Mini-Mikrofone im Tonstudio-Einsatz
Mit dem DPA CORE 4060 Stereo-Kit kommt heute ein sehr spezielles Mikrofon-Set unter die Lupe. Es handelt sich dabei um vielseitig einsetzbare Miniaturmikrofone mit jeder Menge Zubehör, mit denen man für die verschiedensten Aufnahmesituationen im Studio gewappnet ist.
Bis vor einiger Zeit war mir DPA hauptsächlich als ein spezialisierter Mikrofon-Anbieter im Entertainment-Bereich ein Begriff. Dort ist es wichtig, mit besonders kleinen Mikros zu arbeiten, die sich unbemerkt in der Kleidung oder im Haar von Schauspielern verbergen lassen. Erst Ende letzten Jahres ist DPA in dieser Hinsicht ein technologischer Meilenstein geglückt.
Mit der neuen d:screet bzw. d:fine 6000er Serie wurden Mikrofone vorgestellt, deren Membranfläche nur noch 3 mm misst. (Zum Vergleich: ein Großmembranmikrofon hat einen Membrandurchmesser von mindestens 2,5 cm!) Trotzdem besitzen sie sehr gute klangliche Eigenschaften und Rauschwerte, die ein professionelles Arbeiten ermöglichen. Auch die DPA CORE-Technologie, die für einen erweiterten Dynamikbereich sorgt, konnte durch fortschreitende Miniaturisierung in dem winzigen Kapselgehäuse verbaut werden. Für alle von euch, denen DPA noch kein Begriff ist, kann ich das Special über den Besuch bei DPA Microphones in Dänemark ans Herz legen.
Dänischer Alleskönner – das DPA CORE 4060 Stereo-Kit
Geliefert wird das DPA d:screet CORE 4060 Stereo-Kit in einem stabilen Etui, das sowohl Platz für die Mikrofone als auch das gesamte Zubehör bietet – und davon gibt es reichlich.
Neben zwei 4060 Lavaliermikrofonen mit 1,8 m Kabel gibt es zwei XLR-Adapter des Typs DAD 6001 inklusive abnehmbarem Gürtelclip dazu. Bei Bedarf lässt sich übrigens auch eine XLR-Variante mit integriertem Low-Cut-Filter (DAD 4099) bestellen. Per Microdot-Anschluss werden die XLR-Stecker mit dem Kabel verbunden. Wer andere Anschlüsse als XLR benötigt, kann im DPA-Shop auf eine breite Palette an Alternativen zurückgreifen. Dort finden sich neben 3-Pin Lemo, Mini-Klinke, Hirose und TA4F Mini-XLR viele Adapter weiterer Hersteller.
Auch zwei Gummiplatten (BLM-6000B) sind im Lieferumfang enthalten, die die Mikrofone in Grenzflächenmikrofone verwandeln. Dafür wird der Kapselkorb abgenommen, die Mikrofonkapsel einfach auf der Unterseite der Gummiplatte eingesteckt und das Kabel entlang der Aussparung eingelegt. Genial einfach, zumal sich das Anwendungsgebiet dadurch enorm vergrößert. Hinzu kommen noch zwei Halter für die Verwendung an Streichinstrumenten, fünf Halter, die sich mithilfe von doppelseitigem Klebeband (ebenfalls mitgeliefert) einfach an einer Schallquelle befestigen lassen, zwei Magnethalter (die vor allem am Klavier sehr praktisch sind) sowie fünf schwarze Popschutzfilter aus Schaumstoff.
Egal ob Etui, Aufbewahrungsboxen, Stecker, Adapter oder die Mikrofone selbst, die Verarbeitung ist in allen Belangen wirklich hervorragend. Mit dem DPA d:screet CORE 4060 Stereo-Kit erhält man ein hochwertiges und bis ins letzte Detail durchdachtes Aufnahme-Set. Wem der Lieferumfang noch nicht genügt, der kann sich an der ausgesprochen reichen Zubehörpalette von DPA bedienen und verschiedenste Adapter und Halterungen für die d:screet CORE 4060 Serie bestellen.
Als Dokumentation legt DPA zwei kleine Flyer, bei die auf Links im Internet verweisen. Hier gäbe es auf jeden Fall Potenzial mit etwas ausführlicheren Infos und praktischen Anwendungstipps, die Kreativität von Toningenieuren und Produzenten anzustoßen. Ich persönlich lese gerne gehaltvolle Handbücher, wobei man auf diesem Wege natürlich Papier spart und Gutes für die Umwelt tut. Die kostenlose Mic University auf der DPA Website ist übrigens sehr umfangreich aufgebaut und absolut empfehlenswert.
DPA d:screet CORE 4060 – technische Daten
Beim hier vorliegenden DPA d:screet CORE 4060 haben wir es mit Mikrofonen mit Kugel-Charakteristik zu tun. Die Kapsel ist mit 5 mm sehr klein und vom Aufbau her identisch zu jenem Modell, das auch in der d:vote CORE 4099 Serie zum Einsatz kommt. Bei dieser Mikrofonreihe (hier zum Test), handelt es sich um Supernieren-Mikrofone, bei der die engere Richtcharakteristik durch einen speziellen Kapselaufsatz erzielt wurde. Sie werden mit individuellen Adaptern für verschiedenste Instrumente ausgeliefert und die Kapsel lässt sich durch ihre klangliche Neutralität an vielen Quellen einsetzen. Egal ob Toms, Bass-Drums, Violine oder Trompete, es gibt kaum ein Instrument, für das sich ein d:vote CORE 4099 Serie nicht anbieten würde. Anfang Juni wurde übrigens sogar ein eigenes Modell für Choraufnahmen vorgestellt, das auf den Namen d:sign 4097 CORE hört und mit einer eleganten, leichten Stativ-Lösung aufwarten lässt.
Als Kondensatormikrofon benötigen die d:screet CORE 4060 Mikros natürlich Phantomspannung, wobei sie sich bei diesem Thema sehr flexibel zeigen und für eine Reihe von Optionen kompatibel sind. Bei Funkstrecken arbeiten sie bereits ab 3 Volt. Bei gewöhnlicher Phantomspannung arbeiten sie im Bereich zwischen 44 und 52 Volt innerhalb der technischen Spezifikationen. Der maximale Schalldruck des DPA 4060 liegt bei 134 dB. Wenn es etwas mehr sein soll, kann man auf das Modell DPA 4061 zurückgreifen (das ebenfalls in der Stereo-Variante erhältlich ist), denn hier liegt dieser Wert bei 144 dB. Das Rauschen gibt DPA mit 23 dB (A) und den Dynamikumfang mit 106 dB an. Der Geräuschspannungsabstand liegt bei 71 dB (A), die Ausgangsleistung bei beeindruckenden 20 mV/PA. Für eine Mikrofonkapsel mit derart geringen Ausmaßen sind das absolut vorbildliche Werte.
Das fix montierte Kabel ist mit Kevlar verstärkt und hält einem Zug von 20 kg stand. Es klingt fast unglaublich, aber Mikrofon, Kabel und Microdot-Anschluss bringen gemeinsam nur 8 Gramm auf die Waage! Die Mikrofone arbeiten bei Temperaturen zwischen -40 und +45 Grad Celsius und bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von bis zu 90 %. Zudem ist d:screet CORE 4060 IP-58 verifiziert, also wasserdicht und geschützt vor Staub. Ein dreckiger Proberaum samt Bierdusche wird den Mikros also nichts anhaben können.
Das Mini-Mikro DPA CORE 4060 im Studio
DPA ist ja vor allem im Entertainment-Bereich ein Platzhirsch. Wenn es um Aufnahme bzw. Wiedergabe bei Live-Veranstaltungen, Konzerten, Opern, Theatern oder am Filmset geht, führt fast nichts an den Produkten des dänischen Herstellers vorbei. Aber auch im Studio machen diese kleinen Mikros eine ausgesprochen gute Figur.
Die mitgelieferten Adapter sind durchdacht, robust und sehr schnell am Instrument fixiert. Die Magnethalter sitzen beispielsweise bombenfest am Metallrahmen des Klaviers. Am Kontrabass befestige ich den Universal-Halter mit doppelseitigem Klebeband direkt am F-Loch. Der Aufbau dauert jeweils nur wenige Sekunden. Man reduziert die Gefahr von umfallenden oder sich im Laufe einer Aufnahmesession absenkenden Mikrofonständern. Gleichzeitig schafft man mehr Platz und Übersicht im Studio – sehr schön!
Kugelmikrofone nehmen naturgemäß mehr Raum auf, als dies bei engeren Charakteristiken wie Niere oder Superniere der Fall ist. Tonstudios und auch viele Heimstudios wurden allerdings akustisch optimiert, sodass man hier auch sehr gut mit Kugelcharakteristik arbeiten kann. Im Vergleich zur Superniere bietet die Kugelcharakteristik der 4060er Mikros den Vorteil, dass sie auch bei Nachbesprechung neutral abbilden und es keinerlei Nahbesprechungseffekt gibt. Daher lassen sich die Mikros direkt an der Schallquelle platzieren, was dazu führt, dass der Schall des Instruments viel lauter aufgenommen wird als die Umgebungsgeräusche bzw. die Raumreflexionen. Eventuelle Nachteile der offenen Richtcharakteristik können dadurch ausgeglichen werden. Auch die im Vergleich zu größeren Kondensatormikrofonen etwas höheren Rauschwerte lassen sich durch ein lautes Nutzsignal gut kompensieren.
Dass die kleinen Mikros direkt im oder am Instrument befestigt sind und der Abstand der Schallquelle zum Mikrofon konstant bleibt, hat ebenfalls einen positiven Einfluss auf den Klang. Die Musiker können sich dadurch beim Musizieren frei bewegen, ohne dass das Signal darunter leiden würde. Rückseitig einfallender Schall wird von den DPA Mikrofonen extrem neutral wiedergegeben. Gerade bei Setups mit mehreren Mikrofonen (z. B. Live-Aufnahme einer mehrköpfigen Band) lässt sich so einen außerordentlich homogener Klang erzielen.
DPA d:screet CORE 4060 Stereo Kit – Klangbeispiele
Ein Klavier hat ein sehr breites Frequenzspektrum und daher ist es ideal, um die klanglichen Auswirkungen unterschiedlicher Mikrofonpositionen zu verdeutlichen. Ich begebe mich auf die Suche nach dem Sweetspot und befestige die beiden Mikros am Gussrahmen, etwa in Kniehöhe. In einem zweiten Versuch unterstütze ich das Stereobild mit einem mittig aufgebauten Schoeps MK4.
Das klingt schon sehr vielversprechend, aber es gibt noch jede Menge weiterer Möglichkeiten. Beim zweiten Versuch befestige ich die Magnethalter bei geöffnetem Deckel an der oberen Kante des Metallrahmens. Der Umbau dafür dauerte keine 10 Sekunden…
Mein Klavier steht rund 15 cm von der Mauer entfernt. Dadurch lassen sich die beiden Mikros auch an der Rückseite befestigen. Da die Scharniere des Deckels aus Metall sind, benutze ich sie einfach mit den Magnethaltern. Ich bin begeistert, wie schnell sich mit dem DPA d:screet CORE 4060 ein erstklassiger Sound zaubern lässt.
Nun zum nächsten Experiment. Durch die Möglichkeit, die Mikros in Grenzflächen zu verwandeln, bekommt man sozusagen zwei verschiedenartige Mikrofontypen geliefert und gerade am Klavier werden Grenzflächen sehr gerne eingesetzt. Daher: Schutzgitter ab, Mikrofon in die Plastikscheibe montiert und los geht der Spaß!
Eine beliebte Position ist im Inneren des Klaviers, besonders dann, wenn der Klang von Mitmusikern oder Sängern gedämpft werden soll. Durch das extrem geringe Gewicht nehme ich einfach ein wenig Tape und klebe die Grenzflächen links und rechts am oberen Deckel fest und verschließe diesen wieder.
Wenn ich den Deckel nun im 90 Grad Winkel öffne, klingt es erwartungsgemäß viel höhenreicher:
Mein persönlicher Favorit ist die Anbringung der beiden Grenzflächen an der 15 cm entfernten Ziegelmauer. Die daraus resultierende Präsenzanhebung steht dem Klavier sehr gut, das Signal wirkt sehr kontrolliert und natürlich, die Abbildung ist über das ganze Frequenzspektrum fabelhaft. Hier spielen die Grenzflächen ihre bauartbedingten Vorteile voll aus. Das Ausgangssignal steigt um bis zu 6 dB an. Durch diese Position kann man auch die Pedal- und Hammergeräusche der Klaviermechanik reduzieren.
Nun also weiter zum nächsten Instrument, diesmal in Mono mit nur einem Mikrofon. Am Kontrabass teste ich das d:screet CORE 4060 zum einen als Grenzfläche etwa 30 cm entfernt vom Schallloch an einer Holztischkante. Im zweiten Versuch verwandle ich die Grenzfläche wieder zur Kugel und bringe das Mikrofon direkt an der Oberseite des F-Lochs an. Zwei Sounds, die unterschiedlicher nicht sein könnten:
Für die Schlagzeug-Aufnahmen mache ich mich auf ins Berliner Tonstudio “andereBaustelle” von Boris Wilsdorf. Dieser nimmt dort unter anderem gerade die neue Platte der Einstürzenden Neubauten auf. Boris hat an einem Vintage-Set bereits die klassische “Glyn Jones” Konfiguration aufgebaut (Kick und Snare werden zusätzlich abgenommen). Die beiden kleinen DPAs werden einfach nach Gutdünken links und rechts auf zwei Ständer geklebt und in der Nähe der Becken positioniert.
Hier das Signal der beiden DPA Mikros:
Hier der gleiche Take mit etwas reduzierter Stereobreite:
Hier das Drumset, abgenommen mit der berühmten Glyn Jones Konfiguration ohne DPA Mikros:
Und hier zum Abschluss noch Glyn Jones und DPA (volle Stereobreite) zusammen:
Vielen Dank an Boris Wilsdorf und an Schlagzeuger Achim Färber für das Einspielen der Samples. Nach dem Test hat sich Boris übrigens die beiden DPA Mikros direkt für sein Studio angeschafft – ich denke, das spricht für sich.
Bei der Arbeit mit dem DPA d:screet CORE 4060 Stereo-Kit kommt richtig Freude auf. Durch das geringe Gewicht und die kleinen Abmessungen ergeben sich allerhand Positionierungsmöglichkeiten, die sich mit konventionellen Mikrofonen nur durch viel Aufwand herstellen lassen. Als Vorverstärker kam in allen Beispielen übrigens der Sound Devices MixPre6 zum Einsatz. Zusammen mit ihm bilden die DPA Mikros ein tolles mobiles Gespann, mit dem man ein Aufnahme-Setup in kürzester Zeit komplett umstellen kann. Rauschen war während des gesamten Testzeitraums kein Thema. In den nächsten Wochen plane ich, ein Special zum Thema “Miniaturmikrofone im Studio” zu veröffentlichen, um euch einige praktische Tipps weiterzugeben, die ich im Laufe des letzten Jahres mit den kleinen Alleskönnern sammeln konnte.
Die DPA 4060 werden auch häufig für Field Recording benutzt, meistens für leise Ambient-Aufnahmen. In den einschlägigen Foren werden dafür aber günstigere Alternativen diskutiert, meistens die Lom Usi Pro aus Bratislava, oder die Micbooster Clippies aus England (sowohl Lom als auch Micobooster benutzen die gleiche Mikrofonkapsel, allerdings sind die Gehäuse unterschiedlich). Die Frage, die ich mir stelle ist, ob diese Alternativen auch im Studio eine gute Figur abgeben würden.
@UBeeh Leider werden die »Lom Usi Pro« Mikrofone nur gegen Vorkasse und in sehr kleinen Stückzahlen ca. 3x im Jahr verkauft. Wie soll man so an ein Testgerät kommen?
Sehr gute Erfahrungen habe ich mit dem »Uši Phantom Adapter« gemacht.
Er ermöglicht »PlugIn Power« Speisung via XLR.
@Franz Walsch Ich denke, wenn es ernst ist mit einem Testgerät, dann kriegt man das auch auf Nachfrage vom Gründer von Lom, Jonas Gruska. Er ist sehr umtriebig.
@UBeeh Im Vergleich zu den DPA Mics sind das ja Riesen-Brummer :)
Aber auch mich würde interessieren wie die bei einem Test abschneiden. Vielleicht bietet sich generell mal ein Vergleichstest zu Miniaturmikros an. Ich werde das Thema demnächst in der Redaktion (die gerade im verdienten Urlaub ist) vorschlagen.
@Raphael Tschernuth Auch binauralen »Ohrwurm« Mikrofone können ohne zusätzliches Gerät als Grenzfläche eingesetzt werden.
Stephan Merk hat darüber einen längere Story verfasst.
Keine Anleitung dabei? Bei diesem Set wahrscheinlich nicht nötig, denn es wird fast immer von Profis gekauft. Ansonsten stimme ich nicht zu.
Gerne lese ich Gebrauchsanleitungen in Papierform. Wenn ich aber erst ins Internet muß und dann das Handbuch ausdrucke, ist es weniger ökologisch als wenn sie beiliegt. Außerdem bin ich im Studio nicht im Internet und habe gerne die Anleitung aufgeschlagen an meinem Arbeitsplatz.