Der Rumpelmeister 606
Das Drumcomputer-Plug-in D16 Group Nithonat 2 bietet im Gegensatz zum Vorgänger einen übersichtlicheren Sequencer und vor allem jede Menge FX und Features – was hat sich in knapp 15 Jahren nach Erscheinen von Version 1 der TR-606 Drummachine-Emulation getan? Dieser Frage möchten wir in diesem Test nachgehen.
Installation des Plug-ins D16 Group Nithonat 2
Zur Installation ist ein Account auf der Website der D16 Group Voraussetzung. Nach der Registrierung und dem Kauf des Plug-ins, das auch im Bundle „Classic Boxes“ und „Total Bundle“ enthalten ist, wird die Lizenz auf der Website freigeschaltet. Beim ersten Start fragt das Plug-in dann nach den Account-Zugangsdaten und aktiviert den Drum-Synthesizer auf dem Rechner. Es ist also nur einmal kurz eine Internet-Anbindung nötig.
Installiert werden die Formate AAX, AU, VST und VST3, eine Standalone-Version gibt es nicht. Lauffähig ist die Software ab Windows 7 und macOS 10.13, Nithonat 2 ist auch zu Apple-Silicon-Rechnern kompatibel.
Preset-Verwaltung von D16 Group Audio Software Nithonat 2
Die Preset-Verwaltung wurde deutlich verbessert. Dabei gibt es sogar Angaben über das ideale Tempo und die enthaltenen Patterns sowie die Zusammenstellung des Drum-Kits. Nithonat 2 ist in Scenes, Patterns und Drum-Kits organisiert. Das Drum-Kit enthält alle klanglichen Einstellungen und das Routing, eine Scene enthält zusätzlich die Pattern-Informationen.
Scene- und Kit-Browser sind dabei in verschiedenen Fenstern untergebracht. So kann eine Scene mit Patterns aufgerufen und dann verschiedene Kits durchprobiert werden. Es kann aber auch ein Kit gewählt und danach verschiedene Pattern ausprobiert werden. Jedes Instrument des Kits hat wiederum ein eigenes Preset-Fenster, so dass die Zusammenstellung des perfekten Kits sehr einfach ist.
Scenes, Patterns und Kits können mit Tags versehen werden. Auch ein Autor und eine Kurzbeschreibung können eingegeben werden. Praktisch ist die Auflistung der einzelnen Patterns innerhalb von Scenes oder Pattern-Presets. Eine Suchfunktion und eine Favoriten-Markierung runden die Preset-Verwaltung ab. Alles in allem gibt es hier nichts auszusetzen.
Aufbau des Drumcomputer Plug-ins D16 Group Nithonat 2
In Nithonat 2 sind eine Menge neuer Sachen eingeflossen und der Aufbau ist doch recht komplex. Eine gewisse Einarbeitung ist also nötig, wenn alles herausgekitzelt werden soll. Was alles möglich ist, zeigen die mitgelieferten Presets, auch wenn sie zumeist nur aus einem Pattern bestehen. Interessant ist der Einsatz der Effekte, die es im Plug-in reichlich gibt.
Dennoch kann gleich losgelegt werden. Einfach „Play“ in der DAW drücken und schon können die ganzen Scenes durchgehört werden. Natürlich können die Instrumente von Nithonat 2 auch komplett von außen über MIDI-Noten getriggert werden. Dazu muss lediglich der „INT. SEQ.“-Taster deaktiviert werden. Und obwohl er recht prominent und mittig platziert ist, musste ich erst in die gut geschriebene 73-seitige englische Anleitung schauen, um das zu finden. Hier finden sich alle Information gut bebildert und, kaum zu glauben, ein verlinktes Stichwortverzeichnis am Ende.
Auf der Hauptseite können vier Ansichten für das obere Drittel gewählt werden. „Synth“ stellt alle sieben Instrumente der virtuellen 606 in Reihe dar, wobei die wichtigsten Sound-Parameter wie Decay oder Tone auch gezeigt werden. D16 Nithonat 2 besitzt dabei bis zu 32 Kanalausgänge, sowohl für die Einzelinstrumente als auch für die drei Busse.
Die „Strips“-Ansicht zeigt dann den Instrumentenkanalzug mit EQ, Kompressor und Routing-Optionen, die für den Gesamtklang noch sehr wichtig sind.
Die „Master-Bus“-Seite enthält zuerst einen Multibandkompressor, mit dem natürlich auch die beliebte „OTT“-Kompression erreicht werden kann. Danach findet sich ein Limiter mit Soft-Clip-Funktion in der Signalkette. Auch die Einstellungen des Masters beherbergen eine Preset-Verwaltung.
Den Abschluss auf der Hauptseite bilden die Trigger- und MIDI-Einstellungen. Dabei können die Instrumente beliebig auf der Tastatur verteilt werden, auch mehrfach. Trigger ist nun eine Spezialität der TR-606. Diese hatte zwei Trigger-Ausgänge, die einen Spannungsimpuls ausgeben haben, wann immer die Low- oder High-Tom gespielt wurde. Dieser Impuls wurde gerne als Audiosignal genutzt, um einen noch härteren Attack-Sound zu generieren.
D16 Nithonat 2 besitzt nun drei dieser Trigger-Ausgänge und sie können beliebigen Instrumenten zugewiesen und auch auf die drei Busse geroutet werden.
Routing und Signalfluss
Hier kommen wir zum Highlight der virtuellen TR-606. Es gibt den schon beschriebenen Master-Bus, aber auch zwei Sub-Busse, die einfach Bus 1 und bus 2 heißen. Jedes Instrument kann nun direkt einen dieser drei Busse zugewiesen werden. Im Falle von Bus 1/2 besteht auch eine Send-Option mit Pre/Post-Send.
Die Sub-Busse bestehen aus einer Kette von fünf Effekten und jedes Instrument kann an einer beliebigen Stelle der Kette eingespeist werden. So kann z. B. Instrument 1 die ganze Signalkette durchlaufen, Instrument 2 aber nur den letzten Effekt-Slot.
Die Slots der Busse können zwar nicht frei konfiguriert werden, aber die gleichzahligen Slots können vertauscht werden. So gibt es wenigstens etwas Variation in der Effektabfolge der Sub-Busse. Eine freie Konfiguration wäre mir aber lieber gewesen. Über den „More“-Taster können übrigens noch weitere Effektparameter erreicht werden.
Als wenn das noch nicht genug wäre, kann ein Bus das Signal auch an den nächsten Bus senden und dabei ebenfalls bestimmen, in welchen Slot gesendet werden soll.
Die Einstellungen der beiden Sub-Busse werden übrigens mit der Scene und dem Kit gespeichert.
Sequencer, Scenes und Patterns
Pro Scene gibt es 48 Patterns in vier Bänken. Ein Pattern kann dabei eine Länge von bis zu 64 Steps aufweisen, Polyrhythmen sind nicht möglich. Auch fehlt die Möglichkeit, die Klangparameter zu manipulieren – Parameter-Locks gibt es also nicht. Außerdem gibt es keine Möglichkeit des Mikrotimings von Steps. Um also den Klang während der Wiedergabe zu verbiegen und Microtiming einsetzen zu können, muss zwingend auf die DAW zurückgegriffen werden. Allerdings kann der interne Sequencer auch MIDI ausgeben, was sicherlich praktisch ist.
Die Patterns können in einen Zwischenspeicher kopiert und am beliebiger Stelle eingefügt werden, auch nach einem Scene-Wechsel. Vorbildlich ist die Möglichkeit, ein Pattern nach links oder rechts verschieben zu können. Das ist vor allem ergiebig, wird der sogenannte Host-Note-Modus genutzt.
In diesem Modus werden die 48 Patterns der Scene 48 MIDI-Noten zugeteilt. Solange die Note gehalten wird, wird auch das Pattern gespielt, ganz wie bei einem Sample. Ein Pattern kann also kopiert und verschoben werden, um diese dann Timing-genau auslösen zu können – eine sehr schöne Funktion, vor allem für Break-Beats.
Dem gegenüber steht der Live-Modus. Hier wird über einen Zahlenblock ein Pattern ausgewählt, das nach Ablauf der Step-Zahl (also des Taktes) gewechselt wird. Die Tasten dieses Live-Modus können zudem noch per MIDI-Learn wiederum verschiedenen MIDI-CCs zugewiesen werden. So sollte sich für jede Anwendung eine Lösung finden lassen.
Bleiben wir noch beim Sequencer, denn für viele sind dessen Eigenschaften wichtig. Steps können in der Grid-Ansicht gesetzt werden und haben dabei einen pro Spur-Accent, der sich auch auf den Klang auswirkt (wie bei der analogen Hardware eben auch). Es gibt einen normalen Step und einen akzentuierten. Diese werden farblich anders dargestellt und deren Velocity-Werte können nur für alle Instrumente gleichzeitig festgelegt werden. Es gibt aber auch einen globalen Accent, der wie bei der TR-606 eine eigene Spur besitzt und auf alle Instrumente zugleich wirkt.
Jeder Step kann zudem auch als Flam oder Roll (2-, 3-, und 4-fach) gesetzt werden. Auch deren Einstellungen gelten immer für alle Instrumente.
Neben der Möglichkeit, einen Beat einzu-„tappen“ bietet D16 Group Nithonat 2 auch eine Random-Funktion, die zwar steuerbar ist, aber nicht wirklich brauchbare Ergebnisse liefert, wie ich finde.
Zu guter Letzt gibt es noch die Option, das Pattern zur weiteren Verarbeitung als MIDI-Clip in die DAW zu ziehen oder einfach auf eine zweite Instanz von Plug-ins.
Automation in D16 Group Audio Software Nithonat 2
Das bedeutet nicht, dass D16 Group Nithonat 2 nur statische Beats abliefern kann. Jeder Klangparameter, sei es von Instrument oder Effekt, kann über MIDI oder die DAW-Automation gesteuert werden.
Bei der Vielzahl an Zielen ist es vernünftig, dass nicht alle Parameter sofort von der DAW aus zugänglich sind. Sowohl Spurautomation als auch MIDI-Zuweisung werden bei Bedarf pro Parameter aktiviert. Diese Zuweisungen können gespeichert werden und auch in einer Übersicht begutachtet werden.
Klang und Handhabung des Drumcomputer Plug-ins
Gleich auf dem ersten Beat erkenne ich den rauen Underdog-Charme der TR-606 wieder – woher ich das so genau weiß? Ich nenne eine modifizierte TR-606 mein Eigen und konnte Nithonat 2 daher damit vergleichen. Hier also das Klangbeispiel des gleichen Patterns in Soft- und Hardware.
Sicherlich klingt es etwas unterschiedlich, insgesamt finde ich, dass Nithonat 2 etwas höher gepitcht ist und nichts rumpelt so nonchalant wie eine TR-606 – dennoch erkenne ich den Grundcharakter sofort wieder.
Wie gesagt sind Patterns schnell erstellt und vielleicht ist das Fehlen von Parameter-Locks und Microtiming auch hilfreich dabei – dennoch finde ich, dass so etwas zu einem Sequencer gehören sollte.
Interessant wird die Erkundung der ganzen Effekte und wie und wo diese eingespeist werden können. Nithonat 2 ist damit eine komplette Produktionsumgebung für Beats und es wundert mich schon sehr, dass es keine Standalone-Version gibt. Die Effekte sind, wie von D16 gewohnt, knackig und plakativ und nichts für den zarten Gaumen – das heißt aber nicht, dass D16 Nithonat 2 nicht auch raffiniert klingen kann.
Vor allem die Instrumenten-EQs können das Klanggeschehen drastisch verändern, da sie sehr farbenfroh sind. Von den Bus-FX hat mir der Bitcrusher am besten gefallen, da er auch über eine Samplerate-Reduktion und dosierbare Antialiasing-Filter verfügt und aus der Snare viele Variationen herauskitzeln kann.