Wenn der Zerrer mit dem Wah ...
Ich lehne mich sicher nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass der größte Teil unter uns mindestens einen Verzerrer im Set-up besitzt. Genau so ist es mit dem Wah-Pedal, auch das gehört bei einem Großteil der Saiten-zupfenden Zunft als fester Bestandteil zum Gitarrensound einfach dazu. Dann wäre es doch ganz praktisch, wenn man beide Kategorien Effekte in einer Box hätte – oder? Fast so ist es beim Daredevil Pedals Cocked & Fearless, der zwar kein Wah-Pedal im eigentlichen Sinne beinhaltet, sondern ein wirkungsvolles Filter, mit dem sich der angeschlossene Amp anblasen lässt. Was es kann und was nicht, werden wir uns jetzt mal betrachten.
Daredevil Pedals Cocked & Fearless – Facts & Features
Aufmerksame Leser mögen sich vielleicht erinnern: Ein Pedal dieser Art hatten wir doch schon mal – oder? Richtig, mit dem Cock Fight hatte Electro-Harmonix vor geraumer Zeit bereits ein kombiniertes Zerrer/Wah-Pedal vorgestellt, den Test dazu gibt es HIER. Nun hat also auch Daredevil ein solches Pedal im Programm, das quasi aus zwei separat erhältlichen Pedalen des amerikanischen Boutiquepedal-Herstellers entstanden ist. Die eingebaute Zerrschaltung basiert auf dem Sound des Daredevil Fearless und für den Filterteil wurde das Atomic Cock integriert – ein Lowpass-Filter, das sehr scharf zupackt und sich genau so verhält, wie man es von einem Wah-Filter kennt. Nur eben mit dem Unterschied, dass man hier das Filter nicht mit dem Fuß variabel bedient, sondern nur mittels eines Reglers per Hand auf einer festen Position fixieren kann.
Für viele ist das aber ausreichend genug oder kommt gerade richtig, um so ganz genau den „Sweet-Spot“ des Verstärkers zu finden und ihn entsprechend anzufahren. Das ist der Sinn dahinter, in diesem Punkt ist das Cock Fight von EHX mit seinem Expressionpedal-Anschluss allerdings schon ein Stückchen weiter, dort kann man mit einem gängigen Expressionpedal das Filter mit dem Fuß bearbeiten, auch wenn die Ergebnisse nicht immer überzeugend klingen. Beim Cocked & Fearless finden wir so etwas nicht, hier gibt es nur das Nötigste in Form eines Audioein- und Ausgangs und einer Buchse für das Netzteil. Die beiden Klinkenbuchsen wurden links und rechts in das Gehäuse geschraubt, schöner wäre natürlich die Anbringung an der Stirnseite gewesen: Dort, wo auch der Netzanschluss seinen Platz gefunden hat. Wie üblich geht es hier mit 9 Volt zur Sache und genau so üblich ist auch das Fehlen eines Netzadapters bei einem Pedal aus einer sogenannten „Boutique-Schmiede“.
Aber damit kann man leben, denn hier herrscht das zum Standard gewordene Ibanez/BOSS-Format, mit dem sich das Cocked & Fearless zudem problemlos in die Netzversorgung des Pedalboards integrieren kann. Nötig ist ein Netzadapter aber in jedem Fall, denn mit einer Batterie ist hier nichts zu bewegen. Von daher gibt es auf der Unterseite nichts zu entdecken, außer der Einöde eines Metalldeckels.
Daredevil Pedals Cocked & Fearless – Bedienung
Vier Potis auf der Oberseite laden zum Schrauben ein. Der Zerrabteilung, also dem Fearless-Schaltkreis im Innern, gebühren die Regler für Lautstärke (Volume), Stärke der Verzerrung (Gain) sowie ein Kippschalter, der eine Vorauswahl zwischen einem Low- und einem High-Gain-Sound trifft. Der Filterteil besitzt das Sweep-Poti als zentralen Bestandteil, mit „Blend“ kann der Anteil des gefilterten Signals dem Zerrsignal zugemischt werden. Beide Funktionen sind auch einzeln nutzbar, dazu kann das Cocked Filter mit einem Tritt auf den Wah-Schalter deaktiviert werden, sodass nur noch der Sound des Fearless Verzerrers hörbar ist.
Zwei LEDs, die linke in Orange für den Zerrer und die rechte in Grün für die Filtersektion, informieren über die aktuellen Modi des Daredevil Pedals Cocked & Fearless. Die Qualität der Regler und Schalter ist sehr gut, zudem sind die beiden Metallschalter weit genug entfernt von den Potis im Gehäuse eingesetzt, was einen Schaden durch fehlgeleitete Fußtritte minimieren sollte. Nicht so schön zeigen sich jedoch die beiden Schalter zur Aktivierung des Pedals bzw. des Cocked Filters: In dieser Preisklasse sollten eigentlich Softklicktypen zum Standard gehören. Beim Cocked & Fearless kracht es in jedem Fall ganz ordentlich beim Drauftreten!
Cocked & Fearless – In der Praxis
Der Fearless
Der Klang des Fearless Zerrers muss man als Vintage beschreiben, auch wenn dieser Begriff doch mittlerweile arg ausgelutscht ist. Ist aber so und die Beschreibung des Herstellers, dass es sich bei dem Sound um die Nachbildung alter Röhrentops im Stil eines Marshall Plexi handelt, trifft die Sache recht gut. So zumindest in meinem Set-up, das kann an einem anderen Amp und mit einer anderen Box natürlich schon wieder ganz anders aussehen. Der Charakter der Zerre dürfte in vielen Stilen der Rockmusik zu verwenden sein, Freunde von Metalsounds hingegen werden mit dem gebotenen Grundsound und vor allem mit den Gain-Reserven vermutlich nicht viel anfangen können. Aber wer weiß, vielleicht sorgt der Cocked & Fearless bei den High-Gain-Boliden von Boogie, ENGL & Co ja für das berühmte i-Tüpfelchen im Sound? Probieren geht da über studieren, auch wenn das schon wieder ziemlich ausgelutscht klingt, jedoch der Wahrheit entspricht.
Der Wahrheit entsprechen auch die nur wenigen Nebengeräusche, die selbst bei voll aufgeregeltem Gain-Poti überhaupt keinen Anlass zur Kritik bieten. Ab und an mal, wenn man mit dem Sweep-Poti einen ungünstigen Frequenzbereich erwischt, ist allenfalls ein laues Lüftchen aus dem Speaker wahrzunehmen. Ich würde das in jedem Fall studiotauglich nennen!
Cocked
Beim Cocked handelt es sich um ein sehr musikalisches und kräftig zupackendes Filter, mit dem man im Handumdrehen den begehrten „Sweet-Spot“ des angeschlossenen Amps finden kann – und noch viel mehr! Beim Durchwandern der Range des Sweep-Potis entstehen vielseitig nutzbare Filtersounds, die von hohl und nasal bis hin zum Fuzz-Sound eine breite Palette kreativer Möglichkeiten bieten. Schade ist nur, dass keinerlei Mittel zur Verfügung stehen, um das Filter mit dem Fuß zu steuern. Klar, das ist bei diesem Layout nicht vorgesehen, hier geht es ja einzig und allein um das Finden und „Performen“ der Sweet-Spots. Dennoch wäre das ein nettes Feature und würde sicher keinen großen technischen Aufwand erfordern. So wie beim Cock Fight von EHX eben, obwohl das Filter des Daredevil Pedals Cocked & Fearless in einer ganz anderen Liga spielt. In einer deutlich wuchtigeren und dynamischeren nämlich!
Daredevil Pedals Cocked & Fearless – Die Klangbeispiele
Damit man die Klangqualität am besten beurteilen kann bzw. das Signal möglichst unverfälscht wiedergegeben wird, habe ich den Cocked & Fearless über den Return des Effektwegs direkt an die Endstufe meines Orange Micro Dark verkabelt, der wiederum mit einer 1×12″ Celestion V 30 Box gekoppelt wurde. Als Mikro diente ein AKG C3000, ehe das Signal in Logic ohne weitere Effekte aufgenommen wurde. Als Gitarre wurde eine PRS John Mayer Silver Sky benutzt.
Wir hören im ersten Beispiel den Fearless Verzerrer im Daredevil Pedals Cocked & Fearless pur, also ohne zugeschaltetes Filtermodul.
Jetzt aber direkt zu den Filtersounds. Wir gehen die Uhr runter und beginnen mit einem Sound des Sweep-Potis auf 11 Uhr, dann weiter auf 15 Uhr und schließlich öffnen wir alle Hähne und drehen den Sweep-Regler auf Vollanschlag. Nur drei Sounds von unendlich vielen, die in Zusammenarbeit zwischen dem Cocked & Fearless und einem „willigen“ Amp entstehen können!