Praxis: Geht das klangliche Konzept des Focal Shape Twin auf?
Die Bedingungen, um genau das zu testen, sind in meinem Studio in jedem Falle gegeben. Mein Raum ist rechteckig und hat allenfalls 10 qm, ist zwar eingemessen und behandelt, im Bassbereich hapert es jedoch selbstverständlich trotzdem etwas bei der Raumgröße. Oberhalb von 150 Hz erfüllt der kleine Regieraum ansatzweise RT60 Standards und klingt trotzdem recht lebendig, darunter wird es teilweise doch etwas schwieriger. Hier arbeite ich mit modifizierten, ebenfalls aufrecht stehenden Adam A77X (die gemessen an der Raumgröße völlig überdimensioniert sind) sowie kleineren Genelecs in Kombination mit einem 15 Zoll Sub an genreübergreifenden Mixdown- und Mastering-, Post- oder Kreativ-Aufträgen. Bis zur Manifestierung dieser Boxenwahl sind einige Jahre ins Land gezogen, häufig probiere ich neue Monitore in meinem Raum aus, um vielleicht noch einen besseren Kompromiss zu finden. Die Subjektivität und Kenntnis bzw. die Erfahrung, die man mit einem Boxenmodell hat, überwiegt hier aber natürlich.
Ersteindruck
Für zwei Wochen sollen die Focal Shape Twin also bei mir den Job der A77X in deren exakter Positionierung übernehmen. Nach zehnstündiger Einhörphase ist der Lautsprecher dazu in der Lage, so zu schwingen, wie er soll. Unerwarteterweise fällt zunächst ein großes Positivum ins Gewicht, über das man sich gemessen an den Features und Anpreisungen noch überhaupt keine Gedanken gemacht hat: die wirklich großartige Stereobühne. Hier ist alles wirklich angenehm und verlässlich zu orten. Umso faszinierender ist es, dass diese Ortung im Bereich ab etwa 2 kHz in einem extrem breiten Abhörfeld funktioniert, natürlich ist hier überhaupt kein validierender Vergleich zu den Sweetspot-orientierten Bändchenhochtönern der A77X zu treffen, aber auch im Vergleich zu anderen Monitoren hebt sich die Box, was die Stereoabbildung angeht, in diesem Preisbereich klar von seinen Mitbewerbern ab.
Meine A77X neben den etwas kleineren Shape Twin
Das für mich in meiner Situation am relevantesten erscheinende Feature der Minimierung der Bassfaltung funktioniert kurz gesagt unfassbar gut, es stellt sich die Frage, warum noch niemand vorher die Idee für eine solche Lautsprecher Konzeptionierung hatte. Die größte Problemzone meines Raums ist durch diese Box schlicht gesagt behoben worden. Zwar hatte ich einmal ein paar Barefoot Monitore mit seitlich abstrahlenden aktiv Subs im Studio, diese funktionierten in meinem Raum unten herum allerdings nicht im Ansatz so gut wie die Shape Twin. Die generelle Frequenzstaffelung erscheint sehr natürlich und rund, hier hat Focal die Weichen richtig gestellt.
Manifest
Nach einiger Arbeitszeit mit den Focal Shape Twin Lautsprechern stellt sich heraus, dass diese sehr angenehm sind, um lange Zeit am Stück mit ihnen zu arbeiten, sie ermüden das Gehör kaum. Schnitt und Multimedia Anwendungen gehen mit dieser Box schnell und detailliert von der Hand. In einem klingen sie aber auch einfach sehr schön – und da gewöhnt man sich dran. Hier ergaben sich für mich große Probleme beim Mixdown statischer, elektronischer Musik, bereits das grobe Leveling der Einzelspuren bereitete hier Probleme und verunsicherte mich, da irgendwie die Kontrolle und der Überblick über die Transienten fehlte. Hier musste ich häufig A/B-Vergleiche ziehen, um die mit der Shape Twin erlangten Ergebnisse kontrollieren zu können.
Das exakte Gegenteil fand beim mischen einer Rock-Produktion statt: Gerade hier fiel das gesamte Projekt samt Schnitt, Effektierung und Automationen sehr leicht und ging verlässlich von der Hand. Hier wurde mir nicht zuletzt wieder die wirklich natürlich und linear anmutende Abbildung des Frequenzspektrums zum Vorteil sowie die Tatsache, dass die Box einfach sehr angenehm und ansprechend klingt. Hätte ich hier den Roughmix mit den A77X gemacht, hätte ich spätestens nach einer Stunde auf Bändchenhochtönern in Kombination mit nicht gehicutteten E-Gitarren und Becken eine längere Pause zur Regeneration meines Gehörs gebraucht.
Ebenfalls als Referenzbox im Mastering-Bereich überzeugte die Shape Twin, hier offenbarte sich die Fullrange-Box als großartiger Helfer im gesamten Spektrum, egal ob bei House oder Techno, Rock oder Jazz, gerade bei Bearbeitungen in M/S war ich wieder schwer von der Stereoabbildung beeindruckt. Die in ihrer Größe recht übersichtlichen 5 Zoll Membranen ermöglichen im übrigen auch zuverlässiges Arbeiten bei leiseren Lautstärkepegeln, die Passiv-Bass-Membranen schwingen immer auf einem für die Lautstärke angemessenen Level mit und brauchen keinen hohen SPL Output, um zu funktionieren.
Hallo Vincent, danke für den Test. Ich habe schon einige Focal Monitore gehört. So einen wirklichen Familienklang haben die leider nicht. Die Focal Twin 6 Be hat mir bis dato am besten gefallen. Was ich immer wieder falsch in Publikationen lese… die ADAMS haben kein Bändchen, sondern einen AMT des genialen Wissenschaftlers und Erfinders Dr. Oskar Heil. Der AMT arbeiten völlig anders als ein Bändchen oder auch Magnetostat. Bei ADAM und auch bei den Focal Studiomonitoren habe ich aber meist den Eindruck, als seien das modifizierte HiFi Boxen. Besonders das Mittenband wird oft nicht ausreichend repräsentiert. Ob wohl ich keine Yamaha NS-10M besitze, weiß und höre ich das die das sehr gut können. Viele Grüße, Ralf
@RaHen Hey Ralf,
ich danke dir vielmals für dein Feedback!! Was die „Bändchen“ angeht hast du völlig recht, der x-art ist sozusagen ne gefaltete Folie! Irgendwie gewöhnt man sich an den look und stellt nichts mehr in Frage, danke für die Erinnerung beziehungsweise Klarstellung. :)
Ich habe bis dato recht viel von Focal gehört, sei es im niedrig- oder hochpreisigerem Segment, jedoch fand ich die meistens recht schwammig und mittenlastig, zu dicke Membranen, zu breite Kalotten. Hier haben sich die Jungs echt gemacht, hab mir mittlerweile auch mal die kleineren Modelle der Shape Serie angehört, das sind echt feine, neutrale Lautsprecher und die seitliche Bassöffnung wirkt in meinem Setup einfach Wunder.
@Vincent Was die Mittenabbildung, gerade bei meinen Adams, angeht, so hast du ebenfalls völlig recht! Das können die Shape Twins besser, schätze hier ist die Weiche das Problem. Oben und unten arbeitet die Adam-Box dafür absolut verlässlich, gerade oben rum hörst du ALLES, tut schon fast weh. Als erste oder einzige Referenz im Studio könnte ich die Lautsprecher allerdings nicht verwenden. Aber super für Mastering. Die Shape Twins glänzen richtig was die Mittenabbildung angeht und ebenfalls die Stereobühne hat mich völlig aus den Socken gehauen, hut ab!
Wenn du was zur Mittenbeurteilung suchst würd ich dir Mixcubes o.ä. empfehlen, da ist für mein Ohr immer die möglichst konzentrierte Schall-Ausgangsquelle im Mittelpunkt, und das geht mit so einem Ein- bis Eineinhalb Wege System natürlich schon objektiv am besten! :) NS10 ist ne super Box, wer behauptet das sei lediglich ein Mythos versteht sie einfach nicht, aber ich persönlich würde für deren Zweck (die sind super für Vocal ranging und Levels im allgemeinen) eher zu Mixcubes greifen, und zwar zu denen von Auratone! ;)
Liebe Grüße,
Vince
Sehr schöner Test, vielen Dank dafür. Wie hast Du denn Deine A77x modifiziert? ADAM empfielt ja bei stehender Box den Hochtöner 90 Grad versetzt einzubauen um das Abstrahlverhalten beizubehalten, was bei Dir offenbar nicht gemacht wurde.
@swellkoerper Hey,
ich freue mich sehr darüber dass dir der Test zugesagt hat! Ich bin relativ neu dabei bei Amazona und bin dankbar um jedes Feedback! Doch, ich habe die Tweeter versetzt, sieht man auch auf dem Bild! ;) Außerdem habe das Gehäuse und die Bassreflexöffnungen teilweise mit Watte, teils mit Schaumstoff und Steinwolle ausgekleidet um den Reflex vom Bass etwas zu tamen, den kriegt man wirklich anders nicht gezähmt in meinem Miniraum. Aber so funktionieren sie doch recht gut, kann sie irgendwie nicht verkaufen, da besteht mittlerweile auch ein gewisser emotionaler Wert und man kennt sie halt einfach. :)
Liebe Grüße,
Vince
@Vincent Auf dem Bild sehen wir beide wohl etwas anderes, der Waveguide der Hochtöner sollte eigentlich immer horizontal ausgerichtet sein, aber wenn es in deinem Raum funktioniert, ist`s ja gut. Und danke für den Tip mit dem Auskleiden, werde ich bei meinen bei Gelegenheit auch ausprobieren. Der Hochtöner klingt für mich nach Jahren immer noch etwas befremdlich; zwar insgesamt hervorragend, luftig, spacig, aber für Mixentscheidungen fühle ich mich auf einer klassischen Kalotte einfach wohler. Für kritische Kontrollen wie im Mittenbereich, Monokompatibiltät oder Reverb-Feintuning nehme ich gern einen edlen Center-Speaker hinzu, wie bei dir die Mixcubes.
@swellkoerper Hey Swellkörper,
es folgt die Aufklärung des Tweeter Rätsels: Der Waveguide sitzt, genau wie er laut euch soll (aber eigentlich nicht muss) vertikal. Der Grund, weshalb das nicht so aussieht, ist, dass das Gehäuse, in dem der Tweeter verbaut ist, nach wie vor in seiner Baurichtung sitzt! Dieses lässt sich nicht um 90 Grad drehen, lediglich dessen Innerein. :)
Exakt das ist meine Meinung. Die Box eignet sich wahnsinnig gut zum Staffeln und Finetunen im Höhenbereich, für die Beurteilung des Gesamtbildes reicht diese Box alleine nicht.
LG Vince
@Vincent Hallo Vincent,
auch ich denke, du hast den Hochtöner in falscher Ausrichtung. 90 Grad nach links oder rechts und es stimmt.
@Crossbow Zur allgemeinen Aufklärung, weshalb man zu dieser Auffassung gekommen sein könnte: Der Waveguide sitzt, genau wie er laut euch soll (aber eigentlich nicht muss) vertikal. Der Grund, weshalb das nicht so aussieht, ist, dass das Gehäuse, in dem der Tweeter verbaut ist, nach wie vor in seiner Baurichtung sitzt! Dieses lässt sich nicht um 90 Grad drehen, lediglich dessen Innerein. :)
LG Vince
Hallo,
bin beim Durchlesen über den Satz „Vibrationen und Faltungshall werden auf natürliche und durchdachte Art und Weise minimiert, […]“ im Fazit gestolpert.
Ein Faltungshall ist für mich immer mit Berechnung eines Halleffekts durch Faltung des Signals mit einer Raumimpulsantwort verbunden. Oder wendet man diesen Begriff noch in anderem Zusammenhang an?
Und nur weil ich’s nicht genau verstehe: welche Vibrationen werden den minimiert?
Viele Grüße und Danke für den Test!
@Triple-U Ja, das ist mir auch recht unangenehm aufgefallen.
@camarillo Hey ihr beiden,
ich wollte auf genau diesen Effekt bzw. auf die Minimierung dessen im Bassbereich hindeuten. Da die Bassmembranen passiv sind und komplett seitlich abstrahlen hast du sozusagen im tiefen Bereich eine natürliche Minimierung der Faltung bzw. der Reflexionen respektive des Nachhalls im Bassbereich, was automatisch auch zu weniger Luftbewegung im Raum und vor allem der Abhörposition führt.
Passt das so für euch?
Vince
Die kritisierte schlechte Transientendarstellung kann ich nicht bestätigen. Die Membrane von Focal brauchen natürlich erst einmal Zeit; dass eine noch steife Membran nicht schnell genug schwingen kann, um Transienten perfekt darzustellen, sollte klar sein. 10 Stunden Break-In-Phase, wie im Artikel beschrieben, reichen da natürlich nicht. Focal schreibt schon 20 Stunden Einschwingen mit bassarmen Audiomaterial bei leisem Pegel vor, bevor man die Lautsprecher aufdrehen kann, die gesamte von Focal empfohlene Break-In-Dauer dauert zwischen 300 und 500 Stunden, bis die Monitore ihren Klang voll entfalten. Der klangliche Unterschied, zwischen einer neuen Box und einem eingebrannten Modell, ist wie Tag und Nacht.
Hallo zusammen, ich bin glücklicher Besitzer der Twins und habe mir 2 Jahre Zeit gelassen was den Kauf neuer Monitore betrifft. Adam Audio produziert wirklich hochwertige Monitore (letzte) Serie die Professionell in angesagten Studios zu finden sind. Die Ax77 habe ich mir gut angehört und muss sagen bei statischer Musik machen Dir Sinn obwohl alles was über 110 dB geht mich nerven würde. Die Focal Monitore also alle von günstig bis teuer klingen top, es kommt darauf an für was man seine Monitore einsetzen möchte. Adam ax 77 wären für mich keine Monitore zum ab mischen da sie nicht präzise sind. Bass ist nicht alles und less is more es kommt auf die Ausgewogenheit an im Mix und dafür sind die Twins Perfect. Ich nutze sie in einen 25 qm Raum und durfte sie vorher in einen 60 qm großen mastering Studio hören Raum in Raum . Die Klängen so ausgewogen das diese mir mehr gefallen haben am Ende als die twin 6 für 1700 Euro pro Stück. Jeder sollte am Ende sich Zeit nehmen und gut hören was er sich kauft, Technik geht mit der Zeit und es werden immer wieder neue besser Monitore erscheinen. Nun zum Ende jeder kann seine aktiv Monitore Pimpen und das für 40 Euro das Paar … es hängt alles nur vom Strom ab ;)