Oberfläche und Bediehnung
Nach einer Ladezeit, die auf meinem System ab und zu mit dem Gedanken „Hab ich jetzt wirklich schon geklickt?“ einhergeht und grade in dem Moment beendet ist, in dem ich die Maus ein weiteres mal Richtung Circle-Icone bewegen möchte, startet die aufgeräumte Oberfläche. Die symbolfarbenen Bedienelemente sind gut sichtbar und logisch positioniert. Beschriftungen und deaktivierte Elemente schlummern in stylischen grau vor sich hin, was Laptop-User unter Umständen dazu zwingen kann, die Kontrast- und Helligkeitsregler des Screens zu bemühen. LFOs, Sequenzer und Envelopes sind sinnvoll animiert. Aber das wirklich lässige an dieser Software ist die „Vorschau“ beim Patchen der Elemente. Man schnappt sich ein virtuelles Kabel eines Filters, was hier lediglich als farbiger Punkt visualisiert ist, und schiebt dieses z.B. auf den Verbindungspunkt eines Oszillators, hört man schon bei „mouse over“ das Resultat. Antesten leicht gemacht. Gerade bei spielerischem Rumexperimentieren kann man so die Maus mit gehaltener Taste einfach mal von einem Element zum anderen schieben und mal hören, wie das Filter auf das jeweilige Element wirkt.
FAW – Future Audio Workshop
Aber wer steckt hinter Circle? Der Future Audio Workshop. Im Fall von Circle sind das Pierre Cossard, Johannes Schardt, Christophe Stoll und Gavin Burke. In Herkunftsländern gesprochen: Frankreich, Deutschland und Irland. Gearbeitet wird größtenteils über das Netz mit Hilfe des Dienstes „Basecamp“ und regelmäßigen Skype-Telefonaten. Zu hektischen Zeiten gibt es natürlich auch Treffen im echten Leben. Während das komplette Userinterface in Eigenregie entwickelt wurde, baut die Engine der Software auf dem bewährten JUCE-Framework auf.
Bei der Weiterentwicklung von Circle gibt es laut der Schöpfer keine festen Regeln, außer weiterhin Qualität abzuliefern. Die Gruppierung hat dafür ein Scheunentor-offenes Ohr in Richtung Kunde. Ab und zu flattern Bug-Reports ins Forum, die dankend aufgenommen werden, um in künftigen Updates entfernt zu werden. Auch allgemeine Fragen werden dort prompt beantwortet. Vorbildlich.
FAW versprüht mit und um Circle setzt ein leichtes Understatment, dazu gelebte Experimentierfreudigkeit und Offenheit für Neues. Kein Wunder also, dass es schon in den ersten Tagen von Circle ein passendes Lemur-Template gab. Kooperationen mit „CreateDigitalMusic“ und der National University of Maynooth sind in vollem Gange, so dass man gespannt auf das nächste Majorupdate warten darf.
Klang
Ich habe am Klang nichts auszusetzen. Circle liefert witzige Noises, markante Leads, wenn es will und texturierte und breite Flächen, wenn diese verlangt sind. Der Sound ist für mich zwar neutral, nicht aufdringlich und vielleicht schlichter als manch anderer virtuelle Synthesizer, der vor Charakter nur so strotzt, allerdings weder steril noch kalt. Es handelt sich hier wirklich um ein Soundtool, auf das man sich in vielen Anwendungsfällen verlassen kann.
Die Effektsektion in der Summe rundet das Angebot zwar ab und kann durchaus für den ein oder anderen Sound benutzt werden, gerade bei Reverb und Hall würde ich lieber auf die internen Kollegen verzichten und mit Hilfe von der Konkurrenz besorgen. Ebenso verhält es sich z.B. mit der Distortion in vermeintlich ultra-bösen Leads. Das können andere besser, aber gut, dass sie dabei ist.
Praxis, Preis/Leistung
Wer jetzt ins grübeln kommt, wo er einen weiteren Soft-Synthesizer in seiner Gigagyte-schweren VSTi-Sammlung unterbringen soll und am Anfang des Artikels noch der Meinung war, er vermisse nichts, den möchte ich an dieser Stelle gar nicht bekehren. Circle versucht nicht das Rad neu zu erfinden, vereint aber unbestritten Design, gute Benutzerführung und soliden Klang unter einer Haube.
Das Experimentieren geht Fortgeschrittenen und Anfängern leicht „von der Maus“ und die Motivationskurve grenzt in den ersten Tagen an Suchtgefahr. Presets gibt es gut und reichlich, die z.T. inspirieren und helfen, der Oberfläche neue Sound-Kniffe zu entlocken. Die Grenzen von Circle sind nach einigen Stunden Exerimentieren zwar nicht erreicht, aber zu ahnen, so dass man von diesem Punkt an, einen Freund im Klangepäck hat, auf den man sich verlassen kann.
Bei soviel Lich fällt leider auch etwas Schatten: Aufwendige Patches müssen mit hoher Prozessor-Last bezahlt werden. So ist mein Core2Duo mit 1.83 Mhz bei fünf Instanzen Circle je nach Patchwahl schon mal ordentlich ins Clippen geraten, bei noch ungünstigeren Kombinationen und vielen Voices gleichzeitig schon mal früher.
Mit 149 Euro wurde der Preis völlig angemessen gewählt. Der Synthesizer liegt in den gängigen Formaten VST, RTAS und AudioUnit, folglich für PC und Mac, vor. Standalone-Betrieb ist auch möglich. Das empfehlenswerte Produkt wird durch eine funktionierende Community ergänzt. Mitmachen erwünscht, Spielspaß garantiert.
Preis
149 Euro
Hersteller
Future Audio Workshop
PLUS
++++ Konzept, überzeugende Oberfläche, effektives und motivierendes Arbeiten
++ Klang
MINUS
– je nach Patch starke Prozessorlast
Ich habe ein wenig mit der Demoversion herumgespielt und bin vor allem vom Klang eher enttäuscht. Druck ist da allerdings klingt er extrem digital hat zuviel „Schärfe“ und lässt jegliche Wärme vermissen (auch gut anhand der Klangbeispiele nachvollziehbar). Da klingen z.B. Albino oder Predator um einiges besser und runder.
Ich kann da nur zustimmen.
Das Konzept ist wirklich gut (Massive lässt grüßen), aber der Klang ist wirklich nicht das Wahre. Kalt wie ein Kühlschrank das Ganze. Klar hat auch das seinen Reiz, aber das Einsatzgebiet von Klängen der Kategorie VA-Gefrierschrank ist doch eher gering.
MFG
Dennis
Klar. Wie soll er auch Analog-Warm klingen wenn alles digital aufgebaut ist. Solche KLänge muß man halt mögen. Die Geschichte mit den Wavetables die selber erzeugt werden können finde ich nach wie vor sehr interesannt zumal für mich nach wie vor der Microwave und natürlich der Wave ganz vorne steht was das erstellen von Wavetables angeht.
Das erstellen der Wavetables ist witzig. Allerding wird einem von dem zusätzlichen Tool auch nichts geschenkt. Das korrekte Format muss bereits vorliegen. Das Tool konvertiert also nur von A nach B. Wer sich allerdings ein Wavetable selber schnitzt, hat garantiert auch den passenden Editor in der Schublade, also ist das denke ich kein großer Minuspunkt.
Macht Spaß zu hören, wie sich die ersten Schwingungen selbst aufgenommenen Hand-Claps, öffnen eine Coladose o.ä. anhört ;-)
> Klar. Wie soll er auch > Analog-Warm klingen wenn alles > digital aufgebaut ist. Solche > KLänge muß man halt mögenEs gibt aber auch in der digitalen Welt Beispiele, dass es auch anders geht. Wie gesagt z.B. der Albino. Sylenth und Surge klingen m.E. auch besser, bzw. runder. Aber stimmt schon, ist natürlich alles Geschmackssache.
Es muss ja nicht alles warm klingen!und mit einer gehörigen portion uad oder ähnlichem klingt auch der circle warm :-) und geil -ich mag auch kalte digitale sounds !
Das Konzept ist ansich wirklich gut und intuitiv, jedoch vermisse ich sehr viele Möglichkeiten. Viele Ansätze sind da, die nicht ausgeschöpft werden.
4 Oscillatoren sind schon mal sehr gut, doch wieso kann man die weder im Pan verteilen noch unterschiedlich auf die Filter routen ? Das ist wirklich schade.
Die Filter Module hätte man beide gleich machen sollen. Stattdessen hat das erste nur 2 Modelle, und das zweite den Rest. Verstehe den Sinn da hinter nicht.
Und am CPU Verbrauch sollte man wirklich arbeiten, denn der Sound rechtfertigt das keineswegs.
Wär schön wenn der Hersteller da noch dran arbeitet, denn Spaß macht der Synth allemal.