Audiointerface mit Smartphone-Stream
Eigentlich sollte man ja annehmen, dass der Markt an USB-Audiointerfaces gesättigt ist. Thomann hat aktuell beispielsweise 371 Interfaces im Angebot, da sollte doch für jeden etwas dabei sein. Trotzdem hat ESI Ende Januar ein neues Modell aus seiner Neva-Reihe vorgestellt, und rundet diese – nach Neva Uno und Neva Duo – mit dem ESI Neva OTG nach oben ab. Das Kürzel OTG deutet auch auf die Besonderheit dieses Audiointerfaces hin: Über einen sekundären USB-C-Sub-OTG-Anschluss lassen sich Audiodaten via Smartphone streamen, während das Neva OTG am PC oder Mac angeschlossen ist. Wie (und ob) das funktioniert, und was das ESI Neva OTG sonst noch alles zu bieten hat, kläre ich in diesem Testbericht.
Inhaltsverzeichnis
Intermezzo: Was ist OTG?
Die Abkürzung OTG steht für „On The Go“, das meist in Verbindung mit USB benutzt wird, also „USB On The Go“. Diese Spezifikation wurde 2001 verabschiedet. Bis dahin war keine direkte Kommunikation zwischen zwei USB-Geräten ohne Beteiligung eines zentralen Host-Controllers im USB-Standard vorgesehen.
Mit USB-OTG können dagegen zwei Geräte (eingeschränkt) miteinander kommunizieren, indem eines der beiden eine eingeschränkte Host-Funktion übernimmt. So lässt sich damit beispielsweise eine Digitalkamera direkt an einen Drucker anschließen, ohne den Umweg über einen PC nehmen zu müssen – sofern die beteiligten Geräte OTG-tauglich sind. Das wiederum sieht man meist am USB-Logo auf der Verpackung, das zusätzlich einen grünen Pfeil und einen weißen On-The-Go-Schriftzug aufweist. Für Smartphones gibt es auch Apps, mit denen man das testen kann. Dann lassen sich am Handy beispielsweise auch PC-Tastaturen, Mäuse, externe Festplatten, Game-Controller, Digitalkameras oder eben auch Audiointerfaces anschließen.
Technische Daten des ESI Neva OTG
Das ESI Neva OTG ist ein Dual-USB-C-Audiointerface für Mac und PC mit zwei Eingangs- und zwei Ausgangskanälen mit 24 Bit/192 kHz plus jeweils zwei weitere über USB. Den Frequenzbereich gibt der Hersteller mit 20 Hz bis 20 kHz an, den Dynamikumfang der AD-Wandler mit 97 db(a), den der DA-Wandler mit 107 dB(a), Der Eingangspegelbereich liegt bei 50 dB, die Impedanz des Kopfhörerausgangs 32 Ohm. Damit ist das Neva OTG technisch identisch mit dem Neva DUO.
Die EWDM-Treiber benötigen Windows 10/11, dem Mac (OS X / macOS, 10.9 und höher) reicht der native CoreAudio USB Treiber von Apple. Linux wird laut ESI ebenfalls unterstützt.
Der Lieferumfang des ESI Neva OTG
Das ESI Neva OTG kommt in einem mattschwarzen Karton, der mit Produktbildern und – auf der Rückseite – einer Feature-Liste verziert ist. Im Inneren befindet sich, sicher auf Schaumstoff verpackt, natürlich das Neva OTG selbst, dazu zwei Kabel: Einmal USB-C auf USB-A sowie ein TRRS-Kabel. Nett gemeint, auch wenn neuere Smartphones ja kaum noch eine Audio-TRRS-Buchse haben, sondern immer mehr auf den USB-C-Standard setzen. Aber gut, wer noch ein älteres Gerät hat, kann das sicher brauchen. Außerdem findet sich noch ein Adapter, dessen Funktionalität mir mangels Lieferliste nicht so ganz klar ist: TRRS-Stecker mit einer Miniklinkenbuchse. TRRS auf Stereo? TRRS auf TRRS? Hm.
An Papier gibt es ein englischsprachiges Quickstart-Manual, das deutsche Pendant dazu findet sich auf der Produktseite bei ESI. Und auch auf Software-Beigaben muss man nicht verzichten. So werden Codes für Bitwig Studio 8-Track, Steinberg Wavelab LE10 und Cubasis LE3 (für iOS) mitgeliefert, außerdem drei Monate (bzw. 3.000 Minuten) für das JackTrip Virtual Studio und ein „ESI Bundle Discount“ für Audified for ESI von 50%.
Design und Verarbeitung des ESI Neva OTG
Das mattweiße/graue Gehäuse des ESI Neva OTG ist ca. 171 x 103 x 43 mm groß und rund 450 g schwer. Boden und Rückseite bestehen aus Kunststoff, Front und Oberseite dagegen aus Aluminium. Das verleiht dem Neva OTG einen gewissen Hauch von Wertigkeit und Stabilität – den aber die silbernen Plastikknöpfe und die ebenfalls silbernen Drehregler gleich wieder zerstören. In meinen Augen wirkt ungummiertes Plastik mit einer „Look-like-Metal“-Attitüde immer etwas billig, aber das darf natürlich auch jeder gerne anders sehen. Immerhin bleibt man bei ESI aber dem Neva-Design treu. Schon das Uno und das Duo kommen in diesem Look.
Die Drehregler wackeln nicht und sind anscheinend wohl mit dem Gehäuse und nicht nur auf der Platine verschraubt. Statt des hellgrauen Punktes, den man bei etwas ungünstiger Beleuchtung überhaupt nicht erkennt, hätte ich mir allerdings lieber eine besser sichtbare, deutlich abgesetzte Kennlinie gewünscht.
Die vier Druckknöpfe verkünden ihren Zustand nicht über LEDs, sondern allein über die Optik. Gedrückt ist halt tiefer im Gehäuse. Kann man so machen. Nur ragt der Knopf für das Direct-Monitoring im nichtgedrückten Zustand genauso weit heraus wie die drei anderen im gedrückten Zustand, was im laufenden Betrieb mitunter etwas verwirrt. Das ist dann entweder Absicht (nur – warum?) oder nachlässig gefertigt.
Der etwas größere schwarze Master-Regler sitzt ebenfalls fest und auch ihm würden eine etwas deutlichere Kennlinie und eine Gummierung/Riffelung zur Steigerung der Griffigkeit guttun. Vier gummierte kleine Füße sorgen für einen sicheren Stand. Während ich das hier schreibe, ein kleiner Seitenblick auf meine Audiointerfaces, die hier gerade in Betrieb sind (MOTU M4 und Scarlett 2i2 4th): Gummiert bzw. geriffelt, schwarz, mit weißer Kennlinie und Status-Anzeigen bei betätigten Buttons. So geht das.
Die Anschlüsse und Buchsen des ESI Nova OTG
Die beiden Eingänge sind als Klinke/XLR-Kombo-Buchsen auf der Frontseite untergebracht, jeweils begleitet von einem Gain-Regler, einem Umschalter Line/Hi-Z und einer kleinen Peak-LED. Daneben zwei weitere Knöpfe für das Direct-Monitoring und die Zuschaltung von +48 V auf beide Kanäle. Beide, wie gesagt, ohne Status-LED. Die Kopfhörerbuchse samt Volume-Regler ist ebenfalls auf der Frontseite untergebracht.
Die Ausgänge befinden sich in Form von 6,3 mm Buchsen auf der Rückseite, genau wie die beiden USB-Buchsen (Main und OTG Sub). Ältere Smartphones können über die PHONE TRRS-Buchse angeschlossen werden, bekommen dann aber halt nur ein Mono-Signal in geringerer Qualität. Aber, besser als nichts.
Die Treiber und das ESI Control Panel
Aktueller Treiber zum Zeitpunkt des Tests ist die Version Neva_OTG-v1.5 vom 10.12.2024. Der wird zusammen mit dem Control-Panel heruntergeladen und installiert, was bei gerade einmal 4 MB schnell erledigt ist. Für den Mac, der ja keinen Treiber benötigt, lässt sich das Control-Panel einzeln installieren.
Am Control-Panel lassen sich Sample-Rate, USB-Buffer und Latenz einstellen, die Loopback-Funktion starten, Ein- und Ausgänge stummschalten und Volume bzw. Gain per Fader einstellen. So weit, so einfach. Wesentlich komplizierter ist da schon das Routing auf der Schaltmatrix des DirectWire, dem besonders Anfänger zu Beginn vermutlich recht hilflos gegenüberstehen dürften. Durch das Ziehen virtueller Strippen lassen sich hier die abgebildeten Ein- und Ausgänge miteinander verbinden.
Auf der Eingangsseite haben wir die beiden Hardware-Eingangsbuchsen (1+2), zwei weitere für USB (3+4) plus zwei virtuelle (5+6) – jeweils mit einer Entsprechung im WDM/MME- Treiber und im ASIO-Treiber. Dazu kommen dann noch je sechs Ausgänge für WDM/MME und ASIO. Macht zusammen also 30 Zugangspunkte, was den ein oder anderen eventuell verwirren könnte (auch wenn es eigentlich gar nicht so kompliziert ist). Immerhin aber gibt es zwei Preset-Tasten: „Mix OTG to 1/2“ (heißt: das ankommende Signal vom Smartphone von 3/4 auf die Ausgänge 1/2 umlenken) und „Mix 5/6 to 1/2“ (Signal vom PC auf die Ausgänge 1/2) für die wichtigsten Weichenstellungen.
Das Handbuch dürfte aber gerne etwas ausführlicher sein. Sätze wie „Enable OTG Recording zur Aktivierung der Aufnahmemöglichkeit für das Signal, das per OTG angeschlossenen Mobiltelefon über Eingangskanal 3/4 aufgezeichnet werden kann“ muss man schon mehrmals lesen, um sie zu dechiffrieren.
Das ESI Neva OTG in der Praxis
Läuft er schon? Mangels Status-LED (und auch sonst leuchtet da gar nichts) muss man schon in den Windows-Soundeinstellungen oder in der Audiosoftware nachschauen, ob das mit der Verbindungsaufnahme mit dem PC funktioniert hat. Da wäre eine wie immer geartete optische Meldung am Gerät schon hilfreich. Dafür wird aber in den Windows-Soundeinstellungen einiges geboten, auch dort finden sich einige Möglichkeiten der Weichenstellung. Wie etwa „Neva 3&4 loop to OTG Audio“ oder „Neva loop 5&6 out to 5&6 in“. Loopback ist also vorhanden, was die Streamer freuen dürfte.
Die “erweiterte, fortschrittliche Version unseres Neva Duo” nennt ESI das Neva OTG. Zumindest in Bezug auf die Illumination ist das aber eher ein Rückschritt. Während beim Duo das ESI-Logo rot leuchtet, wenn +48 V aktiviert sind, muss ich beim OTG mangels LED halt schauen (oder besser: raten), ob der Knopf nun gedrückt ist oder nicht. Für die Pegelanzeige gibt es beim Duo einen LED-Ring rund um den Gain-Regler, beim OTG dagegen ist es eine kleine LED. Geblieben ist es da aber bei der unglücklichen Farbcodierung, die ich schon beim Duo bemängelt hatte: „Grün“ bedeutet „niedrig“, „Orange“ ist „optimal“ und „Rot“ zu laut. Konvention ist doch eigentlich, dass „Grün“ ok ist und „Orange“ dasselbe bedeutet wie „Gelb“ auf der Verkehrsampel“, nämlich „Vorsicht“. Dazu gleich noch mehr. Was auch auffiel: Wenn ich den +48 V Button betätige, wird das gerade anliegende Audiosignal für rund eine Sekunde unterbrochen. Sollte man also nicht unbedingt während eines Streams machen.
Um den Stream auf das Smartphone zu lenken, musste ich in den Windows-Soundeinstellungen als Ausgabe die „Neva 3&4 loop to OTG Audio“ auswählen. Und um das Signal dabei auch weiterhin auf dem Kopfhörer zu haben, muss im Matrix-Fenster auch noch „Mix OTG to 1/2“ gedrückt sein. Das Handbuch war da keine echte Hilfe – das habe ich bin mit etwas Ausprobieren selbst herausgefunden.
Die kleinen LEDs zur Pegelkontrolle müssen mit Fingerspitzengefühl eingesetzt werden. Auch wenn „Orange“ laut Handbuch „Optimal“ bedeutet, war ich damit im Test des Öfteren schon im roten Pegelbereich über 0 dB. Bewährt hat es sich, von Orange dann wieder ein kleines Stück zurück auf Grün zu gehen – dann war ich im Test im praktikablen Bereich von etwa -5 dB.
Wie klingt das ESI Neva OTG Audiointerface?
Da das Neva OTG dieselben technischen Werte besitzt wie das Neva Duo und ESI – wie eben erwähnt – das OTG auch als erweiterte Version desselben bezeichnet, dürfte das Ergebnis des Soundchecks vermutlich dem des Neva Duo entsprechen.
Für den Test habe ich das Neva OTG an meinem Windows-10-Test-Notebook. Als Mikrofon kommt ein Rode NT1-A zum Einsatz, als Treiber der ASIO 2.0 – Neva. Hier ein paar Sätze aus einer unserer News:
Daran ist nichts auszusetzen: Das klingt doch sehr luftig, druckvoll und sogar ein klein wenig „crispy“, ohne einen Frequenzbereich zu vernachlässigen oder einen anderen überzubetonen. Natürlich ist das nicht klangneutral, aber den Anspruch hat das Neva OTG auch gar nicht.
Dann hören wir eben noch rein, wie sich der Line-In im Hi-Z-Modus schlägt. Dazu gibt es ein paar geschrammelte Akkorde auf meiner alten, ständig verstimmten E-Gitarre (fast alle, die ich kenne). Sorry, da müsst ihr jetzt durch.
Auch hier habe ich nichts zu beanstanden, klingt alles sauber und brauchbar. In Bezug auf den Klang ist das ESI Neva OTG also einwandfrei. An der Kopfhörerbuchse kommt ausreichend Signal an, selbst mit meinem AKG muss ich da nicht allzu weit aufdrehen. Direct Monitoring und Loopback funktionieren ebenfalls ohne Beanstandungen.
ja.
empfehle die von tascam.
hab’s zwar noch nicht, werde ich mir aber Mal holen
Da lese ich, dass MIDI 2.0 in Windows integriert werden soll, aber Audiotreiber sind nicht im System. Dabei ist das doch die Voraussetzung dafür, dass die User nicht von der Treiberpflege der Hersteller abhängig sind. Und Mac und Linux laufen als ClassCompliant ohne zusätzliche Treiber mit diesem Interface.
@Tai ein grund mehr für linux!
apple mag ich nur wegen den ipads und ipods… :-)
@Numitron Auf Linux werde ich ziemlich sicher nie wechseln, habe mehrere Versuche gemacht. Will ich dann wirklich damit arbeiten, sind die Optionen fühlbar weniger geworden. Fängt schon bei der DAW an. Aber ich finde es interessant, wie hier einige dieses OS so stark hervorheben, dass der Eindruck entsteht, jeder vierte würde damit arbeiten 🤣. Und was ist es wirklich? Jeder 50.? Natürlich sehe ich auch die Vorteile des OS, aber es reicht halt nicht.
@Tai leider finde ich Apple stark überteuert..
und sinnlose Entscheidungen, wie den USB c Port zum Laden einer Maus unten?
mein alter Urologe hatte 2 mäuse, weil wenn man eine ladet, Braucht man eine zweite, da die andere umgedreht ist.. unglaublich