Klangparadies in Pedalformat
Das Chase Bliss Onward ist ein Glitch- und Ambient-Effektpedal der ganz besonderen Art. Auf der diesjährigen Superbooth wurde es erstmals vorgestellt und die Idee und Sounds haben mich sofort angesprochen.
Inhaltsverzeichnis
Das Onward wurde zusammen mit Tom Majeski entwickelt, der zuvor Effekte unter der Marke Cooper FX entwickelte und nun seit einiger Zeit zum Chase Bliss-Team gehört. Das Onward ist das Kind dieser Kooperation und basiert in groben Zügen auf dem Cooper FX Outward.
Gehäuse, Potis und Schalter des Chase Bliss Onward
Das Gehäuse des Onward hat das kompakte Format, das wir von Chase Bliss-Pedalen bereits kennen und passt mit den Maßen 12 x 6,1 x 5,8 cm (L x B x H) auf jedes Pedalboard. Die graubraune Lackierung ist mit einer Grafik verziert, die an das Design des Outward erinnert und in meinen Augen elegant und gut gelungen ist.
Zwei klickfreie Fußtaster aktivieren die beiden Effekte „Glitch“ und „Freeze“. Darüber hinaus können sie auch noch ein paar zusätzliche Aufgaben übernehmen, auf die später noch genauer eingehen werde. Das Chase Bliss Onward hat einen analogen Dry-Thru-Signalweg und wahlweise einen True-Bypass oder einen Buffered-Bypass. Der Status wird von einer hellen LED im Reflektorgehäuse angezeigt. Ein kleiner Dreifach-Kippschalter bietet einen direkten Zugriff auf Presets. Alle Taster, Potis und Schalter sind sehr robust und fest mit dem Gehäuse verschraubt.
Sämtliche Bedienelemente sind in der oberen Hälfte des Pedals angeordnet und der Fuß hat daher ausreichend Platz, um auf die Taster zu treten, ohne Potis zu treffen. Die Potis haben einen Metallschaft und die Potiknöpfe aus matt-grau lackiertem Metall bieten mit ihrer Riffelung und der weißen Markierung eine sehr gute Bedienbarkeit. Sie sind mit dem Poti fest verschraubt.
Die sechs Potis regeln Size, Mix, Octave, Error, Sustain und Texture. In der sekundären Funktion lassen sich Sensitivity, Balance (Ramp), Duck Depth und ein User-Setting für das Sustain einstellen. Die genauere Funktion der einzelnen Potis erkläre ich im Praxisteil.
Drei Dreifach-Kippschalter bieten unterschiedliche Modulationseinstellungen. Der linke Schalter bietet drei Typen der Error-Modulation an, der mittlere verändert das Verhalten des Sustains und der rechte aktiviert zwei Modulationen.
Die Anschlüsse des Chase Bliss Onward befinden sich an den Seiten des Pedals. Alle 6,3 mm Klinkenbuchsen sind im Amp-Style ausgeführt und fest verschraubt. Rechts befindet sich der Input, der auch als Stereo-Eingang genutzt werden kann, sowie ein Exp/CV-Anschluss, der den Anschluss von Expression-Pedal oder Control-Voltage ermöglicht. Eine 9 V DC Buchse dient der Stromversorgung. Das Effektgerät benötigt mindestens 200 mA, ein Batteriebetrieb ist nicht möglich.
Auf der gegenüberliegen Seite befinden sich dementsprechend der Mono- oder Stereo-Ausgang in Form einer TRS-Buchse und ein MIDI-Glitch-Anschluss. Hier kann entweder ein externer Fußtaster angeschlossen oder ein MIDI-Signal eingespeist werden, mit dem man auch sämtliche versteckten Features und DIP-Switch-Funktionen schalten kann. Eine USB-Buchse ist für Firmware-Updates vorgesehen.
Die Dip-Switches des Onward
An der Stirnseite sind die 16 DIP-Switches, also kleine Schiebeschalter, angebracht, für die Chase Bliss bekannt ist. Hiermit können die unterschiedlichen Modulationsmöglichkeiten für sämtliche Parameter, entweder via Ramping oder per LFO aktiviert werden. Dafür sind die 8 Schalter der Control-Sektion zuständig. In der Customize-Sektion sind weitere 8 Schalter, welche die Bedienung und Funktion des Onward verändern. Das MISO aktiviert beispielsweise eine „Mono in, Stereo out“-Funktion, Spread verbreitetert das Stereospektrum, Latch ändert die Funktion der Fußtaster zu einem Momentary-Schalter und Sidechain ändert die Lautstärke des Freeze-Effekts, wenn der Glitch-Effekt einsetzt. Duck fügt einen Ducking-Effekt zu beiden Effekten hinzu, wenn weitere Töne gespielt werden, während Reverse die Abspielrichtung der Glitches umdreht, und ½ Speed die Abspielzeit der Glitches verdoppelt. Gleichzeitig reduziert es die Audioqualität und sorgt so für einen LoFi-Charakter. Nicht zuletzt lässt sich dann über Manual auch noch das Sample-Verhalten des Pedals verändern. Es werden dann neue Audiosamples generiert, wenn die Fußtaster gehalten werden, um etwas mehr Kontrolle oder einen bestimmten Effekt damit zu erzielen. Also hier kann ganz schön viel aus dem Pedal herausgeholt werden.
Das Chase Bliss Onward wird in einem schicken Pappkarton geliefert und ein Aufkleber liegt bei. Außerdem bekommt man noch den Field-Guide, ein schickes, kleines Heftchen, das wahrlich mehr ist, als eine Gebrauchsanleitung. Hier wird das Pedal sehr schön beschrieben und man erhält erste Ideen und Vorschläge für den Einstieg in die Nutzung. Es lohnt sich, diesen Guide mal in Ruhe durchzulesen. Er endet mit einem „you’re ready, you know everything. Go forward and see what you find.”
Das Chase Bliss Onward in der Praxis
Das kompakte Chase Bliss Onward bietet gleich zwei Effekte: einen Freeze-Effekt für flächige Sounds und einen Glitch-Effekt für Stutter-Effekte. Beide laufen parallel, können aber auch separat oder gleichzeitig gespielt werden. Für die Sounds habe ich meine Fender Telecaster mit Vovox-Kabeln in einen DSM & Humboldt Simplifier in das Audiointerface gespielt.
Der Freeze-Effekt
Die Effekte des Onward basieren auf dem Sampling kurzer Audiosequenzen. Der Freeze-Effekt erzeugt daraus einen Klangteppich, der das Signal förmlich einfriert. Mit dem Mix-Poti kann das Mischverhältnis zwischen originalem Signal und Effektsignal eingestellt werden. Wer gänzlich dahinschweben möchte, kann das Mix-Poti vollkommen aufdrehen, um nur den Effekt zu hören. Je nachdem, wie man die Sustain-Einstellung wählt, sind dann schöne Swell-Effekte zu hören.
Mit dem Size-Poti wird die Sample-Länge eingestellt. Dies hat auch Auswirkungen auf den Freeze-Effekt, da die Zeit des Anschwellens und Ausklingens verändert wird. Das Chase Bliss Onward erfasst den Sound sehr gut und die eingefrorenen Sounds fließen wunderbar rund aus den Boxen heraus. Eventuell muss man natürlich sein Spiel etwas anpassen, da schnelle Rock-Riffs sicherlich nicht optimal für ein dermaßen gechilltes Effektpedal sind. Möchte man über den Freeze-Sound spielen, kann man einfach den Freeze-Taster gedrückt halten. Dann werden die eingehenden Audiosignale durchgelassen, bis man den Taster wieder loslässt.
Der Spielstil verändert den Freeze-Effekt. Da das Sampling automatisch von dem neuen Audiosignal getriggert wird, lässt sich die Art des Effekts auch sehr gut mit der Spieldynamik steuern. Mit langsamem Spiel und sanftem Anschlag wird der Sound flächiger, schnelles Spielen mit viel Attack kann den Effekt abgehackt klingen lassen.
Mit dem Sustain-Poti kann die Freeze-Länge verändert werden. Schaltet man den Kippschalter auf schnelle Zeiten für Attack und Release und dreht das Sustain-Poti weiter zu, werden logischerweise kürzere Segmente erzeugt. Insbesondere mit einem Kill-Dry-Sound klingt das sehr gut. Es kann natürlich auch ein endloses Sustain erzeugt werden. Von kurzen Echos bis und verrückten Klangschnipseln bis zu langen Synthesizer ähnlichen Sounds ist das Klangspektrum enorm. Die Mittelstellung des Kippschalters wählt eine Nutzereinstellung, die in den versteckten Funktionen eingestellt werden kann.
Möchte man noch etwas Bewegung in den Sound bringen oder dem Signal etwas mehr Charakter verleihen, stehen noch viele Modulationsmöglichkeiten zur Wahl. Mit dem Texture-Poti, das in der 12 Uhr-Stellung seine neutrale Position hat, können digitale Bitcrushing-Effekte hinzugefügt werden, wenn man das Poti nach links dreht oder eine analogere Verzerrung, wenn man es nach rechts dreht.
Das Octave-Poti blendet, nach rechts gedreht, die obere Oktave hinzu, bis nur noch die Oktave zu hören ist. Damit bekommt der Effekt mehr Luft. Nach links gedreht, wird die tiefere Oktave hinzugefügt, das erzeugt richtig wuchtige Sounds.
Mit dem Animate-Schalter können noch langsame Chorus-Effekte oder ein Vibrato hinzugefügt werden. Die Geschwindigkeit des Vibratos wird mit dem Size-Poti eingestellt. So bekommt man etwas mehr Bewegung in das Signal.
Das Error-Poti fügt dem Ganzen noch etwas Glitch hinzu. Als Error-Type können drei Optionen per Kippschalter gewählt werden. Eine verändert die Sample-Größe, eine weitere schaltet das Effektsignal hin und wieder stumm oder ändert die Sample-Rate und die Letzte verändert die Abspielrichtung und Geschwindigkeit der Samples, um interessante Pitch-Effekte hinzuzufügen. Je weiter man das Error-Poti aufdreht, umso intensiver und häufiger werden die „Fehler“ erzeugt. Per versteckter Funktion können übrigens die unterschiedlichen Typen auch gleichzeitig genutzt werden. Die Art der Fehlfunktionen hängt übrigens auch von der Einstellung des Size-Potis ab.
Hat man die Stereo-Spread-Funktion aktiviert, werden die Errors unterschiedlich im Stereopanorama verteilt. Damit kommt reichlich Bewegung in den Sound.
Der Glitch-Effekt des Chase Bliss Onward
Der linke Fußtaster aktiviert den Glitch-Effekt, der dann natürlich ebenfalls automatisch getriggert wird, es sei denn, man hält den Fußtaster gedrückt. Je nach Size-Einstellung sind hier ganz kurze Stutter-Effekte oder langsame Rechteck-Tremolo-Effekte möglich. Aktiviert man die Half-Speed-Option, werden diese noch langsamer. Über das Sustain-Poti könnte man exakt die Anzahl der Wiederholungen einstellen.
Da alle Potis beide Effekte beeinflussen interagieren beide Effekte auch immer sehr gut miteinander. Man kann einen Akkord per Freeze festhalten und dann unterschiedliche Glitches darüber spielen. Oder man wählt langsame Glitch-Effekte, hält diese und blendet unterschiedliche Freeze-Teppiche darüber. Man findet immer wieder neue Sounds und jede Änderung der Potistellung erweitert und verändert den Sound aufs Neue.
Auch für den Glitch-Effekt sind in der Gebrauchsanleitung tolle Beispiele abgedruckt, die einen tollen Einblick in die Möglichkeiten geben.
Für ganz Mutige sind dann ja noch die DIP-Switches vorhanden, mit denen die Potis moduliert werden können. So könnte man beispielsweise die Sample-Size per LFO steuern oder mal mehr oder mal weniger Verzerrung hinzufügen. Interessant ist es auch, wenn das Sustain moduliert wird, da dann mal längere und mal kürzere Freeze-Effekte erzeugt werden.
Die versteckten Funktionen des Chase Bliss Onward
Wer das Pedal noch weiter an seine Vorstellungen anpassen möchte, muss nur beide Fußtaster gleichzeitig drücken, bis die LEDs grün leuchten. Hier kann dann die Sensitivity, also die Empfindlichkeit des Triggers an das eigene Gitarrenspiel oder die Pickups angepasst werden. Darüber hinaus lässt sich die Lautstärke der beiden Effekte zueinander abstimmen, das Verhalten des Duck- und Sidechain-Effekts anpassen, und das Nutzer-Preset für das Sustain regeln. Mit den Kippschaltern kann der Einfluss von Error, Sustain, Modulation, Texture und Octave auch nur einem Effekt zugeordnet werden. So kann beispielsweise das Freeze-Signal unbeeinflusst bleiben, während der Glitch-Effekt verzerrt und mit dem Error-Poti zerlegt wird. Eine wirklich tolle Idee.
Hier findet man auch eine EQ-Funktion. Insbesondere mit einer hinzugefügten höheren Oktave gefällt es mir sehr gut, wenn man mit dem internen EQ die Höhen etwas herausnimmt. Oder man kann mit dem EQ das Effektsignal etwas ausdünnen, damit etwas mehr Platz für den cleanen Sound ist. Ein sehr nützliches Feature.
Um alle versteckten Funktionen rückgängig zu machen, kann der Preset-Schalter dreimal hin und her geschaltet werden. Schon ist alles wieder in seiner Ausgangsstellung.
Tap-Tempo
Wer die Effekte an die Song-Geschwindigkeit anpassen möchte, aktiviert mit zweimaligem Drücken beider Taster die Tap-Tempo-Funktion. Alternativ kann das Pedal natürlich auch per MIDI synchronisiert werden. Das Size-Poti dient in diesem Fall der Anwahl der Subdivisions.
Kill-Dry und Trails lassen sich ebenfalls aktivieren. In bekannter Chase Bliss-Manier sind ein Live-Setting und zwei Presets direkt anwählbar. Weitere können per MIDI angesteuert werden.
Ich kann dem Autor nur beipflichten. Chase Bliss hat einen tollen Job gemacht. Wie immer eigentlich. Onward ist mittlerweile mein viertes Chase Bliss Pedal und hängt bei mir an diversen elektronischen Klangerzeugern. Es macht verdammt viel Spaß sich auf die Abenteuerreise zu begeben. Besonders im Verbund mit Mood MK2 und Habit kommen sehr verrückte Sounds aus meinem Mischpult.
Nach dem Test habe ich riesige Lust auf dieses Pedal bekommen! Ich stelle mir das im Ambient-Kontext großartig vor.
Aber 470 Euro wollen erst einmal erspart werden…