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Test: Dawesome Kult by Tracktion, Software-Synthesizer Plug-in

Chaotische Attraktionen und ein Schmetterling

18. Januar 2023

Mit Dawesome Kult stellt Mr. Dawesome, Peter Vorländer, sein neues Plug-in vor. Vor einger Zeit hatten wir seinen granularen Synth Novum im Test, der vor allem durch seine granularchromatischen Multidimensionalitäten bestach. Dawesome Kult schlägt nun einen vermeintlich konventionelleren Syntheseweg ein und präsentiert sich vordergründig als einfacher VA-Synthesizer.

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Installation von Dawesome Kult von Dawesome Kult

Nach dem Erwerb auf der Tracktion-Website wird man beim ersten Start des Plug-ins (VST3, AU) nach den Login-Daten des eigenen Tracktion-Accounts gefragt. Dann wird gecheckt, ob der Lizenzcode auf dem Konto vorhanden ist. Fertig. Es gibt auch die Möglichkeit, Dawesome Kult in vollem Umfang für 90 Tage (!) kostenlos zu testen – das sollte wohl ausreichen um auszuloten, ob das einem die 129,- USD wert sind.

Die Anleitung ist als PDF auf Englisch erhältlich und wieder sehr klar strukturiert. Sie setzt auf Abbildungen und kurze Erklärungen der Parameter – keine Textwüsten und herumeiern um den heißen Brei.

Kurze Geschichte der Entstehung von Dawesome Kult

Wer die Plug-ins von Peter Vorländer kennt (man nehme nur das besprochene Novum) weiß, dass seinen Kreationen immer eine Grundidee oder eine neue Entdeckung zugrunde liegt, die er gemacht hat. In diesem Fall führt er das Buch von James Gleick „Chaos: Making a New Science“ an. Er greift die Idee der „Strange Attractors“ der Chaos-Theorie auf und versucht aus ihrem oszillatorähnlichen Verhalten den Kern eines neues Synthesizers zu machen: den Dawesome Kult.

Die wohl einfachste Art, sich ein chaotisches, dennoch oszillierendes System vorzustellen ist das Doppelpendel. Also ein Pendel, an dessen Ende ein weiteres Pendel befestigt ist. Obwohl beinahe nichts so vorhersagbar wie die Bewegung eines einfachen Pendels unter allen möglichen Bedingungen ist, knickt unsere Mathematik bereits vor diesem Doppelpendel ein. Soll heißen, es lassen sich keine deterministischen Aussagen über das Doppelpendel machen, es herrscht ein sogenanntes deterministisches Chaos.

Edward Lorenz, nach dem die Lorenz-Attraktoren (eine Untergruppe der Strange Attractors) benannt sind, drückte es einmal elegant so aus:

Chaos: When the present determines the future, but the approximate present does not approximately determine the future.

Chaos ist, wenn die Gegenwart die Zukunft bestimmt, aber die ungefähre Gegenwart eben nicht ungefähr die Zukunft bestimmt.

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Aber es galt viele Hürden zu überwinden, denn nicht nur ist die Berechnung umso mächtiger, je höher die Frequenz ist; um Aliasing-Effekte zu vermeiden, muss auch noch ein Oversampling implementiert werden, das CPU-mäßig richtig zu Buche schlägt. Damit Dawesome Kult auch auf älteren Rechnern läuft, gibt es deshalb auch die Möglichkeit, die Anzahl der Oszillatoren-Instanzen zu verringern.

Ein weiteres Zitat, welches auch die Startseite der Anleitung ziert und wahrscheinlich eines der schönsten Nietzsche-Zitate ist, wird Peter Vorländer durch die langen Nächte der Code-Optimierung geholfen haben:

… man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.

Aus:
Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra (1883-1891).

Wer mehr über die Entstehung lesen möchte, kann das in der Anleitung auf Seite 24 machen; aber Vorsicht, auch hier kommen multidimensionale Trajektoren ins Spiel!

Oberfläche von Dawesome Kult

Dawesome Kult - KULT_UI1

Wer sich noch an Novum erinnert, findet sich auch in Dawesome Kult schnell zurecht. Einige Elemente, wie die FX oder die Modulationseinstellungen sind identisch, haben jedoch den Platz getauscht. Apropos Platz, auch Dawesome Kult ist frei skalierbar und bringt zudem drei vordefinierte GUI-Größen mit.

Die grundlegenden Einstellungen der beiden Oszillatoren befinden sich unterhalb der Namens-Anzeige. Selbst mit diesen minimalen Einstellungen kann man schon eine Menge aus den komplexen Oszillatoren herausholen.

Darunter kommen die grafischen Darstellungen und das Mischverhältnis. Dann wiederum darunter die weiterführenden Einstellungen für beide Oszillatoren, das duale Filter sowie den FX und den einzelnen Modulatoren. Auch ein sehr ausführlicher Arpeggiator ist enthalten.

Dawesome Kult - filter

Der Preset-Browser ist rechts zu finden und in Factory- und User-Presets unterteilt. Ein Schlagwort-System mit Vorgaben zu gängigen Kategorien hilft beim Filtern der erstellten Presets. Darunter findet man das FX-Routing. Es stehen wieder zwei FX-Busse zur Verfügung, die parallel wie auch seriell genutzt werden können.

Den Abschluss macht dann die Master-Anzeige, bei der sich auch die Einstellungen für Oversampling und Anzahl der Stimmen befinden

Links findet sich die Auswahl der verschiedenen Modulatoren, seien es zyklische oder eingabegesteuerte. Dawesome Kult ist voll MPE-kompatibel.

Den Abschluss macht am unteren Rand des Plug-ins die Übersicht über die eingehenden Noten, samt Anzeige von Poly- oder Channel-Aftetouch. Auch Mono- und Glissando-Modes sowie Pitchbend-Einstellungen sind hier zu finden.

Die (Cha-) Oszillatoren von Dawesome Kult

Am prominentesten sind die beiden animierten (Cha-) Oszillator-Darstellungen. Dass sie mehr als ein Blickfang sind, werden wir gleich noch sehen. Durch einen Links-Klick kann man eines von 35 Oszillator-Modellen auswählen. Manche tragen singstiftende Namen wie z. B. „Gritty“, manche eher generische Bezeichnungen wie „Lorenz 01“ oder „Lorenz 02“.

Aber auch hinter dem Modell „Saw“ steckt mehr als nur eine schnöde Sägezahnschwingunsform. Schaut man sich die Schwingungsform an, so hat diese sogar eher weniger mit einem Sägezahn zu tun.

In den Haupteinstellungen können jedem beliebigen Modell „Saw- oder Square-ifizierungen“ beigebracht werden. Im Endeffekt steuert man damit die Balance des Obertongehaltes. Bei rauschhaften Generatoren kann man hier allerdings nicht viel erreichen.

Mit F- bzw- S-Shift kann man leichte Schwebungen, aber auch unharmonische Anteile einstreuen. Der Parameter „Phase“ kommt vor allem Presets zugute, die beide Oszillatoren nutzen.

Die Feineinstellungen beherbergen dann vor allem FM- und AM-Modulation sowie ein Formantfilter. Mit FM ist hier kein Mehroperatoren-FM gemeint. Es gibt lediglich eine Ratio- und eine Ammount-Einstellung. Über einen eigenen LFO kann die FM-Ratio mit bis zu 64 Hz moduliert werden. Und hier kann auch besonders schön die Oszillator-Darstellung als optischer Gradmesser für den FM-Effekt genutzt werden. Man sieht deutlich, wie durch das Hinzufügen von FM die Obertöne angereichert werden. Der AM-LFO teicht sogar bis 5 kHz, beide LFOs können zur Clock synchronisiert werden.

Dawesome Kult - FX routing

Durch die Unison-Einstellungen kann jeden Oszillator mit bis zu fünf Kompagnons gepaart werden. Spielt man beide Oszillatoren mit einer fünffachen Unison und dazu noch lang ausklingende Akkorde, kann die Stimmenanzahl leicht nach oben schnellen. Aller DSP-Optimierungen zum Trotz, kommen hier ältere Rechner leicht ins Schwitzen. Damit auch Nutzer solcher Systeme in den Genuss von Dawesome Kult kommen, kann man die Stimmenanzahl reduzieren. Ein Algorithmus bestimmt dabei, welche Stimmen ausgeblendet werden können, ohne das Klangergebnis zu sehr zu beeinflussen.

Wichtig ist auch die Einstellung des Anteils des Oszillators, der an die Filter weitergegeben wird. So können auch ungefilterte Anteile direkt an die FX-Sektion weitergegeben werden.

Im Gegensatz zu Novum, kann man beinahe jeden Aspekt der Klangerzeugung als Teil-Preset speichern. Das betrifft die Oszillator- sowie die Filter- und Arpeggio-Einstellungen.

Modulation und Effekte von Dawesome Kult

Die Modulations- und die FX-Sektion sind mit der von Novum beinahe identisch. Warum auch nicht – ich fand sie damals schon optimal und heute auch noch. Dennoch eine kleine Zusammenfassung.

Es stehen verschiedene Modulatoren zur Auswahl, wobei eben auch der MPE-Standard voll unterstützt wird. Als zyklische Modulatoren kommen ein LFO, Random und ein Step-Sequencer zum Einsatz. Der ADSR lässt sich nicht leider nicht loopen, kann dafür aber als Sub-Preset abgespoeichert werden und der LFO ist freihändig zeichenbar Ich hätte mit auch für die anderen Modulatoren Sub-Presets gewünscht, was gerade bei dem Step-Modulator von Vorteil gewesen wäre.

Dawesome Kult - fx auswahl

Die FX des Dawesome Kult sind vor allem mit Reverbs gut ausgestattet, gleich drei Typen gibt es: Reverb, Clouds und Shimmer. Dazu kommen ein Delay, ein Phaser, ein Chorus und ein Channel-EQ. Das wirklich Interessante ist, dass alle Parameter der Effekte moduliert werden können – so wird also auch bei Dawesome Kult die Effektsektion integraler Bestandteil der Klangerzeugung.

Und auch wie bei Novum können die Parameter der Modulatoren selbst wieder moduliert werden. Den Möglichkeiten sind also kaum Grenzen gesetzt.

Klang und Bedienung von Dawesome Kult

Beim ersten Durchhören der Factory-Presets war ich schon recht angetan; die Klänge sind durchsetzungsfähig und zeigen deutlich, dass das Konzept mit den Chaos-Oszillatoren aufgeht. Der richtige Aha-Effekt kam aber erst beim Erstellen eigener Presets. Jedes Oszillator-Modell hat so seine Eigenheiten und bereits mit ganz wenig Einstellungen entstehen organisch evolvierende Klänge. Nach einer Weile ertappt man sich beim Optimieren hier und einer Feineinstellung dort und hat nach kurzer Zeit schon eine kleine User-Library erstellt. Weniger ist hier mehr und ich sehe Dawesome Kult auch weniger als Generator für Leads und krasse Bässe, obwohl das natürlich möglich ist.

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Fazit

Die Stärke von Dawesome Kult sind organische mutierende Klanggebilde, die leicht den Sweetspot zwischen tonal und geräuschhaft treffen. Gekoppelt mit ein paar sanften Modulationen und vor allem mit einem MPE-fähigen Eingagabegerät sprudeln Flächen, Drones und sich verändernde Klanggebilde nur so aus dem Plug-in heraus.

Dabei ist Dawesome Kult eins nicht: „fett analog“ – und will es auch gar nicht sein. Der Soft-Synthesizer hat einen starken Sinn von der eigenen Identität und klingt durchaus „digital“ im besten Sinne. Ecken kann man jederzeit mit den Filtermodellen abschleifen, deren Kombination und Modulation auch zur Klangerzeugung beitragen. Für mich war Dawesome Kult ein klassischer „Slow-Burner“, im Gegensatz zu Novum – es ist aber ein genauso durchdachter und gut klingender Synthesizer.

Plus

  • komplexe Klänge lassen sich schnell erstellen
  • umfangreiche Modulation möglich
  • tanzende Sterne

Preis

  • 129,- USD
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    ralf32

    Bei mir war es genau andersrum: Mit Novum kann ich nicht recht was anfangen, aber Kult hat es mir sofort angetan. Lediglich eine Randomisierug (wenigstens einiger Parameter) wie bei Abyss fehlt mir. Leider scheint mir, dass die Synths von Dawesome nicht wirklich weiterentwicklet werden, sobald sie einmal veröffentlicht sind. Und von mir aus müsste nicht bei jedem Synth die GUI für z. B. die Modulation neu erfunden werden ;-)

    • Profilbild
      Svenson73

      @ralf32 In einem Forum (vi-kontrol.net) gibt es einen Thread, in dem Peter Vorländer angibt Updates für Abyss und Novum zu planen ohne allerdings weiter konkret zu werden. Die Random Funktion (aller möglichen Parameter) ist doch vorhanden: in der linken Spalte aufrufbar.

      • Profilbild
        ralf32

        @Svenson73 Ich meinte nicht eine zufällige Modulation von mir zu bestimmender Parameter, sondern eine Generierung neuer Patches durch Zufallsauswahl eines Sets von Parametern, u. a. der Oszillatoren. So, wie es beispielsweise bei Generate gelöst ist.

  2. Profilbild
    Svenson73

    Neben Abyss und Novum macht mir das Soundschrauben mit Kult besonders viel Spaß. ich finde ja, dass gerade Kult besonders für Leads und Bässe geeignet ist… Abyss und Novum dafür mehr für Flächensounds. Ich halte Kult im Moment für das gelungenste der genannten Drei, alleine schon weil die Oszillatoren visuell darstellen, was passiert. Macht unheimlich viel Spaß, wenn es gelingt dem Chaos schöne und zarte Töne zu entlocken.

  3. Profilbild
    swissdoc RED

    >> Manche [der Modelle] tragen singstiftende Namen wie z. B. „Gritty“, manche eher generische Bezeichnungen wie „Lorenz 01“ oder „Lorenz 02“.
     
    Schöner Vertipper von „sinnstiftend“ zu „singstiftend“. Lorenz oder auch Chua weisen natürlich auf das nichtlineare dynamische System hin, das hier jeweils als Model dient. Wobei vom Lorenz-Attraktor ja am Anfang berichtet wird.
     
    Schade, dass es keine Klangbeispiele gibt.

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