Effekte
Auf der rechten Seite der Bedienoberfläche befindet sich die komplette Effekteinheit des Electro 4D. Neben dem globalen 3-Band-Equalizer mit durchstimmbaren Mitten gibt es die vier Sektionen Effect 1/2, Delay, Compressor/Amp und Reverb, die verschiedene Presets ihrer jeweiligen Kategorie beinhalten, darunter auch sehr viele Stereoeffekte, die drei Amp-Typen Small, JC und Twin sowie sehr interessante Delay-Presets. Die Qualität der gesamten Sektion ist sehr gut und lässt keine Wünsche offen. Für den richtigen Sound der Orgel hat Clavia seinem Electro 4D die von der C2D bekannte 122er Rotary Simulation samt neuem Overdrive spendiert. Ebenfalls erste Klasse, denn hiermit lässt sich von leichtem Dreck bis hin zur totalen Verzerrung alles realisieren, ohne dass es künstlich oder billig klingt. Der Rotary Effekt bietet dazu mit Normal und Close zwei verschiedene Mikrofonpositionen.
Praxis
Noch ein kurzes Statement zum Praxiseinsatz des Electro 4D. So schön die Neuerungen des aktuellen Modells sind, so schmerzlich vermisse ich weiterhin die Möglichkeit, Splits oder Layer zu kreieren. Dies basiert auf der Restriktion, dass man nur jeweils eine Sektion von Piano, E-Piano und Orgel aktivieren kann. Beispielsweise sind ganz simple Layer mit Piano und Streichern oder Splits mit Orgel und E-Piano einfach nicht machbar. Das mag beim Einsatz im Studio zu verschmerzen sein, aber live sind solche Kombis nahezu unabdingbar.
Dafür wird es die Live-Keyboarder freuen, dass der vom Electro 3 bereits bekannte Live Memory auch in der vierten Generation wieder an Bord ist. Insgesamt 128 Speicherplätze hat der 4D an Bord und durch das automatische Speichern aller wichtigen Einstellungen können live getätigte Änderungen direkt für die Zukunft festgehalten werden.
„Aber die Konkurrenz schläft nicht und Korg hat mit dem Kronos (X) bewiesen, dass es ebenfalls sehr gute Konzepte für Studio und Live-Einsatz anbieten kann.“
…ein wenig gewagt, Electro 4D mit einem Kronos zu vergleichen ?!
Zu den E-Piano Sounds: Das „dickste“ Rhodes, was man sich von der Clavia-Website herunterladen kann, hat gerade Mal knapp 16MB, das Wurlitzer gerade mal 6MB!. Das Rhodes ist noch ganz brauchbar, das Wurli allerdings kaum. Diese Sounds fallen gegenüber den hervorragenden Orgel-, Piano- und Clavinet-Sounds deutlich ab. Ich verstehe nicht, dass Clavia nicht aufwändiger gesampelte Rhodes- und Wurli-Sounds zur Verfügung stellt. Ich würde den 180MB Flügelsound ohne weiteres opfern für ein paar vernünftige Rhodes- und Wurli-Samples.
@moogist Das Problem bei Rhodes und Wurlitzer ist, dass diese Sounds durch die jahrelangen schlecht synthetisierten oder gesampleten Versionen in DX7, SY77, Motif & Co stark verwässert und durch die zahlreichen Produktionen der 80er und 90er, auf denen sie zu hören sind, sich ins Gedächtnis der Hörer und Musiker gebrannt haben. Ich persönlich finde diese Sounds bei Clavia sehr authentisch, muss aber auch sagen, dass ich immer wieder den „schlechteren“ Simulationen erliege, weil man sich so daran gewöhnt hat.
Clavia erleiden wohl gerade ein Innovations-Erschöpfungs-Syndrom und muß aufpassen. Noch mal so einen Produktzyklus hintendran hängen wird nicht mehr ziehen.
Heute geht es ganz schnell, und man wird vom Highflyer zum Auslaufmodell.
Das wäre echt schade, aber ewig kann man nicht mehr auf der alten Basis rumreiten.
Marketing-technisch fällt es jedenfalls schwer, neues Futter zu finden. Aufgeführte Argumente / Produkteigenschaften sind momentan überwiegend nicht DIE neuen Top-Punkte, die der Markt wissen will.
Die Main-Unit ist auf jeden Fall EOL und die Fähigkeit, erfolgreiche Produkteigenschaften in eine neue Basis zu überführen und gleichzeitig aktuelle Bedürfnisse und Trends zu befriedigen, scheint abhanden gekommen zu sein.
Bei DDRUM hat man schonmal versagt.
@vssmnn Ich finde das zu drastisch formuliert.
Clavia macht es genau so wie die Hersteller aktueller Analog-Synths: man konzentriert sich auf das Wesentliche und spricht damit eine ganz bestimmte Zielgruppe an. Clavia bewirbt die Produkte nicht als Workstation. Der Electro soll das nicht sein und will es auch nicht sein. Der Electro wird als Ersatz beworben für EIN Vintage Instrument und genau deshalb kann er immer nur eines sein. Ein Fender Rhodes ist auch ein Fender Rhodes und kein Klavier, keine Orgel, kein Synth. Der Electro soll die Leute ansprechen, die sonst das Original spielen würden und Wert auf größtmögliche Authentizität legen – nicht auf Workstation Features. Wer das möchte, muss zu Fantom, Motif & Co greifen. Zusätzliche Features wie Splits oder Layer würden das Konzept schon wieder verwässern und die Tester würden sich fragen, warum denn nicht mehr Sounds oder ein Sequencer oder Arpeggiator mit an Bord sind usw. Aus diesem Grund müsste eigentlich der oben stehende Testbericht auch noch einmal überarbeitet werden, denn hier werden Äpfel mit Birnen verglichen und Features gewünscht, die überhaupt nicht ins Konzept passen.
Ich habe kürzlich Bruce Springsteen mit seiner E Street Band gesehen. Dort spielt seit dem Tod von Danny Federici Charles Giordano die Orgel. Auf der Hammond B3 steht ein Motif und daneben ein Nord Electro 3. Der Electro 3 ersetzt die Vintage Orgeln, die früher mal zusätzlich zur Hammond B3 zum Einsatz kamen (z. B. alte Viscount und Farfisa Modelle für Songs wie Glory Days). Springsteen hat früher diverse Vintage Geräte mit auf Tour genommen, die die Roadies dann extra für die betreffenden Songs auf die Bühne gestellt haben und später wieder weg geräumt. An dieser Stelle steht nun der Nord Electro 3, der diesen Job übernimmt – und das ganz hervorragend. Ich habe jedenfalls bei den betreffenden Songs als langjähriger Springsteen Fan keinen Unterschied bemerkt. Andere ersetzen das Rhodes durch den Electro oder die B3 durch eine Nord C2. Hier hat sich Clavia spezialisiert und macht das ganz hervorragend. D. h. hier muss verglichen werden, nicht mit Kronos oder Fantom oder Motif, die als Workstation und Allrounder ein anderes Ziel verfolgen.
@Markus Galla Prinzipiell gebe ich Dir Recht, Amaros. Clavia Instrumente verfolgten stets ein klar definiertes Ziel und waren somit eine willkommene Abwechslung zu all den ach so tollen Wunderkisten mit ihren tausend Klängen, dutzenden Sequenzerspuren, 37 Effektwegen und kiloschweren Handbüchern.
Bei Clavia galt hingegen das Motto „Keep it simple“, was offensichtlich viele Musiker überzeugte. Auch wenn es ja theoretisch sehr spannend ist, alle Möglichkeiten der aktuellen (japanischen) Workstations auszuschöpfen, gibt es viele Musiker, die damit nicht viel anfangen können, weil sie einfach spielen wollen und keine Handbücher wälzen. Im Bandalltag reichen ja oft eine Handvoll Sounds aus, jedoch bitte sehr in der bestmöglichen Qualität. Und genau das konnte Clavia über lange Zeit bieten. Spiele selbst ein Stage 1 und bin sehr überzeugt. Fragt sich nur, wie lange noch.
Die Zeiten ändern sich leider, und was vor ein paar Jahren noch State of the Art war, ist heute veraltet. Clavias Piano- und Rhodesklänge galten lange Zeit als einige der besten, wenn nicht als die besten Samples überhaupt. Heute würde ich das nicht mehr unterschreiben, was u.a. auch mit dem mickrigen Samplespeicher der Clavia Instrumente zusammenhängt. Gerade mal 185 MB stehen beim Nord Electro 4D zur Verfügung, beim Schwestermodell 4HD sind’s immerhin das Doppelte, aber eigentlich immernoch viel zu wenig.
Bin ja kein Experte in Sachen Sampletechnik, doch eines sollte klar sein: die Klangqualität hängt u.a. auch vom Speicher ab. Wieso geht Clavia so geizig damit um? Weshalb bauen sie kein Instrument mit sagen wir mal 50 GB Flashspeicher und bieten die passenden Samples auf ihrer Homepage an?
Aktuelle Software wie Ivory, The Grand und wie sie alle heissen, arbeiten mit viel größeren Samples und spielen (rein klanglich betrachtet) die Nord Instrumente locker an die Wand. Und da Rechner immer günstiger werden, wird man sie je länger je öfter auf Bühnen sehen.
Die Leute von Clavia scheinen v.a. ihr hervorragendes Erbe zu verwalten, Innovationen sehen anders aus. Hoffen wir, dass sie bald aus ihrem Dornröschenschlaf aufwachen und uns bald wieder ein Instrument vorstellen, das alles andere klanglich in den Schatten stellt.
Kleine Anmerkung noch zum Test:
Den Nord Electro gibt es nicht mit 88 Tasten!
@Markus Galla Ach, wärst Du nur Drummer und hättest den Niedergang von Clavias DDRUM mit erlebt, dann würdest du mich sofort verstehen :-)
Auch die DDRUMs standen auf den Bühnen der Welt als State of the Art E-Drum.
Hier hat Clavia es leider nicht geschafft, ein bewährtes Gerätekonzept in die neue Zeit zu überführen. Roland kam mit seinem (für mich eigentlich immer noch „schlechteren“) VDrum, hat ordentliches Marketing gemacht, und weg war Clavia. Auch bei DDRUM spielte das Thema Spielttrieb, Features, Samples und Konnektivität eine nicht unerhebliche Rolle und deswegen mache ich mir halt Gedanken.
Der Klang ist in dieser Liga nicht unbedingt das Hauptthema, wenn es um Marktanteile geht.