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Test: Chandler Limited TG Microphone Cassette, Channelstrip

Neues aus der Abbey Road!

10. Juli 2017

Die Chandler Limited TG Microphone Cassette ist ein neuer einkanaliger Channelstrip auf Basis der legendären Technik der EMI / Abbey Road Studios. Der Channelstrip vereint bereits bekannte Komponenten wie den TG2 Vorverstärker mit einer reduzierten Ausführung des Curve Bender Equalizers. Zusätzlich wird eine weiterentwickelte Opto-Version des TG1 Kompressors geboten, die aus unvollendeten Forschungsunterlagen der EMI Ingenieure hervorgeht.

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Historie

Die Bauweise der Chandler Limited TG Microphone Cassette beruht auf den Kanalzügen der unterschiedlichen TG 12345 Konsolen, die Ende der 60er Jahre als moderner Ersatz für die Röhrenmischpulte in den EMI / Abbey Road Studios zum Einsatz kamen. Neben der neuen Transistortechnik und erweiterten Equalizer-Sektionen war jeder Kanalzug mit einem eigenen Kompressor ausgestattet, was zu dieser Zeit eine große Innovation darstellte.

Gerade erst sorgte ein ganz besonderes Exemplar der TG-Serie für großes Aufsehen in den Medien, da das Auktionshaus Bonhams in New York die Konsole, mit der unter anderem „Dark Side of the moon“ von Pink Floyd produziert wurde, für 1,8 Millionen Dollar versteigert hat.

Chandler Limited ist der weltweit einzige lizenzierte Hersteller, der die von EMI eigens entwickelte Studiotechnik nachbauen und in überarbeiteter Version herausbringen darf. Daher wird um die Komponenten stets ein großes Geheimnis gemacht, was so weit geht, dass die Ingenieure selbst im Inneren der Geräte jegliche Hinweise auf die Herkunft und Beschaffenheit der Bauteile verdecken oder entfernen.

TG2 Preamp

Auf den ersten Blick

Die Chandler Limited TG Microphone Cassette hat ein 19 Zoll breites, kupferfarbiges Gehäuse mit äußerst scharfkantigen Ecken. Für den Einbau in ein Rack müssen zwei Höheneinheiten eingeplant werden, die Tiefe beträgt 27,5 cm und das Gewicht liegt bei 5,8 kg.

Das Frontpanel ist im Stil der alten TG-Konsolen designt, sprich mit grauem Hintergrund, gelber Beschriftung und den rundlich geformten Chickenhead-Knöpfen. Die gesamte Verarbeitung des Gerätes macht einen sehr soliden und robusten Eindruck.

Auf der Vorderseite sind die drei Komponenten der Channelstrips wie folgt von links nach rechts angeordnet: An erster Stelle sitzt der Vorverstärker mit den üblichen Bedienelementen, danach seltsamerweise der Kompressor, obwohl er eigentlich das letzte Glied in der Kette ist und zuletzt folgt noch die dreibändige Equalizer-Sektion.

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Auf der Rückseite befindet sich ein XLR Eingang für Mikrofon- und Line-Signale und der XLR-Ausgang des Preamps und Equalizers. Der Kompressor besitzt einen eigenen Ein- und Ausgang, hierzu aber später mehr. Für die Stromversorgung ist ein externes Netzteil (PSU-1) notwendig, das separat erworben werden muss, aber dafür bis zu zwei Geräte von Chandler Limited speisen kann.

TG2 Preamp

Für den Vorverstärker des Chandler Limited TG Microphone Cassette Channelstrips wird der schon länger erhältliche TG2 verwendet, eine neugestaltete Wiederauflage des TG 12428. Seine diskrete Class-A Bauweise ist Transformator-basiert und hat eine Impedanz von 300 Ohm für Mikrofon- und Line-Signale.

Mit dem Coarse-Gain-Regler kann das Eingangssignal um 20 bis 60 dB verstärkt werden, wobei das Poti in 5 dB Schritten gerastert ist. Zum Nachjustieren der Vorverstärkung gibt es den Fine-Gain-Regler, der eine Anhebung oder Absenkung von  +/- 10 dB erlaubt. Er ist nicht nur ein wichtiges Werkzeug für das Gain-Staging, sondern auch um filigraner mit der Sättigung des Preamps arbeiten zu können.

Rumble Filter und Fine Gain

Als Low Cut dient das sogenannte Rumble-Filter, welches ursprünglich für die REDD.51 Konsole entworfen wurde. Es hat sechs wählbare Frequenzen (33, 41, 47, 65, 82 und 110 Hz) und ist nicht nur für Trittschalldämpfung gedacht, sondern kann einem Signal auch deutlich mehr Druck verleihen, ähnlich wie man es von den alten Neve Low Cuts kennt.

Ansonsten gibt es noch die obligatorischen Schalter für Phasendrehung, 48 Volt Phantompower, D.I.- und Line-Funktion. Auf der Vorderseite ist ein 6,3 mm Klinkeneingang für den D.I.-Anschluss von E-Gitarren und Keyboards untergebracht, während für Line-Signale der XLR-Eingang des Mikrofons auf der Rückseite genutzt wird. Da der Preamp und der Equalizer fest hintereinander geschaltet sind, durchläuft ein Signal, das nur mit dem Curve Bender bearbeitet werden soll, stets auch den Preamp. Irritierenderweise ist der Mastervolume-Regler in der Equalizer-Sektion untergebracht und natürlich immer aktiv, auch wenn der Curve-Bender auf Bypass geschaltet ist.

Curve-Bender-Equalizer

Curve-Bender

Beim Equalizer handelt es sich um eine abgespeckte Variante des ebenfalls von Chandler Limited angebotenen TG12345 Curve-Benders, der auf Spulentechnik basiert. Bei dessen Neuauflage diente nicht nur der Equalizer der gleichnamigen Konsole, sondern auch ein Exemplar aus den 50er Jahren (RS57) und ein späteres TG-Modell von 1974 (TG12412) als Vorbild.

Sowohl das Höhen- als auch das Tiefenband sind in Shelving-Form ausgelegt und haben festgelegte Grenzfrequenzen: Bei dem Treble-Regler ist es 8,1 kHz und im Bassbereich 91 Hz. Die semiparametrischen Mitten besitzen fünf Einsatzfrequenzen (300, 500, 1,2, 3,6 und 6,5 kHz) und ermöglichen, wie alle drei Bänder gleichermaßen, einen Spielraum von +/-10 dB. Per Kippschalter ist es möglich, den Curve-Bender zu deaktiveren.

TG1 Opto Kompressor/Limiter

Der Kompressor des Chandler Limited TG Microphone Cassette Channelstrips ist als eigenständiges Modul implementiert. Er verfügt über einen separaten XLR-Ein- und Ausgang, so dass er losgelöst von den restlichen Komponenten nutzbar ist. Um ihn in den Kanalzug einzubinden, muss der Ausgang des Preamps/Equalizers mit dem Eingang des Kompressors via XLR-Kabel verbunden werden. Folglich kann man ihn bei einer Aufnahme nicht vor den Curve-Bender schalten, da er zwangsläufig immer das letzte Glied in der Kette bildet. Per 6,3 mm Klinkenstecker wird er mit dem Kompressor einer weiteren TG1 Microphone Cassette verbunden, um beide als Stereo-Paar zu nutzen.

TG1 Opto Kompressor/Limiter

Wie eingangs erwähnt, handelt es sich um eine weiterentwickelte Opto-Version des TG1 Kompressors, die auf unvollendeten Forschungsunterlagen der EMI beruht. Neben der Opto-Zelle zählen zu den Neuerungen die einstellbaren Attack- und Release-Zeiten, ebenso wie die wählbare Kennlinie: Zur Auswahl steht „Sharp-Knee“ für schnelle, perkussive Signale und Limiter-Anwendungen und „Rounded“ für eher langsamere Klänge mit weicherer Kompression. Zum Ausgleich des Pegelverlusts dient der Output-Regler und via Bypass wird der Kompressor deaktiviert.

Kompressor In- und Output

Die Bedienung des TG1 Opto ist äußerst speziell – wenn nicht sogar einzigartig.
Mit dem Hold-Regler muss die Nadel des VU-Meters auf einen Schwellwert eingestellt werden, zu diesem Zeitpunkt darf kein Eingangssignal anliegen. Der Bereich oberhalb der Nadel stellt den zu komprimierenden Anteil dar, der untere den unbearbeiteten, dynamischen Anteil. Das ist soweit verständlich, dennoch ist es nicht möglich, mit dem VU-Meter im Vorfeld das Eingangssignal zu messen, um überhaupt zu wissen, wo die Nadel angesetzt werden muss. Auch der Sinn der Skalierung erschließt sich nicht wirklich. Nichtsdestotrotz kann man ein Gefühl für das Schwingungsverhalten der Nadel entwickeln und während des Kompressionsvorgangs erkennen, wie hoch die Pegelreduktion in etwa ist.

Wie viel Kompression das Signal verträgt, sollten am Ende natürlich immer die Ohren entscheiden, die auf diesem Wege sehr gut geschult werden. Warum bei dem Kompressor technische Neuerungen einfließen dürfen, aber die Pegeldarstellung in so merkwürdiger historischer Form beibehalten werden muss, ist unverständlich.

Praxis

Der TG2 Preamp hat zunächst einen sehr sauberen und weichen Ton, der im Bassbereich ein bisschen schwammiger ist, zugleich aber auch ein sehr warmes Low-End besitzt. Mit dem Fine-Gain-Regler lässt sich die Sättigung des Preamps innerhalb der 5 dB Schritte des Vorverstärkers wunderbar herausarbeiten, was zu besonders schönen Ergebnissen bei Gesangsaufnahmen führt, gerade wenn einzelne Spitzen eine ganze leichte Verzerrung erhalten. In Abhängigkeit vom Mastervolume-Regler in der Equalizer-Sektion können auf die gleiche Weise auch wesentlich drastischere Resultate erzielt werden, wobei die Verzerrung stets einen sehr charmanten Vintage-Charakter behält. Der Mastervolume-Regler ist in so einem Fall abermals auch in Hinblick auf das Gain-Staging sehr wichtig.

Chandler Limited PSU-1 Netzteil

Mit dem Curve-Bender zu arbeiten, ist ein echtes Highlight, da sein Klang unglaublich weich und musikalisch ist. Besonders der Treble-Regler ermöglicht starke Anhebungen in den Höhen, die nie beißend oder scharf wirken, sondern viel mehr an einen Air-Equalizer erinnern (siehe Klangbeispiel: Vocal – EQ B). Auch bei der Aufnahme einer Akustikgitarre können schöne, silbrige Obertöne erzeugt werden.

Die Mittenregelung wirkt recht breitbandig und erlaubt ebenfalls kräftigere Frequenzbetonungen, die in den oberen Mitten schon ein bisschen harscher ausfallen können, aber trotzdem einen hübschen Vintage-Flair behalten und ein bisschen an die stark mittenbetonten Vocals der Beatles erinnern. In einem Mix kann Gesang auf diesem Wege eine enorme Durchsetzungskraft erreichen, ohne dabei penetrant zu wirken. Das Gleiche gilt für den unteren Mittenbereich. Zum Beispiel gewinnt eine Gitarrenaufnahme durch eine leichte Anhebung bei 300 Hz wesentlich mehr an Bauch und Fülle, wobei Vorsicht geboten ist, da an dieser Stelle auch schnell einen Dröhnen entstehen kann.

Bei Steigerungen der tiefen Frequenzen wird ein schöner, vollmundiger Basston erzeugt, der nicht unbedingt durch Klarheit und Definition besticht, aber enorm warm ist. Bei stärkeren Anhebung ist das Zusammenspiel mit dem Rumble-Filter des Preamps sehr spannend, da die oberen Bässe deutlich an Druck gewinnen und zusätzlich eine Überbetonung der Subfrequenzen verhindert wird. Es versteht sich von selbst, dass der Curve-Bender kein Equalizer für chirurgische Eingriffe ist, aber dafür herausragende Ergebnisse bei der Formung von Klängen liefert.

Master-Output

Wenn man die Bedienung des TG1 Opto Kompressors verinnerlicht hat und ihn dann im Einsatz hört, erkennt man auch schnell seinen Abbey Road Trademark-Sound. Er ist selten zurückhaltend und erzeugt schnell eine kräftige Kompression. Auch bei gemäßigtem Einsatz ist er klar hörbar, nicht nur wegen der Pegelreduktion, sondern auch wegen seiner starken Färbung. Diese zeichnet sich abermals durch ein hohes Maß an Wärme und Charakter aus.

Je nach Einstellung von Attack und Release können sehr runde Transienten generiert werden, so dass ein Signal äußerst durchsetzungsstark wird, aber eben nicht zu platt oder unangenehm stechend wirkt. Für solche Resultate empfiehlt sich der „Rounded“-Modus.
Der „Sharp-Knee“-Modus wurde ursprünglich als Anlehnung an den Fairchild 660 entwickelt und war in den originalen Kanalzügen die Funktion für das Limiting.

Bei dieser Einstellung reagiert der TG1 Opto wesentlich zackiger und fängt schnell an zu pumpen. Sie ist gut geeignet für Drums oder schnelle Bässe, bei Gesang oder Gitarre reagiert er oft zu hektisch. Etwas vorsichtiger muss man bei stark bassbetonten Signalen sein, da der Klang des TG1 Opto dann schnell matschig wird. Leider wurde keine Side-Chain-Funktion mit eingebaut, die ein solches Problem verhindern würde.

Chandler Limited TG Microphone Cassette

Klangbeispiele

– Neumann U87 Vintage
– Suzuki Three´s GW-15 Western-Gitarre
– Gesang: Yaa Linn
– Chandler Limited TG Microphone Cassette
– RME HDSP + Multiface
– Pro Tools (die Klangbeispiele wurden nicht weiter nachbearbeitet)

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Fazit

Der Chandler Limited TG Microphone Cassette Channelstrip ist ein ausgezeichnetes Werkzeug mit dem vollmundig analogen Sound der EMI / Abbeyroad Studios. Jede Komponente des Kanalzuges besitzt einen eigenen Charakter, eine individuelle Farbe und sorgt für subtile oder kräftige Sättigung.

Die Bedienung und der konzeptionelle Aufbau des Gerätes ist an manchen Stellen etwas eigenbrötlerisch, so dass es ein bisschen Geduld bedarf, um sich daran zu gewöhnen.
Alles in allem besticht die TG Microphone Cassette durch ihren überaus edlen Klang, den man schon auf vielen klassischen Rock-Alben gehört hat. Wie in dieser Qualitätsklasse üblich, hat das Ganze einen stolzen Preis, bei dem man natürlich auch für die Exklusivität und den Namen mitbezahlt.

Plus

  • Klang
  • Verarbeitung
  • separates Kompressor-Modul

Minus

  • zum Teil sehr eigenbrötlerische Bedienung

Preis

  • Ladenpreis: ca. 3.599,- Euro
  • Chandler Limited PSU-1 Netzteil: 299,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Danke für den Testbericht und Deine Audiobeispiele. Ist zwar „out of reach“, und nicht ganz frei von Eigenheiten, aber ein sehr feines Stück.

  2. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Ja, auch von meiner Seite, danke für den interessanten Testbericht.
    Ich stehe zwar eher auf transparente Studiotechnik, dem Klang der besagten Floyd Alben kann man sich aber einfac nicht entziehen.
    Wäre mal interessant zu wissen wie’s klingt, wenn man eine komplette Produktion nur mit den TG Channels macht. Also DAW Aufnahme, aber alles nur mit dem TG bearbeiten. Zum Schluss die Summe vielleicht nochmal übers Tonband jagen. Ob man damit wohl dem Floyd Grundsound nahe käme????

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