Auf roter See!
Es ist schon verwunderlich, wie sehr der Bekanntheitsgrad von Instrumentenherstellern Modeströmungen und Zufällen unterworfen ist. So konnte der britische Hersteller Chapman Guitars trotz durchweg guter Instrumente zu moderaten Ladenpreisen es bis jetzt nicht in den Mainstream schaffen. Warum? Keiner weiß es. Auch der gut frequentierten Facebook Page stehen nur 2 Facebook Gruppen mit gerade einmal 2.000 – 3.000 Usern weltweit gegenüber, für mich ebenfalls ein Rätsel. Bleiben die Briten nur im Verstärkermarkt eine der beiden großen Vorzeigebereiche? Immerhin versucht der Hersteller mit der Chapman Guitars ML3 Modern Red Sea einmal mehr, die Gunst der Stunde zu nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen.
Das Konzept der Chapman Guitars ML3 Modern Red Sea
Um einen Ladenpreis von 549,- Euro zu realisieren, muss der Hersteller wie auch alle Konkurrenten in diesem Preissegment auf asiatische Fertigung ausweichen. Hier hat sich in den letzten Jahren Indonesien zum Platzhirsch entwickelt und dem einstigen Gitarrenmonopolisten China zumindest in diesem Fertigungssegment den Rang abgelaufen. In welcher Fabrik Chapman Guitars seine Instrumente bauen lässt, konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen, aber mir ist in den letzten Jahren tatsächlich kein Instrument aus indonesischer Fertigung mehr untergekommen, das von der Qualität nicht deutlich über dem aufgerufenen Ladenpreis gelegen hätte. Das Instrument wird, wie in dieser Preiskategorie üblich, leider nur in einem Pappkarton mit EPS-Hartschaum Formelementen geliefert, das heißt, es ist beim Kauf auf jeden Fall ein hochwertiges Gigbag oder ein Koffer mit in die finanzielle Planung mit einzuschließen.
Dies sollte sich nicht allzu schwer gestalten, da Chapman Guitars mit der ML3 Serie auf eine Art „Powertele“ setzt, deren Korpusform im Gegensatz zu ausufernden Formen von Explorer oder Flying V und ihren Adaptionen keinerlei Probleme bereiten sollte. Was sich jedoch leicht irritierend gestaltete, war die Wahrnehmung der regulären langen Mensur von 648 mm. Ich hätte schwören können, dass es sich um eine extralange Mensur gehandelt hätte, so sehr verlängert der Reversed Headstock in Kombination mit dem hohen Stegansatz den Eindruck. Erst das Nachmessen überzeugte mich endgültig.
Hölzer, Hardware und Elektrik
Im Bereich Holzkonstruktion treffen wir ausnahmslos alte Bekannte, die sich jedoch weit von der ersten Serien E-Gitarre der Welt distanzieren. Mit einer Tele hat die Chapman Guitars ML3 Modern Red Sea lediglich die Korpusform und die Mensurlänge gemein, alles andere konnte kaum diametraler ausgelegt sein. Zwar verfügt die Chapman Guitars ML3 Modern Red Sea auch über einen geschraubten, einteiligen Ahornhals, dessen Halstasche am Korpus leicht verrundet ausgeführt wurde, ein Korpus aus Mahagoni nebst eines Griffbretts aus Ebenholz sind bei einer klassischen Tele im Normalfall nicht anzutreffen. Um den Spielkomfort im Allgemeinen zu erhöhen, wurde dem Instrument ebenfalls das Rippen-Shaping auf der Rückseite des Korpus zuteil.
Das Instrument verfügt über 24 Bünde, die als Jumbo-Frets ausgeführt wurden und ist dadurch gezwungen, den Halstonabnehmer etwas aus dem schwingungstechnisch beliebten Bereich unterhalb des 24. Bundes nach hinten zu versetzen. Vielen wird dies klanglich wahrscheinlich gar nicht auffallen, aber im direkten Vergleich ziehe ich die klassische Pickup-Positionierung vor. Die Griffbrett-Markierungen sind sehr zurückhaltend und beinhalten lediglich einfache Dot-Inlays auf dem Griffbrett an sich zzgl. der Halsseite und ein Infinity Zeichen im 12. Bund. Der Hals verwendet ein angenehmes C-Shaping, das dem Großteil zusagen dürfte.
Dass es Chapman Guitars sehr wichtig ist, den Spielkomfort bis hinauf in die höchsten Lagen zu optimieren, sieht man auch an dem Shaping im Cutaway des Instruments, das als „Spoon Cut“ bezeichnet wird. In der Tat bewirkt der vergleichsweise kleine Einschnitt einen deutlich höheren Spielkomfort in den letzten 3 Lagen und ist dennoch so subtil ausgeführt, dass das Schwingungsverhalten des Instruments nicht darunter leidet. Trotz des moderaten Ladenpreises verfügt das Instrument über ein mittelhelles Binding, das dem Instrument eine deutlich „holzigere“ Optik verleiht. Es handelt sich allerdings nicht um das klassische Fake-Binding einer entsprechenden Ahorndecke, die hier nur aus optischen Gründen als Furnier aufgeleimt wurde. Das würde sich zu diesem Ladenpreis nicht umsetzen lassen.
Mit etwas Fantasie kann man tatsächlich in der Maserung des Riegelahornfurniers nebst seiner sehr sauber hervor gehobenen Beizung die Wellen eines Sees hinein interpretieren, von daher hat das Instrument einen netten Bezug zum Modellnamen. Inwieweit einem das Finish gefällt, möge jeder für sich selber entscheiden.
Die gesamte Hardware wie auch die Rückenlackierung des Instruments wurde in Schwarz ausgeführt, wobei Chapman Guitars mit hauseigenen Tunern in der 18:1 Übersetzung arbeitet und bei der Bridge mit der Strings-Through-Body-Variante wieder einen Hauch in Richtung Tele schielt. Viele Kollegen schreiben dieser Brückenkonstruktion einen nicht zu unterschätzenden Anteil am legendären „Twang“-Sound zu, ohne dass man es physikalisch wirklich untermauern könnte. Ich muss allerdings gestehen, dass auch in meinem Portfolio alle Twang-lastigen Instrumente diese Brückenkonstruktion aufweisen.
In Sachen Pickups setzt Chapman Guitars erneut auf eine hauseigene Entwicklung, die den Namen „Chapman Sonorous Zero“ tragen und mit einem 3-Way-Blade-Switch geschaltet werden. Die Pickups haben Keramik-Magnete und bieten mit 10,5 kOhm (Neck) und 12,5 kOhm (Bridge) einen leicht erhöhten Gleichstromwiderstand. Um die Klangvielfalt zu erhöhen, kann man mittels eines Push-Pull-Potis im Tone-Bereich die Spulen anzapfen und im Singlecoil-Modus betreiben.
Die Chapman Guitars ML3 Modern in der Praxis
Ich habe es schon oft geschrieben, aber es ist schon sehr auffallend, was für eine vergleichsweise hohe Qualität bezogen auf den Ladenpreis heutzutage aus Indonesien kommt. Die Chapman Guitars ML3 Modern macht in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Schon im unverstärkten Zustand zeigt das Instrument ein sehr gutes Schwingungsverhalten, das trotz eines geschraubten Halses ein ungewöhnlich langes Sustain an den Tag legt. Auch der oben genannte Twang-Faktor ist mit ein wenig Fantasie wahrnehmbar und hinterlässt einen sehr guten ersten Eindruck. Die gesamte Verarbeitung ist tadellos, nicht eine unsaubere Stelle bzgl. der Lackierung, nicht eine unsaubere Abrichtung bei den Bünden oder ähnlichem. Selbst die Werkseinstellung bzgl. der Saitenlage besticht durch optimale Justierung, ein Punkt, den man früher nicht einmal ansatzweise bei preiswerten Instrumenten erwarten konnte.
Angeschlossen an den Verstärker übernehmen die hauseigenen Pickups die Führung und fallen in der Humbucker-Stellung umgehend unter anderem aufgrund der Keramik-Magneten durch eine starke Hochmitten-Präsenz auf. Glücklicherweise „kratzen“ die Pickups aber nicht, sondern bleiben in ihrem Peak im Mittenbereich verhaftet, was dem Ton zu einem dezent näselnden Sound mit hoher Durchsetzungskraft verhilft. Die Ausgangsleistung des Bridge-Pickups lässt echte High-Gain-Attacken zu und schafft es dennoch aufgrund der passiven Bauweise, dem Instrument einen typischen Charakter zu verpassen, wie sie auch andere Instrumente aus dem Chapman Guitars Portfolio innehaben.
Der Hals-Pickup steht der klanglichen Ausbeute ebenfalls in nichts nach und bietet einen guten, warmen Grundklang, der insbesondere im cleanen und leicht angecrunchten Bereich zu überzeugen weiß, wenngleich ihm meiner Meinung nach das letzte Quäntchen Charakter aufgrund der versetzten Position sowohl im Solobetrieb, als auch in der Parallelanordnung mit dem Bridge Pickup zu fehlen scheint. Das ist aber rein subjektiv zu betrachten.
Während der Humbucker-Betrieb der Chapman Guitars ML3 Modern zweifelsohne als sehr gut zu bezeichnen ist, verliert das Instrument im Singlecoil leider massiv, sowohl an Lautstärke als auch an Klangqualität. Natürlich wird niemand von einem gesplitteten Humbucker das Klangvolumen eines rein auf Singlecoil-Betrieb optimierten Pickups erwarten, aber dieser einspulige Betrieb stellt leider keinerlei Mehrwert für das Instrument dar. Der Klang ist leider sehr dünn, beißend und ohne jede Durchsetzungskraft, von daher hätte ich als Hersteller im Vorhinein auf diese Option ganz verzichtet. Nun denn, wer den Sound nicht mag, muss ihn ja nicht nutzen.
Als Fazit bleibt auf jeden Fall ein gutes Instrument mit einem vorzüglichen Preis-Leistungs-Verhältnis, das als ungewöhnliche Powertele-Adaption hier und da für interessierte Blicke sorgen dürfte.
Die Klangbeispiele wurden mit einem ENGL Savage MKII, einer Marshall 412 mit Celestion G75T und 2 Stck. SM57 aufgenommen.