Gute Klänge und authentische Flügeltastatur
Auf den ersten Blick ist das Casio GP-310 Celviano ein gewöhnliches Digitalpiano, wie es dutzendfach erhältlich ist – wäre da nicht eine goldene Plakette mit dem Logo des traditionsreichen Flügelbauers Bechstein aus Berlin. Was steckt hinter dieser japanisch-deutschen Zusammenarbeit?
Kurz & knapp
- Flügelmechanik & Spielgefühl: Die Holztastatur mit Flügelmechanik zählt zu den besten auf dem Markt.
- Klangvielfalt: Drei exzellente Flügel-Samples (Bechstein, Bösendorfer, Steinway) decken ein breites Spektrum ab.
- Bedienung & Design: Klassisches Bedienkonzept mit Display – funktional, übersichtlich und hochwertig verarbeitet.
- Ausstattung: Aufnahmefunktion, Split/Layers, Concert Play – ohne überladen zu wirken.
- Preis-Leistung: In dieser Qualität und Preisklasse konkurrenzlos – klare Empfehlung mit Höchstwertung.
Inhaltsverzeichnis
Casio GP-310 Celviano Digitalpiano
Aufbau
Das Casio GP-310 ist zwar bereits seit einigen Jahren auf dem Markt, jedoch weiterhin das teuerste Digitalpiano von Casio. Es handelt sich um ein typisches Instrument in Konsolenbauweise, erhältlich in Schwarz oder Weiß, jedoch mit einem vergleichsweise hohen Korpus.
Mit einem Gewicht von knapp 80 kg ist das GP-310 ein echtes Schwergewicht – rund 30 kg schwerer als das Casio AP-750, dem Flaggschiff der neueren Casio Celviano Baureihe. Grund dafür ist die Flügelmechanik des Casio GP-310, auf die wir gleich noch eingehen werden.
Anschlüsse und Gehäuse
An Anschlüssen finden sich zwei Kopfhörerausgänge mit großer Klinke sowie Stereo-Ein- und -Ausgänge, ausgeführt mit 6,35 mm großen Mono-Klinkenbuchsen. Die digitalen Schnittstellen – MIDI In und Out über DIN-Stecker sowie USB-to-Host und USB-to-Device – bewegen sich auf professionellem Niveau. Integriertes Bluetooth-Audio oder Bluetooth-MIDI gibt es leider nicht.
Das Holzgehäuse ist sauber verarbeitet und präsentiert sich in einem zeitlos modernen Design mit langsam schließender Tastenklappe. Eine weitere Klappe befindet sich auf der Oberseite und „öffnet“ gewissermaßen den Lautsprecher. Von der Funktion her ist dies mit einer Flügelklappe vergleichbar. Passend dazu lässt sich diese Platte in mehreren Positionen arretieren. Allzu viel sollte man von dieser Funktion jedoch nicht erwarten: Natürlich klingt das Instrument bei geschlossener Klappe etwas gedämpfter und bei geöffneter präsenter, doch an die klangliche Variabilität eines Flügels in unterschiedlichen Klappenstellungen reicht das nicht heran. Dennoch ein praktisches Feature, das ich im Alltag häufig nutzen würde.
Die (fast) perfekte Flügelmechanik des GP-310
Das Alleinstellungsmerkmal des Casio GP-310 im Vergleich zu anderen Casio Celviano E-Pianos ist seine Flügelmechanik, die in Zusammenarbeit mit Bechstein entwickelt wurde. Die Tasten bestehen vollständig aus Holz, ragen weit ins Gehäuse hinein und sind traditionell auf einem Waagebalken mit Metallstiften gelagert. Tastenlänge, Gewicht und Beschichtung entsprechen denen eines Bechstein-Flügels. Dadurch liegt der Drehpunkt (bzw. Kipp-Punkt) der Tasten weiter hinten als bei herkömmlichen Digitalpianos. Selbstverständlich ist die Tastatur gewichtet und skaliert, sodass tiefere Töne etwas schwergängiger sind als höhere – was bei akustischen Instrumenten durch unterschiedlich große Hammerköpfe bedingt ist.
Darauf folgt eine leicht vereinfachte Flügelmechanik, bei der ein Dummy-Hammerkopf aus Kunststoff bewegt wird. Dieser schlägt zwar nicht auf eine Saite, sondern mit dem Hammerstil auf eine Filzleiste, vermittelt jedoch dennoch ein authentisches Spielgefühl. Über drei Sensoren wird die Bewegung der Hammerköpfe erfasst, aus denen der entsprechende Velocity-Wert berechnet wird.
Das wirkt bereits ziemlich authentisch, ist jedoch etwas weniger aufwendig konstruiert als eine echte Flügelmechanik. Die Konkurrenz – insbesondere Yamaha und Kawai – geht hier noch einen Schritt weiter und bietet digitale Flügel mit originaler Flügelmechanik an. Solche Instrumente kosten allerdings ein Vielfaches des Casio GP-310. Insofern handelt es sich beim Casio GP-310 Celviano um einen gelungenen Kompromiss mit einem Spielgefühl, das ich kaum von dem eines Flügels unterscheiden könnte – wobei ich fairerweise darauf hinweisen möchte, dass mir beim Test kein Flügel für einen direkten Vergleich zur Verfügung stand.
Im direkten Eins-zu-eins-Vergleich wären vermutlich Unterschiede feststellbar, die allerdings nicht größer ausfielen als zwischen zwei Flügeln unterschiedlichen Fabrikats (und selbst Flügel desselben Typs, derselben Bauart und desselben Alters unterscheiden sich mitunter erheblich, da sie unterschiedlich reguliert wurden).
Insgesamt bin ich von der Tastatur des Casio GP-310 schlichtweg begeistert – ich halte sie für die beste ihrer Art aus dem Hause Casio und für eine der besten am Markt überhaupt.
Sie erlaubt feinste Anschläge und bietet eine angenehm schnelle Repetition. Man spürt die Beschleunigung des Hammers und wie er wieder zurückfällt. Ich hätte keinerlei Bedenken, diese Tastatur für technisch anspruchsvolles Üben zu empfehlen. Die weißen Tasten sind – wie bei modernen Flügeln – mit Acrylharz überzogen, während bei den schwarzen Tasten Phenol zum Einsatz kommt.
Nicht ganz überzeugt bin ich von den Pedalen, die etwas schwergängig wirken – wobei es auch dafür Vorbilder gibt: Je nach Flügelbauer sind Pedale mal leichter, mal schwerer zu treten. Beim GP-310 kommt hinzu, dass das Haltepedal vergleichsweise weit unten anspricht.
Edle Klänge aus Berlin, Wien und Hamburg
Casio bietet drei Sets an Flügel-Samples an, die mit „Hamburg“, „Vienna“ und „Berlin“ bezeichnet sind. Auch wenn dies nicht offiziell bestätigt ist, dürfte es sich dabei um einen Steinway (vermutlich ein D-274) und einen Bösendorfer handeln, während das Berliner Modell auf die Zusammenarbeit mit Bechstein verweist. Die drei Flügel klingen deutlich unterschiedlich: Der Steinway wirkt etwas voller als der Bösendorfer, der wiederum in den feinen Nuancen brilliert.
Das Sample des Bechstein D-282 ist besonders gut gelungen – mit einem warmen, beinahe singenden Ton. Von allen drei Flügelklängen sind jeweils drei Varianten verfügbar: Standard, Mellow und Bright. Saitenresonanzen werden ebenso simuliert wie mechanische Geräusche von Pedalen, Tasten und Dämpfern. Diese lassen sich einzeln aktivieren und in ihrer Lautstärke regeln.
Die übrigen Klänge umfassen die bekannten und erwartbaren Klassiker: Ein Cembalo darf ebenso wenig fehlen wie mehrere elektrische Pianos – von soulig („60’s E-Piano“) bis hin zu poppigen 80er-Jahre-FM-Pianos. Außerdem vorhanden: eine Pfeifenorgel, eine Hammond („Jazz Organ“), zwei Transistororgeln („Electric Organ“), Streicher und Kontrabass. Die Klangqualität würde ich insgesamt als gut bis sehr gut einstufen. Das „60’s E-Piano“ etwa besitzt einen angenehm warmen Charakter, der bei härterem Anschlag leicht zu zerren beginnt.
Natürlicher Raumklang
Hochauflösende Samples allein machen noch kein gutes Instrument… Casio verbaut insgesamt sechs Lautsprecher für ein 3-Wege-System in Stereo, das den Raum angenehm füllt, auch bei geringen Lautstärken. Die Klangabstrahlung ist nach unten und oben gerichtet, verdeckt durch eine Holzklappe auf der Gehäuseoberseite, die in verschiedenen Positionen geöffnet werden kann, analog zu einer Flügel- oder Klavierklappe.
Auf digitaler Ebene lassen sich verschiedene Hallprogramme und Raumakustiken wählen – darunter die Akustik unterschiedlich großer Säle und Clubs, inklusive variierender Hörerpositionen, aus der Perspektive des Spielers oder des Publikums. Laut Herstellerangaben soll die gewählte Akustik auch Einfluss auf das Resonanzsystem der Klangerzeugung haben. Dieser Effekt ist mir beim Test nicht bewusst aufgefallen, ehrlich gesagt war mir diese Funktion zunächst gar nicht bekannt. Vermutlich sind die Unterschiede eher subtiler Natur.
Während des Tests empfand ich das Klangbild der internen Lautsprecheranlage des Casio GP-310 Digitalpianos als ausgewogen und angenehm – ich gehe davon aus, dass auch längere Übungseinheiten keine Ermüdungserscheinungen hervorrufen würden.
Bedienung: simpel und intuitiv
Das Bedienkonzept orientiert sich am klassischen Design mit physischen Tastern und einem Display – im Gegensatz zu den berührungsempfindlichen Oberflächen der AP-Instrumente, mit denen ich persönlich nicht ganz warm wurde. Vielleicht bin ich diesbezüglich etwas konservativ eingestellt, jedenfalls sagte mir die mehrheitlich intuitive Bedienung des Casio GP-310 Celviano sehr zu.
Funktionen wie Metronom, Layer-Sounds und Aufnahme lassen sich über dedizierte Tasten aufrufen. Auch die drei Hauptklänge werden direkt angewählt, woraufhin sich mit den Pfeiltasten die gewünschte Variante auswählen lässt. Für die übrigen Klänge navigiert man durch eine Liste – bei insgesamt 26 Sounds stellt das kein Problem dar.
Aufnahmefunktionen und Zusatzfeatures
Das Casio GP-310 ermöglicht sowohl MIDI- als auch Audioaufnahmen im WAV-Format (44,1 kHz, Stereo), die direkt auf einem USB-Stick gespeichert werden können. Das Keyboard ist maximal bitimbral und bietet die Möglichkeit, Split- und Layer-Sounds zu nutzen. Zudem steht ein sogenannter Duett-Modus zur Verfügung: Bei festem Splitpunkt decken beide Tastaturhälften denselben Tonbereich ab – ein praktisches Feature für Unterrichtssituationen.
Die „Concert Play“-Funktion erlaubt es, zu einprogrammierten Begleitungen von 15 ausgewählten Stücken – mehrheitlich klassischer Natur – zu spielen. Dass darüber hinaus auch Demo-Songs ihren Weg ins Casio GP-310 gefunden haben, relativiert den professionellen Anspruch etwas, als Musiker kann man darauf getrost verzichten. Einige Käufer werden daran sicherlich dennoch ihre Freude haben.
Positiv hervorzuheben ist die Bedienungsanleitung: Sie ist übersichtlich und informativ gestaltet und enthält zudem einige praktische Hinweise für die Nutzung im Alltag.
Klangbeispiele
Die Klangbeispiele sind spontane Improvisationen, aufgenommen in einem Seminarraum von Casio in Hamburg. Neben dem direkten Line-Signal wurde auch der Raumklang mittels zweier Kondensatormikrofone aufgezeichnet. Diese waren leicht zurückversetzt über dem Kopf des Spielers positioniert.
Das klingt wirklich vielversprechend. Hätte ich nicht schon ein sehr gutes Yamaha Digitalpiano, wäre das jetzt meine erste Wahl. Mir gefällt bei den Casio Digitalpianos einfach das hervorragende Preis-Leistungs-Verhältnis. Der Klang ist top und wenn man dann noch eine so gute Tastatur dazu bekommt (mit der wichtigste Faktor bei Digitalpianos) samt guter Lautsprecher, dann kann man bei dem Preis nicht meckern.
Lieber Martin, deine Klangbeispiele sind mal wieder der Hammer!
Es triggert mich immer, wenn von Tastaturen mit besonders authentischem Spielgefühl die Rede ist. Weißt du, ob diese Mechanik/Tastatur auch in anderen, tragbaren Modellen Einzug finden wird? Bzw. könntest du dir das vorstellen? Oder wäre das Gewicht dafür zu hoch?
@Gero van Apen Ja, das wäre ein schönes Instrument, aber wahrscheinlich für den Alltag zu schwer. Das GP-310 wiegt 80 Kilo …
Die wahrscheinlich beste, transportable Klaviatur findest Du im Kawai MP11, das mit ca. 35 Kilo auch eher schwer aber immerhin noch tragbar ist, zumindest zu zweit.
@Martin Andersson Och, da bleibe ich lieber beim Nord Grand… 20kg, und die Tastatur ist – zumindest nach meinem Empfinden – auch recht gut 🙂 Das MP11 hatte ich vor vielen Jahren mal angespielt und fand es – wenn ich mich richtig erinnere – ziemlich schwergängig…
Spannend, hatte Casio bei Digital Pianos nie so richtig auf dem Schirm. Mich würde ein Vergleich mit dem Kawai CA 701 (gleiche Preisregion, Grand Feel 3 Tastatur) interessieren (Spielgefühl und Klaviersounds). Hat schon mal jemand beide unter den Fingern gehabt?
@RalfT Ja, das wäre ein interessanter Vergleich. Ich hatte zwar schon beide unter den Fingern, aber nicht nebeneinander.