101, 303, 707, 808, 909 und MPC in einem
Dmitrij Pavlov Groove Rider 2 ist die neue Grooveboxen-App für das iPad ab iPadOS 16 (oder neuer). Dmitrij Pavlov aka Jim Audio, der mit seit seinem Poison 202 Synthesizer (Roland SH-101 Emulation) 2016 die iOS-Entwicklerbühne betrat (Amazona.de berichtete), hat sich, so wie es aussieht, voll und ganz dem Acid-, Rave- und Electro-Sound der 1990er verschrieben. Seine weiteren Apps Groove Rider 16 (MPC) und Pure Acid, eine 303/707/808/909-Emulations-Groovebox, deuten zumindest darauf hin, wie auch seine The Prodigy Sound-Deconstruction-Videos auf YouTube.
Groove Rider 2 stellt nun quasi die Konvergenz all seines Schaffen dar, denn die neue App ist Groove Rider, Poison 202 und Pure Acid in einem und zusammen mit einem Sequencer und Clip-Launcher ausgestattet.
Inhaltsverzeichnis
Aufbau
Dmitrij Pavlov Groove Rider 2 ist eine Groovebox mit 16 Tracks, die die internen Klangerzeuger, bestehend aus Sampler und Synthesizern, als AUv3-Plug-ins laden kann. Dadurch büßt die App aber auch leider die Fähigkeit ein, selbst als Plug-in in anderen DAW-Hosts geladen werden zu können, wie es mit Groove Rider 16 möglich war. Version 2 gibt es nur noch als Standalone-App.
Prinzipiell ist die Struktur der Bedienung nach im modernen MPC-Style aufgebaut, aber Dmitrij Pavlov hat sich massiv ins Zeug gelegt, um das Komponieren so einfach wie möglich zu gestalten.
Klangerzeugung
Der erste Reiter auf dem SOUND-Panel heißt PARTS und ist entsprechend den 16 Pads zugewiesen. Der wichtigste Teil ist hier PART-TYPE mit den folgenden drei Optionen: PURE ACID DRUM aktiviert die X0X-Emulation von Pure Acid, wenn die originale App auf dem System integriert ist, während DRUM-RACK auf beliebige Samples zurückgreift. Ein nettes Feature bei den Pure Acid Drum ist, dass jeder der 16 Sounds individuell auf die beiden Send-Busse und die drei Panel-eigenen Effekte geroutet werden kann.
Daneben gibt es noch den Track-Typ MELODIC. Hier kann entweder ein interner subtraktiver Synthesizer mit zwei Oszillatoren, inklusive Cross-Modulation und Super-Saw, ein Sampler, der auch aufnehmen kann, ein Wavetable-Oszillator, ein Soundfont-Player, die 303-Emulation von Pure Acid Bass, die Sound-Engine von Poison 202 (ebenfalls nur, wenn die originale App vorhanden ist) oder ein beliebiger AUv3-Klangerzeuger oder MIDI-Effekt geladen werden.
Sind die Apps Pure Acid (14,99 Euro) und Poison 202 (9,99 Euro) nicht separat erworben worden, stehen sie nur als 5-Tage-Demo zu Verfügung.
Das ist bei einem Grundpreis von 40,- Euro etwas irritierend, aber zumindest garantiert es die weitere Produktpflege dieser genialen Apps.
Beim Einsatz von AUv3-Instrumenten stellt Groove Rider 2 neun Parameter „intelligent“ zusammen und stellt sie im eigenen Panel dar, ohne das Plug-in extra öffnen zu müssen. Sollte das aber nicht reichen, lässt sich selbstverständlich auch dessen komplette Oberfläche darstellen.
Dazu gibt es standardmäßig ein internes Multimode-Filter, eine ADSR-Hüllkurve mit Pitch und einen LFO mit acht Schwingungsformen, die aber sehr flexibel angepasst werden können. All das bietet ein einziges von insgesamt drei MELODIC-Layern, die aktiv sein können. Jede der drei Ebenen bietet auch einen eigenen Mix-Regler, der bestimmt, wie viel „Klang“ in die gemeinsame Effekt-Sektion geht.
Hier stehen in drei Insert-Plätzen über vierzig interne Minieffekte bereit. Von diversen Delays, Phasern über Filter, Verzerrern bis hin zu Slicern und Kompressoren. Die Layer-Effekte sind simpel mit X/Y-Parametern ausgelegt. Es gibt aber auch noch die Haupteffektseite.
Noch eine Anmerkung zu Pure Acis Bass: Es gibt hier keine spezielle Darstellung mehr wie in der App, was die essentiellen 303-Parameter Glide und Accent angeht. Accent wird hier über die MIDI-Velocity 1-99 für unakzentuierte Noten und 100 bis 127 für akzentuierte Noten verwendet.
Am Ende der Signalkette des Layers bzw. der Spur gibt es dann noch einen 3-Band-EQ und eine Mixer-Sektion mit zwei Send-Bussen.
Über eine Kleinigkeit bin ich allerdings gestolpert. Die Pop-up-Menüs öffnen sich allesamt erst über eine ungewöhnlich lange Halten-Geste. Das hatte mich anfangs irritiert und ich dachte, die App funktioniere nicht. Ist aber tatsächlich ein Feature.
CLIPS
In diesem Panel werden die MIDI-Patterns organisiert. Pro Spur können 16 Clips aufgerufen werden. Mit der Halten-Geste werden hier Clips verwaltet (kopieren, löschen etc.). Über das Zahnradsymbol (ganz klein links oben in der Ecke) wird die Ansicht umgeschaltet und es kann per Halten-Geste ein Menü zur Clip-Abfolge geöffnet werden. Die Sequenz muss also nicht immer nur stur von 1 bis 16 ablaufen.
EDIT
Im Piano-Roll-Editor können Noten entweder einzeln gesetzt und editiert oder live eingespielt werden. Nachträgliches Editieren ist durch Auswählen und den Touch-Strips MOVE (bewegen), LENGTH (Notenlänge) MIDI-Velocity, Tonhöhe, Wahrscheinlichkeit und Note-Repeat möglich. Man kann die Noten aber auch einfach per Ziehen-Geste bewegen.
Ein 2-Finger-Zoom als Editierhilfe ist ebenso vorhanden wie Optionen für Quantisierung von Timing, Tonart, Taktraster und Verwaltung.
Parameter-Automation kann ganz leicht eingefügt werden, indem ein Clip oder der Song-Modus ausgewählt wird, anschließend auf Aufnahme und dann der gewünschte Regler betätigt wird. Danach weist der Clip ein kleines „A“-Symbol auf und die Automation kann in der EDIT-Ansicht bearbeitet werden. Hier muss man aufpassen, wo man die Automation hinschreibt, denn Clip-Automation und Song-Automation sind unterschiedlich.
Die Genauigkeit der Automation ist in Freihand oder im Taktraster möglich, was Beat-genaue Automationen ermöglicht.
SONG-Modus
Wenn’s es etwas mehr sein darf als Clips, lässt sich hier wie in einer üblichen seriellen DAW arbeiten. Einfach durch Doppeltippen eine neue MIDI-Region erzeugen und beliebig in der Länge verändern und dann den Inhalt editieren. Die Songs können beliebig lang sein, d. h. bei ca. 4.000 Takten habe ich aufgehört zu zählen. Nur das Scrollen per Ziehen wird dann halt mühselig. Hier könnte noch eine schnellere (Sprung-) Navigation hilfreich sein. Ein absoluter Rollbacken wäre hier ebenfalls sehr hilfreich.
FX-BUSSES
Hier stehen zwei Send-Effekt-Sektionen zur Verfügung, die zusammen in einen Master-Effekt gespeist werden. Jeweils mit einer eigenen Kette aus drei Effekten und es können neben den genannten internen Effekte auch AUv3-Plug-ins geladen werden.
Aber es geht noch weiter. Die Send-Effekte können auf drei Mix-Bussen durch drei weitere Insert-Effekte oder wahlweise direkt auf die Effekte des Master-Busses geroutet werden. Weiterhin können die drei Insert-Effekte seriell, parallel oder separat auf die drei Effekte der Master-Effektkette geroutet werden. Damit bietet Dmitrij Pavlov Groove Rider 2 bis zu vier unabhängige Effektinstanzen.
Das dabei, zumindest ohne externe Plug-ins, die CPU-Auslastung selbst auf einem iPad Pro 1st Gen mit A9X kaum 25 % erreicht, ist da schon beeindruckend. Auf dem M2 iPro (6th Gen) nochmal deutlich weniger.
Allerdings ist bei Einsatz von AUv3 anscheinend noch etwas Code-Optimierung nötig, denn diese zerren ganz ordentlich am CPU-Meter.
MIXER
Hier wird das Gesamtkunstwerk mit Panning, Send-Bus-Einstellungen und einen 3-Band-EQ abgemischt. Nicht mehr, nicht weniger.
PADS und TRIGGERS
Die untere Hälfte der Bedienoberfläche gehört den Pads, die verschiedene Spielmodi bieten. TRIGGER dient zur Auswahl der Spuren, während KEYS (bietet auch eine Klaviatur) und CHORDS für den melodischen Teil zuständig sind.
STEPS ist nur im Edit-Panel aktiv und erlaubt die Schrittprogrammierung. Das erste Pad legt dabei die Note fest und ein De-/Aktivieren der Pads legt die Noten der Sequenz fest. Damit kann wirklich jeder etwas komponieren. Mit JUMP lässt sich ein globaler Stotter-/Break-Effekt erzeugen.
Einzel-Patterns von Groove Rider GR 16 können direkt über die Share-Funktion in Groove Rider 2 übernommen werden.
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Ich war und bin mit dem Vorgänger GR16 immer noch höchst zufrieden, so dass ich nicht wirklich eine Motivation habe 40 € auszugeben auch wenn die Feature Liste natürlich massiv erweitert wurde.
Angesichts der Halbwertszeit von iOS Apps finde ich den Preis problematisch, natürlich nicht im Gegenwert des gebotenen. Ich finde schade, dass alte Besitzer kein Cross Grade machen können.
@HOLODECK Sven Hi Holodeck Sven,
Vielleicht wäre es besser gewesen Jim hätte die App komplett anders benannt. Durch meine Erfahungen mit GR 16 und GR 2 kann ich eigentlich nur bekräftigen, dass es eigentlich zwei völlig unterschiedliche Apps mit völlig unterschiedlichen Zielsetzungen sind. Die Namensgleichheit steht da eher im Weg dieser Erkenntnis.
Hätte ich ich eigentlich noch im Test schreiben können.
greetz,
M.
grooverider ist übrigens auch eine Legende im drum and Bass, wer es nicht weiß .😎
in gr16 konnte man alle soundeinstellungen der parts im pattern automatisch speichern.
das war der hauptvorteil wie bei roland korg etc.
da das jetzt daw orientiert ist , geht das wohl nicht mehr ,oder nur umständlich
über clip soundvariation abruf.
das ist natürlich sehr umständlich vom workflow und nicht intuitiv.
vor allem wenn man schnell was dreht für variation.
jedenfals hab ich im handbuch darüber nichts gefunden.
damit wäre dann auch die automation destruktiv.
weil der letzte wert stehen bleibt.
auch gibs dann kein gr16 patte import auser noten.
@kritik katze Hi,
ja das stimmt. Das Herz von GR16 war das Pattern-Chaining, von denen jedes komplett anders sein konnte. Das geht bei GR2 nur noch als „Live-Performance“ d.h. als Auswahl im Pattern-Browser. Auch Änderungen am Sound müssen nun über die Clip-Automation gemacht werden.
Wie weiter oben geeschrieben, hätte ich wohl mehr herausstellen sollen, wie wenig die Apps eigentlich noch gemeinsam haben.
greetz,
Markus
@Markus Schroeder .
also könnte ich dennoch soundänderungen ohne automation im gesamt pattern speichen?
aber wie soll ich das verstehen?
wenn ich im clip automatisiere, ist dann der letzte wert stehenbleibend in anderen clips?
und wird in den clips vom anderen pattern die soundänderung übernommen? .
ist das vergleichbar mit digitakt 2 performance nur umgekehrt?
oder wie bei der mc707 ,
wo ich track oder clips einstellen kann´und bei clips dann veränderte sounds
im clip bleiben.?
eine lineare groovebox ohne soundvariation für jedes pattern wäre langweilig.
das hat mich schon bei den mpcs genervt.