit Version des VST3-Plugins wird übrigens voreingestellt ein neues Verzeichnis angelegt (Best Service\Engine 2\VST Plugin 64-bit), das man aber natürlich auch ändern kann. Ich hatte an der Stelle zu schnell auf „weiter“ geklickt und mir dann später erst einmal einen Wolf gesucht. Selber schuld.
Und wenn wir schon bei den Tipps sind: Best Service bietet für die Engine auch eine kostenlose „Engine Artist Library“ an, mit Demoversionen aus insgesamt 21 Librarys. Die sind zwar im Spielbereich und Umfang eingeschränkt, aber trotzdem recht brauchbar. Da macht man nichts verkehrt, wenn man sich die 2,5 GB mal eben zusätzlich auf die Platte holt.
Warum diese Library NADA heißt
Eduardo Tarilonte ist Spanier. Da liegt die Vermutung natürlich nahe, „NADA“ mit „Nichts“ zu übersetzen – was aber ja nun eigentlich wenig Sinn ergibt; wer nennt sein Produkt schon „nichts“? Und richtig, „NADA“ kommt aus dem Sanskrit und heißt so viel wie „Klang“ oder „Schwingung“, ist aber auch „der Ur-Klang oder die erste Schwingung, aus der die ganze Schöpfung entsprungen ist. Er ist die erste aussendende Stufe in der Projektion des Universums. (…) Er ist Omkara oder Shahbda Brahmann. Er ist auch der mystische innere Ton, auf den sich der Yogi konzentriert.“ (Zitat aus wiki.yoga-vidya.de/Nada). Die „Nada Yoga“ – eine rund 5.000 Jahre alte metaphysische Philosophie und Praxis aus Indien – basiert auf der Annahme, dass die gesamte Schöpfung aus Vibrationen und Schwingungen hervorgegangen ist und immer wieder neu geschaffen wird und dass alles Existierende durch eben diese Schwingungen miteinander verbunden ist. Das nur zum tieferen Verständnis hinter der Idee zu dieser Library; Tarilonte selber nennt diese Library dann auch „eine spirituelle Reise durch die tiefsten Klänge meiner Seele.“
Die Ordnung der Sounds
NADA enthält rund 440 Instrumente, die aus über 9.000 Samples zusammengesetzt wurden. Unterteilt ist die Library recht übersichtlich in die Kategorien „Instrumente“, „Meditation Pads“ und „Voices“. Bei den Instrumenten finden sich Percussion (pitched/unpitched) die von tibetanischen Fingerglöckchen über Metallschalen bis hin zu Rainstick, Ghatam und Tabla reichen, dann Pianos (Digital Pianos / White Pianos), Strings mit Violine und Viola, aber auch einigen exotischen Vertretern wie „Eastern Harps“ oder „Tanpura Drones“ und schließlich noch die Winds. In dieser Sparte finden sich dann sowohl westliche Orchesterinstrumente wie Konzert- und Holzflöten, aber auch älteres Gebläse wie das Flageolett oder das Cornett (deutscher Name: Zink, also nicht zu verwechseln mit dem Kornett) sowie (fern)östliche Vertreter wie Shakuhachi, Bansuri oder Hulusi. Fehlt was? Nun, bei den Strings vielleicht noch ein wenig Akustikgitarre, ansonsten bin ich mit der Auswahl aber restlos zufrieden. Blechbläser? Die werden in der Meditationsmusik aus gutem Grund eher selten eingesetzt.
Die „Meditation Pads“ liegen in 16 Varianten vor, bezeichnet mit erst einmal wenig aussagekräftigen Namen wie „Emptiness“, „Stilness“ oder „Solitude“. Von den meisten gibt es zwischen 5 und 16 Variationen, die sich klanglich zum Teil nur in Nuancen unterscheiden; bei einigen Pads (Moving Dreams, Nature Meditations und „The Unknown“) werden aber auch weitere, sich stark unterscheidende Sounds angeboten. Da stoßen wir bei den „Nature Meditations“ zum Beispiel auf Klänge wie „Alone in the Rain“, „Primeval Forest“ oder „Wind in the Trees“, deren Namen dann zumindest schon einmal einen Hinweis auf die enthaltenen Natursounds geben; in den meisten übrigen Pad-Fällen aber hilft nur durchhören.
Die „Voices“ schließlich sind unterteilt in „Real Voices“ und „Synth Voices“. Erstere warten mit der großartigen Ana Duble auf, die hier die weiblichen Stimm-Samples liefert, und mit den beiden Overtone-Spezialisten Moisés Pérez und Joaquín Manjón von Muom, einem Oberton-Chor aus Barcelona. Wie das alles klingt, das hören wir uns gleich an. In den Synth-Voices gibt es schließlich künstliche Chöre, „Voices of Light“ und dergleichen mehr.
Die Best Service Engine
Bevor wir gleich mal in die Sounds reinhören, eben noch kurz ein paar Bemerkungen zur Best Service Engine 2 und des speziellen NADA-GUI. Der Sample Player „Engine“ hat sich im Lauf der Jahre zu einem durchaus komplexen und vielseitigen Tool entwickelt, das Zugriff auf so ziemlich jeden Aspekts eines Klanges gewährt, recht übersichtlich aufgebaut ist und mit dem sich auch aufwendigere Layer-Konstrukte realisieren lassen. Der große Haken ist und bleibt aber die fehlende Skalierbarkeit. Auf meinem Notebook – wo die Engine gerade mal das halbe Display bedeckt – muss ich schon mit der Nase auf den Bildschirm, um die winzigen Texte zu entziffern (ja nun, ich bin halt schon was älter); und um die klitzekleinen Bedienelemente mit der Maus zu erwischen bedarf es schon einer ruhigen Hand und eines guten Auges (bzw. einer guten Brille).
Jede Library bekommt – ähnlich wie zum Beispiel auch bei Natives Kontakt – eine individuelle Bedienoberfläche, die im Fall von NADA von einer großen bunten Blume im Zentrum dominiert wird; florales Design ist wieder schwer im Kommen. Rund herum angeordnet sind die Knobs für die Standards wie Attack, Release, Volume, Pitch, Reverb oder Pan. Nun finde ich virtuelle Drehregler und das damit verbundene unergonomische Gefummel mit der Maus ja schon mal grundsätzlich unpraktisch; in der Verbindung mit der hier fehlenden Skalierbarkeit des Engine-Fensters ist das aber doppelt hinderlich. Ja, sieht nett aus, hemmt aber den Workflow.
Dass es auch anders geht, beweisen die darunter liegenden Schieberegler für die spezielleren Klangmanipulationen. Dazu gehören Effekt-, Natursound- und Pad-Anteile, die dem Originalklang zugemischt werden, aber auch Sachen wie Bogengeräusche, Glide Curve oder Expression. Bei einigen Sounds sind diese Möglichkeiten so umfassend, dass – unter „Advanced“ – noch eine zweite Seite geöffnet werden kann, etwa wenn mehrere zusätzliche Pads zum Einsatz kommen. So lassen sich die Klänge dann zum Teil schon recht drastisch ändern.
So klingt NADA
Was mir direkt angenehm aufgefallen ist: Die Library ist – sowohl in Bezug auf die Klänge als auch auf die Produktion der Sounds – sehr homogen. Da gibt es keine klanglichen Ausreißer, keine Volume-Ausfälle, alles passt zueinander, ohne dass ich da jetzt noch groß Anpassungsarbeiten vornehmen müsste. Kein „Komm, das packen wir auch noch mit rein, auch wenn es vielleicht nicht passt“, das man ja immer wieder mal in Librarys findet – sehr schön.
Dafür ist Tarilonte dann mitunter doch etwas zu verschwenderisch mit dem Reverb umgegangen, was die Sounds erstmal etwas matschig und indifferent macht. Aber gut, da kann man ja schnell nachbessern, doch wäre weniger Hall-Enthusiasmus zuweilen schon schön gewesen.
Die Percussion-Sounds sind auf der einen Seite bodenständig und so auch in anderen Librarys zu finden. Dazu kommen aber auch sehr variantenreiche Meditation-Bells oder einzigartige Gong-Sounds:
Bei den Digitalpianos fehlte mir ein klein wenig das Aha-Erlebnis. Die eignen sich zwar ganz gut als kleine Ergänzung, spielen sich aber nicht unbedingt ins Ohr, da teilweise schon zu oft gehört. Aber auch hier gibt es Ausnahmen – wie das Dream Piano:
Das White Piano ist ein sehr nah mikrofoniertes Upright-Piano, oft auch gedämpft, in vielen, leicht unterschiedlichen Spielarten. Gefällt mir gut, bestens geeignet für den speziellen, verträumten New Age Sound. Wie zum Beispiel das White Piano Intimate, mit einstellbarer Hammer-Hardness und regelbarem Attack-Humanizer:
Die Strings überraschen mit ausdrucksstarken, sehr gefühlvollen Streichern, die mit Pads sinnig ergänzt wurden. Diese Viola da Gamba zum Beispiel hat gleich deren fünf im Gepäck (alle einstellbar), aber auch mit etwas zu viel Hall zu kämpfen:
Hier dasselbe Instrument noch einmal, aber ohne Pads, reduziertem Hall und mehr Bogengeräusch. Damit ist es dann auch in anderen Genres einsetzbar:
Die Koto ist im Zusammenklang mit den Pads ebenfalls meditationstauglich:
Die Winds gehören zu meinen persönlichen Highlights in der Instrumentenabteilung von NADA: Unheimlich expressiv, mit viel Wärme und extrem variantenreich. Bei dieser Shakuhachi zum Beispiel kann die Intensität der Verzierungen eingestellt werden:
Aber auch die Orchester-Holzbläser haben mich voll überzeugt. Wie diese (vom Ballast von zu viel Hall befreiten) Altflöte:
Die Meditation Pads haben oft mehr zu bieten als nur Pad-Sounds. Da finden sich sanfte Pianoklänge in leckerer Pad-Soße, wie hier in „Deep Peace“, das es in gleich 11 Geschmacksrichtungen gibt …
… endlose schwebende Pads für den New-Age-Unterbau …
… perlende Arpeggio-Spielereien …
… oder ein Meer voller träumender Wale. Wellen, Wale und Unterwassergeräusche sind dabei in einem Mixer einstellbar:
Auch wenn es hier und im Pad-Bereich Überschneidungen gibt, ist das doch fast alles vielseitig und brauchbar. Auch wenn man sich diesen Teil dann erst erarbeiten muss, weil die Bezeichnungen nicht immer Aufschluss über den Inhalt geben. Schön ist, dass in manchen Klängen gleich auch Naturgeräusche mitgeliefert werden, das spart einen Arbeitsgang.
Die Real-Voices offerieren Tonnen von vorgefertigten Phrasen, deren Tonhöhe per Keyswitch einstellbar sind; auch die Phrase-Speed lässt sich ändern, so dass die Phrasen dann auf jedes Tempo anwendbar sind. Eine BPM-Anzeige fehlt da aber.
Die Oberton-Künste von Moisés Pérez und Joaquín Manjón können entsprechenden Produktionen einen Extrakick verleihen. Die beiden tauchen aber auch in diversen anderen Tarilonte-Produktionen auf, das ist also kein Alleinstellungsmerkmal von NADA:
Die Synth-Voices schließlich gehören eher wieder zu den Basics – müssen halt enthalten sein, liefern aber ein feines Fundament. Der Vorteil aber auch hier ist, dass sich die Sounds ganz nach Bedarf mischen lassen: Mal mehr, mal weniger Stimme, hier ein Ticken mehr Pad, dort etwas weniger Vibrato, dazu verschiedene Vokale und Konsonanten. Insofern: Alles gut:
New Age Library? Reichen da eigentlich nicht einfach ’ne Räucherkerze und ’ne Panflöte?
Schöner und aussagekräftiger Test einer vielleicht unterbewerteten Sound-Bibliothk. Ich habe eine Freundin, die das ganze Regal voll von Mediations- und Ambient-Musik hat. Beim Durchhören der hier präsentierten Soundbeispiele habe ich jedes mal gedacht: »Ja … das Ganze jetzt auf 8 Minuten gestreckt und der neue Track für die Meditations-CD ist fertig.« ?
P.S.: Du hast die Musik zu Ambermoon gemacht? Ganz großer Respekt! ?
@Flowwater Ja, unter anderem auch Ambermoon. Ist aber schon ein paar Tage her :-)
@m.steinwachs Nahopllahalloundverneig, das kenne ich ja noch aus meinen alten AMIGA-Tagen. Alle Daumen hoch dazu!
@m.steinwachs Ambermoon… Amberstar.. Daran erinnere ich mich auch noch.. Habe aber kaum noch ein Bild vor Augen.. Schade eigentlich. Ach, was sind wir alle alte geworden… :D
Aktuell ist Nada im Angebot und ich frage mich, ob ich dieses wirklich brauche bei all meinen Instrumente, die ich eigentlich schon habe und selten nutze.. Aber klingt schon genial irgendwie.. Aber braucht man das, wenn man z.B. Komplete Ultimate, Voices of Rapture, Arturia Complete und ein paar andere Synthesizer von Tone2 usw. hat? Schwierig.. Bei „The Orchestra“ frage ich mich das selbe.. :D
@Andreas Ist ja auch schon ewig her, das war 1993 oder so – ist also keine Schande, wenn man es nicht kennt :-) Allerdings sitze ich seit einiger Zeit just for fun an den Remixes der ollen Kamellen, damit die endlich mal so klingen, wie ich das damals im Kopf hatte. (https://bit.ly/3I3knGE). Womit wir dann auch bei deiner Frage sind, ob man die Libraries wirklich alle braucht? Kann man nicht genug von haben – finde ich. Bei mir jedenfalls ist es so, dass ich mit jeder neuen Library auch wieder neue Ideen habe, die alten Sachen aufzupeppen. Von „The Orchestra“ zum Beispiel mache ich da regen Gebrauch. Und jetzt habe ich gerade noch Elysion 2 bekommen und werde auch da wieder was von einbauen. Hat man aber kein derartiges Projekt vor der Nase, und man hampelt nur so ab und zu damit herum, kann das auch wenig zielgerichtet ausufern. Man muss die Libraries schon gut kennen, um damit sinnvoll arbeiten zu können.
Ihr könnt Euch diesen Library-Test auch noch mal ganz in Ruhe auf meiner Soundcloud als Podcast anhören:
https://soundcloud.com/audiotexturat/soundcheck-eduardo-tarilontes-nada-folge-2?in=audiotexturat/sets/soundcheck-guru
Quote:
„Als Plugin gibt es den Engine-Player in den Formaten VST3 (32 und 64 Bit) und AAX Native 64 Bit. Für die 64 Bit Version des VST3-Plugins wird übrigens voreingestellt ein neues Verzeichnis angelegt (Best Service\Engine 2\VST Plugin 64-bit), das man aber natürlich auch ändern kann.“
Da es bis heute noch immer keine VST3 Version von Best Service Engine gibt kann es sich dabei wohl nur um einen Irrtum handeln. Oder hab ich irgendetwas verpasst?
Aktuell ist Version 2.7.0.17 des Best Service ENGINE und die gibt es für Windows 7-10 als VST 32bit & 64bit, AAX Native 64bit (ProTools 11+) und für Mac OS 10.12 – 11 (Big Sur), AU & VST & AAX Native (Pro Tools 11+), all 64bit.
Eine VST3 Version gibt es allerdings definitiv noch nicht!
https://www.bestservice.de/downloads.html
Best Service schreibt: „Windows 7-10, VST 32bit & 64bit, AAX Native 64bit (ProTools 11+)“. Aber ich schau mir die Engine besser noch mal auf meinem PC an, ob die Angaben von BEst Service stimmen.