Der Engl Retro Tube 50 Head ist zweikanalig ausgelegt (Gain, Treble, Middle, Bass, Volume), wobei sämtliche Kanalregler exakt doppelt vorhanden sind. Allerdings sind die Kanäle in Sachen Gain erwartungsgemäß unterschiedlich konzeptioniert. Ein auf beide Kanäle wirkender Gain-Boost erweitert die Flexibilität, ein Bright-Schalter in Kanal 1 boostet bei Bedarf die Höhen, ein Tone-Regler in Kanal 2 die Tiefmitten. Alles auf den ersten Blick recht einfach gehalten, ein Blick auf die Rückseite des Topteils offenbart jedoch weitere Besonderheiten, welche Engl immer wieder in der Hinterhand hält.
So verfügt der Amp über einen seriellen/parallelen Einschleifweg (Balance regelbar), ein schaltbares Noise-Gate und einen zweiten Mastervolumeregler, alles über insgesamt drei Stereoklinkebuchsen schaltbar. Des Weiteren gibt einen Fußschalteranschluss für die hauseigenen Engl-Pedale in Form eine S.A.C.-Ports. Da freut sich der Künstler über so viele individuelle Verwaltungsmöglichkeiten! Die allgemeine Verarbeitung entspricht echten Made in Germany-Richtlinien, will heißen: makellos und dazu angereichert mit ein paar kleinen Extras, wie zum Beispiel einer optischen Endstufenüberwachung.
Praxis
Wo Retro draufsteht, sollte auch Vintage drin sein, will heißen, wer hier den allseits beliebten, im Ansatz sehr weichen Engl-Sound sucht, wird sich unter Umständen bei den ersten Tönen, denen er diesem Head entlockt, gehörig erschrecken! Oha, das kommt ja gar richtig knochig und ehrlich aus den Speakern, da ist der ganze Mann gefragt. Ich persönlich kenne diese Form des Klangs noch gar nicht aus dem Hause Engl. Hier kann man sich nicht hinter schön platt komprimierter Grundauslegung des Heads verstecken, hier wird beinhart offen gelegt, was an Fingerübungen in der letzten Zeit vernachlässigt wurde!
Wenn dir hier ein Ton auf halber Strecke aufgrund eines unsauberen Griffs oder eines unausgegorenen Vibratos verreckt, dann hört man das. Da fängt dich keine gutmütige 6L6 mütterlich auf, da tritt dich eine EL34 ordentlich in den Hintern und ruft zum Rapport. Die Belohnung für diese „Feldwebel-artige“ Auslegung des Produktes steht aber ebenso Gewehr bei Fuß. Wehe dem, du triffst den Ton perfekt, dann wirst du mit einer geradezu süßlichen Tonentfaltung belohnt. Der Amp spricht extrem schnell an und hinterlässt einen charakterstarken Eigenklang, der sich im Bandgefüge leicht orten lässt. Wehe dem Bandkollegen, der mit chorusgeschwängertem Weichspülersound bei gleicher Lautstärke gegen dich antritt, er hat keine Chance, der Retro 50 Head wird garantiert deutlicher zu vernehmen sein! Leider hört man auch deine Verspieler umso deutlicher, aber das bleibt natürlich eine Frage der persönlichen Vorbereitung.