Die schwarze Schlange aus Japan
Mit ihren asymmetrischen Doppelhörnern und der mattschwarzen „Vintage Black“ Lackierung ist die ESP LTD Viper 1000 Vintage Black purer Metal in Gitarrenform. Diese E-Gitarre vereint premium Materialien wie Mahagoni und Ahorn mit modernster Elektronik – darunter die großartigen Fishman Fluence Modern Humbucker, die dank Push/Pull-Technologie gleich vier verschiedene Sounds liefern. Wir haben die Gitarre getestet!
Inhaltsverzeichnis
Die Instrumente des japanischen Herstellers ESP LTD sind mittlerweile schon seit einigen Dekaden zu haben. ESP LTD geht häufig eigene Wege und legt Wert auf hohe Qualität und individuelles Design. Manche Modelle der Produktpalette sind klassisch, viele weisen gewisse Alleinstellungsmerkmale auf, die insbesondere den harten Rocker ansprechen. Aber letztlich würde jeder Gitarrist fündig, der sich einmal die enorm große Modellauswahl anschaut.
Die legendäre Kamikaze-Strat von George Lynch sei ein Beispiel, aber auch weitere Endorser wie Ron Wood, James Hetfield, Kirk Hammett oder Gary Holt haben sich ihre Signatur Modelle vom mittlerweile als Traditionshersteller zu bezeichnenden Gitarrenbauer anfertigen lassen.
ESP LTD Viper 1000 – Facts & Features
Die in diesem Jahr (2024) erschienene mattschwarze ESP LTD Viper 1000 lässt auf den ersten Blick erkennen, welches Klientel sie bedienen soll, natürlich den Schwermetaller. Dafür spricht das mattschwarze Design, der durchgehende Hals und nicht zuletzt die aktiven und „splitbaren“ Fishman Fluence Modern Tonabnehmer, die wie wir später noch hören werden, enormen Druck und lebendigen Sound liefern.
Ein Koffer oder Gigbag wird nicht mitgeliefert, was man natürlich aufgrund der „gehobenen“ Preisklasse durchaus erwarten dürfte. Gehoben in Anführungszeichen, da für ein in Amerika gebaute Viper 1000 mit EMG-Tonabnehmern dann doch ein deutlich höherer Preis zu berappen wäre. Die in Japan gebaute Viper 1000 liegt preislich dazwischen.
Ab Werk wird die Gitarre mit einem Satz „Zehner“D´Addario EXL110 .010 – .046 bespannt, auch ein Satz Inbusschlüssel ist natürlich im Lieferumfang.
Korpus der Viper 1000 E-Gitarre
Beim Design der Viper 1000 stand selbstverständlich die Gibson SG Pate. Angus Young verhilft diesem Modell seit fünf Dekaden zu Weltruhm; wer weiß, ob die SG sonst überhaupt noch gebaut würde. Obwohl die Les Paul bzw. die ES335 zu den begehrtesten Gitarren des Traditionsherstellers mit dem großen „G“ gehört, bietet eine SG einen ähnlich fetten Ton bei allerdings deutlich angenehmeren Gewicht.
Die Lackierung unserer Testkandidatin ist mattschwarz, was stets eine gewisse Aggressivität vermittelt. Die Form wurde im Gegensatz zum Vorbild etwas anders „geshaped“, der Korpus ist leicht asymmetrisch. Die Tonabnehmer wurden ohne Rahmen in den Body geschraubt, was cool aussieht und zum Design gut passt.
Der Hals der ESP Viper
Der Hals aus Mahagoni ist im Gegensatz zum Vorbild durchgehend, was im Allgemeinen für ein besonders gutes Sustain sorgt. Entsprechend wurden zwei Seitenteile aus Mahagoni seitlich mit dem Hals verleimt. Die 3-teilige Variante sorgt für eine gute Stabilität. Auf den Hals wurde ein Griffbrett aus Macassar Ebenholz geleimt.
Die perfekt eingesetzten, abgerichteten und polierten 22 XJ Stainless Bünde sorgen für ein gutes Handling und machen zukünftige Bundierungen vermutlich obsolet. Der Griffbrettradius von 350 mm (13,78″) gestaltet sich sportlich und erleichtert das Saitenziehen. Die Mensur entspricht mit 629 mm (24,75″) dem Vorbild, das gilt auch für die Sattelbreite von 42 mm. Das Halsprofil wird vom Hersteller mit „Thin U“ beschrieben.
Der Hals ist unterhalb des Sattels „materialmäßig“ etwas verstärkt, was dem Hals an dieser Stelle deutlich mehr Stabilität verleiht. Das könnte sich auszahlen, wenn die Gitarre in einem unglücklichen und sicherlich nicht wünschenswerten Moment einmal umfallen sollte. Ein Bruch der Kopfplatte wird so sicherlich vermieden.
Das vergilbte Binding an den Halskanten verleiht der Testkandidatin neben dem eher modernen Design einen gewissen Vintage-Look.
Elektrik & Hardware
Die ESP LTD Viper 1000 wurde mit zwei aktiven und somit sehr Output-starken Tonabnehmern bestückt (Fishman Fluence Modern Ceramic in der Stegposition und ein Fishman Fluence Modern Alnico Humbucker am Hals, jeweils mit goldener Kappe. Die Tonabnehmer wurden ohne Rahmen in den Korpus geschraubt, was sich gut in das Design der Gitarre einfügt.
An Bord befinden sich ein Volume-Regler, ein 3-Wege-Schalter und ein Tonregler mit Push/Pull-Funktion. Die Potis erhielten gleichfalls eine „Vergoldung“. Der Tonregler schaltet beide Tonabnehmer in den Singlecoil-Betrieb. Die Anordnung dieser drei Bedienelemente wurde clever gewählt, denn der 3-Wege-Toggler-Switch sitzt knapp neben dem Volume-Regler und etwas abseits davon der Tonregler.
Der Tonepros Locking TOM Steg und das Tailpiece passen natürlich auch farblich.
Die LTD Locking-Mechaniken sorgen für gute Stimmstabilität.
Handling der ESP Metal-Gitarre
Die Werkseinstellung der Saitenlage und Bundreinheit war einwandfrei, das Instrument war nach dem Nachstimmen sofort sehr komfortabel zu spielen. Gerade der „Metaller“, welcher gelegentlich schnell spielt (shreddet) und meist technisch anspruchsvollere Skills im Repertoire hat, möchte hier zurecht optimale Voraussetzungen antreffen. Die hohen Bünde und der sportliche Griffbrettradius zahlen sich hier aus.
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Das Gewicht der Testkandidatin beläuft sich laut Küchenwaage auf 3,6 kg. Spielt man die Gitarre im Sitzen, fällt leider eine deutlich wahrnehmbare Kopflastigkeit auf. Für mich persönlich ein absolutes No Go, da man beim Spielen stets gegen die Schwerkraft arbeiten muss. Deswegen gab es Abzug in der Bewertung.
Es ist bekannt, dass bei einer SG-Type-Gitarre aufgrund ihrer Bauweise (kleiner Korpus, langer Hals) dieses Problem auftreten kann, ich kann aber beim besten Willen nicht verstehen, wie ein Modell mit Kopflastigkeit zur Serienreife gelangt, wenn man in der Entwicklungsphase bereits Schwachstellen ausmachen kann. Der Korpus der Viper ist zwar minimal „dicker“, aber das Gewicht des Bodies ist vergleichsweise zu niedrig, um die Gitarre perfekt auszubalancieren. Hier tut man sich keinen Gefallen, zumal diese Viper auch nicht ganz billig ist. Abgesehen davon, ist über die Testkandidatin sonst erfreulicherweise nur Positives zu berichten.
Ein goldener Gurtpin wurde rückseitig am linken Cutaway befestigt. Sicherlich eine sinnvolle Location, zumal der ergonomische Übergang vom Body zum Hals schön rund gestaltet wurde, um die hohen Lagen einfach zu erreichen.
Bei aktiven Tonabnehmern wie in diesem Modell ist zu empfehlen, den Klinkenstecker aus der Buchse des Instruments zu ziehen, wenn diese einige Stunden nicht gespielt wird. Sonst läuft man Gefahr, im entscheidenden Moment keinen Saft bzw. kein Ausgangssignal mehr zu haben. Ein frischer 9-Volt-Block sollte also immer im Gepäck sein.
Das Auswechseln der Batterie geht bei der Viper schnell und einfach vonstatten, dafür müssen lediglich die zwei Schrauben des Batteriefachs (Kreuzschlitz) herausgeschraubt werden. Das Anschlusskabel für die Batterie dürfte ruhig noch 3 cm länger sein. Besonders stromhungrig sind die Fishman-Pickups aber nicht, die Batterie sollte locker einige Monate durchhalten (wenn der Klinkenstecker nach dem Spielen immer herausgezogen wurde).
Ich selbst habe erlebt, dass eine meiner Gitarren, welche gleichfalls mit aktiven Fishman-Pickups bestückt ist (aber mit USB-Akku und nicht mit einem 9-Volt-Block) agiert, am Ende zweier langen Generalproben keinen Ton mehr herausbrachte, da ich vergaß, den Stecker aus der Buchse zu ziehen. Sehr unangenehm, aber es war nur eine Probe.
Sound der ESP LTD Viper 1000
Die aktiven Fishman Pickups liefern einen enormen Druck und bleiben erfreulicherweise auch in gesplitteten Zustand brummfrei. Im Singlecoil-Betrieb sind sie outputmäßig“ mit einem PAF-Humbucker vergleichbar und dann als Doppelspuler noch entsprechend kraftvoller. Wir hören zunächst den Humbucker, nach 29 Sek. wird dann auf Singlecoils umgeschaltet. Auch der Singlecoil-Sound kann sich mehr als hören lassen, er verliert vergleichsweise auch nicht zu viel an Kraft:
Wir hören den Halstonabnehmer zuerst als Humbucker, nach 50 sek erfolgte die Umschaltung zum Singlecoil:
Auch mit cleanem Sound kann sich die Gitarre hören lassen. Wir hören den Steg-Pickup (zunächst Singlecoil), welcher nach 14 Sek. mittels des Push-Pull-Tonreglers auf den vollen Humbucker geschaltet wird:
Beide Tonabnehmer parallel geschaltet, könnten folgendermaßen klingen:
Schließlich der Halstonabnehmer, zu Beginn als Doppelspuler, nach 41 Sek. als Singlecoil:
Die Klangbeispiele wurden mit folgendem Equipment aufgenommen:
ESP LTD Viper 1000 – Peavey Classic 20 MH – MESA/Boogie 1 x 12″ Thiele Box mit Creamback Celestion Lautsprecher – Sennheiser e906 – MOTU M4 – Mac mit Logic.
Bin zwar eh kein Shredder (sondern eher Freund von funky Licks) und gehöre nicht zur Zielgruppe – aber rein ästhetisch überzeugt mich die asymmetrische Verzerrung der SG-Form nicht: Die Schräge müsste sich denn in der Kopfplatte fortsetzen. Da diese symmetrisch verblieb, wirkt das Ergebnis unstimmig. Inkonsequentes Design!
„Nur“ zwei Kreuzschlitzschrauben zu lösen für Batteriewechsel? Na, danke. Die müssen ja dann auch wieder reingedreht werden. Wenn sie nicht verloren gingen im Schreck der Hektik! Wer tanzt dem Publikum, während ich an der Energieversorgung des Instruments herumschraube, ein Ständchen? Absurd. An dieser Stelle erwartete ich (in solcher Preisklasse zumal) ein Klappfach wie in meinen Akustikgitarren: irgendeine Vorrichtung, die den Bakterienwechsel zum unauffälligen Handgriff zwischendurch macht.
Reines Luxusgemecker: Für meine Musik brauch ich keine aktiven Pickups. Hatte mich mal zu welchen überreden lassen und mag sie aus genau diesem Grund nicht: Immer Kabel rausziehen aus Angst vor leer, und Kabel einpluggen im laufenden Konzert ist meist auch nicht so der Brüller, bzw. knackst laut und macht böse Blicke von der Tonbetreuung, der Kollegin und den Groupies.
Erstaunlich vielseitig, gut und voll jedoch der Klang dieses Modells, sogar im Clean-Modus (in dem mich Metaläxte nur selten überzeugen, wofür sie ja auch nicht gebaut sind).
Danke für den Test, er war sehr unterhaltsam. Frohe Feiertage allerseits!
@Eibensang Metal finde ich in etwa so spannend wie Schlager, das kann die Gitarre vermutlich ganz gut, aber ich finde auch wie Eibensang, dass der clean Sound so ist, dass ich das auf keinen Fall auf diesen Stil beschränken würde. Und dass eine Lackierung wie mattschwarz automatisch zu diesem Genre gehört, will mir ebenfalls nicht ganz einleuchten.
Ich dachte die ganze Zeit, die wäre silber an der Seite. Wer auch immer die Produktionsfotos gemacht hat, war vermutlich stolz über seine Arbeit. Ich hätte sie nicht genommen.
Eigentlich sollte eine aktive Gitarre heute einen kleinen automatischen Sensor enthalten der bei Pausen einfach abschaltet.
Rockinger, bitte eingreifen !
Und das Batteriefach zum schrauben ist echt ein Witz.
Ich finde die Viper optisch sehr ansprechend. Ebenso den Spielekomfort. Aber das Thema „kopflastig“ will mir nicht so recht in den Kopf. Warum beharrt ESP hier auf der Position des oberen Gurtpins? Würde man diesen an die Spitze des Horns setzen, ist die Balance perfekt und keine Kopflastigkeit mehr vorhanden…
Warum ich das schreibe? Ich hasse kopflastige Gitarren. Und bei meiner Viper hab ich den Gurtpin so versetzt, wie oben geschrieben.