Musikersprache vereint mit Techniker-Slang
Im Zuge unserer Hardware-Equalizer Testreihen begegnet uns nun der erste reine „Solid State“ Transistor-basierte Equalizer. David Hill, der vor der Gründung seines eigenen Unternehmens Crane Song an verschiedensten Klassikern der Marke Summit Audio mitentwickelte, rief dieses in Wisconsin gemeinsam mit dem Release des SCT8 Kompressors in 1994 ins Leben. Zehn Jahre später erblickte der Crane Song Ibis Stereo-Equalizer den Markt, der sich durch seine andersartigen Skalierungen grundsätzlich von der Konkurrenz abhob. Herkömmlicherweise werden die Schritte der einstellbaren Frequenzen in Hz aufgeführt, bei dem Crane Song Ibis Equalizer sind diese zusätzlich in Notenwerten aufgebracht. Die variable Bandbreite pro Band ist in Oktavschritten aufgeführt und reicht von 0,2 bis 4 Oktaven (bei einer Anhebung oder Absenkung von 12 dB). Des Weiteren wartet das Gerät mit einem recht ungewöhnlichen Sättigungsschaltkreis auf, hierzu jedoch später mehr. Der Crane Song Ibis arbeitet mit pro Kanal vier überlappenden Bändern, außerdem gibt es umfangreiche Locut-Einstellungen, von 20 Hz bis 150 Hz lässt sich hier in 10 Hz Schritten cutten. Standardmäßig erfolgt das beim Ibis in 12 dB/Oktave Schritten, drückt man den weißen „Steep“-Knopf, verdoppelt sich die Flankensteilheit und wird mit 24 dB/Oktave sehr wirkungsvoll.
Das Gerät baut auf simplen, ineffizienten Class-A Operationsverstärken auf, die dafür bekannt sind, dass sie weniger nichtlineare Verzerrungen und Klirrfaktor in der Schaltung aufweisen und weniger unharmonische Obertöne generieren als andere, modernere Verstärker-Designs. Wie die „Kult“-OPs in Kombination mit dem Sättigungsschaltkreis klingen, gilt es herauszufinden.
Crane Song Ibis – Basics
Der Crane Song Ibis bietet eine sehr kleinschrittige und präzise Auflösung an Justierungsmöglichkeiten und bringt mehr spannende Features mit ein, als man auf den ersten Blick erwarten könnte. Zunächst verfügt jedes der 4 Equalizer-Bänder über 24 einstellbare Frequenzen. Per gerastertem Poti lässt sich hier eine von 12 verschiedenen Frequenzen einstellen, mit dem roten, darunter befindlichen „+ 1 Step“-Knopf lässt sich die gewählte Frequenz um einen musikalischen Ganztonschritt nach oben transponieren. Diese Aufmachung ermöglicht es, dass sich in das komplette Frequenz-Bearbeitungsspektrum von 32,7 Hz bis 21 kHz in sage und schreibe 96 chromatischen Halbtonschritten eingreifen lässt – sehr beeindruckend und sinnvoll!
In der beigelegten Kurzanleitung befindet sich noch eine Frequenztabelle, die einerseits eben das visualisiert, aber auch zeigt, wo sich welche Frequenzen der Einzelbänder überlappen können. Ansonsten liegt noch ein Kaltgerätekabel bei, um den intern verbauten Ringkerntransformator nach Anpassung der benötigten 230 Volt Sicherung mit europäischer Spannung beschicken zu können.
Das Cut/Boost-Vermögen der Unit umfasst 12 dB in beide Richtungen. Crane Song bietet ebenfalls eine Mastering-Version des Gerätes an, diese hat gerasterte Drehregler und einen Cut/Boost-Umfang von +/-6 dB. Bei der hier getesteten Mix-Version sind die Potentiometer zur Lautstärkeangleichung der einzelnen Bänder nicht gerastert, David Hill baut hier allerdings etwas ein, was sinnvoll ist und toll funktioniert: Zwar lassen sich die einzelnen Bänder nicht deaktivieren oder „bypassen“, jedoch kommt hier eine „Deadzone“ zum Einsatz: Befindet sich der jeweilige Cut/Boost-Regler zwischen -0,3 dB und +0,3 dB, bleibt das Band in seiner Bearbeitung „flat“ und inaktiv. Das jeweils obere und untere Band lässt sich ebenfalls per Knopfdruck von einem Glocken- zu einem Shelfing-Band umstellen.
Der verbaute Sättigungsschaltkreis fügt dem Signal harmonische Obertöne der zweiten und dritten Ordnung hinzu und interagiert mit einigen Parametern: Man kann sich entweder pro Kanal dazu entscheiden, eines der vier Bänder einzeln zu saturieren oder die komplette Summe in den Schaltkreis zu schicken. Führt man mit dem jeweiligen Band, auf dem die Distortion liegt, jedoch einen Cut durch, so wird auch dessen harmonischer Inhalt subtrahiert und nicht angereichert. Je nach Band unterscheidet sich die Sättigung in ihrem Charakter: Entscheidet man sich für die tiefen Frequenzen, so wird hier logischerweise das Signal am effektivsten, energiereichsten und „heißesten“ gesättigt, die Sättigung von Band 3 sorgt für präsentere obere Mitten-Informationen und die Sättigung von Band 4 sorgt für eine ganze Menge „Air“.
Aussehen und Haptik des Crane Song Ibis Equalizers
Dass man es mit einem von David Hill’s Crane Song Geräten zutun hat, sieht man aufgrund der grünen Signal „Bullaugen“ LED und den ebenfalls grünen Potis schon aus 50 Metern Entfernung. Das Gerät ist symmetrisch aufgebaut, links und rechts befinden sich die beiden Kanäle, in der Mitte sitzen die Bypass-Schalter für die zwei Kanäle (leider kein Hard-Bypass), die grüne Signal-LED und der darunter befindliche An/Aus-Schalter. Pro Band befinden sich linksseitig die Locut- und Colour (Sättigungs-) -Einstellungen mitsamt Locut-Auswahl, Sättigungsquellen-Auswahl und dem Sättigungsgrad. Darauf folgen die vier Bänder pro Kanal mitsamt grünem Cut/Boost-, Frequenzwahl- und Frequenzbreite-Potentiometern, den roten +1 Step-Knöpfen und der Shelfing-Option des höchsten und tiefsten Bands.
30 Knöpfe und 17 Schalter sind auf der 2 HU hohen Frontplatte untergebracht, hier hätte ich mir eine weitere Höheneinheit gewünscht, um einerseits die Legenden besser ablesen zu können und andererseits, um die nicht gerasterten Drehregler während der Arbeit nicht aus Versehen zu berühren und besser bedienen zu können. Das Layout des Gerätes erscheint zwar sehr sinnvoll erdacht, bringt einen jedoch aufgrund der schieren Anzahl an untergebrachten Elementen häufiger mal aus dem Konzept. Wenn man das Gerät nicht kennt, bedient es sich eigentlich nur vernünftig, wenn man die Frontplatte genau von vorne betrachtet, beim Blick von schräg oben verbergen die Potentiometer einiges an aufgebrachten Informationen. Die Verarbeitung und Fertigung der Frontplatte mitsamt aller Schalter und Potis wirkt jedoch robust und in Ordnung, von den Schaltern und Potis wird man lange etwas haben.
Ein kurzer Blick ins Innere des Crane Song Ibis
Wie beim Massive Passive befinden sich im Inneren des Gerätes die einzelnen Bänder in Cartridges gestaffelt, sodass man sie im Schadensfall herausnehmen und reparieren kann. Für den Test wurde uns ein Gerät, das in 2006 gefertigt wurde, zur Verfügung gestellt. Das bemerkt man auch beim Blick ins Innere. Einige der Kondensatoren und Widerstände sitzen aufgrund der Temperaturveränderungen innerhalb des Gehäuses der letzten Jahre nicht mehr gerade auf den Platinen und ein kleiner „Ätzfleck“ auf einer der Through-Hole-Platinen begegnet einem. Das ist wohl auf die Class-A Technik zurückzuführen, diese produziert deutlich mehr Abwärme als viele andere modernere Verstärker-Designs.
Abseits dessen wirkt die Konstruktion solide und einleuchtend, auch wenn sie augenscheinlich bei Weitem nicht an die klinische Fertigungsqualität eines Massive Passive herankommt. Zudem: Einer der verbauten Audiowandler würde sicherlich drei- bis viermal in einen des MP reinpassen, geschweige denn in ein paar Lundahls. Seit der Veröffentlichung des Crane Song Ibis in 2004 gab es jedoch bisher keine einzige Revision – scheint also zu funktionieren. Der Kunden-Support der Marke gilt im Allgemeinen als hervorragend, was ein wichtiger Faktor ist.
Ein großes Alleinstellungsmerkmal des Crane Song Ibis befindet sich auf der Rückseite
Auf der Rückseite befinden sich zum einen die symmetrischen XLR-Ein- und Ausgänge, interessanterweise entdeckt man auf der Rückseite des Crane Song Ibis aber auch noch männliche und weibliche als „Sidechain“ betitelte DB15-Buchsen. Hier findet sich der Clou: Da jedes der Bänder wie beim Manley Massive Passive „Pultec Style“ parallel aufgebaut ist, lässt sich hier tatsächlich auch auf jedes einzelne EQ-Band zugreifen. Hier zeigt sich „Master-Masteringmind“ David Hill von seiner besten Seite, bekommt man hier doch tatsächlich die Möglichkeit geboten, sich durch das Beschicken der unterschiedlichen Frequenz-getrennten Einzelsignale in unterschiedliche Outboard-Geräte beispielsweise einen eigenen Multiband-Kompressor zu bauen, generell frequenzabhängig komprimieren zu können oder andere Bearbeitungsschritte à la dynamischer Equalizer vornehmen zu können.
Dieses Feature begegnet mir persönlich in einem solchen Gerät zum ersten Mal und ist, latent gesagt, beeindruckend! Es sollte meiner Meinung nach in allen parallel aufgebauten Equalizern auftauchen und lässt sich mit entsprechender Fachkenntnis sicherlich auch bei Massive Passive, Massenburg und Co. einbauen. Doch kann er klanglich auch mit diesen mithalten?
Wieder so ein tolles Gerät! Danke Vincent für den erstklassigen Bericht. Finde es sehr schön, wie du beschrieben hast, welche Einsatzgebiete das Gerät zulässt und wie das klingt oder welche Vorstellung man dadurch bekommt.
Eine Frage: du schreibst, die OPs sind „ineffizient“, wie ist das gemeint?
Leider ist die Preisklasse dann doch frustrierend. Bei EQs arbeite ich immer in the box und wäre wirklich mal interessiert, den gravierenden Unterschied zu hören. Ich hoffe auf eine Gelegenheit….
@Marco Korda Hey Marco,
freut micht, dass Du etwas mitnehmen konntest!
Hier gehe ich auf das Verstärkerdesign ein – die Class A Verstärker fressen am meisten Strom und verwandeln nur etwa 40% von dem was reinkommt ins Ausgangssignal, haben dafür aber die harmonischsten Obertöne und klingen generell am unauffälligsten. Und werden unfassbar heiß. ;)
Liebe Grüße,
Vince
Schön dass bei Amazona immer mal auch über höherwertige Studiohardware berichtet wird. Zwei Verständnisfragen:
Was meinst Du mit ggü. dem Massive Passive kleinen „Audiowandlern“?
Woraus schliesst Du auf eine geringere Phasenstabilität des Ibis, hörst Du das oder hast Du gemessen?
Hey psv-ddv,
die Wandler vom Crane sind einfach optisch deutlich kleiner als bei MP oder anderen höherwertigen Produkten wie beispielsweise Lundahls.
Das mit der Phasenstabilität hört man ganz gut, der Ibis ist ein bisschen wärmer, hat aber dafür meiner Meinung nach ein Airband was MP’s oder GML’s schonmal ordentlich ins Schwitzen bringen könnte. ;) Die beiden wären sicherlich ein super Team!
Liebe Grüße,
Vincent
@Vincent Wandler? Meinst Du Übertrager oder Symmetriertrafos?
@Vincent Lieber Vincent,
es würde mich ernsthaft interessieren welche Bauteile Du meinst.
Ich hoffe Du schmeisst nicht einfach nur mit irgendwelchen Begriffen um Dich.
Lieber psv-dvd,
Wie du sicherlich schon längst geblickt hast wenn du in irgendeiner Form selber ein bisschen Plan von der Materie hast, meinte ich die Audio-Transformatoren oder auch Ausgangsübertrager (oder schlicht gesagt: das, was man eben meint wenn man von Toni zu Toni die „Wandler“ anspricht)!
Ich hoffe du schmeißt nicht einfach mit willkürlicher Kritik um dich, damit du selbst mal einen kleinen persönlichen Erfolg verzeichnen kannst hier im tollen Internet.
Behalte das im Auge und behalte mir ein Flagging vor wenn das so weitergeht, für sorters gibt es hier keinen Platz. Warte übrigens noch auf ein Foto deiner 16 über AES EBU gefahrenen Digitalhalls?
Vincent
@Vincent ein wandler ist ein elektronisches bauteil, das analoge/digitale signale codiert/decodiert. und nix anderes.
das du weisst, für wen hier platz ist, scheint mir keine angemessene reaktion auf eine sachlich korrekte frage. schlechten tag gehabt?
achja, was ist den bitte ein sorter?
@dilux Hallo Dilux,
mit psv-ddv bin ich in letzter Zeit öfters mal angeeckt, ich bin eigentlich großer Freund der allgemeinen Höflichkeit und genieße auch den Austausch hier in den Kommentaren. Mir hatte sich lediglich der Eindruck aufgedrängt, dass es hier (unter Berücksichtigung einiger anderer Kommentare unter anderen Beiträgen) nicht mehr wirklich um die Sachfrage an sich geht.
Sorters ist der Autokorrektur entsprungen, sollte eigentlich „so etwas“ heißen. Sorry dafür! Ich kann hier gerade aus San Francisco leider nur vom Handy aus agieren, in zwei Tagen bin ich aber wieder zuhause.
Gruß,
Vincent
@Vincent Das „angeeckt“ bezieht sich dann wohl auf meine höfliche und rein inhaltliche Kritik zu Deinem UAD 480L Test.
Hier nachzulesen: https://www.amazona.de/test-universal-audio-lexicon-480l/
@Vincent Hi Vincent,
keine Sorge, ich will Dir das Netzleben nicht schwer machen.
Ich hatte ja schonmal geschrieben, dass ich Deine Testberichte gerne lese. Das bezieht sich sowohl auf Deine Intuition, Geräteauswahl und auch die sehr musikalischen Klangbeispiele.
Nichtsdestotrotz muss auch Kritik erlaubt sein und es ist bei mir der Eindruck entstanden, dass Du manche der technischen Aspekte Deiner Testberichte selber nicht ganz verstehst.
Ich finde das nicht ehrenrührig und habe sicherlich auch meine Wissenslücken. Nur so tun als ob sollte man nicht. Es gibt immer jemanden der mehr Ahnung hat und sich wundert.
Der Begriff „Wandler“ für Trafo ist mir bisher nicht untergekommen, daher frage ich. Der Ibis ist, soweit ich weiss, elektronisch symmetriert. Daher hat er keine Audio-Trafos. Trafos sehe ich da auf Deinem Foto auch nirgends. Nur den Netztrafo. Wenn Du mit „kleinen Wandlern“ die gelben Kästchen nahe der Anschlüsse meinst, das sind Schaltrelais.
Jeder Analog EQ verbiegt bauartbedingt die Nutzsignalphase. Es wäre ziemlich schwierig da ein mehr oder weniger phasentreues Gerät über warme Klangeigenschaften zu erkennen. Wenn überhaupt kann man soetwas am ehesten über Veränderungen im Stereobild hören, da das Ohr die Phasenlage relativ wahrnimmt. Ich würde darauf tippen, dass sich bei einer Messung der Ibis als phasentreuer ggü dem Massive Passive herausstellt….
…
Last not least, schiefe Bauteile werden eher nicht von der Hitze einer Class- A Transistorschlatung in einem vernünftig konstruierten Gerät verursacht. Dazu müsste das Lot über den Schmelzpunkt erhitzt worden sein. Vorher werfen die Leiterbahnen Falten. Das Teil ist einfach so zusammengebaut worden.
Wie gesagt, verstehe das bitte als konstruktive Kritik und nimm es nicht persönlich.
Die Hallgeräte hängen im übrigen analog am Pult, wie alles bei mir. Ich bin wie gesagt nicht interessiert Fotos zu posten. Zwei langjährige Amazona Autoren kennen mein Studio. Ist mir aber letztendlich auch nicht so wichtig ob Du mir das abnimmst.
Peace,
psv