Synthesizer für SciFi-Sound à la Blade Runner
EastWest OPUS ist die neue Host-Software für die Librarys des amerikanischen Herstellers und ersetzte vor einiger Zeit den Vorgänger PLAY. EastWest FORBIDDEN PLANET ist ein Software-Synthesizer aus selbigem Haus, der vor allem für Filmmusik-Komponisten spannend sein dürfte. Ich habe mir beides auf einem M1 Mac mit OS Ventura 31.2.1 zu Gemüte geführt.
Inhaltsverzeichnis
EastWest Opus Host-Plugin
Ähnlich wie bei einigen anderen Library-Anbietern wie z. B. Best Service (Engine), UVI (Falcon), Native Instruments (Kontakt), bringt EastWest seine Librarys ebenfalls nicht als eigenständig Plug-ins im AU- oder VST-Format auf den Markt, sondern erlaubt die Einbindung in die DAWs nur mittels einer Host-Software: Hier genannt OPUS.
OPUS gibt es in allen mir bekannten Plug-in-Formaten und läuft hier unter MAC OS Ventura absolut problemlos. Damit ersetzt es die alte Host-Software PLAY, die leider schon vor einigen OS-Versionen in die Knie gegangen ist. Und das Wichtigste: OPUS bekommt man beim Kauf eines EastWest Plug-ins kostenlos dazu.
OPUS ist also nun das Zuhause der EastWest Klangbilbliotheken, in der man Sounds aus unterschiedlichsten EaatWest Libs schichten kann. OPUS übernimmt dabei nicht nur die Rolle für die Sound-Auswahl (Browser), sondern auch die eines umfangreichen Mixers mit integrierten Effekten.
Störend ist hier nur das kleine Arbeitsfenster von OPUS. Öffnet man z. B. Mixer und zwei Effekte, reicht der angebotene Rahmen bereits nicht mehr aus, um alle drei Elemente auf einen Blick zeigen zu können, obwohl der Bildschirm noch ausreichend Platz böte. Man ist also gezwungen, innerhalb des kleinen Fensters durch seine FX-Plug-ins zu scrollen. Hier sollte der Anbieter schnell nachbessern.
Großartig und von hoher Qualität ist dafür die umfangreiche Effektausstattung, darunter auch einige SSL-Effekte (siehe Screenshot oben).
Innerhalb der Performance-Page von OPUS lassen sich dann MIDI-Controller einbinden wie Chordplayer oder Arpeggiatoren. Auch hier stehen 11 Spezialisten zur Auswahl (Screenshot am besten vergrößern und rechte Spalte begutachten).
OPUS bietet damit eine sehr umfangreiche und überschaubare Möglichkeit, die angebotenen Libs unabhängig von der DAW nachzubearbeiten, zu mischen und zu mit diversen Controllern zu manipulieren. Gegenüber dem Vorgänger PLAY ist OPUS trotz der oben genannten Einschränkung nun deutlich übersichtlicher und auch im Funktionsumfang wesentlich stärker geworden.
Kommen wir nun zum Software-Synthesizer FORBIDDEN PLANET, den ich innerhalb von OPUS ausprobieren werde:
EastWest Forbidden Planet
Forbidden Planet besitzt ein ansprechendes GUI, das auch gleich suggeriert, wo die Zielgruppe für diesen Software-Synth liegt. Filmmusik-Komponisten und Multi-Media-Artists sollen wohl angesprochen werden – eine immer gängigere Zielgruppendefinition, wobei der sogenannte Multi-Media-Artist in der Praxis wohl eher seltener anzutreffen ist als die Gilde der Filmmusiker.
Die Vektor-Steuerung für dynamische Klangverläufe
Auf dem Hauptbildschirm von FORBIDDEN PLANET springt einem Planet-Blau mit Mond-Orange ins Auge. Dahinter verbirgt sich die augenscheinlichste Innovation des Software-Synthesizers, denn der kleine Mond ist im Prinzip der Vektor-Stick innerhalb zweier Vektor-Achsen.
Jeder FORBIDDEN PLANET Klang besteht aus zwei Multisamples (hier Wellenform 1 und 2 genannt).
Die Vektorachsen sind fest belegt mit den Parametern Mischungsverhältnis Wellenform 1 und 2 sowie mit der Cutoff-Frequenz des Filters. Was zunächst ein wenig banal anmutet, ist in der Anwendung (für Filmmusik) aber wirklich genial. Wieso und weshalb, seht ihr euch am besten in folgendem Video an.
Springt bitte mal zu Minute 11:47 und seht euch nach einer vertonten Filmsequenz an, wie diese mit FORBIDDEN PLANET vertont wurde und welche Rolle dabei die Vektorsteuerung spielte:
Ein Blick auf die Parameter von Forbidden Planet
Ich versuche das mal zusammenzufassen. FORBIDDEN PLANET ist kein ausgefallener Synthesizer, der es erlaubt, sich in den Tiefen von unzähligen Parametern verlieren zu können – er ist genau das Gegenteil, nämlich ein Sampleplayer mit nur wenigen Eingriffsmöglichkeiten. Auf den ersten Blick war ich darüber enttäuscht, denn bei den vorgegebenen Klängen lassen sich nicht einmal die Wellenformen auswechseln oder verschiedene Filtertypen anwenden.
Aber dann fängt man an, mit den Presets zu experimentieren und stellt fest, dass die Klangauswahl für cineastische Untermalung geradezu exzellent ist und die angebotenen Parameter vollkommen ausreichen, um die Klänge seinen Bedürfnissen anzupassen.
FORBIDDEN PLANET ist ein Spezialist für breite, symphonische Untermalung – nicht mehr und nicht weniger. Und natürlich wird man noch andere Klangerzeuger brauchen, um einen ganzen Score damit herstellen zu können. Aber davon haben die meisten Komponisten mehr auf dem Rechner, als sie wirklich brauchen ;).
Controller & Arpeggiatoren
Jeder Parameter in FORBIDDEN PLANET lässt sich sehr leicht einem beliebigen Controller zuordnen oder verfügt über einen eigenen Stepsequencer, der Parameter automatisieren kann, wie oben z. B. die Filterpage und hier unter dem Text die MIDI-Page.
Die Sounds von FORBIDDEN PLANET
Die Klangauswahl von Forbidden Planet ist wirklich reichlich, aber vor allem hochwertig. Im Browser sind die Klänge unterteilt in
- Bass
- Drones
- Leads
- Pads
- Poly Synth
Öffnet man einen der Ordner, gibt es weitere Unterteilungen, hier am Beispiel Leads:
- Analog Overdrive
- Android Seeker
- Epic Doom
- Liquid Analogue
- Rap
- World Hybrid
Ihr seht schon, hier kann man wirklich nur noch schwer erahnen, was sich dahinter verbirgt. Da die Klänge automatisch im Browser angespielt werden, wenn man sie anklickt, kommt man aber recht zügig voran. Gerade die Klänge unter Leads/Android Seeker haben mir besonders zugesagt und erinnern nicht ohne Grund vom Namen an Blade Runner und vom Sound an den CS-80. Was allerdings Rap zu bedeuten hat, keine Ahnung. Unter dieser Rubrik befinden sich z. B auch 8 schöne, spaßige Pianoklänge.
Hören wir nochmals rein:
Großartige Library!!
Der erwähnte Videoausschnitt und die Musik dazu ist der Hammer. In Making Of Videos sieht das immer so einfach aus, aber hier glaub ich es auch, dass man mit FP ziemlich schnell und leicht ans Ziel kommt. Echt krass.
@JCEFNY Dem kann ich mich nur anschließen. Meistens muss man ja seine grauen Zellen erstmal etwas anstrengen, um sich in den Workflow einzuarbeiten, aber wenn solche Sachen dabei rauskommen können, lohnt sich jede Mühe.
Ich musste neulich etwas lachen, als ich in zwei komplett verschiedenen Produktionen denselben relativ auffälligen Sound heraushören konnte (die eine war Peripherals, die andere hab ich grad nicht parat …). Vermutlich irgendein Preset irgendeiner Library. Das ist halt die Gefahr. Aber ich vermute, sowas hört kaum ein Otto-Normal-Binger heraus noch macht er sich Gedanken darüber. Ich hatte neulich eine kurze Diskussion in der der Satz „Ach, DAS sind auch Synthesizer?“ vorkam 😄
Sehr geile Library, diese Soundscapes machen echt Gänsehaut. Damit möchte man gerne mal einen Abend verbringen, auch wenn man nicht gerade Hans Zimmer heißt!
@Herr_Melin Das ist genau die Gefahr. Die interessanten Sounds verwenden die meisten 0815 Filmmusikproduzenten und denken, es merkt keiner, wenn sie noch hier und da FX drüberjagen. Ich hatte erst letztens bei 1899 ein Deja Vu 😁. Momentmal dachte ich, dass ist doch Spectrasonics….
Die richtig geilen Filmmusikproduzenten sind auch meistens krasse Sounddesigner.
@syrinx Lieber syrinx, da lehnst Du Dich aber weit aus dem Fenster. Selbst Vangelis hat bei seinen Soundtracks auf Presets zugegriffen und niemand hat das gestört. Klar gibt es krasse Sounddesigner wie HZ, aber auch viele renommierte Filmmusik-Komponisten denen zum Glück die Komposition mehr am Herzen liegt als ein Synth-Sound. Jerry Goldsmith hat ebenfalls Synths eingesetzt und kein Problem mit Presets gehabt. Am Ende merkt das im Kino keine Sau. Alles was zählt ist, ob es funktioniert. Und ich denke das macht den wahren Profi aus.
@syrinx Der springende Punkt ist das Budget der Produktion, weil sich daraus der Zeitansatz des Komponisten, Produzenten, Sounddesigner ergibt. Und da braucht es dann solche Tools. Aber selbst dann sind die Anforderungen an den Sounddesigner immens. Er muss in definierter Zeit ein Ergebnis liefern. Und 1899 ist insofern ein schönes Beispiel. Ben Frost hat das Budget optimal umgesetzt. Und das geht nun mal nur mit Kompromissen. Und insofern bringen Peter und Dom das Pro für so ein Tool sehr gut rüber.
@Herr_Melin Genau so ist es. Der Zuschauer merkt es nicht. Sounds sind nur Schall und Rauch. Was man damit macht ist am Ende ausschlaggebend.
Ein paar mal hat es mich in den späten Achtzigern aus dem Kinosessel gerissen…“krass,…die RX5.. und hier… ganz klar D50…..“
schön, wenn man dann doch die Aufregung der ersten Durchblicker-Jahre (😆) abstreift,
wie einen zu groß gewordenen fishtail parka…..
Heute schaue ich Filme glücklicherweise ganz entspannt ohne auf der ewigen Suche zu sein. Der Suche nach: was ist das jetzt? was könnte das sein?, kann ich mit diesem Dialog was anfangen, oder mit dem Soundfetzen?…..
Eastwest forbidden planet klingt verdammt gut. Würde ich beruflich Filme vertonen, würde ich mich nicht davor scheuen, solch Möglichkeiten zu nutzen. Hätte Carpenter auf so unfassbaren Content zugreifen können, er hätte ihn vermutlich genutzt.
Andererseits…. würden wir ihn dafür dann heute so feiern?
Der Vergleich hinkt natürlich schlimmer als der Zusteller mit der neuesten Thomann-Lieferung…
ABER….
Sind nicht gerade unsere Heroen durch Mangel oder Reduktion geboren?
Dem Konsumenten ist letztlich eh alles egal. Ob Film oder Ton. Ganz ohne Hohn