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Test: Dreadbox Abyss, Analog-Synthesizer

(ID: 195839)
Dreadbox Abyss Schematic

Eine Stimme: Der Suboszillator ist immer zumischbar.

Für einen echten Polysynth bedarf es getrennter Hüllkurven pro Stimme, beim Dreadbox Abyss sind es zwei, je einer für Lautstärke und Filter. Acht Hüllkurvengeneratoren wären im Gehäuse nur schwerlich unterzubringen und einheitlich abzugleichen – daher arbeiten diese digital. Die Hüllkurven sind leider weder sonderlich flott, noch besonders fein einstellbar, in der Länge eignen sie sich aber gut für atmosphärische Drones.

Im Polymodus werden die Hüllkurvendaten nicht für bereits bestehende Noten aktualisiert. Das bedeute im Klartext: Eine Note mit endlosem Sustain klingt auch dann nach, wenn der betreffende Fader schon längst wieder nach unten gezogen wurde – ein „Notenhänger“, den man nur durch gleichzeitige Auslösung von 4 Noten zum Schweigen bringen kann. Yiannis, Gründer und Chef-Entwickler von Dreadbox, schrieb mir dazu: “That is made consciously, it has to do with our personal way of using this machine.. I know, it is not common, some people like it and some don’t…”  Die Bedienungsanleitung hält sich leider generell mit praktischen Anwendungsempfehlungen zurück, daher habe ich diese Eigenheit vorsichtshalber unter “Minus” einsortiert – im Zweifel sollte sie über einen DIP-Switch auf der Rückseit abschaltbar sein.

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Dreadbox Abyss Patch Sheet

Patch-Memory zum Ausmalen

Die beiden LFOs A und B (Frequenzbereich geschätzt von etwa 0,1 bis 20 Hz) zur Steuerung der Effekte sind gänzlich freilaufend und analog ausgeführt – das sorgt für einen lebendigen Klang, schränkt aber ihre Verwendung bei der Synchronisation zu einem Sequencer deutlich ein – ich habe die Klangbeispiele, bei denen das LFO-Timing wichtig war, von Hand zur „Master Clock“ der LFOs eingespielt.

Ein großer DRIVE-Regler sorgt für geschmackvollen und fein dosierbaren Overdrive. Die vier Tiefpassfilter sind angeblich vierter Ordnung, klingen aber sanfter und dabei sehr organisch. Das Filter ist gut dosierbar, die kräftige Resonanz dünnt das Signal aber stärker aus, als mir lieb ist. Allein das Filter reagiert optional auf die Anschlagstärke eingehender Noten.

Dreadbox Abyss VCF

Das Tiefpassfilter reagiert auf Velocity.

Wie in meiner Einleitung angemerkt: Der Eingang für externe Signale liegt hinter den VCFs und VCAs, jedoch vor dem Eingang des Verzerrers und den drei analogen Effekten, die technisch allesamt auf Verzögerungen in Eimerkettenspeichern („BBD“) basieren und über den Monoeingang auch für externe Signale genutzt werden können. Da sowohl der DRIVE als auch der MASTER-Regler des Dreadbox Abyss auf BEIDE Signale wirken, muss die korrekte Mischung über den Ausgangspegel des externen Gerätes oder den kurzen Sustain des VCAs geschehen, was fummelig sein kann. Die Reihenfolge der Effekte ist unveränderbar:

  • REFLECTOR für Chorus, Flanger und Tonhöhenänderungen (moduliert durch LFO A)
  • DELAY für Feedback Delay von 40 bis 200ms (moduliert durch LFO B)
  • 4 STAGE PHASER (moduliert durch LFO B)
Dreadbox Abyss CV/Midi

Audio, CV, MIDI und DIP-Schalter. Mittlerweile mit Seltenheitswert: Auch ein MIDI Thru wurde spendiert. Der Abyss ist ein geselliger Typ…

Die Effekte sind das Salz in den klanglichen Untiefen des Abyss und ebenso wie die Filtersektion über Steuerspannungen oder Pedale steuerbar.

Der MASTER-Regler wirkt nur auf den Main Out mit den Effekten, nicht auf den Dry Out. Offenbar handelt es sich um ein lineares Potentiometer, welches die Lautstärke direkt steuert, was zu einem deutlichen Lautstärkezuwachs auf den letzten Graden seines Drehwinkels führt. Mein Exemplar gab zudem leichte Kratzgeräusche von sich.

Voice Modi und weitere Einstellmöglichkeiten

Es gibt vier Voice Modes am Dreadbox Abyss:

  • POLYPHONIC: 4-fach polyphones Spiel
  • UNISON: Monosynthesizer mit 4 Oszillatoren und deren 4 Suboszillatoren, Verstimmung über DETUNE
  • MULTICHANNEL (vom eingestellten MIDI-Kanal aufwärts): Der Abyss verhält sich wie 4 unabhängige Monosynthesizer (mit freilich nur einem Mono-Ausgang), GLIDE bleibt nutzbar, es können mehrere Arpeggiatoren gbenutzt werden usw.
  • CHORDS in A-F Varianten und einem zusätzlichen „User Chord G“.

CHORDS-Modus – Oktavierung, 5 Akkorde, 1 User Chord: „The last 4 notes played in poly mode are stored in the G chord.“

Auf der Rückseite gibt es ein Mäuseklavier mit 8 DIP-Schaltern:

  • DIP 1 bis 4 wählen den MIDI-Empfangskanal oder aktivieren den Service Mode zur manuellen Stimmung der Oszillatoren im Inneren.
  • DIP 5 aktiviert den multitimbralen Modus im polyphonen Modus (nicht im Akkord-Modus): Nach Auswahl über den Drehschalter links oben lassen sich abweichende Hüllkurvenverläufe für die vier Stimmen einstellen, natürlich in Echtzeit und nicht speicherbar. Ein Klangbeispiel gibt’s auch dazu, zur Verdeutlichung mit nur zwei Stimmen; man beachte, wie die Oberstimme durch eine längere Release-Time betont wird, ein subtiler, aber nützlicher Effekt. Bei meinem Gerät brauchte der multitimbrale Modus manchmal eine Extraeinladung durch Hin- und Her-Bewegung des MODE-Rades, bis er funktionierte.
  • DIP 6 verwandelt den Detune-Regler in einen Vibrato-Delay Regler.
  • DIP 7 verwandelt den WAVE-Regler in einen DETUNE-Regler, ein willkommener „Workaround“ für den mangelhaft skalierten DETUNE-Fader.
  • DIP 8 aktiviert die automatische Stimmung – am besten nach zwanzigminütiger Aufwärmphase und nicht unbedingt direkt vor dem Gig, es gehen nämlich gut zwei Minuten dafür drauf. Nach Beendigung der Prozedur sollte man den Schalter wieder umlegen, andernfalls ist das Instrument nicht nutzbar. Oft braucht man diese Funktion nicht, die Oszllatoren sind offenbar auf kurze und lange Zeit stimmstabil.
  • DIP 6 bis 8 hätte man wohl lieber als Schalter bzw. Taster auf der Front.

Was fehlt dem Dreadbox Abyss?

Ein Panic-Taster, vor allem in Hinblick auf die bereits erwähnten, endlos weiterklingenden, Noten im Polymodus.

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Noch zwei Stimmen.

Was nicht fehlt:

Ein Brot und Butter-Arpeggiator, der das Instrument 5 cm breiter und 100 Euro teurer macht. Ich empfehle das Eintauchen in die Bordmittel aktueller Controller-Keyboards, DAWs oder Arpeggiator-PlugIns.

Mehr Fader, Taster und Schalter für Pegelmanagement und Signalrouting. In der Tat hat der der Abyss keine Verstärkerstufe zu viel, und auch auf integrierte Schaltungen zur Veränderung des internen Signalflusses wurde verzichtet – meines Erachtens liegt in diesem Verzicht aber ein wesentlicher Grund für seinen direkten und brachialen Klang. In der Praxis hat das zwar auch Tücken (siehe Lautstärkeunterschiede im Abschnitt „Klang und Beispiele“), aber die nehme ich gerne in Kauf.

Ein Kopfhörerausgang wäre zwar nett, wird aber in der Praxis wohl nur bei der Erprobung im Laden wirklich vermisst.

Klang und Beispiele

Dreadbox Abyss Alive

Der Abyss beim Einspielen der Klangbeispiele.

Meine Audios kommen ohne Overdubs und externe Effekte aus und sind waschecht mono aufgezeichnet, so wie auch der Hauptausgang unseres Testobjekts beschaffen ist. Ab und zu habe ich eine DR-110 Beatbox durchgeschleift und mitbearbeitet:

Der Dreadbox Abyss klingt angenehm cremig, „vintage“, dreckig und mitunter auch sehr kaputt. Der klangliche Sweet Spot ist überschaubar: Schneidende Leads, Bläser und mehrstimmige Arpgeggioklänge gehen sehr gut, böse Bässe auch, allzu standfest sind sie aber nicht, weil die Suboszillatoren Rechtecksignale ausgeben, die für tieffrequenten „Schub“ allein zu obertonreich sind. Der Unison-Mode klingt erwartungsgemäß richtig fett und mag manchem als Grund für den Erwerb dieses Instruments genügen.

Fehlgeschlagen sind meine Bemühungen, dem Instrument einigermaßen saubere, hochfrequente, perkussive Klänge zu entlocken. Auch als atmosphärischer Flächenleger ist der Abyss weniger geeignet, was seinem eher aggressiven Grundsound und dem Monoausgang geschuldet ist. Mein „Filthy Pad“ hat zwar Substanz, klingt aber etwas dürftig. Ein gutes Stereo-Chorus-Pedal Wunder würde es richten, das sei aber heute nicht unser Thema.

Dreadbox Abyss on Wood

Der Abyss liefert allerlei interessante Nebengeräusche: Die analogen LFOs – insbesondere die Rechteckschwingungen – streuen munter in den Audiopfad ein, die Effektsektion ist auch ohne Eingangssignal ein Synthesizer für sich – im Zweifel hift der rauscharme DRY OUT.

Lautstärkeunterschiede INNERHALB der Klangbeispiele sind dem Pegelverlust in den Effektsektionen bei Aufwärtsbewegeund des betreffenden MIX-Faders geschuldet. Bei Beginn einer Liveperformance mit dem Abyss sollte man mit dem Master-Regler ausreichende Pegelreserven vorhalten oder das Mischpult in Griffweite haben. Ich selbst – eine Hand auf dem Keyboard, eine Hand an den Effekten, ein Fuß auf dem Cutoff-Pedal – hatte leider keine drei weiteren Pedale für die Effekte parat und habe den zweiten Fuß daher nur zum Rumstehen eingesetzt. Die Anschlüsse sind jedenfalls vorhanden.

Beim Lauschen empfehle ich die folgende Tech Note – in einem zweiten Browser-Fenster. All jene, die sich vorwiegend für den Abyss interessieren, können direkt zu meinem Fazit weiterklicken.

Tech Note: VIER monophone Synthesizer ≠ EIN vierstimmig polyphoner Synthesizer

Tom Oberheim hatte Mitte der siebziger Jahre die Idee, mehrere seiner „Synthesizer Expander Modules“ in einem Instrument zu vereinen. Der „Oberheim 2-Voice“ auf Basis zweier „off the shelf“-Monosynthesizer ist der allererste Polysynthesizer – wenig später folgen „4-“ und „8-Voice“. Diese Instrumente unterscheiden sich in zwei wesentlichen Merkmalen von späteren Exemplaren der Gattung: Zum einen können die autonom arbeitenden SEM-Module nicht global programmiert werden und müssen daher für den polyphonen Einsatz auch „einheitlich“ eingestellt werden. Zum anderen gibt es keine Klangspeicher, was bedeutet, dass dieses bei einem Wechsel des aktuellen Patches bis zu achtmal geschehen muss. (Der optional erhältliche „Polyphonic Synth Programmer“ speichert nur Parameter, die durch Steuerspannungen veränderbar sind.) Die Voice-Synthesizer sind also nicht nur polyphon, sondern gewissermaßen immer „multitimbral“. Für dieses mitunter grotesk anmutende Bedienkonzept wurden die Käufer jedoch gebührend entschädigt: Die Kombination aus diskret aufgebauten VCOs, analoger Steuerungsarchitektur und besagter Stimm-Autonomie verleiht diesen Instrumente im Rahmen ihrer eingeschränkten Möglichkeiten eine klangliche Pracht, Wucht und Lebendigkeit, die bis heute kein anderer polyphoner Analogsynthesizer toppen konnte.

Dreadbox Abyss Detail

Mit dem Sequential Circuits Prophet-5 und – ein Jahr später – dem Oberheim OB-X fiel das Thema Multitimbralität vorübergehend flach, stattdessen hielt die globale Programmierung aller Stimmen Einzug. Durch eine Vielzahl von Bauelementen, Leiterbahnen, Kabel, Schaltern und analogen Patchfeldern wäre es theoretisch möglich gewesen, auch diese Instrumente in rein analoger Technologie umzusetzen. Die Kosten und Dimensionen eines solchen Aufbaus wären freilich enorm, die Zuverlässigkeit gering und der einheitliche Abgleich aller Stimmen kaum zu bewerkstelligen, geschweige denn auf Dauer zu gewährleisten. Sinnvollerweise entschied man sich für die Verwendung platz- und energiesparender Synthesizer-Chips und – Digitalisierung! Einzug hielten Analog/Digital- und Digital/Analog-Wandlern, (De-)Multiplexer und ein Mikroprozessor, dessen Software sich um die Verwaltung und Anpassung sämtlicher Datenströme kümmert – und um deren Speicherung. Seit dieser Zeit ist das Thema „Polyphonie“ untrennbar mit dem Thema „Speicherbarkeit“ verbunden, und jeder analoge polyphone Synthesizer besitzt ein mehr oder minder digitales Nervensystem. Der Haken dieser Entwicklung: Die Amplitudenauflösung der Potentiometer war gerade in der Anfangsphase zu knapp bemessen, und auch digital berechnete Hüllkurven und Niederfrequenzoszillatoren sind bis heute oft langsamer, in jedem Falle aber gleichförmiger als ihre analogen Pendants. Spannungsgesteuerte Oszillatoren wurden aus Kostengründen durch digital gesteuerte ersetzt, die genau das tun, was der zentrale Mikroprozessor befiehlt – in der Regel also „Stay tuned“! Wenig später fielen auch die Bedienelemente der um sich greifenden digitalen Doktrin und rigiden Sparmaßnahmen zum Opfer und wurden durch Bedienmatrizen, Taster, Encoder, Displays und Menüstrukturen ersetzt. Durch beide Phänomene wurde die Bedienung der Instrumente indirekter, eine feine Dosierungen von Schwebungen, Filterresonanzen und Hüllkurvengeschwindigkeiten sogar unmöglich.

Dreadbox Abyss Synthesizer

Diese klanglich mitunter nachteilige technische Weiterentwicklung hätte freilich auch analoge Monosynthesizer treffen können – diese verschwanden jedoch sicherheitshalber Anfang der achtziger Jahre fast vollständig vom Markt, wie wenig später auch ihre polyphonen analogen Pendants. Die zahlreichen, heute wieder erhältlichen Polysynthesizer – durchweg digital gesteuert und aufgebaut in platzsparender SMD-Technologie, die eine weitere Steigerung der Störabstände und Zuverlässigkeit ermöglicht – haben eine enorme klangliche Bandbreite, tun sich jedoch schwer damit, die klangliche Wärme, Lebendigkeit und Komplexität historischer Instrumente nachzubilden, die zu einem Gutteil auf Bauteiltoleranzen, thermische Drift, Rauschen, Verzerrungen, Übersprechen und andere Artefakte zurückzuführen sind, den Klang aber auch interessanter und charaktervoller machen. Nicht ganz überraschend klingen gut gemachte „virtuell analoge“ Software-Emulationen klassischer Hardwaresynthesizer daher vermeintlich „analoger“ als ihre neuzeitlichen „real analogen“ Nachfahren.

Womit wir beim Dreadbox Abyss angelangt sind, der eine besondere Mischung aus historischen und modernen Funktionen bietet, die ihn von Mitbewerbern unterscheidet. Er beherbergt glückliche, freilaufende VCOs und LFOs. Die Steuersignale des fein aufgelösten – teils digitalen, teils analogen – Nervensystems werden nicht auf eine 7 Bit MIDI-Auflösung heruntergerechnet, „Treppchen“, „Sprünge“ und „Leerwege“ beim Bedienen der Regler entfallen ganz oder sind unhörbar. Verzichten muss man auf Klangspeicher und eine umfassende MIDI-Implementierung. Wie nahezu alle Polysynthesizer (außer X Voice, PERfourMER, weitere Beispiele gerne in den Kommentaren) wird er global programmiert, die Einstellungen für alle vier Oszillatoren und Filter sind also gleich, seine acht Hüllkurven sind aber optional individuell programmierbar. Ich taufe diese neue Betriebsart hiermit „invers paratimbral“, invers, weil eben nicht abweichende Oszillator- und Filtereinstellungen durch identische Hüllkurven geschickt werden, sondern umgekehrt. Der Korg Mono/Poly (abweichende Oszillatoreinstellungen bei zwangsweise identischen Fiter- und Hüllkurveneinstellungen) ist somit als „konjugiert paratimbral“ anzusehen.

Ist der Dreadbox Abyss womöglich dem jungen Tom Oberheim beim Surfen aus der Badehose gerutscht? Kaum. Viele Funktionen kommen trotzdem nicht ohne Mikroprozessor aus: Chord Memory, Voice Modes, inverse Paratimbralität usw.  Wie eingangs angemerkt: Ein ungewöhnliches Geschöpf.

YT-Video

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Fazit

Die nahe Verwandtschaft zu den Monosynthesizern von Dreadbox ist dem Abyss deutlich anzumerken. Seine Charakterstärke – grundsätzlich ein wichtiges Merkmal zur Sicherung der Existenz in einem mittlerweile gesättigten Markt – zwingt dazu, die Grenzen der klanglichen Möglichkeiten auszuloten und ggf. die eigene Spielweise an die Möglichkeiten des Instrumentes anzupassen. Dabei entsteht mitunter Neues – und vor allem Mehrstimmiges. Als freundlicher Flächenleger für Strings und Brass ist der Abyss eher ungeeignet, was die These untermauert, dass durch Zusammenschaltung mehrerer, deftig klingender Monosynthesizer nicht unbedingt ein vielseitiger oder gar watteweicher Polysynthesizer entsteht. Die Bedienung ist kinderleicht, der Sound für Erwachsene. Der Abyss will gezähmt und vom Nutzer in eine klangliche Rolle gewiesen werden, im Zweifel die eines mysteriösen Bösewichts, der am Ende doch noch alles zum Guten wendet – und somit nicht Teil eines typischen Hollywood-Plots ist.

Die äußeren Werte des Dreadbox Abyss haben mich positiv überrascht. Auch die Bedienoberfläche ist so einfach und analog wie bei alten und gut gemachten neuen Monosynthesizern. Leider wird diese Stärke durch zu kurze Regelwege der Fader und ungünstige Regelkennlinien nicht optimal genutzt. Unausgereift wirkende Details trüben das Gesamtbild, vor allem die Hüllkurvenexzentrik im Polymodus und – zumindest zwei – wichtige Funktionen, die ich nicht über ein DIP-Schalter auf der Rückseite einstellen möchte. Beim Recording habe ich vor allem synchronisierbare LFOs vermisst – das ist aber auch ein wenig Geschmackssache. Ich hatte dennoch fast durchweg großen Spaß mit dem Abyss, habe das Handbuch wirklich nur zur Erforschung des Mäuseklaviers gebraucht, und auch die Audios waren ruckzuck eingespielt.

Der süffisante Klang hat mich begeistert. Moderne polyphone Synthesizer sind einfach anders gestrickt und tönen nicht nur statischer, sondern auch braver, sofern man ihnen nicht mit ein paar üblen Fußtretern zu Leibe rückt. Natürlich ist der Abyss nicht annähernd so flexibel wie ein vergleichbar ausgestattetes Modularsystem (4 Oszillatoren, 4 Filter, 8 Hüllkurven, Effekte, …), andererseits weist er in die gleiche klangliche Richtung, ist deutlich günstiger zu haben, einfacher zu transportieren und leichter zu überblicken. Auf der Bühne und im Unterseeboot. Blubb.

Plus

  • vierstimmig
  • geradliniges und außergewöhnliches Konzept
  • ergonomisches Pultdesign, gute Verarbeitung
  • formidables "AllInOne"-Waveshaper-Rad
  • direkter, „analoger“ Klangcharakter, dicke, cremige - und stimmstabile - Oszillatoren, musikalische Filter
  • gut klingende Analogeffekte sind auch für externe Monosignale verwendbar
  • kurze, ansprechend gestaltete englischsprachige Anleitung

Minus

  • nur vierstimmig;)
  • rudimentäre MIDI-Implementierung, keine Speicher, keine Automatisierung, kein MIDI Out
  • LFOs (und somit auch: Echos) nicht zu MIDI-Clock synchronisierbar
  • mitunter gewöhnungsbedürftiges Nachklingen der Stimmen im Polymodus (siehe Text)
  • schlechte Skalierung einiger Schieberegler (Detune, Vibrato …), mit mittelschnelle Hüllkurven
  • einige wichtige Grundeinstellungen sind nur über DIP-Schalter möglich
  • keine Filterung/Amplitudenbearbeitung externer Signale

Preis

  • 1.116 Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Tolle Klangbeispiele! Solltest weniger Vocaloides und mehr straightes (Elektro/Dub) machen. Ich war auf deiner Homepage. ;) Aus dem Abyss hast du alles rausgeholt. Mehr geht da leider nicht.

    • Profilbild
      falconi RED

      Ehrliche Antwort:
      Ich „komme ja vom Klavier“, und Clubmusik ist mir oft zu pupsig, wohlgemerkt zum Machen, nicht zum Hören, da ist es eher umgekehrt. Jedenfalls muss ich beim Machen immer meinen Hang zum „ausufernden Narrativ“ unterdrücken. Früher ist mir das gar nicht gelungen, heute ab und zu.
      Nächstes Problem ist, dass „Selbstjemachtes“ beim Auflegen nicht bemerkt oder wertgeschätzt wird, oder keiner versteht, welch enormer Aufwand dahinter steckt. Ich wohne in Berlin und habe –zig Plattenläden vor der Nase, in denen ich zu jedem einzelnen meiner Clubtunes zwanzig ähnliche – und auch bessere – finde, und damit dann letztlich rundere Sets baue, weil Eitelkeiten keine Rolle spielen.
      Meine songorientierte Popmusik ist musikalisch vergleichsweise anspruchsvoll – gerade mit Gesang ist halt doch nochmal ’ne andere Hausnummer -, und sie bringt, wenn sie im Radio läuft, zuverlässig Einnahmen: Beim Radio wird man nach meiner Erfahrung nicht beschissen – oder man bemerkt es wenigstens nicht. Außerdem denken Freunde und Bekannte an mich schreiben auf whatsapp, wenn ich irgendwo laufe – in die Clubs schaffen sie es nämlich nicht mehr, und wenn doch, sind sie müde und wollen reden (und ich gerade nich‘) oder verstehen es nicht und finden das Klo dreckig, und ich bin hinterher schuld. Ist also auch `ne Entscheidung, die mit der stetig älter werden Kern-Peergroup zu tun hat…;)

  2. Profilbild
    fritz808

    kann dem teil nicht viel abgewinnen. dem minus-kasten stimme ich vollumfänglich zu. warum es dann aber zwei sterne gibt, verstehe ich nicht.
    ganz grosses kompliment an den autor für den sehr aufgelockerten scheibstil. die falconi-tests gehören zu den besten hier auf amazona!!!!

  3. Profilbild
    dilux AHU

    irres teil. ich bin schon seit monaten total heiss auf den abyss, er hat rang eins auf meiner „muss gekauft werden“-liste. nick batt hat ihn mit einem anderen bärtigen typen ausprobiert und dabei genau die sounds gefunden, die den abyss so wundervoll machen…
    ehrlich gesagt, war ich ziemlich erleichtert, als ich sah, dass falconi den testbericht über den abyss verfasst hat, denn ich dachte mir, er ist derjenige, der am ehesten erfassen kann, was dieses juwel ausmacht. den klangbeispielen nach bleibe ich auch bei diesem gedanken, der testbericht…nunja.
    ich glaube grundsätzlich kann man den abyss nicht wie einen „handelsüblichen“ polysynth bewerten. er ist nicht dafür gemacht, 80er-jahre-hits nachzuspielen, er ist eine reine klangforschungs-station und ich glaube – sorry, kyotonic – da geht noch einiges mehr, als die klangbeispiele zeigen. jedenfalls denke ich, der abyss darf nicht durch kritik an zu kurzen faderwegen oder schwierigen abstimmungen entwertet werden, denn auch solche eigenheiten sorgen dafür, dass so einzigartige klänge entstehen, wie sie mit dem abyss möglich sind.
    trotzdem muss ich falconi für seinen test danken, wie immer sehr eigenwillig und unterhaltsam…eine frage hätte ich aber doch noch: was ist ein unendliches sustain? meines wissens nach ist doch sustain ein level und keine zeit?

    • Profilbild
      falconi RED

      @dilux Ich finde den Sound auch ziemlich geil, deswegen ist er ja auch Ende „Gut“. Wirklich eine willkommene Abwechslung.

      Was ich dem Abyss ankreide: Sowohl das Konzept wie auch seine Umsetzung wirken etwas unausgereift. „Charaktersynth“ hin oder her: Da wäre mit wenig zusätzlichem Aufwand und mehr Liebe zum Detail noch deutlich mehr drin gewesen…

      • Profilbild
        dilux AHU

        @falconi ja, da bin ich wohl anders gestrickt, bei mir geht sound einfach über alles, da können mich hakelige bedienung und andere unstimmigkeiten gar nicht mehr beeinflussen.
        lustigerweise sind ja viele bereit, bei den analogen sauriern all diese unstimmigkeiten einfach so hinzunehmen, weil der sound so überzeugt…

        • Profilbild
          falconi RED

          @dilux Das sehe ich persönlich auch so, aber ein AMAZONA-Artikel soll auch typische Erwartungen an ein Instrument beleuchten und ggf. „warnen“, wenn die an einigen Stellen nicht erfüllt werden. Ein – sagen wir – REV2, wie ich ihn neulich mal auf dem Tisch hatte – erfüllt die natürlich, für Gourmets ist er aber schon zu „rundgelutscht“.

          Zu den „analogen Sauriern“: Wir leben ja gut dreieinhalb Dekaden nach deren Blütezeit, gewisse Fortschritte kann man also erwarten. Bei meinen Reviews frage ich mich tatsächlich immer: An welcher Stelle hätte wohl ein – im Zweifel japanischer – Entwickler/Produktmanager/Qualitätsingenieur im Jahre 1981 „Kakao“ geschrien? Zu der Zeit waren die meisten Instrumente nämlich klangstark, keineswegs langweilig und trotzdem bereits technisch sehr ausgereift.

          Der Vergleich ist insofern unfair, weil viele Saurier – gerade die japanischen, weniger die amerikanischen – ja bereits das Produkt größerer Teams gleich mehrerer Abteilungen waren, ausgestattet mit entsprechenden Budgets. Der technische Fortschritt, moderne Entwicklungswerkzeuge und ein großer Fundus an „gemeinhin bekannten Schaltungsvarianten“ machen die Produktentwicklung und Vermarktung aber auch leichter – von daher sollte man auch bei „sehr gutem Sound“ nicht zu gnädig sein, was gewisse „Hardskills“ angeht…

    • Profilbild
      dilux AHU

      @falconi ok, ich las sustain als begrifflichkeit der hüllkurve, wo ja release die ausklingzeit bestimmt.

      • Profilbild
        falconi RED

        @dilux Da hast Du recht, das ist in meinem Beitrag tatsächlich ungünstig formuliert. Gemeint ist die „Releasezeit“.

        Ich habe wohl zuviele Artikel der geschätzten Kollegen aus unserer Gitarrenredaktion gelesen, wo der Begriff ja tatsächlich „Wikipedia-esk“ verwendet wird. Viel „Sustain“ bedeutet bei einer Gitarre also „langes“, aber natürgemäß auch „gut vernehmliches“ Nachklingen…

        Der Abyss klingt jedenfalls im Polymodus auf dem eingestellten Sustainlevel unendlich lange nach, sofern man ihn nicht gewaltsam abwürgt.

        • Profilbild
          Son of MooG AHU

          @falconi Den Begriff Sustain kenne ich ursprünglich von der Heimorgel; der so bezeichnete Schalter entsprach der Release-Funktion einer Envelope, daher musste ich beim Synthesizer erst noch umlernen.

  4. Profilbild
    costello RED

    Altgriechisch und „Frühstücksbrettchen mit Vintage-Anmutung“ zum Samstag – sehr schön! Toller Testbericht, sehr schöne Klangbeispiele. Wobei ich vor allem den Exkurs zu Multitimbralität und Polysynths superspannend zu lesen fand. Der Abyss bietet schon sehr eigene Klänge, ohne allerdings bei mir „gas“ auszulösen.

  5. Profilbild
    Trance-Ference

    Ich muss Dilux zustimmen, die Vielfältigkeiten des Sounds sind die Stärke des Abyss. Als ich damals das erste Video gesehen hab mit der 4 fachen Polyphonie und den Effekten war ich hin und weg. Auf Grund der ganzen Sachen hab ich immer noch ein gewisses Verlangen danach aber was mich stört, weil es einfach nicht in meine Arbeitsweise passt ist der keine CCs kann und Parameter nicht abspeicherbar sind.
    Ansonsten ist das ein geiles Teil.
    Übrigens schön geschriebener Bericht!

    • Profilbild
      falconi RED

      @Trance-Ference Schön, freut mich.
      Vermutlich hat der Abyss auch noch mehr drauf, als ich ihm – in meiner Session am Freitag abend vor einer Woche – zu entlocken vermochte. Da die deutsche Demo Unit gerade heiß begehrt bei diversen Publikationen ist, hatte ich leider nur kurz Zugriff.
      Was mir dennoch wissenswert erscheint: Hochfrequentes liegt den Dreadbox-Oszilatoren nicht, und Perkussives verbieten die gemächlichen Attacks beider Hüllkurven. Für „Glöckchen“ – fein Gezupftes und Geschlagenes, aber auch Gestrichenes in höheren Lagen, sollte man den Abyss daher nicht einplanen.

  6. Profilbild
    Viertelnote AHU

    sehr guter Test, aussagekräftig und tolle
    Klangbeispiele.

    Für das, was die Kiste kann, finde ich den Synth einfach zu teuer. Sicherlich hat der Sound Charakter und vielleicht noch ein paar Besonderheiten, aber da investiere ich mein Geld anderweitig, ohne jetzt Preisdiskussionen loszutreten. Wer genau diesen Synthesizer für seine Musik braucht, der wird fündig und glücklich.

  7. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Schöne Klangbeispiele, guter Test, ehrliches Fazit.
    So sehr mich die hier angespielten Klänge geflasht haben, so haben mich die Defizite aber auch abgeturnt. Schade, zum Rumspielen schön, fürs Recorden in den 2010ern suboptimal, inakzeptabel.

  8. Profilbild
    falconi RED

    Jo. Es ist spießig, aber ich hätte wirklich gerne synchronisierbare LFOs gehabt. Und ein paar CCs für die schicken Räder, vor allem das formidable AllInOne-Waveshaper-Wheel und natürlich die Filter. Und…naja.

  9. Profilbild
    alfons

    der Test hat mir sehr gut gefallen , vor allem das mit den glücklichen ,freilaufenden VCO’s!

  10. Profilbild
    falconi RED

    Der PERfourMER klingt verschieden, ist vielseitiger und ist m.E. nicht schwerer zu „bändigen“, sondern nur zu „bedienen“ bzw. zu überblicken. Ich denke, man wird bestens, aber völlig anders bedient.

  11. Profilbild
    zona

    Toller Test, mit kompetenter, unterhaltsamer und plattitüdenfreier Schreibe. Bitte mehr davon!

  12. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    „Es ist sehr kompakt, wenn auch auf Grund seiner ergonomischen Formgebung nur eingeschränkt reisegepäcktauglich.“ – Danke dafür, dass Du in deinem Testbericht auch an musikalische Nomaden wie mich gedacht hast :D Klanglich erinnert er mich ein bisschen an so manchen Soviet-Synth wie z.B. Alica 1377 oder den Aelita-Synth, was mir durchaus gefällt :) Randbemerkung: Schade dass es solche Synths nicht als Boutique-Clones gibt.

  13. Profilbild
    falconi RED

    Den kommunistischen Look&Feel klassischer russischer Synthesizer kann man nun einmal schlecht „clonen“.

    Hinzu kommt: Alle mir persönlich bekannten Instrumenten aus dem „Ostblock“ – auch nicht-russische – beinhalten konventionelle Schaltungskonzepte, die vermutlich durch Re-Engineering westlicher Vorbilder entstanden sind (wenige Ausnahmen bestätigen die Regel). Wenn sie dennoch besonders klingen, liegt das eher an den diversen Kompromissen bei der Auswahl der Bauteile, die die Entwickler eingehen mussten.
    Da es diese Bauteile – wenn überhaupt – nur noch in überschaubaren Stückzahlen als New Old Stock zu kaufen gibt, ergeben direkte Clones auch aus technischer Sicht wenig Sinn.

  14. Profilbild
    pytrel

    Toller test. Danke dafür. Hmm das ding ist echt teuer für was es kann. Ja Synth Charakter kann man frei bewerten aber ganz ehrlich. Ich liebe synths und hab keine „lieblingsmarke“, so sehr ich den sound mag kann ich in diesen fall nicht anders denken als „für das geld könnte ich einen Perfourmer kaufen“ und irgendwie erscheint mir der Abyss dann ziemlich überteuert.

  15. Profilbild
    falconi RED

    Njoa. Ist auf jeden Fall schicker und durchdachter. Und ich bin ja auch immer ein wenig Patriot. Ist aber nicht das Gleiche.

  16. Profilbild
    Metalex

    Hat wohl hier im Forum keiner erkannt, dass Du ein ganz kleines bisschen Maiden gespielt hast, cool!

  17. Profilbild
    falconi RED

    ;)
    Ich hatte das spontan eingegniedelt und mich erst dann gefragt, woher ich das eigentlich habe. Auf der Platte war es dann zwar anders, aber ähnlich – ändern wollte ich es nicht mehr. In jedem Falle also „inspired by…“…

    Was uns zu der Frage führt: „Tell me why I had to be a Powerslave?“

    In diesem Sinne: Einen schönen Abend!

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