Geschmackvoller Burgunder
Burgunder liegt in Fässern aus edlem Holz, hat eine ansprechende, tiefrote Farbe und kann einem das Leben verschönern. Viele Gemeinsamkeiten also mit dem mir zur Verfügung gestellten Testinstrument. Nur Saiten hat der Wein keine. Dafür macht die Cort G 300 Pro keinen dicken Kopf, wenn man sie im Übermaß genießt. Im direkten Vergleich klingt die Gitarre aber genauso geschmackvoll aus und bietet lange Abgänge und facettenreichen Tiefgang. Aber genug der Vergleiche, ich mache mir einen Kaffee und erzähle euch was über die Cort G 300 Pro.
Die Cort G 300 Pro – Facts & Features
Angenehme 3,4 kg wiegt die aus Ahorn und Linde gefräste Lady im modifizierten Strat-Design. Bei einem Straßenpreis von 745 € macht das etwa 22 Cent pro Gramm. Das ist jetzt erstmal noch kein Qualitätsmerkmal, sondern lediglich der versteckte Hinweis, dass ich des Dreisatzes mächtig bin. Der Korpus besteht also größtenteils aus Linde und verfügt über eine 6mm starke Decke aus Ahorn, die aufgrund der deckenden Lackierung nur durch das den Korpus umlaufende Fake-Binding erkennbar ist. Die Lackierung in Vivid Burgundy hat ein durchweg hohes Niveau und bietet keinen Anlass zur Kritik. Das Shaping des Bodies ist nicht sonderlich ausgeprägt, aber bequem genug, dass keine störenden Ecken oder Kanten in die Rippen oder den Unterarm drücken. Der Hals aus geröstetem Ahorn ist eingeschraubt, der Übergang vom Korpus zum Hals ist etwas abgeflacht, so dass alle 24 Bünde auf dem ebenfalls aus Ahorn gefertigten Griffbretts gut erreichbar sind. Der Hals selbst ist kein Kollege aus der Formel-1-Style Highspeed-Fraktion, sondern liegt satt in der Hand, der Compound-Radius des Griffbrettes, der von 12″ am ersten Bund zu 16″ am Übergang zum Korpus moduliert, macht aber direkt in allen Lagen ein „modernes“ Gefühl, soviel sei schon mal verraten. Die Kopfplatte trägt Locking Tuner aus eigenem Hause, die E- und die B-Saite werden von einem Stringtree zusätzlich sanft in die Kerben des schmalen GraphTech Black Tusq Sattels gedrückt. Die 24 Jumbo Bünde sind aus Edelstahl, die Trussrod ist über eine Aussparung im Griffbrett korpusseitig zu erreichen und lässt eine Justierung der Halskrümmung in beide Richtungen zu. Die Side Dots lumineszieren dezent, was eine Orientierung auf dunklen Bühnen durchaus erleichtern kann.
Am hinteren Ende der Saiten setzt ein Vibratosystem aus Edelstahl dem Saitenzug die nötige Federkraft entgegen; das CFA-III Tram aus eigener Produktion wird von zwei Federn in Waage gehalten und lässt nach oben eine Tonmodulation von bis zu 4 Halbtönen (auf der G-Saite) zu. Nach unten vibriert es bis zum Erschlaffen der Basssaiten, wobei dann schon mal die tiefe E-Saite aus dem Sattel rutschen kann. Divebombs sind also möglich, sollten aber mit Vorsicht eingesetzt werden. Das Vibratosystem arbeitet butterweich und im Verlauf des Tests nahezu verstimmungsfrei. Die Werkssaiten waren, wie so oft, leider nicht ausreichend überdehnt, so dass zunächst übelste Verstimmungen die Folge der ersten Benutzung waren. Das ist schade; gerade Anfänger, die sich auch in diesen Preisregionen umschauen werden, könnte das wirklich abschrecken. Nach kräftiger Dehnung war dann aber alles im Lot, selbst intensiver Einsatz des Vibratos führt nicht zu ernsthaften Verstimmungen.
Die Elektrik der Cort G 300 Pro E-Gitarre
Die beiden vom Werk verbauten Schwingungswandler der Cort G 300 Pro stammen aus dem Hause Seymour Duncan und gehören zur Gattung der Humbucker mit den Bezeichnungen SH2N (Hals) und TB4 (Steg). Verwaltet werden die beiden von einem 5-Weg Schalter, der zusätzlich zu den drei klassischen Schaltpositionen noch jeweils die gesplitteten Humbucker in zwei unterschiedlichen Kombinationen anbietet. Das Schaltbild gibt eine gute Übersicht, was da im einzelnen passiert. Ob das eine sinnvolle Schaltung ist, wird sich im Praxistest zeigen. Ich persönlich hätte mich über einen Coilsplit ausschließlich des Halspickups in der vorderen Zwischenposition gefreut, mit der vorliegenden Schaltung erhalte ich dagegen zwei ähnliche Kombinationen der Kategorie Telecaster-Krabang-Krabang. Ein generelles Volume- und ein Tone-Poti komplettieren die Elektronik, die Ausgangsbuchse für den Draht in die weite Welt, hat man ganz bewährt an der unteren Zarge verbaut.
Die Verarbeitung und Bespielbarkeit der Cort G 300 Pro
Als allererstes, noch bevor ich eine Gitarre an einen Verstärker stöpsele, mache ich mir immer ein Bild von Verarbeitung, Werkseinstellung, Handling und dem trockenen Klanges des Instruments. Wer hier angesichts des günstigen Preises und der Fertigung in Indonesien ein schlecht verarbeitetes und billig wirkendes Instrument erwartet, möge bitte seine Vorurteile in ein Täschchen packen, gut verschnüren und der weiteren Verwertung durch die ortsansässige Müllabfuhr zuführen. Es gibt bei der Cort G 300 Pro nichts zu bemängeln. Die Verarbeitung ist erstklassig, schlecht abgerundete Bundstäbchen sucht man genauso vergebens wie ein Haar in der Suppe der Werkseinstellung. Lediglich die oben schon beschriebene, fehlende Überdehnung der Saiten könnte man kritisieren, oder man dehnt eben selbst ein Bisschen. Auf dem Schoß liegt die Cort G 300 Pro ausgewogen und ohne Tendenz, in irgendeine selbstgewählte Richtung zu rutschen. Übrigens: Nicht nur Kopflastigkeit kann störend sein, auch ein übertrieben schwerer Korpus kann bei schlechter Verteilung des Gewichtes das Spielgefühl negativ beeinflussen. So wie zum Beispiel erst vor wenigen Tagen bei der Gibson Slash Signature Les Paul, die im Sitzen einfach mal den eleganten Abgang über die rechte Seite wählt. Das Halsprofil, in Verbindung mit dem Compound-Radius des Griffbrettes, macht die Gitarre in allen Lagen bequem spielbar. Das weich und verstimmungsfrei arbeitende Vibratosystem macht aufgrund des Wirkungsgrades richtig Spaß, einschwingende Akkorde oder Flageolett-Melodien sind eine reine Freude.
So klingt die Cort G 300 Pro E-Gitarre
Trocken angespielt präsentiert sich ein drahtiger, offener Klang ohne besondere Auffälligkeiten. Keine überbetonten Frequenzen, sondern ein ausgewogener Charakter gleichmäßig über das komplette Griffbrett. Das ist erstmal ziemlich langweilig, aber eine gute Basis für den verstärkten Klang. Das Sustain ist recht ausgeprägt und die Gitarre schwingt sich auf dem Schoß schön ein und man spürt die Schwingungen auf dem Oberschenkel. Dann will ich das Baby mal adäquat anstöpseln und hören, was die Tonabnehmer noch zu sagen haben.
Im ersten der folgenden beiden Beispiele hört ihr die drei Stellungen des Switches, bei denen die Humbucker einzeln oder zusammen arbeiten; ich beginne mit dem Halspickup. Der Sound des Halspickups ist voll und warm mit angenehmen Bässen und sanften Höhen. Wenn beide Pickups zusammen geschaltet zu hören sind (ab 0:13), wird der Sound drahtiger mit sich langsam einschleichender Kompression durch den Stegpickup. Letzterer allein (ab 0:26) klingt dann deutlich weniger basslastig, dafür mischen sich erste, harmonische Verzerrungen und deutliche Kompression in den Sound. Die vordere Zwischenposition, bei der die inneren Spulen der gesplitteten Humbucker aktiv sind, klingt da etwas weniger überzeugend, der Sound hat allerdings schon seine Berechtigung im Bereich der Singlenote Lines und für funkige Licks. Hier gefällt mir allerdings die zweite Zwischenposition (ab 0:12 im zweiten Beispiel) deutlich besser und erinnert sehr an die Mittelstellung einer Telecaster.
Der Wechsel zu einem angezerrten Sound setzt nahtlos fort, was der cleane Test angedeutet hat. Der Halspickup klingt satt und bassig, ohne zu matschen. Beide Pickups (ab 0:10) zusammen schieben schon deutlich mehr, während die Distortion-Intensität beim Stegpickup (ab 0:22) deutlich zunimmt, Bässe und Höhen etwas zurücktreten und die so wichtigen Mitten das Regiment übernehmen. Die Splitsounds sind drahtig und twangig, auch hier gefällt mir die hintere Position (ab 0:17) deutlich besser. Interessant wäre gerade jetzt nur die Halsspule des vorderen Humbuckers gewesen, ist aber wie gesagt leider nicht vorgesehen.
In einem höheren Gainsetting bleibt die Gitarre stets ausgewogen, aber druckvoll, die Bässe bleiben auch hier prägnant, jedoch ohne jeden Matsch bei wohldosierten Höhen. Ich schalte wieder die Positionen durch, wie oben schon durchexerziert. Im Splitmodus ist auch hier wieder die hintere Zwischenposition (ab 0:12) mein Favorit. Trotz der hohen Zerrintensität hört man einen wunderbar klaren Sound mit leicht nöhligem Charakter.
Die bisherigen Eigenschaften der Gitarre wären viel zu schade, ausschließlich Highgain-Leads zu spielen. Ich lade mein Lieblingsprofile des Morgan AC20 mit ein paar Effekten in den Kemper und nudele etwas mit den Sounds herum. Nach dem heftigen Einsatz des Vibratosystems am Ende des Files ist die Gitarre übrigens noch in Tune!
Ok, dann aber doch noch mal die Highgain-Keule ausgepackt und die Cort G 300 Pro etwas gequält. Im gesamten Verlauf hört man wunderbar immer die Eigenschaften der Gitarre durch, das Anschlagsschmatzen macht Spaß. Die Töne kippen gerne in Obertöne um, Artificial Harmonics sind eine leichte Aufgabe….