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Test: Dean Guitars ML Select Quilt Top OB, E-Gitarre

Die blaue Axt im Walde!

5. Juli 2020

Bekanntermaßen liegt die Schönheit bzw. Hässlichkeit eines Objektes im Auge des Betrachters. Es ist auch wahrlich nicht an mir, für die Allgemeinheit zu beurteilen, in wie weit die Dean Guitars ML Select Quilt Top OB mehr dem einen oder anderen Lager zuzuordnen ist. Ich kann nur sagen, sollte es eine Rangliste der polarisierendsten Gitarrenformen und Farben geben, so wäre das zum Test vorliegende Modell, zusammen mit den Quietscheentchen-Lackierungen der Ibanez RG Serie und evtl. einiger B.C.Rich Formgebungen nebst Massaker-Lackierung die hoffnungsvollsten Kandidaten für den ersten Platz.

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Vom tragischen Legendenstatus

Vielleicht vom Status einer Les Paul abgesehen, gibt es wohl keine Gitarrenform weltweit, die so sehr mit einem Künstler in Verbindung gebracht wird wie die ML Serie, die 1976 von Dean Zelinsky entworfen wurde. Die Rede ist von Darrell Lance Abbott, die es mit seiner Band Pantera bis 1992 unter dem Namen „Diamond Darrell“, später dann unter „Dimebag Darrell,“ in Metal-Kreisen zu Weltruhm brachte. Der oft von Musikern bemühte Satz „Ich möchte während einer Show auf der Bühne tot umfallen“ wurde bei DD leider unter tragischen Umständen tatsächlich in die Tat umgesetzt, indem er am 8. Dezember 2004 bei einem Konzert seiner damaligen Band Damageplan im „Alrosa Villa Club“ in Columbus von Nathan Gale aus Marysville, Ohio mit mindestens vier Schüssen erschossen wurde.

Dean Guitars ML Select Quilt Top OB Test

Dean Guitars ML Select Quilt Top OB – Front

Auch wenn Abbott mit Pantera nach außen hin dem geneigten Metal-Fan primär durch exzessive Saufgelage, durchgeknallte Tourvideos und drogengeschwängerte Performances wahrgenommen wurde, zeichnete sich der Gitarrist nicht nur durch einige weltberühmte Metal-Riffs, sondern jenseits des Metal-Kasperletheaters auch durch eine hervorragende Spieltechnik aus, die weit über die musikalisch festgelegte Limitierung seiner Hausband hinausging. Legendär ist ebenso sein höhenlastiger, kratziger Transistoramp-Gitarrensound, den er in Zusammenarbeit mit Randall Warhead Topteilen erzeugte und der mit Recht zu den furchtbarsten Gitarrensounds zählt, die je auf das menschliche Ohr losgelassen wurden. Als Paradebeispiel gilt die Scheibe „Cowboys From Hell“, bei der herausragende Metal-Arrangements und hervorragende Gitarrenarbeit auf einen Gitarrensound treffen, der an undynamischem Gekratze nicht zu überbieten ist. Noch nie waren handwerkliches Können und grauenhafter Sound so diametral von einander entfernt.

https://youtu.be/gkqSCaMBERQ

 

Die Konstruktion der Dean Guitars ML Select Quilt Top OB

Losgelöst von der optischen Komponente muss man die Gitarrenform der Dean Guitars ML Select Quilt Top OB wahrlich als einzigartig bezeichnen. Noch zu Lebzeiten von DD wechselten die Auswertungsrechte bzgl. der Korpusform, diee anmutet, als wäre sie aus einem Hinterhof Techtelmechtel zwischen einer Flying V und einer Explorer entstanden, zwischen den Firmen Dean und Washburn hin und her, je nachdem, welche Firma die beste Umsatzbeteiligung für den Künstler generieren konnte. Aktuell liegen die Rechte erneut bei Dean Guitars, was das Unternehmen mit einer reichhaltigen Auswahl auf seiner Website dokumentiert.

Dean Guitars ML Select Quilt Top OB Test

Dean Guitars ML Select Quilt Top OB – Rückseite

Neben den deutlich teureren USA-Modellen bietet das Unternehmen auch eine moderate Preisversion an, die einmal mehr in Indonesien gefertigt wird. Man hat ohnehin den Eindruck, Indonesien sei bei der Instrumentenfertigung das neue China, wahrscheinlich da die Lohnkosten in China in den letzten Jahren ebenfalls ständig gestiegen sind und man nunmehr auf das nächstniedrigere Lohnniveau umsteigt.

Nimmt man das Instrument das erste Mal auf dem Koffer, kommt man nicht umhin zu überprüfen, ob Dean nicht eventuell aus Versehen einen E-Bass in den Pappkarton gepackt haben. Die Gitarre ist nicht groß, die Gitarre ist riesig! Stellt man die Gitarre auf den Boden, misst das gesamte Maß der Gitarre 116 (!) cm. Zum Vergleich, eine Standard Strat bringt es gerade einmal auf 99 cm. Ich wage zu behaupten, dass lediglich meine Doublenecks noch mehr Holz auf der gleichen Quadratmeterzahl anführen als die Dean Guitars ML Select Quilt Top OB, was nicht nur dem Korpus, sondern auch der überdimensionalen, markanten Kopfplatte geschuldet ist. Der passende Koffer, den man getrennt erwerben kann, hinterlässt dann auch mehr den Eindruck eines transportablen Billardtisches als den eines Gitarrenkoffers.

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Dean Guitars ML Select Quilt Top OB Test

Dean Guitars ML Select Quilt Top OB – Kopfplatte

Hat man den Klotz erst einmal aus der Verpackung geschält, folgt der zweite Hammer in Form der Lackierung. Man kann sich nicht ganz des Eindrucks erwehren, dass Dean Guitars einmal ausloten möchte, wie weit sie den Bogen im Bezug auf die Kundenakzeptanz spannen können. Die als „Oceanburst“ bezeichnete Lackierung, die laut eines Kollegen „etwas von einem Schwimmbad hat“ ist der Blichfang schlechthin und setzt in Zusammenspiel mit der ohnehin ausgefallenen Korpusform in Sachen Polarisierung dem Ganzen die Krone auf. Die Ahorn-Decke hat allerdings nur Furnier-Charakter und kann sich so nicht aktiv in das Schwingungsverhalten einbringen. Sie ist übrigens nicht gewölbt, sondern absolut flach.

Trotz der riesigen Abmessungen bringt das Instrument nur knapp 3,3 kg auf die Waage, was dafür spricht, dass das Mahagoni, das für Hals und Korpus verwendet wurde, ein sehr leichtes ist. Bereits die ersten Töne, die ich auf dem Instrument angeschlagen habe, lassen in Sachen Sustain auf einen durchgehenden Hals mit angeleimten Seitenteilen schließen, was sich auch als richtig herausstellte. Interessanterweise kommt bei dem riesigen Instrument nur eine kurze Mensur von 629 mm zum Einsatz, vielleicht weil DD diese Mensur bevorzugte, vielleicht aber auch, um nicht noch 2 cm an Länge oben drauf zu packen.

Dean Guitars ML Select Quilt Top OB Test

Dean Guitars ML Select Quilt Top OB – Decke

Das aus Ebenholz gefertigte Griffbrett ist mit 22 Jumbo-Bünden versehen und wurde weiß eingefasst. Apropos Einfassung: Trotz des vergleichsweise geringen Preises wurde das Instrument mit einem 5-fachen W/B/W/B/W-Binding versehen, eine Arbeit, die nicht von einem Roboter gemacht werden kann und deshalb ordentlich auf die Fertigungskosten drückt.

Die gesamte Hardware ist in Schwarz ausgeführt, die Tuner stammen von Grover. Als geschmackvolle (ja, das Instrument hat optisch auch sehr homogene Züge) Weiterführung des weißen Bindings und der schwarzen Hardware hat man einen Seymour Duncan APH1 Custom Zebra am Hals und einen Seymour Duncan SH-5 Custom Zebra an der Brücke verbaut, die mit ihren jeweils unterschiedlich gefärbten Spulen an die glorreiche Gibson Vergangenheit der späten Fünfziger erinnert und die schwarz-weiße Ausrichtung fortführt. Die Elektrik ist relativ schlicht aufgebaut, 2x Volume, 1x Tone und ein Dreiwegeschalter, fertig.

Dean Guitars ML Select Quilt Top OB Test

Dean Guitars ML Select Quilt Top OB – Kopfplattenrückseite

Die Dean Guitars ML Select Quilt Top OB in der Praxis

Eigentlich müsste man sich einmal den Spaß machen und bei der örtlichen Alte-Herren-Blues-Kapelle mit dieser Gitarre auflaufen. Das Entsetzen im Proberaum dürfte man mit Händen greifen können. Wer mit einem solchen Shaping aufläuft, macht sofort klar, worum es geht. Wenn diese Gitarre überhaupt irgendwann einmal clean gespielt wird, dann nur für ein Intro oder einen C-Teil, ansonsten dürften hier die Halbwellen im rechten Winkel abgeschnitten werden. Kein Crunch-, nicht mal ein Lead-Sound wird hier angestrebt, sondern nur High-Gain.

Obwohl, man tut der Gitarre Unrecht mit dieser Vorverurteilung. Der durchgehende Hals offeriert ein sehr gutes Schwingungsverhalten und auch die Seymour Duncan Pickups können bei Leibe auch anders als nur volle Möhre, nur wird es wahrscheinlich niemanden interessieren. Augen hören mehr und so muss sich die Dean Guitars ML Select Quilt Top OB primär im High-Gain-Bereich messen lassen und so viel sei vorweg genommen, sie enttäuscht wahrlich nicht.

Wieder einmal schafft es die indonesische Fertigung, ein Instrument auf den Markt zu bringen, das deutlich besser verarbeitet ist und auch besser klingt, als es der Ladenpreis vermuten lässt. Wer High-Gain mit passiven Pickups mag, ist hier genau an der richtigen Adresse, insbesondere wenn es um einen kräftigen Höhenanteil geht. Bekanntermaßen klingen passive Pickups im High-Gain gerne etwas „ruppiger“ und „unlinearer“ als ihre aktiven Konkurrenten, was u. a. zu einem völlig anderen Klangbild führt.

Wenngleich es dem Alnico Vertreter am Hals ein wenig an Charakter mangelt, kann die Steg Variante in Sachen Biss und Druck völlig überzeugen. Das Instrument schwingt allein schon aufgrund der schieren Masse und des durchgehenden Halses sehr gut und wird viele Metaller glücklich machen, sofern sie 180 cm oder größer sind. Allein die Vorstellung, Angus Young würde sich eine solche Gitarre umhängen, sorgt für einen massiven Lachanfall.

Dean Guitars ML Select Quilt Top OB Test

Dean Guitars ML Select Quilt Top OB im Einsatz

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Fazit

Mit der Dean Guitars ML Select Quilt Top OB hat die Pantera Hausmarke ein günstiges Modell mit einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis am Start. Das Instrument überzeugt mit einer sehr guten Verarbeitung, einem exzellenten Schwingungsverhalten und einem durchsetzungsstarken High-Gain-Sound, wie man ihn für diese Korpusform benötigt.

Plus

  • Schwingungsverhalten
  • Verarbeitung
  • extravagante Optik

Preis

  • 828,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Au, Backe…. die Gitarren im Pantera Track klingen wirklich wie Omas Küchenradio.
    Die getestete Axt klingt allerdings okay.
    Wobei sie mich optisch an eine Hightechkeule von ’nem subterranen kiemenatmenden Comichelden a la Meerjungfraumann, Blaubarschbube , Aquaman usw. erinnert. Quasi so’n mutierter Dreizack .

    • Profilbild
      AMAZONA Archiv

      @SymOjupiter jetzt bin ich neugierig. Ansonsten hätte ich gerne eine Ibanez Destroyer mit dieser Lackierung.

      • Profilbild
        SymOjupiter

        Besser hätte man das Aussehen der Gitarre glaub ich nicht beschreiben können.
        Soweit ich mich erinnere stand da „Wie ein Liebesakt im Swimmingpool“.
        Aber nagel mich nicht (so) fest… ;-)

  2. Profilbild
    qbor

    Du hast ja wohl voll den Plan, oder? Der Typ war Anfang der 90er unterwegs, und hat mit seinem „Küchenradio“-Sound Geschichte geschrieben.. Einfach virtuos, forever! So einen Typ hast du hier nicht negativ zu beurteilen!

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