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Test: Empirical Labs FATSO EL7x, Analog Tape Simulator

(ID: 273168)

Ein physikalisches Zwischenspiel

An dieser Stelle ein paar Grundlagen, um die Komponenten und die Funktionsweise des FATSO besser zu verstehen. Die Vorgänge sind hier simplifiziert und dienen eher dem grundsätzlichen Verständnis als einer Doktorarbeit in Physik:

Der FATSO ist ein Effektprozessor, der dazu verwendet wird, das Rohmaterial, also die Aufnahme, zu verändern. Ob das jetzt in der Einzelspur gemacht wird oder im Mastering beim Summensignal, ist jedem selber überlassen. Grundsätzlich aber gilt: Das Signal wird „verfälscht“, damit es für das menschliche Gehör angenehmer klingt. Dazu werden dem Grundklang (z. B. dem gesungenen Ton) Verzerrungen als sogenannte Oberwellen (oder auch Oberton genannt) hinzugefügt. Diese Oberwellen überlagern den Grundklang und sorgen für die charakteristische Färbung.

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So eine Verzerrung kann im Frequenzspektrum beispielsweise eine geradzahlige oder ungeradzahlige Vielfache der Grundfrequenz sein. Grundsätzlich gilt: Eine Verzerrung mit geradzahligen (2., 4., 8. etc.) Vielfachen der Grundfrequenz klingt angenehmer, ungeradzahlige (3., 5., 7. etc.) eher unangenehm. Dieses „unangenehm“ verstärkt sich mit dem Faktor der Harmonischen: So klingt für die meisten Menschen die 5. oder 7. Harmonische sehr schrill, während die 3. Harmonische dem Signalcharakter noch einen gewissen Biss, aber auch eine gewisse Wärme hinzufügt.

Und genau hier greift der FATSO ein und spielt, je nach Komponente (Kompressor, Warmth oder Tranny), mit den Oberwellen und bewirkt so Verfärbungen, die für die meisten Menschen angenehm sind (Metalcore Fans sind hier natürlich ausgenommen :-) ).

Empirical Labs FATSO EL7x: Das Gesamtkunstwerk

Wie schon erwähnt: Beim FATSO kann man zwar die einzelnen Komponenten einzeln anwenden – der Zauber liegt aber in der Kombination der Möglichkeiten und dem daraus resultieren Ergebnis.

So ist es kein Problem, einer digital klingenden Sequenz eine nachhaltige Wärme und Weichheit zu geben, eine schrill aufgenommene Gitarre zu besänftigen oder eine harte Snare zu bändigen. Je nach Gusto wählt man dann einen passenden Kompressor aus, pegelt das Signal ein und fügt dann dem Ganzen die gewünschte Wärme hinzu (wie erwähnt: hier ist weniger oft mehr). Und je nach Musikstil kann man dann noch die Tranny aktivieren und dem Ergebnis einen Tape-Effekt hinzufügen. Das ist alles relativ einfach und das Ergebnis klingt auch in der Regel angenehmer als das Ausgangssignal.

Empirical Labs FATSO EL7x: Der Klang

Auch beim FATSO, wie bei nahezu allen anderen Studiogeräten, empfiehlt es sich, die Klangbeispiele mit einem guten Kopfhörer oder hochwertigen Monitoren anzuhören. Über einen Handy-Lautsprecher lassen sich die oft subtilen Unterschiede kaum wahrnehmen.

Starten wir mit einem Harpsichord. Dieses Instrument wähle ich sehr gerne für Hörbeispiele, da es viele komplexe Oberwellen hat und ein reiches Frequenzspektrum. Im Folgenden habe ich neben dem Roh-Signal des Instruments die einzelnen Komponenten des FATSO zugeschaltet. Gerade beim Harpsichord sind hier die klanglichen Veränderungen gut hörbar:

Und hier eine Sequenz des Arturia MatrixBrute. Obwohl es sich hierbei um einen analogen Monosynthesizer handelt, klingt diese Sequenz unbehandelt ziemlich digital. Mit den jeweiligen Funktionen wird der Sequenz zunehmend die berühmte „FATSO-Wärme“ hinzugefügt. Gerade im Vergleich des Roh-Signals mit dem letzten Beispiel (Kompressortyp ELEVEN mit Warmth auf Stufe 6 und Tranny eingeschaltet) ist das sehr gut zu hören:

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Der Empirical Labs FATSO EL7x als Notarzt

Habe ich eine zu schrill aufgenommene Gitarrenspur, kann ich diese mit dem FATSO bearbeiten und sie wird voller und angenehmer klingen. Warum wurde aber die Gitarre so aufgenommen? Sollte das dem Charakter des Stückes dienen oder war der Toningenieur nicht sehr begabt? War am Aufnahmeort kein vernünftiges Equipment vorhanden (falsche Mikrofone etc.)?

Anderes Beispiel: Der Mastering-Ingenieur bekommt einen fertig gemixten Track und dem Auftraggeber klingt das Ganze zu digital und zu steril. Boom – einmal durch den FATSO gejagt und schon hat man den Produzenten glücklich gemacht. Aber ist das dann nicht eher ein Kommunikationsproblem? Wäre es nicht besser gewesen, die Aufnahme im Studio schon entsprechend einzuspielen?

Ist der Empirical Labs FATSO also eher der „Notarzt“ unter den Effektgeräten? Klar, das könnte man von anderen Geräten auch behaupten, aber gerade das, was der FATSO mit dem Signal macht, das sollte man doch eigentlich vorher wissen, oder? Will ich einen Song produzieren, der eher ins gemütliche Wohnzimmer oder die Rockabilly Kneipe passt, dann sollte man das doch schon im Aufnahmeraum berücksichtigen und nicht erst am Ende der Kette im Mastering „richten“!

Bitte nicht falsch verstehen: Viele Tontechniker haben schon drei Kreuze gemacht, dass es den FATSO überhaupt gibt. Leider kommt es sehr oft vor, dass sich die einzelnen Parteien vor dem Track nicht richtig verständigen und man dann – Gott sei Dank – solch hochwertige und gut klingende Devices wie den FATSO einsetzen kann, um das Endresultat nach Wunsch hinzubiegen.

Der Empirical Labs FATSO EL7x als Produktionstool

Auf der anderen Seite hilft der FATSO aber auch dabei, den Song zu entwickeln und ist dabei sehr inspirierend, denn häufig entsteht der individuelle Touch des Tracks erst beim Mischen und Mastern. Oft wird beim ersten Ausprobieren eines Stückes mit Basics gearbeitet: Vocal, Gitarre, Bass, Drums, vielleicht ein Keyboard. Aber erst wenn die Gitarre smooth klingt, wenn der Bass einen treibenden Groove-Sound bekommt und die Bassdrum voll und saftig klingt, dann rastet der Song ein. Und in diesem Prozess ist der Empirical Labs FATSO EL7x eine unglaubliche Hilfe. Schnell das Gitarrensignal durch den FATSO gepatcht und ausprobiert: Mehr Fülle und Volumen? Mehr „Richness“ im Klang oder soll sie lieber hell, klar und einsam im Raum stehen? Der FATSO gibt auf diese Fragen schnell Antwort. Fehlt der Frauenstimme das Volumen oder ist genau dieser etwas dünne „Mädchen-Style“ hier besser? Nicht verzagen, FATSO fragen! Und was dabei begeistert: Die Veränderung des Signals findet immer harmonisch und sehr natürlich statt.

Und ganz wichtig: Das hat nichts damit zu tun, was ein Equalizer leistet: „Volumen“ ist nicht einfach, die EQ-Bänder bei 100 und 200 Hz hochzuziehen, sondern eine Anreicherung des Signals mit einer bunten Blumenwiese aus komplexen geradzahligen und ungeradzahligen Oberwellen. Und das bringt der Empirical Labs FATSO genau auf den Punkt.

Empirical Labs FATSO EL7x: Konnektivität, Bedienung und Verarbeitung

Abschließend noch ein paar Worte zur Anschlussfreude, zur Bedienung und der Produktqualität des FATSO.

Konnektivität

Die Inputs und Outputs sind sowohl als TRS (Klinke) oder XLR ausgeführt. Dazu findet man auf der Rückseite den Sidechain-Eingang, mit dem man die Kompression des Haupt-Signals mit einem zweiten Signal beeinflussen kann – sehr gut! Für Freunde des 5.1 Surround Sounds kann man mehrere FATSO über die External-Link TRS-Buchsen zusammenschalten, was die Einsatzmöglichkeiten weiter erhöht.

Bedienung

Mir fiel die Bedienung grundsätzlich leicht. Das Gerät lässt sich als Doppel-Mono- oder als Stereo-Device einrichten. Einmal beide Compressor-Tasten gleichzeitig drücken und schon ist man im Link-Mode. Dessen Bedienung zeigt zwar manche Ungereimtheiten, aber man kommt schnell dahinter, wie es laufen soll. Ein Beispiel:

Im Link-Modus kann ich entweder rechts oder links am Gerät den Compressor-Typen einstellen – das wird dann für die jeweils andere Seite übernommen. Auch der Tranny-Schalter ist links und rechts synchronisiert. Die Inputs und Outputs müssen aber getrennt voneinander geregelt werden. Bei anderen Herstellern wird im Linked-Mode die eine Seite des Geräts „lahmgelegt“ und die Bedienung des Stereosignals findet nur über (z. B.) den linken Kanal statt.

Interessant auch, wenn das Gerät nicht gelinkt ist: Man kann die Tranny-Buttons links und rechts nicht gleichzeitig drücken. Also, kann man schon, aber dann passiert halt nichts. Man muss dies immer zeitversetzt machen. Schade, denn gerade beim Einpegeln fände ich es gut, wenn man links und rechts parallel auf Bypass schalten könnte. Keine große Sache, aber der Empirical Labs FATSO EL7x ist schon einige Jahre am Markt: Das hätte man im Laufe der Modellpflege optimieren können.

Die Verarbeitungsqualität

Die Verarbeitung hingegen ist top! Zuerst dachte ich „Plastikpotis bei einem 2.700 Euro Gerät?“. Beim genauen Untersuchen wirken diese aber eher wie die Bakelit-Knöpfe an einem Moog Synthesizer und ich lernte diese schnell zu schätzen. Die sahnige Bedienung und die sehr gute Skalierung lassen ein schnelles und sichereres Arbeiten zu. Das Gerät ist zudem sehr robust inklusive integriertem Netzteil und Power-Schalter auf der Frontplatte. Hier gibt es wirklich nichts zu beanstanden.

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Fazit

Ich kann hier alle beruhigen, die ich mit meinem Intro verunsichert habe. Der FATSO ist teuer, aber gleichzeitig auch jeden Cent wert. Alleine die Tatsache, dass er einen zu scharfen Mix retten kann, macht ihn schon zu einer Kaufempfehlung. Aber auch seine Qualitäten als Produktionstool zeigen, dass Empirical Labs nicht nur einen einfachen „Dickmacher“ konstruiert hat. Das Gerät nimmt auf sehr natürliche Weise Einfluss auf das Ausgangssignal. Man kann an den Knöpfen drehen, (fast) so viel man will – das Ergebnis klingt immer überzeugend und hilft dabei, dem Track das gewisse Etwas zu geben, was einem mit herkömmlichen Effektprozessoren oder Equalizern so nicht gelingen wird.

Plus

  • klanglich sehr hochwertiger Effektprozessor
  • vielseitige Einsatzmöglichkeiten
  • hochwertige Verarbeitung
  • mannigfaltige Anschlussmöglichkeiten
  • hilfreiches Handbuch (Englisch)

Minus

  • manchmal leicht verwirrende Bedienung

Preis

  • Ladenpreis: 2.599,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    swift AHU

    Danke für den Test. Ich bin seit einiger Zeit auf der Suche nach einem guten Tape Simulator. Konnte schon jeman den Sound Skulptor TS500 Tape Simulator testen? Leider ist der Hersteller nicht fähig oder willig Sound Samples zur Verfügung zu stellen.

  2. Profilbild
    defrigge AHU

    Ich finde die UAD Tape Simulationen sehr überzeugend. Da gibt’s nicht nur eine gelungene Fatso-Emulation, sondern auch fein justierbare Ampex- und Studer- Tape Versionen.

    Und bei den Hardwarepreisen, über die wir hier reden, halte ich die Kombination aus UAD-Hard- und Software für die flexiblere und immer noch günstigere (Home-) Studio-Lösung.

    Soundbeispiele sind online zu finden.

    • Profilbild
      Eric

      @defrigge Ich habe auch die UAD Fatso Emulation. Einer meiner Lieblings-Plugins.

  3. Profilbild
    swellkoerper AHU

    Zum Reinschnuppern auch sehr zu empfehlen sind auch die zahlreichen Goldbaby Samplepacks, die u.a. mit Fatso bearbeitet wurden. Da bekommt man einen guten Eindruck, warum das Teil seit langer Zeit in der Pro-Audio Szene so beliebt ist.

  4. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    „Auch beim FATSO, wie bei nahezu allen anderen Studiogeräten, empfiehlt es sich, die Klangbeispiele mit einem guten Kopfhörer oder hochwertigen Monitoren anzuhören. Über einen Handy-Lautsprecher lassen sich die oft subtilen Unterschiede kaum wahrnehmen.“

    Und ich habe gedacht mein Distressor-Plugin hätte einen Bug.
    Scheint eher Firmenphilosophie zu sein. :)

    Edit: War das trollig? Sorry! ;)

  5. Profilbild
    TonvaterJan

    Hör Dir mal die Fatso Version von UBK/Kush Audio an.

    Da hat Gregory Scott das Gerät neu von einem anderen Level her gedacht und
    ein paar essentielle Komponenten intern modifiziert.

    Das ist für mich nochmal ein totaler Quantensprung – mein allerliebster Färbekompressor
    aller Zeiten.
    Egal was man reinschickt, egal wie sehr man ihn tritt – es klingt immer hervorragend…

  6. Profilbild
    Marco Korda AHU

    Da beide ein ähnliches Ziel haben, wäre ein Vergleich zum Elysia Karacter ganz interessant. Und da es von beiden auch noch softe Pendants gibt, die gleich mit in den Vergleich…. :-))).

  7. Profilbild
    Jörg Hoffmann RED

    Danke für Euer Feedback. Vom Kush habe ich auch schon wahre Wunderdinge gehört. Muss wirklich klasse sein. Und auch der Elysia – über die kann ich nur Gutes sagen. Geräte von höchster Qualität.
    Die Vergleiche Hardware vs. Software sind leider nicht trivial. Meist sind die Charakteristika zwischen der Regler völlig unterschiedlich, um die Mausbedienung zu ermöglichen. Dann ist oft 50% bei der Hardware nicht identisch, wie 50% bei der Software. Dann werden Plugins in der Software meist in den Aux/Send eingeschliffen und ich bevorzuge das direkte Einschleifen in den Signalweg. Auch das ist leider nicht 1:1 zu vergleichen. Aber man kann zumindest einen Eindruck bekommen, wo die Unterschiede liegen.

  8. Profilbild
    monomood

    Ich möchte an dieser Stelle noch gern die Colour Palette Module von DIYRE empfehlen. Sättigung at its best.

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