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Test: Erica Synths Graphic VCO, Eurorack Modul

(ID: 229080)

Wellenreiten für Fortgeschrittene: ein- und zweidimensionale Wavetables

Der Erica Synths Graphic VCO beherrscht auch Wavetables, beziehungsweise zwei unterschiedliche Arten davon. Im ersten Modus, der einfach nur „Wavetable“ heißt, können aus einer Vielzahl von Schwingungsformen 16 Stück ausgewählt werden, zwischen denen geschmeidig und ohne hörbares Aliasing gemorpht werden kann, was auch über eine externe Steuerspannung möglich ist.
Um einiges interessanter erscheint mir der „Wavetable-Matrix“-Modus, bei dem die Schwingungsformen als Punkte auf einer Fläche erscheinen. Mittels der Encoder lässt sich das Feld eingrenzen, während mit die Potis FX und Morph die horizontale und vertikale Position definieren. Lässt man beide Parameter über einen LFO steuern, bewegt man sich im Kreis durch die Matrix, was einerseits hübsch anzusehen ist und zudem auch gut klingt. Oder zumindest interessant.

Matrix-Wavetable

Effekte und Suboszillator

Als ob das alles noch nicht genug wäre, hat man den Erica Synths Graphic VCO auch mit einer eigenen Effektsektion versehen. Es handelt sich hierbei um Wavefolding, Wavewrapping, Bitcrusher, Overdrive, Phase-Distortion sowie Ringmodulation und FM. Letztgenannte arbeiten mit einem eigenen, internen Oszillator mit verschiedenen Schwingungsformen. Über die FX-CV-Buchse kann aber auch ein externes Signal für die Frequenz- und Ringmodulation zugeführt werden. Die Qualität der Effekte bewegt sich auf durchwegs hohem Niveau; klanglich liegt so manches drin, von eher feingeistigen FM-Klängen bis zu verdrehten, verzerrten und brachialen Bitcrusher-Sounds. Dass der Effektanteil spannungssteuerbar ist, macht die Sache erst richtig interessant. So könnte man beispielsweise die Verzerrung über die Anschlagsdynamik steuern.

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Der Suboszillator bietet weit mehr Möglichkeiten, als dies normalerweise üblich ist. Erstens schwingt er nicht stur eine oder zwei Oktaven unter der Hauptfrequenz, sondern kann in einem beliebigen Intervall bis maximal zwei Oktaven eingestellt werden. Ferner bietet er ein Finetuning, womit auch leichte Schwebungen möglich sind, vor allem wenn der Suboszillator auf derselben Frequenz schwingt wie der Hauptoszillator. Zusätzlich lässt sich die Schwingungsform für den Suboszillator getrennt einstellen. Die Bezeichnung Suboszillator ist eine Untertreibung, man kann guten Gewissens von einem Modul mit zwei Oszillatoren sprechen.

Praxis und Klang des Erica Synths Graphic VCO

Klanglich bewegen wir uns in einem weiten Feld zwischen (beinahe) analogen Schwingungsformen über Formant-Sounds bis skurrilen Noise-artigen Klängen, die man mit analogem Equipment niemals so hinbekommen würde. Die mitgelieferten Schwingungsen sind ziemlich umfangreich, wer sich die Mühe macht und durch alle Presets scrollt, wird viele klanglichen Perlen entdecken. Weitaus interessanter finde ich es jedoch, selbst Hand anzulegen. Schwingungsformen mit den zwei Encodern zu „zeichnen“, ist zu Beginn ungewohnt, danach spannend und fühlt sich nach wenigen Tagen schon derart normal an, dass man sich gezielt eine gewünschte Schwingungsform hinschrauben kann. Dazu hört man das klangliche Ergebnis in Echtzeit, jede Veränderung wird sogleich umgesetzt. Praktisch ist dabei auch die Spektral-Analyse, die die Lautstärke der einzelnen Obertöne als Balken abbildet. Zusätzlich ist auch eine Darstellung der Schwingungsformen im Oszilloskop möglich. Das Display selbst ist nebenbei bemerkt angenehm scharf, kontrastreich und groß genug, um präzise zu arbeiten.

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So viele Funktionen in einem Modul erfordern ihren Tribut. Und auch wenn die Benutzerführung so logisch und nachvollziehbar wie möglich gestaltet ist, muss man ziemlich oft durch einige Menüseiten scrollen, ehe man den gesuchten Parameter editieren kann. Der Graphic VCO ist weit vom „Ein-Knopf-pro-Funktion“ Ideal entfernt. So findet man beispielsweise solch essentielle Parameter wie die Schwingungsform und Verstimmung des zweiten Oszillators (sorry: eigentlich der Suboszillator) nur tief unten in der Menüstruktur versteckt, was wohl dazu führen wird, dass man den zweiten Oszillator nur selten einsetzen wird. Eigentlich bräuchte das Modul noch mindestens zehn weitere Encoder oder Potis und wäre dann mindestens doppelt so groß und gewiss auch viel teurer. Und so bleibt ein Kompromiss zwischen Komfort und Wirtschaftlichkeit, um den großen Funktionsumfang abzudecken. Bei Erica ist man sich des Problems bewusst und hat dem Graphic VCO einige interessante Programmierfunktionen mit auf den Weg gegeben, namentlich die „Snapshots“, die sämtliche Parameter eines Klanges speichern, wie er gerade erklingt, was auch während einer Wavetable-Fahrt möglich ist. Diese Snapshots können als eigene Presets gespeichert und im „Manage“-Menü zu Wavetables zusammengestellt werden.

Hie und da überkommt einen der Gedanke, ob ein Rechner nicht geeigneter wäre, um Schwingungsformen zu zeichnen und Wavetables zu verwalten, zumal die Klangerzeugung ohnehin digital ist. Dies wäre gewiss komfortabler – wenn man davon absieht, dass ein Rechner länger braucht, um zu starten und hie und da auch abstürzen kann, während ein Modularsystem direkt nach dem Einschalten stabil läuft. Doch der wahre Vorteil des Modularsystems ist natürlich die CV-Einbindung. Und diese ist – man kann es leider nicht anders ausdrücken – beim Erica Synths Graphic VCO etwas unflexibel ausgefallen. Die CV-Eingänge sind festen Parametern zugeordnet und können nicht nach eigenen Vorstellungen geroutet werden. Zusätzlich wäre es interessant, wenn eingehende Steuerspannungen an mehrere Parameter (mit jeweils eigenem Abschwächer) geleitet werden könnten. Auf der anderen Seite wäre ein solches Modul weniger übersichtlich. Das Dilemma ist letzten Endes unlösbar.

Konkurrenz

Digital ist das neue Analog! Bei Schneiders Laden werden mittlerweile 32 digitale Oszillatoren für das Eurorack angeboten, im Vergleich zu 57 analogen. Wenn man genauer hinschaut, gibt es nur wenige Module mit einem vergleichbaren Konzept zum Graphic VCO, als da wären das Cloud Terrarium von Synthesis Technology und der Shapshifter von Intellijel. Beide Module liegen preislich etwas höher als der Graphic VCO, bieten aber mehr direkte Bedienelemente und CV-Eingänge.

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Fazit

Erica Synths hat es mal wieder geschafft, durch Innovation, guten Klang und interessante Konzepte im beinahe unüberschaubaren Eurorack-Markt ein Zeichen zu setzen. Um auf die drei Fragen zu Beginn zurückzukommen: Ja, der Klang ist besonders. Ein überzeugender Digital-Sound, druckvoll, präzise, sauber. Dabei ist der Spaßfaktor durchaus groß – von einigen Unklarheiten zu Beginn vielleicht abgesehen. Denn so richtig intuitiv ist die Bedienung nicht, was angesichts des großen Funktionsumfangs und Komplexität auch nicht anders zu erwarten ist. Ohne einen Blick in die Bedienungsanleitung zu werfen, wird man es am Graphic VCO nicht weit bringen. Und somit ist die Zielgruppe klar: Musiker, die nicht nur mit Herz, Bauch und Ohren spielen, sondern eher intellektuell an die Sache rangehen. Kurz gesagt: ein Oszillator für Nerds und Liebhaber einer digitalen Ästhetik.

Plus

  • interessanter und überzeugender Digitalklang
  • vielseitiges Konzept
  • Matrix-Wavetables
  • Effekte
  • flexibler Suboszillator

Minus

  • teils etwas umständliche Bedienung

Preis

  • Ladenpreis: 399,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Es gibt so tolle Oscis für das Eurorack, aber Erica hat mich mal wieder erfolgreich erschreckt mit dem ungehobelten digitalen Sägespähnen will es einfach nicht gefallen. Aber Geschmack ist bekanntlich Geschmackssache.

  2. Profilbild
    Farbfalter

    Ich hab einen in meinem Rack und tendiere sogar dazu mir einen zweiten anzuschaffen. Dieses Modul ist genau dass, was ich schon immer als Hardware haben wollte: Ein wavetable Oszillator welcher das erstellen eigener Wellenformen erlaubt, wie man es von „Serum“ kennt. Ich habe mittlerweile schon einige wavetables kreiert, und die Ergebnisse sind atemberaubend!
    Die Darstellung der Wellenformen ist trotz relativ kleinem Display, sehr gelungen. Die Bedienung ist sehr einfach und durchdacht.
    Leider lässt sich der zweite Oszillator nur nach unten stimmen. Was ich mir wünschen würde, ist eine Funktion um die Wellenformen automatisch zu glätten.
    Alternativen gibt es meiner Meinung nur bedingt, da die aufgelisteten Module keine Bearbeitung der Wellenform am Modul erlauben.

    • Profilbild
      Farbfalter

      @Farbfalter Mit dem Modul lassen sich auch eingehende steuerspannungen visualisieren, sofern diese nicht im Audiobereich schwingen. Leider nicht im Vollbild Modus, aber immernoch groß genug, um komplexe envelopes, LFOs usw darzustellen. Auch das einstellen von Offset werten und unterschiedlichen cv stärken, würde super gelöst.

      Ich vermisse die Editierfunktion im Kommentar Bereich ;)

          • Profilbild
            dilux AHU

            @Farbfalter nein, das editieren war schon immer auf diese relativ kurze zeitspanne beschränkt, was ja auch im sinne einer ehrlichen diskussion angebracht scheint…wenn du verstehst, was ich meine ;-)

  3. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Sehr interessantes Modul, auf das ich schon länger ein Auge habe!

  4. Profilbild
    Son of MooG AHU

    „Digital ist das neue Analog!“ – nichts dagegen einzuwenden. Grade der Bereich Oszillator profitiert von den Möglichkeiten der Digitaltechnik und Erica Synths zeigt ja schon bei den Pico-Modulen, dass sie ein Maximum an Funktionalität bei überschaubarer Bedienung bieten können. Die Möglichkeit, selbst Wellenformen zeichnen zu können, spricht mich hier am meisten an. Auf der Web-Site wird übrigens ein Preis von 330,-€ erwähnt…

    • Profilbild
      tomeso

      @Son of MooG „Auf der Web-Site wird übrigens ein Preis von 330,-€ erwähnt…“
      Das stimmt, allerdings ist das exklusive der (21%) MwSt. und Versand … und dann landet man doch wieder bei den im Test erwähnten 399 €.

  5. Profilbild
    ForAndreas

    Schon diese Aussage disqualifiziert schon den Author:
    ,,wenn man davon absieht, dass ein Rechner länger braucht, um zu starten und hie und da auch abstürzen kann, während ein Modularsystem direkt nach dem Einschalten stabil läuft´´
    Solche Argumente noch im Jahr 2018 zu bringen halt ich für völlig daneben.
    Als ob komplexe Patche am Modular nicht ebenfalls Zeit in Anspruch nehmen. Kann mich nicht entsinnen dass mal ein Reaktor Patch abgestürzt ist. Aber stimmt ja…. Ich fahre den Rechner extra dafür hoch dass ich nur! und zwar nur meinen Supa Dupa OSC anschalte.
    Wie hoch ist eigentlich der Stromverbrauch bei digitalen Modulen im Vergleich zu Analogen?
    Kann man angesichts der Zugriffpunkte via Klinke überhaupt noch von einem Eurorackmodul sprechen? Oder handelt es sich hierbei um einen ,,Expander´´ im Eurorackformat. Eine TR BD gibs ja auch schon als Fertiggericht. Den üblichen Sinus/2*Envelopes/Noise mit entsprechenden Abgriffsmöglichkeiten will wohl niemand mehr?

    • Profilbild
      AMAZONA Archiv

      @ForAndreas Stimmt! Da werden einzelne Komponenten aus an sich modernen Synths ausgebaut und für Unsummen verhökert. Wozu auch noch mit zwei Händen Strippen ziehen wenn es Reaktor gibt. Das läuft auf meiner 300W-CPU sogar im Idle. Es gibt m.M.n. auch nichts spaßigeres als so ein wertstabiler und nachhaltiger Windows-PC. :)
      https://www.youtube.com/watch?v=0GVb1Qdm9cc

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