BOSS Tuner
BOSS goes Disco – und präsentiert einen Rack-Tuner für den Fußboden!
„Multi-Kulti“ kennt man ja nicht erst seit es Europawahlen gibt, aber dass ausgerechnet ein Tuner eines Tages die Grenzen der hart umkämpfen Musiker-Charakter-Profil-Neurotiker durchbrechen würde, hätte wohl keiner geahnt. Hier stehen sie aber nun alle vereint im großen Kreis, die New-Generation-Kids, die Old-School-Rocker, die Glam-Poser und die Studio-Frickler, halten sich an den Händen und schauen – ja – nach unten. Richtig – auf den Stage-Fußboden nämlich, denn genau dort sollte er liegen und leuchten: der BOSS TU-1000 Stage Tuner.
Lieferumfang/Aufbau/Features
Schon die Verpackung lässt vermuten, dass das, was drin steckt irgendwie größer und anders ist, als man es von den Produktbildern erwartet hätte. Ausgepackt und mit dem im Preis enthaltenen und lobenswert langen Netzkabel angeschlossen, brennt sich unser Ersteindruck massiv in die Netzhaut, denn es leuchtet, funkelt und flackert wie in der 80er-Jahre Disko drei Blocks weiter (die allerdings vor 10 Jahren abgerissen wurde). Die Kids springen freudig im Dreieck, denn angeschaltet sieht der TU-1000 aus wie eine Mischung aus einem Control-Panel auf Raumschiff Enterprise und der Weihnachtsbaumbeleuchtung von Tante Ingeborg. Okay, dezent übertrieben – aber einem guten alten Vintage-Rocker, der das Gerät vor seine Marshall 4×12 legt und es anschaltet, sollte man vorsichtshalber die Rocker-Sonnenbrille aufsetzen, damit er sich nicht zu sehr erschreckt.
Ein Blick auf den „Quick-Start“-Beipackzettel unterstützt die Vermutung einer eher jüngeren Zielgruppe, denn die Wort- und Sprachwahl des vom deutschen Roland-Vertrieb verfassten Textes ist bewusst cool und hip gewählt.
Nachdem ich heraus fand, dass man die überdimensionale blaue Beleuchtung durch längeres Halten des Tuner-Kopfes ausschalten kann, konnte ich mich den inneren, wichtigeren Werten des TU-1000 widmen, und da gibt es keinerlei Anlass zur Kritik: hier liegt das ultimative Stimmgerät für Bodentreter-Fetischisten vor mir, welche sich sonst mit dem traditionellen Tuner im Handy-Format die Augen verdorben haben, nicht zuletzt, weil das TU-1000 auch gleich mit dem beiliegenden Verteilerkabel als Stromquelle für bis zu 6 weitere Bodeneffekte (mit einer Leistungsaufnahme von bis zu 500mA) genutzt werden kann!
Es gibt zahlreiche Optionen, u.a. für Drop– und Open-Tunings (Chromatic, Guitar, Bass, Open D, Open, E, Open G, Open A, DADGAD, Drop-D), sowie natürlich für Flat– und FineTuning. Selbstverständlich gibt es ebenfalls eine Auswahlmöglichkeit zwischen BYPASS und STUMMSCHALTEN.
Das Display kann zwischen CENT und STREAM umgestellt werden. CENT ist dabei die eher herkömmliche Funktionsweise mit einem Balken, der im Falle einer richtigen Stimmung in der Mitte steht, andernfalls weiter links oder rechts. STREAM ist eine Art „Lauflicht“-Steuerung, die durch eine fließende Bewegung mehrerer LED-Balken anzeigt, ob der Ton zu tief oder zu hoch ist. Das hat was von „Knight–Rider“ und ist sicherlich auch noch aus 500m Entfernung zu erkennen, aber wer spielt schon auf so großen Raumschiffen – äähh.. Bühnen.
In den beiden Modi wird eine korrekt gestimmte Saite auch optisch angezeigt.
Auf der Rückseite befinden sich Anschlüsse für Input (dieser dient in bester Bodentreter-Manier auch als Power-Schalter), Output, Parallel-Output und die einen weiteren Schalter zum Ein- und Ausschalten der Tuning-Funktion anzuschließen. Ebenfalls an der Rückseite liegt der DC-Out zur Versorgung anderer Effekte sowie ein Kensington-Lock-Diebstahlschutz-Anschluss.
Die Ton- und Saiten-Erkennung erfolgt erfreulich schnell, ist absolut exakt und umfasst einen Stimmumfang von C0 (16,35Hz) bis C8 (4,186Hz), bei einer Kalibrierung von 437 bis 446Hz. Auch die 7. Saite (H) wird daher sofort erkannt, und das Stimmen geht schnell vonstatten. Kurz gesagt: Das, was ein Stimmgerät können sollte – quasi Stimmen – kann der TU-1000 zweifelsfrei hervorragend, und darauf kommt es ja letztlich auch an.
Die etwas spacige Optik und Größe dieses Brockens bleibt Geschmackssache. Wer auf etwas übertrieben leuchtende und vor allem auffallende Sachen steht, ist hier also genau richtig und kann zugreifen, sofern er bereit ist 250 Euro dafür auf den Tisch zu legen, denn das ist der stolze Preis. Und so freuen sich die Kids über die leuchtenden Farben, die Vintage-Rocker über das große Display und die Anschlussmöglichkeiten, die Glam-Rocker über das auffallende Design und die Studio-Frickler über die gute, saubere und schnelle Tonerkennung. Wer dann noch ne „Fretlight“-Gitarre besitzt, kann auf keinen Fall mehr widerstehen. Also sag ich doch … one for all and all for one!