Die verschmähte Les Paul!
Man mag es angesichts der aktuellen Preise von 500.000 $ und mehr kaum für möglich halten, aber die legendären Gibson Les Paul Standard von 1958 – 1960, von denen ca. 2.500 Exemplare gebaut wurden, waren wirtschaftlich ein echter Rohrkrepierer für Gibson. „Zu schwer, zu unhandlich, zu traditionell“ und was noch alles von den Kunden als Downer für die handwerklich großartigen Instrumente seiner Zeit angeführt wurde. Alles wollte die leichten, höhenreichen und „modernen“ Gitarren von Fender, allen voran der größte Verkaufsschlager aller Zeiten, die Stratocaster. In ihrer Verzweiflung warfen Gibson 1961 dann auch das von Les Paul vorgegebene Konzept über Bord und verpassten dem Signature-Instrument einen radikalen Reboot, der nicht mehr viel mit der Original Les Paul zu tun hatte. So kam es, dass für einige Jahre noch der Schriftzug „Les Paul“ auf dem Headstock thronte, bevor das Instrument Mitte der Sechziger endgültig zur wenig inspirierten „Solid Guitar“, besser bekannt als SG, wurde. Eine Auflage der vor sechzig Jahren verklungenen Ära bietet nun die Gibson Tochter Epiphone, die uns zum Test vorliegt.
Inhaltsverzeichnis
Das Konzept der Epiphone 1961 Les Paul SG Standard CW
Losgelöst von der Qualität des Instruments, war Les Paul nicht wirklich glücklich mit der Neuausrichtung seines Modells. Zwar bekam er immer noch seine Tantiemen an dem Instrument, aber die Außendarstellung war alles andere als optimal für ein neues Modell. Was aber genau unterschied denn nun die beiden Modelle von einander? Nun, neben der modifizierten Korpusform war es vor allem der Ruf nach leichteren Hölzern und weniger Masse im allgemeinen. Die „aua, aua, Rücken“ Fraktion hatte schon damals einen sehr großen Einfluss auf die wirtschaftlichen Umsätze der Hersteller, so dass Gibson direkt einmal die Korpusdicke inklusive des Shapings um knapp 30 – 40 % reduzierte.
Was Epiphone hier allerdings mit der Epiphone 1961 Les Paul SG Standard CW in Sachen Gewicht an den Tag legt, sprengt alle Maßstäbe. Gerade einmal 2,6 kg bringt das Instrument auf die Waage, was selbst eine Ibanez RG dagegen als „fetten Klotz“ durchgehen lässt. Laut Hersteller handelt es sich um einen massiven zweiteiligen Mahagoni-Korpus zzgl. eines einteiligen Mahagoni-Halses, aber der Klopftest könnte auch auf einige Hohlräume schließen lassen. Mir persönlich ist kein Mahagoni-Holz bekannt, das dermaßen leicht ist, aber man lernt ja bekanntlich nie aus. Wie dem auch sei, sofern es das Schwingungsverhalten des Instruments nicht negativ beeinflußt, ist gegen eine Gewichtsreduktion nichts einzuwenden. Und das ist bei vielen anderen Epiphones ist das ebenfalls nicht der Fall:
Ansonsten übernimmt die Epiphone 1961 Les Paul SG Standard CW alle Trademarks, die eine klassische SG ausmachen und natürlich von der Mutterfirma abgesegnet wurden. Kurze Mensur, 2 nicht splitbare Humbucker (Burstbucker 2 und Burstbucker 3) nebst 3-Wege-Schalter und 2x Volume und 2x Tone, alles wie bekannt. Auch wenn die SG/Les Paul primär in der AC/DC-Farbe (Gitarrist Angus Young hat das Modell aufgrund seiner Körpergröße von nur 157 cm ebenfalls nur aus Gewichtsgründen gewählt) Cherry Red daher kommt, so gab es seiner Zeit in der Tat auch einige Modelle in Weiß, wenngleich dies häufig den Modellen Junior und Custom vorbehalten war. Epiphone versucht mit der Farbgebung „Aged White“ ein wenig Vintage-Charakter in das Modell zu bringen, was ihnen aber meines Erachtens nicht wirklich gut gelingt. Eine Lackierung in matt statt high-gloss aufzutragen, macht noch kein Vintage und auch das „vergilbte“ Hals-Binding hat eher etwas von einer angelaufenen Pattex Klebenaht, als von einem gealterten Kunststoffstreifen. Allerdings ist beides handwerklich perfekt umgesetzt und eingefasst.
Ungewöhnlich ist auch die Wahl des Griffbrettmaterials. Zum Einsatz kommt das noch recht seltene Laurel, das meines Erachtens optisch etwas in Richtung Nussbaum geht. Laut meiner Unterlagen wird Laurel primär in Costa Rica und dem nordöstlichen Südamerika geschlagen, laut Epiphone handelt es sich allerdings um „Indian Laurel“, was auf einen Einschlag auf dem Subkontinent schließen lässt. Alle Hardware-Teile sind von hoher Qualität, so handelt es sich bei den Tunern zum Beispiel um Kluson-Kopien aus eigener Fertigung. Im Zusammenspiel mit dem Graph-Tech-Sattel lässt sich das Instrument leicht und gleichmäßig stimmen. Auch die Brücke nebst Tailpiece hinterlassen einen hochwertigen Eindruck und bei dem 3-Wege-Schalter handelt es sich nicht um die billige Biegeblech-Lösung einiger Konkurrenten in diesem Preissegment, sondern um einen hochwertigen Telefonrelais-Schalter, wie man ihn auch von den Gibson Instrumenten her kennt.
Geliefert wird die Epiphone 1961 Les Paul SG Standard CW übrigens in einem gut verarbeiteten, auf Vintage getrimmten braunen Hardshell-Koffer, der exakt das klassische Innenfutter enthält, wie man es von den außergewöhnlichsten Farbgebungen der Gibson Vergangenheit her kennt. Hier hat Epiphone dann in Sachen Optik aber auch noch einmal alles gegeben. Das verwendete „blasse Pink“ als Interieur ist dermaßen kitschig, dass sich selbst die farbgebungs-resistenten Japaner die Augen zuhalten würden, aber wie gesagt, klassisch ist klassisch! Seine Funktion in Sachen Schutz erfüllt der Koffer hingegen sehr gut.
In der Praxis
Die Epiphone 1961 Les Paul SG Standard CW hält die Tradition der SG aufrecht, so viel kann man bereits bei den ersten Tönen aus dem Amp sagen. Ich habe einmal mehr 5 verschiedene Kanäle meines Hughes&Kettner Triamp MKIII bemüht, um ein ausgewogenes Klangbild zu vermitteln. Angeschlossen wurde ein Marshall 412 Cabinet mit Celestion G75 T Lautsprechern, abgenommen mit 2 Shure SM 57. Durch das extrem geringe Gewicht bietet das Instrument keinerlei Druckstellen, weder im Sitzen, noch im Stehen. Allerdings tritt die Kopflastigkeit, ie bei einem SG-Modell ohnehin latent vorhanden ist, dadurch auch wieder etwas mehr in den Vordergrund. Letztendlich lässt sich dieses Manko aber noch gut handhaben und für den typischen SG-Spieler ist dies ohnehin kein Thema mehr.
Das Instrument gibt durch seine Konstruktion und die Pickups die Marschrichtung vor und diese lautet „Rock“, wobei man von Rock im klassischen Sinne ausgehen sollte. Nix High-Gain-Metal-Geschrubbe, nix Djent-Tiefton-Geschlabber, sondern typischer Vintage-Classic-Rock im eigentlichen Sinne. Natürlich kann man fehlende Gain-Reserven mittels Overdrive- oder Distortion-Pedalen aufholen, allerdings sollte man in diesem Fall auch immer die Nebengeräusche im Hinterkopf behalten und ein zusätzliches Noise-Gate hinter dem Pedal platzieren.
Wer hingegen auch der Suche nach einem charaktervollen Crunch-Sound mit Abstecher in den Lead-Bereich für unter 1.000 Euro ist, liegt bei der Epiphone 1961 Les Paul SG Standard CW goldrichtig. Zwar entpuppen sich die Pickups als vergleichsweise höhenarm, im Zusammenspiel mit einem latent „beißenden“ Vintage-Amp hingegen heben sich die beiden Mankos gegenseitig auf und ergeben einen sehr schön harmonisierten Grundsound.
Spieltechnisch liegt das Instrument gut in der Hand und wird mit dem werksseitig als „SlimTaper C“ Halsprofil dem Großteil des „Average Users“ viel Freude bereiten. Die Werkseinstellung des Instruments war gut und sollte den meisten Spielern mit einer durchschnittlichen Anschlagsstärke zusagen. Im direkten Vergleich mit einer knapp doppelt so teuren Gibson SG fällt auf, dass die Epiphone 1961 Les Paul SG Standard CW nicht ganz den charaktervollen Klang des Originals innehat und auch mit etwas weniger Volume daher kommt. Im Gegenzug kann man sich aber dann auch halt 2 Epiphone für den gleichen Preis kaufen, wenn man möchte.
Letztendlich bleibt unter dem Strich stehen, dass Epiphone recht viel Gitarre fürs Geld liefert. Das Tochterunternehmen von Gibson hat sich längst zu einem guten Instrumentenlieferant der Mittelklasse entwickelt und lässt noch Luft nach oben für das Mutterunternehmen. Die Grundkonstruktion ist schlüssig, die Verarbeitung gut und die Haptik angemessen. Wer über die teilweise etwas „preisgünstig“ anmutend optischen Details hinwegsehen kann, findet eine Menge guter und klassischer Sounds für einen dreistelligen Euro-Betrag. Im Zusammenspiel mit einem hochwertigen Vollröhrenamp entlockt man dem Instrument die ganze Bandbreite aller Sounds, welche die Sechziger und Siebziger so prägend für die größten Gitarrenhits aller Zeiten machte.
Ich würde sogar behaupten, dass man mit einem hochwertigen Modeller oder Plugin die ganze Bandbreite aller Sounds, welche die Sechziger und Siebziger so prägend für die größten Gitarrenhits aller Zeiten machte, aus der Gitarre hervorufen kann.
@tenderboy Oh je, damit muss man dem Axel, glaub ich, nicht kommen ;-)
Ich hatte mal eine Gibson 61er SG in Cherry. Die klang gut, war aber von der Verarbeitung her nur „befriedigend“.
Habe ich schnell wieder an einen verkauft, der unbedingt eine Gitarre wie Angus Young haben wollte und wo Gibson drauf steht.
…was man im Laufe des Gitarrero-Lebens nicht alles so kennen lernt
Guter Testbericht! Ich bin bisher bei diesem Modell nicht dem Recherche-Fieber verfallen, weil mir der Preisunterschied zu einer SG Tribute mit ca. 150 Euro zu gering war/ist.
Der Test zeigt, dass Epiphone in diesem Preisbereich gute Instrumente bauen kann.
Ich persönlich halte die SG für eine hervorragende Einsteiger-Gitarre – allein schon aufgrund der kurzen Mensur.
Frage: Beim „Original“ gehen alle Modelle durch die PLEK-Maschine, ist die Bundarbeit vergleichbar?
2. Frage: wenn man die Brücke einen halben Zentimeter hochdreht und die Stimm-Mechaniken aufbohrt, sodass da eine 074w passt (ich weiß, schwierig zu prüfen bei einer Testleihgabe), wäre die SG-Form denn „Ironfinger-kompatibel“ ??? 😀
@Django07 1.) Den Plek Faktor könnte ich nur im 1:1 direkt vergleichen, aber die Einstellung der Epiphone war vom Werk aus her völlig in Ordnung.
2.) Die Brücke muss auch bei sehr dicken Saiten nicht hoch gedreht werden, da auch dicke Saiten „oben aufliegen“. Du musst lediglich den Sattel nachfeilen und je nach Tuning schauen, ob der Hals mit der Spanung umgehen kann.
Alle meine SG’s sind mit 013 – 056 ( https://www.thomann.de/de/pyramid_axel_ritt_013_056_string_set.htm ) in Standard Tuning bestückt, von daher bin ich mir recht sicher, dass auch die Epiphone bei optimaler Einstellung gut mit sehr dicken Saiten umgehen kann.
Inflation hin oder her.
Ich hab für ne Epi – SG vor etwas über 10 Jahren (B Stock!!!) 250 Euro bezahlt.
Rechne ich den Koffer drauf und nehme die Neuware, wären wir bei 350 – 450€.
Du schreibst, „Luft für s Mutterunternehmen“.
Die Zeiten als Musiker chronisch pleite waren, sind also definitiv (?!?) vorbei, der Proberaum ist mit Teak getäfelt und unter Champagner läuft nicht?
Lieber Axel, ich schätze dich sehr, aber kann man tatsächlich mal zum Ausdruck bringen, dass gerade Gibson es geschafft hat, als Gesamtunternehmen erst den Laden quasi aufgrund von Selbstüberschätzung vor die Wand zu fahren (Insolvenz gerade eben abgewendet) und jetzt anscheinend wirklich komplett vergisst, dass es auch Leute gibt, die die Knete für solche Spielzeuge NICHT haben?
Ich hätte vermutlich nicht mal das Problem, mein Jahresumsatz bei T. war in den letzten beiden Jahren definitiv vierstellig, inzwischen bin ich aus der akuten GAS Phase wieder zurück in der Normalität,
aber wenn ich drüber nachdenke, dass Epi mal die „Einstiegsdroge“ war und Gibson inzwischen schon vom Mercedes preislich zum Königsegg mutiert ist, wird mir anders.
Der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht. Und wenn die Leute nix mehr auf dem Teller haben, kaufen sie auch keine Epiphones oder Gibsons mehr.
@Ulovemyvoice Hallo Ulovemyvoice
ich verstehe was du meinst, aber du bringst meines Erachtens mehrere Punkte zusammen, welche man meines Erachtens nicht im Zusammenahng stehen.
Natürlich brauch man kein High End Equipment um gute Musik zu machen, aber wer Freude daran hat, sein Geld für ein teureres Instrument auszugeben, auf dem ihm das Musizieren aus welchen Gründen dann mehr Spaß macht, sollte nicht ausgebremst werden.
Noch nie bekam man für vergleichsweise kleines Geld im Musikalienbereich soviel Gegenwert wie heute. Gibson hat nach einer wechselvollen Geschichte sich jetzt wieder gefangen und die letzten Instrumente aus dem Haus, welche ich letztes Jahr getestet habe, waren wirklich sehr gute Gitarren.
Wir leben bzgl. des Musikkonsums in der freien Marktwirtschaft, jeder Hersteller kann für sein Produkt aufrufen, was er möchte, wenn es Kunden gibt, denen es den Preis wert ist, wo ist das Problem? Wenn niemand den Preis zahlt, wird der Hersteller reagieren. Alle Macht liegt IMMER beim Konsumenten, aber einem Konzern vorzuschreiben, welche Preise er ansetzen sollte, kannst du nur in einem totalitären System und das will doch nun wirklich niemand freiwillig haben, oder?
Ronaldo spielt nun in Saudi Arabien und erhält ein Gehalt von knapp 550.000 $ … am Tag! Ohne Werbeeinnahmen versteht sich. Alle Fans regen sich über solche Zahlen auf, aber niemand würde dieses Angebot ausschlagen wenn es ihm in seinem Job gemacht würde …
VG