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Test: Drawmer 1976, Stereoprozessor

Psychoakustik fürs Tonstudio

23. September 2019
drawmer 1976

Drawmer 1976, Stereoprozessor

Wieder einmal hat sich ein großer Name der früheren Dekaden aufgemacht, an alte Glanztaten anzudocken. Die Jahrgänge 1970 und früher erinnern sich ggf. noch an die Prä-DAW-Zeiten, wo mit Tonbändern und Atari PCs in den größten und teuersten Tonstudios gewerkelt und synchronisiert wurde. Ein fester Bestandteil einer jeden hochwertigen Schlagzeugaufnahme waren ganze Outgear-Rack-Systeme mit Drawmer Noisegates und Kompressoren, wobei der britische Hersteller natürlich auch noch andere Produkte in seinem Portfolio wähnte. Mit dem Drawmer 1976 bringt der Hersteller nunmehr einen Prozessor auf den Markt, der kräftig im psychoakustischen Bereich seine Fühler ausstreckt.

Drawmer 1976 Aufsicht

Drawmer 1976 Aufsicht

Die Wirkungsweise des Drawmer 1976

Wenn ein Hersteller sein Produkt namentlich in einer der innovativsten Dekaden der Musikgeschichte ansiedelt, hat man schon einen ungefähren Eindruck, wohin die Reise geht. Interessanterweise geht Drawmer mit dem 1976 aber nicht den Weg des bereits stark belegten Bereich der Kompressoren oder Filter, sondern begibt sich in einen Bereich, den nach wie vor ein Hauch von „Magie“ umgibt. Kann man die Wirkungsweise von EQs o. ä. ganz wunderbar in einer optischen Variante darstellen, so ist im psychoakustischen Bereich eventuell noch ein Korrelationsmesser dein Freund, der Rest muss mit den Ohren interpretiert werden. Vielleicht ist dies auch der Grund, warum Produkte dieser Art immer noch ein Nischendasein fristen.

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Bekanntlich hat der einzige Überflieger dieses Bereichs, der Aphex Aural Exciter, der aus einer versehentlich falsch verdrahteten Kabelage entstand und der nach seiner Veröffentlichung Mitte der Siebziger so heiß gehandelt wurde, dass man das Gerät nur stundenweise mieten konnte, es zu Weltruhm gebracht. Wie viele andere Produkte wurde auch der Aural Exciter mit der Einführung der DAW und ihren mannigfaltigen Plugins langsam zu Grabe getragen. Was also treibt Drawmer dazu, über 4 Dekaden später ein Outgear-Produkt im 1 HE Format auf den Markt zu bringen, das mit jeder Menge Vintage-Attitüde ins Rennen geht?

Drawmer 1976 Rueckseite

Drawmer 1976 Rückseite

Der Aufbau des Drawmer 1976

Bei dem Drawmer 1976 handelt es sich um einen Stereo-Prozessor, der bei Bedarf auch im Mono-Bereich arbeitet. Der Prozessor kommt im Recording-, Mixing- wie auch im Mastering-Bereich zur Anwendung. Mittels drei verschiedener Frequenzbänder können individuell eine Sättigung der Frequenzbereiche wie auch eine separate Stereobreite erzeugt werden, was eine sehr große Klangvielfalt ermöglicht.

Fangen wir zunächst mit dem allgemeinen Erscheinungsbild des Drawmer 1976 an. Das Gerät ist massiv verarbeitet und vermittelt einen wertigen Eindruck. Das Gerät ist als reines Rack-Gerät konzipiert und besitzt keinerlei Gummipads, daher ist ggf. ein Tuch unterzulegen, sonst verkratzt man sich seine Arbeitsunterlage. Die einzelnen Regler sind ordentlich am Gehäuse gekontert, schlabbrige Direktverbindungen zur Platine ohne Kontermutter sucht man hier glücklicherweise vergebens. Die Rückseite des Drawmer 1976 ist schnell abgehandelt. Rechts/links symmetrisch XLR-In und XLR-Out, Kaltgerätestecker, Netzschalter – fertig. Hier kann man nichts falsch machen.

das Drawmer 1976 Zubehoer

Drawmer 1976 Zubehör

Bei der Vorderseite kehrt sich die Sache um, hier geht es richtig ins Eingemachte. Für eine bessere Übersichtlichkeit unterteilen wir die Front in sieben Bereiche:

1.) der Input-Bereich

2.) das Bassfrequenzband inklusive der Regler Saturate, Width und Level

3.) der Crossover-Regler für den Bass-/Mittenbereich

4.) das Mittenfrequenzband inklusive der Regler Saturate, Width und Level

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5.) der Crossover-Regler für den Mitten-/Höhenbereich

6.) das Hochtonfrequenzband inklusive der Regler Saturate, Width und Level

7.) der Output-Bereich

Drawmer 1976 Front Rechts

Drawmer 1976 Front rechts

Die drei Frequenzbänder können zudem mit den Schaltern Bypass und Mute individuell aktiviert und deaktiviert werden bzw. solo oder in individuellen Kombinationen abgehört werden. Schauen wir uns nun die einzelnen Bereiche im Detail an.

Der Input-Bereich:

Der wahrscheinlich unspektakulärste Bereich des Geräts. Lediglich ein Input-Regler und drei farbige LEDs (grün, orange, rot) regeln den Eingangspegel, wobei der orangene Bereich den optimalen Arbeitspegel darstellt. Interessant ist jedoch, dass bei max. +15 dBu im Aufholbereich auf der anderen Seite auch ein komplettes Stummschalten (Mute) des Signals mittels „Off“ möglich ist.

Das Low Band:

Jetzt geht es ans Eingemachte. Über den Saturate-Regler lässt sich ein Sättigungseffekt für den gewählten Frequenzbereich hinzudrehen, der je nach Einstellung von dezenter Kompression bis hin zu Fuzz-artigen Verzerrungen alles Mögliche bietet. Der Width-Regler daneben verändert über die Phasenlage den Stereoeffekt von -5 (mono) bis hin zu +5 (außerhalb der Impulspunkte der Lautsprecher). Der Level-Regler bestimmt nun die individuelle Lautstärke des gewählten Frequenzbandes im Verhältnis zu den anderen beiden Bändern.

Der Crossover-Regler für den Bass-/Mittenbereich

Die Trennfrequenz des Bassbandes beginnt bei 70 Hz und lässt sich bis 1,5 kHz hochschrauben. Dies lässt abenteuerliche Effekte zu, je nachdem wie unterschiedlich man die benachbarten Frequenzbereiche konfiguriert. Insbesondere bei einem durchgehenden Loop kann allein das Verändern des Crossover-Punktes in Realzeit interessante Effekte bieten.

Das Mid-Band (gleiche Regelung wie das Bass-Band, nur mit geänderter Frequenz)

Der Crossover-Regler für den Mitten-/Höhenbereich

Hier kann die Trennfrequenz von 800 Hz bis zu 15 kHz gewählt werden. Da sich die beiden Crossover-Frequenzen in einem Bereich von 800 Hz bis 1,5 kHz überschneiden, kann man zusätzlich im „Freak“-Bereich schräge Sounds und Effekte erzielen.

Das High-Band (gleiche Regelung wie das Mid-Band, nur mit geänderter Frequenz)

Der Output-Bereich

Auch hier kann der Output gegen Null gefahren werden, was sich mir ehrlich gesagt nicht ganz erschließt, aber sei’s rum. Des Weiteren gibt es jeweils einen Mono- und einen Bypass-Schalter für das gesamte Gerät. Außerdem zeigen zwei 8-stellige LED-Ketten den internen Pegel an.

Drawmer 1976 Front Links

Drawmer 1976 Front links

Der Drawmer 1976 in der Praxis

Obwohl man den Drawmer 1976 bestimmt herrlich als „Fummelspielzeug“ auf der Bühne für rastlose DJs nutzen kann, habe ich mich primär auf die Funktion im Recording- und Mixing-Bereich konzentriert. Inwiefern man den Sound eines Instrumentes bereits bei der Aufnahme oder erst im Mixdown verändert, muss jeder selber wissen. Ich für meinen Teil bin kein Freund von „We fix it when we mix it“, zumal es sich hierbei ohnehin meist um die Produzentenphrase für „Nerv Mich Nicht“ handelt.

Obwohl der Drawmer 1976 für Stereo-Percussion oder Drums-Loops prädestiniert ist, habe ich auch eine Bearbeitung verschiedener Saiteninstrumente wie E-Gitarre oder E-Bass in Angriff genommen. Was ich ausgelassen habe, sind High-Gain-Instrumente, die meist von sich aus zu viel Kompression aufweisen, als dass eine weitere Bearbeitung sinnvoll erscheint. Ein Wort noch zu den Loops, alle Soundfiles arbeiten nach dem Prinzip off – on – off – on. Es ist allerdings auch immer sehr gut zu hören, wann der Drawmer 1976 aktiviert wurde.

Im Bereich der akustischen Drums und Bandschleifen kann man sehr gut hören, wie sehr gerade das Mittenband entscheidend den Klang prägt. In Kombination mit der allgemeinen Erhöhung der Lautheit setzen sich Instrumente wie Snare und Teile der HiHat stark in den Vordergrund, ohne jedoch klanglich zu nerven. Im Bassbereich ist der Effekt vergleichsweise subtil, geht aber bei zu starkem Einsatz auch schnell in zu starken Fuzz über.

Bei dem Synth-Loop werden die einzelnen Instrumente nicht ganz so stark aus dem Klangbild hervorgehoben, hier hat man es mehr mit einer vergleichsweise gleichmäßigen Erhöhung der Lautheit und Sättigung zu tun. Gerade rein synthetischen Sounds kann der Drawmer 1976 eine gehörige Portion „Analogie“ einhauchen.

Bei einer cleanen Gitarre ist der Drawmer 1976 mit Vorsicht zu genießen. Der durchaus angenehmen Sättigung steht schnell das Problem der Verzerrung gegenüber, die nicht mit der Sättigung einer Bandmaschine zu vergleichen ist.

Um die Fuzz-Qualitäten des Drawmer 1976 zu zeigen, eignet sich am besten ein entsprechender Basssound. Hier kann man sehr schön den Vintage-Klang einer alten Bassaufnahme simulieren, wenngleich diese Bassaufnahme noch etwas mehr Kompression hätte gebrauchen können.

„Und was ist mit der Stereoverbreiterung“ werden einige fragen. Ich habe in der Tat einige Frequenzbänder subtil auseinander gezogen, um dem Klang mehr Breite zu verleihen. Geht man in die Extreme, verändert sich der übertragene Frequenzbereich ganz massiv, zumal man im perfekten Stereodreieck sitzen muss, um den Klang zu genießen, sonst wird der Effekt mehr als Phasenauslöschung wahrgenommen. Hier empfehle ich, dass sich jeder ein eigenes Bild macht, indem er sich das Gerät einmal besorgt.

der Drawmer 1976 im Studioeinsatz

Drawmer 1976 im Studioeinsatz

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Fazit

Mit dem Drawmer 1976 lässt einer der großen britischen Namen von Outgear einen echten Knaller vom Stapel. Nicht nur dass der Stereoprozessor sowohl im Recording, Mixing und Mastering verwendet werden kann, er bietet zudem die Möglichkeit, live einem belanglosen Loop ein interessantes Eigenleben einzuhauchen. Ich empfehle, sich das Produkt einmal auszuleihen und seinem Spieltrieb nachzugehen.

Plus

  • Klang
  • Verarbeitung
  • umfangreiche Bearbeitungsmöglichkeiten

Preis

  • 979,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    bluebell AHU

    CALF Multiband Enhancer als Hardware. Für die Leute, die kein Linux, sondern nur ein Nischenbetriebssystem nutzen :)

  2. Profilbild
    dAS hEIKO AHU

    Psychoakustische Allgorithmen sind für mich immer noch der gleile Scheiß, das „geheime“ Gewürz, das ganz hinten im Schrank steht, nur lelten zum Einsatz kommt und sparsam dosiert wird….und alle am Tisch sagen: „Das schmeckt toll, was hast Du da dran gemacht?“

    Ob Vitalizer, Aural Exciter, B.A.S.E. oder Transient Designer: Wenn man es nicht übertreibt, gibt es oft diesen „Oha“-Moment vor den Boxen oder unterm Kopfhörer. Und wer damals von Stings „Soul Cages“ die CD-Version kaufte und eine geeignete Abhörumgebung hatte, staunte nicht schlecht, was Q-Sound mit den akustischen Stücken anstellte und dass Klänge außerhalb des Stereodreiecks auftauchten.

    Love it.

    • Profilbild
      AMAZONA Archiv

      @dAS hEIKO Ich sehe das mit diesen Excitern eher so als wenn man Maggi in die Suppe schüttet … schmeckt zwar, blendet aber das Geschmackssystem. Wenn man hingegen lernt mit echten Gewürzen zu kochen, fliegt Maggi für immer aus dem Schrank!

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        dAS hEIKO AHU

        Ja, stimmt schon. Aber Mitte-Ende der 80er war das Teil halt der geile Scheiß.
        Heutzutage ist dafür Maximalkompression in. Da hoff ich auch, dass Dynamik wieder in Mode kommt und auch mal wieder Fader bewegt werden.

        • Profilbild
          AMAZONA Archiv

          @dAS hEIKO Anfang der 90er habe ich bei Livegigs u. a. aus einer Alesis SR-16 und einer Korg DDM-110 mit meiner Billigcombo Behringer Ultrafex II und dbx 166a ganz schön was rausgeholt. Da war erstmal weniger das sparsame Würzen gefragt, sondern die krasse Soße mit alles und Scharf, später habe ich dann nach und nach gelernt, Exciter sparsamer und zielgerichteter einzusetzen, um den Klang tatsächlich zu formen, statt ihn breitzutreten. Aber auch die grobe Kelle hat bei diesen Geräten ihren Reiz, gerade, wenn man gewisse instrumentale Unzulänglichkeiten ausgleichen muß. Den dbx 166a verwende ich immer noch, hab vor Jahren noch einen dazugekauft für Einzelandwendungen, er ist der Kompressor meiner Wahl, ich brauch‘ nix anderes.

          Allerdings sind solche Hardwareteile in Punkto Wall of Sound bzw. Super-Loudness kein Vergleich zu dem, was mit Plugins heutzutage so alles angestellt werden kann, und selbst wenn man nicht so drauf steht, kommt man der Sache kaum noch aus, vor allem wenn man cluborientierte elektronische Musik macht. Der Trick ist, den Klang zum Brett zu machen, ohne alles kaputtzuverbessern, das ist mit div. Software und sonstigen Helferleins heute einfacher als früher, man landet jedoch auch schneller im Mulm- und Dröhnland.

  3. Profilbild
    Wellenbad

    Sehr geil! Nur leider gnadenlos überteuert. 399,-, oder lass es 499,- sein, wäre ein angemessener Preis und das Teil würde sich super verkaufen. Aber für knapp 1000 Tacken? Nein.

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