Wie viel Paula geht für 100 Euro?
Dass die Firma Epiphone seit eh und je günstige Kopien der Klassiker von Gibson herstellt, dürfte ja allgemein bekannt sein. Das mit dem „günstig“ trifft ganz besonders auf unser heutiges Testinstrument zu, denn die Epiphone Les Paul SL Turquoise ist für nicht einmal 100,- Euro zu bekommen. Was kann man für diesen Preis erwarten? Und überhaupt: Wie klingt und spielt sich denn so eine Paula mit zwei Singlecoils wohl? Antworten auf diese Fragen und auf viele weitere gibt es im nun folgenden Testbericht.
Epiphone Les Paul SL Turquoise – Facts & Features
Die Epiphone-Paula trägt zwar den Namen „Les Paul“ auf ihrer Kopfplatte, in ihrer Konstruktion gibt es jedoch einen grundsätzlichen Unterschied gegenüber den Les Pauls von Gibson bzw. Epiphone, wie man sie in aller Regel kennt. Das betrifft neben der Bestückung mit den zwei Singlecoil-Pickups auf der Decke die Anbringung des Halses, der bei unserem Testmodell in den Korpus eingeschraubt wurde, anstatt ihn in klassischer Weise einzuleimen. Ganz sauber ist das jedoch nicht gelungen, am Hals-Korpus-Übergang hat man es mit den Spaltmaßen wohl nicht ganz so ernst genommen.
Der Korpus aus Pappel ist nicht nur sehr schmal ausgefallen und dementsprechend leicht, er erinnert wirklich nur beim Betrachten von vorne an die Stammeszugehörigkeit der Les-Paul-Familie. Fräsungen an Vorder- und Rückseite gibt es nämlich überhaupt keine, der Begriff „Brett“ für eine elektrische Gitarre dürfte hier kaum zutreffender sein. Sehr gut wurde die Lackierung ausgeführt, unser Testinstrument erscheint in einem hellen Türkis-Finish, erhältlich ist die Epiphone Les Paul SL darüber hinaus noch in fünf weiteren Farben: Sunset Yellow, Vintage Sunburst, Pacific Blue, Ebony (Schwarz) und Heritage Cherry Sunburst.
Für den Hals wurde Mahagoni verwendet, sein 1960s SlimTaper D-Profil liegt angenehm in der Hand und könnte eigentlich die Ausgangsbasis für eine angenehme Bespielbarkeit sein. Dass dem leider nicht so ist, lag bei unserem Testinstrument gleich an mehreren Dingen:
- Die enorm hohe Saitenlage, rund 4 mm in Oktavlage sind einfach viel zu viel!
- Die nur unzureichend polierten Oberflächen der Bünde, die ein deutlich hör- und spürbares Schaben verursachen und das Ziehen der Saiten oder Fingervibrato erschweren.
- Die minderwertigen Saiten, die nicht nur spröde wirken, sondern auch irgendwie an der Greifhand unangenehm kleben
Unser Blick wandert weiter Richtung Kopfplatte, die in Hochglanzschwarz lackiert wurde und die sechs Mechaniken trägt – das nächste Problem rückt näher. Es sind keine gekapselten Mechaniken im eigentlichen Sinn, sondern welche mit einem Blechgehäuse, wie man sie auch an sehr günstigen Westerngitarren findet. Die Mechanik bei diesen Billigtypen läuft also faktisch offen und ungeschmiert, was einer langen Lebensdauer sicher nicht zuträglich ist. Abgesehen davon besitzen sie bereits jetzt im Neuzustand ordentlich Spiel in den Achsen, was das Stimmen zu einer echten Geduldsprobe werden lässt. Beim Halten der Stimmung sieht es nicht viel besser aus, kurz und gut: Der erste Schritt nach dem Kauf sollte wohl das Ersetzen der Mechaniken zumindest durch geschlossene Typen sein. Selbst die günstigsten No-Name-Tuner würden die hier verbauten um Längen schlagen, da bin ich mir sehr sicher.
Bleibt als restlicher Teil der Hardware noch die Brücke zu erwähnen. Auch an dieser Stelle wurde der Sparstift bei der Epiphone Les Paul SL rigoros angesetzt, denn die Wrap-around-Bridge besitzt keine eigenen Sättel für die Saiten. Das macht das Einstellen von Saitenlage und vor allem der Oktavreinheit des Instruments zu einer spannenden Sache und kann bzw. sollte entsprechend nur von einem Fachmann vorgenommen werden. Etwas Hilfe bieten die beiden kleinen Inbusschrauben, mit denen sich die Brücke zumindest etwas nach hinten bewegen lässt.
Epiphone Les Paul SL Turquoise – Elektrik & Pickups
Gut ein Drittel der Decke wird von einem weißen Pickguard bedeckt, das auch die komplette Elektronik trägt. In den Positionen, in denen man in aller Regel zwei fette Humbucker antrifft, sitzen bei der Epiphone Les Paul SL zwei Singlecoils aus eigener Produktion, die über einen Dreiwegeschalter angewählt und mit Volume und Tone geregelt werden. Selbst die Ausgangsbuchse sitzt auf dem Plastikschlagbrett, hier sollte man möglichst das Kabel über den Gurtendknopf führen, bevor es seinen Weg zum Verstärker nimmt. Denn ein unbedachter Tritt auf das Kabel mit eingestecktem Klinkenstecker könnte hier ganz schnell üble Folgen haben.
Die Qualität der Potis und des Schalters kann man für diese extrem niedrige Preisklasse als in Ordnung bezeichnen. Die beiden Regler besitzen kein merkliches Spiel und lassen sich dank der griffigen Knöpfe zuverlässig bedienen, der Schalter rastet sauber in seinen drei Positionen ein und ist ebenfalls fast frei von Wackeln. Immerhin ein kleiner Lichtblick, vielleicht kann die kleine Epiphone ja in der Praxis mehr überzeugen bzw. das eher trübe Bild aufpolieren? Dazu kommen wir jetzt nämlich.
Epiphone Les Paul SL Turquoise – Sound & Praxis
Mit einer Saitenlage von rund 4 mm in der Oktavlage, den rauen Oberflächen der Bünden und der klebrigen Werksbesaitung ist es eine echte Herausforderung, unser Testinstrument einigermaßen zu bespielen, ich erwähnte diese markanten Schwächen bereits weiter oben ja schon. Hinzu kommt die lackierte Halsrückseite, die recht schnell zum Ankleben der Greifhand neigt und für mich persönlich, als Liebhaber von unbehandelten Hälsen, die Arbeit zusätzlich erschwert.
Positiv zu betrachten ist, neben dem leichten Gewicht der Gitarre und dem daraus resultierenden guten Handling, der erstaunlich laute Grundsound der Pappel-Mahagoni-Konstruktion. So richtig etwas damit anzufangen wissen die beiden Singlecoils jedoch nicht, denn der elektrische Sound der Gitarre klingt doch eher eingeschränkt und zudem recht spitz bzw. harsch. Hinzu kommt das typische 50-Hertz-Brummen von Singlecoils, das auch bei Aktivierung beider Pickups vorhanden ist und sich natürlich besonders bei den verzerrten Sounds überdurchschnittlich bemerkbar macht. Allzu sehr sollte man es ohnehin nicht übertreiben mit der Verzerrung, denn dann tritt neben den Nebengeräuschen ein ziemlich matschiger Sound in den Vordergrund. Bei maximal Bluesrock als Einsatzgebiet ist hier meiner Meinung nach Schluss, Fans von High-Gain-Sounds werden hier garantiert nicht glücklich.
Epiphone Les Paul SL – die Klangbeispiele
Hören wir rein in den Klang der Epiphone Les Paul SL. Für die folgenden Klangbeispiele habe ich die Gitarre wie immer in meinen Referenz-Amp Orange Micro Dark eingeklinkt, der war mit einer 1×12″ Celestion V-30-Box verbunden. Aufgenommen wurde die Fuhre mit einem AKG C3000 Mikro in Logic Audio ohne weitere Effekte, lediglich die Pegel habe ich angeglichen.
Beginnen wir im ersten Beispiel mit einem unverzerrten Sound des Singlecoils am Hals. Wie man hören kann, ist der Klang ist recht eingeschnürt, es mangelt zudem spürbar an Höhen und Dynamik.
Ein ähnliches Bild gibt der Pickup am Steg ab. Diese Position eines Tonabnehmers bei einer elektrischen Gitarre sorgt ja naturgemäß für einen „härteren“ oder auch durchsetzungsfähigeren Klang, davon profitiert auch der Singlecoil unserer Paula SL. Trotzdem bleibt die Dynamik zäh wie Blei und der Sound weitgehend frei von Tiefe und Charakter, leider.
Im dritten Beispiel erhöhen wir die Zerrung in den Crunchbereich, angewählt sind hier beide Pickups. Im Duett und mit etwas Zerrung geht das schon mal, nur sollte man bereits bei dieser Stärke der Verzerrung schon fix mit dem Volume-Poti sein, um das Signal in Spielpausen auszublenden. Denn ansonsten kann es schon mächtig brummen aus dem Speaker.
Jetzt hoch mit der Zerrung! In Klangbeispiel 4 hören wir den Sound des Front-Pickups und im letzten Beispiel den des Steg-Singlecoils mit jeweils fast voll aufgeregeltem Gain des Micro Dark.
Hallo Stephan,
ich freue mich, dass Du Klartext schreibst und das Intrument als das darstellst, was es ist: ein kläglicher Versuch mit einem guten Namen ziemlich übele Pappe zu verkaufen.
Dass das Konzept dünner Brett-Les Paul Body mit zwei singlecoils nicht per se schlecht sein muss, zeigt mir fast täglich meine Gibson Melody Maker (die es mit den zwei PUs m.E. in D gar nicht zu kaufen gab). Das ist ein extrem reduziertes Instument, was mich immer wieder ob seiner Schwingfreude und seines tollen Klangs in Erstaunen versetzt! Eine meiner Lieblingsgitarren, nach der Japan Squier Strat. Kostete natürlich ein Vielfaches der hier vorgestellen Epi, hat aber auch nicht gerade tiefe Löcher ins Portemonnaie gerissen.
Die erste Gitarre von Jimi Hendrix, eine Silvertone Danelectro war sicher auch nicht besser und hat zusammen mit einem kleinen Verstärker damals 50 Dollar gekostet. Es braucht also nicht immer das Beste, um zum Erfolg zu gelangen.
Meine erste Gitarre habe ich selbst gebastelt, aus grob gehobeltem Holz und Saiten aus Einmachgummis. Das Geld, eine fertige zu kaufen, gab es nicht. Diese Gitarre hat trotzdem oder gerade deswegen meine Kreativität befeuert.
Heute glotzen viele nur noch auf ihr Handy. Sie werden alle dumm sterben.
So kann mal als Hersteller dem Nachwuchs natürlich auch das Musizieren austreiben. Wenn man sich als Produzent gerade an einer Insolvenz arbeitet, sind solche Moves spätestens mittelfristig das reine Gift.
Keine Ahnung wie die Margen sind, aber hier soll wohl schnell mal Geld in die Kasse gespült werden, noch dazu wahrscheinlich auf dem Rücken von Ultra-Niedrig-Löhnern und Umwelt.
Eine Gitarre wie ein 2.99-Billig-Huhn.
Ich konnte eine gebrauchte solche Gitarre ergattern. Nachdem ich den ganzen Test gelesen habe. Nun, die Saiten (kaum noch die Werkssaiten) waren mir zu dünn, ich zog einen 10 Satz auf und das ganze Instrument klang um einiges besser. Den Bridge Single Coil PU ersetzte ich durch einen Harley Benton Humbucker.
Diese Gitarre ist nicht meine erste und wird nicht meine letzte sein. Ich finde die Gitarre ganz ordentlich. Heute habe ich sie in die Bandprobe mitgenommen. Sie tat was sie tun sollte: Mein Spiel möglichst optimal übertragen. Ein 2. Gitarrist spielte ein deutlich besseres Instrument, bei ihm war das Umschalten der PUs mit einem wesentlich grösseren Effekt verbunden. Das heisst, ich muss den Neck PU weiter hineinschrauben, also leiser stellen, dass das Umschalten wirklich etwas ausmacht.
Gespielt habe ich über einen Bugera V5 und einen gelben Behringer EQ dazwischen geschaltet, dass der Bugera ziemlich ins Schwitzen kam.
Und ja, wir übten und ich merkte gar nicht mehr, dass ich ein 99EUR Instrument spiele, ausser, dass ich öfters nachstimmen musste. Gut, bei mir zu Hause liegt schon ein älterer Satz Stimmmechaniken, bereit montiert zu werden.
So weit, so ganz OK. Stimmt meine Wahrnehmung, dass die Les Paul eine etwas kürzere Mensur als die Fender Gitarren haben, die ich gewöhnt bin? Nicht einmal das hat mich beim spielen gestört. Da kann nicht soviel daran falsch sein.