Ein weiterer Spross in der Erfolgsgeschichte
Mit dem Focusrite Scarlett 6i6 bringt der renommierte Hersteller aus UK einen weiteren Vertreter aus der sehr erfolgreichen Scarlett Serie auf den Markt. Neben dem Flaggschiff 18i20 und dem winzigen 2i2 haben wir es bei diesem Produkt mit einem Vertreter aus dem mittleren Segment zu tun. Es ist anzunehmen, dass das 6i6 das noch zusätzlich erhältlich 8i6 mittelfristig ablösen wird.
In den letzten Jahren ist eindeutig die einst als „japanischer Trend“ zur stetigen Verkleinerung von elektronischen und mechanischen Bauteilen bezeichnete Bauweise auch immer mehr in den Fokus abendländischer Hersteller gerückt. Viele Produktionen finden heutzutage zum Großteil am heimischen Büro-Rechner inklusive kleiner Nahfeldmonitore statt, wobei sich die Arbeitsprozesse schon lange nicht mehr auf das Editieren innerhalb dieses Workarounds reduzieren.
Vocal-Overdubs, Bassspuren oder auch die eine oder andere Guide-Gitarre für das Rig-Plug-in will ordentlich auf HD oder SSD archiviert werden und verlangt nach einem möglichst gut klingenden Preamp nebst ordentlichem Wandler. Hierbei verfolgt die Scarlett Serie einmal mehr die Devise „USB, sonst nix“ und verweist die Verfechter der Firewire Schnittstellen auf die Plätze. Wir vermeiden heute die Grundsatzdiskussion Firewire versus USB und nehmen vielmehr zur Kenntnis, dass USB nun mal an jedem Rechner vertreten ist, während Firewire auch in der aktuellen Apple Generation beerdigt wurde und sich in absehbarer Zeit in die schier endlos wirkende Schlange der ausgestorbenen Schnittstellen einreihen muss.
Auch Großbritanniens großer Name hat erkannt, dass der Markt der High-End Produkte à la Red Series in der heutigen Medien- und Verwertungslandschaft einen schweren Stand hat und sich entsprechend weiter entwickeln muss. Wie von vielen anderen Herstellern betrieben, setzt auch Focusrite auf das Prinzip „zu Hause entwickelt, in China gefertigt“, was den Preis trotz des Transportes um die halbe Welt niedriger ausfallen lässt als eine Fertigung der Ware vor Ort.
Das zum Test vorliegende Focusrite Scarlett 6i6 bewegt sich im hart umkämpften Homerecording-Bereich bis 300,- Euro und schickt sich an vom sagenumwobenen Herstellernamen möglichst viel in die Budgetklasse zu übernehmen.
Konstruktion
Allen Produkten der Scarlett Reihe liegt ein einheitliches Erscheinungsbild zugrunde. Dieses manifestiert sich primär in dem Gehäuse aus rötlich gebürstetem Aluminium, welches dem Gerät einen wertigen Anstrich verleiht. Vier kräftige Gummifüße sorgen für einen festen Stand auch auf glatten Flächen. Zudem ist es mit den Abmessungen 210 mm x 50 mm x 180 mm (B x H x T) dermaßen flach, dass es neben dem Fuß unterhalb des Bildschirms eines handelsüblichen Monitors Platz findet. Das geringe Gewicht von nur 1,18 Kilogramm tut sein Übriges dazu. Auch mobile Aufnahmen erscheinen aufgrund der guten Verarbeitung und der moderaten Abmessungen möglich, vorausgesetzt eine entsprechende Stromversorgung ist gesichert.
Um innerhalb des Produktes einen stabilen Signalfluss zu gewährleisten und den Rechner-Bus nicht zu stark zu belasten, wird das Focusrite Scarlett 6i6 mit einem eigenen Netzteil ausgeliefert. Ein 12 Volt, 1250 mA Netzgerät liegt dem Produkt bei. Um nicht auf externe Recording Software angewiesen zu sein, legt auch Focusrite seinem Produkt eine gute Grundausstattung in Form der Ableton Live Lite Software, der Scarlett MixControl, der Scarlett Plug-in Suite, der Novation Bass Station und 1 GB Material von Loopmasters bei. Wer die DVDs früherer Tage in der Verpackung sucht, wird leider nicht mehr fündig werden. Dem Produkt liegt ein Freischaltcode für den entsprechenden Download bei. In Zeiten von VDSL eine Frage von 5 Minuten, wehe dem, der einen Aussiedlerhof nebst 2000er Leitung sein Eigen nennt.
Vorgestellt wird das Focusrite Scarlett 6i6 als 6-fach Input und 6-fach Output Interface. Rein rechnerisch stimmt dies, jedoch nur unter der Prämisse, dass man die rückseitigen S/PDIF In- und Outputs auch Cinch Basis mit je 2 Kanälen rechnet. Auf der analogen Wandlungsebene präsentiert das Gerät 2 Mikrofonvorverstärker auf der Frontseite, beide als Multibuchsen ausgelegt, nebst rückseitig angeordneten 2 Line-Inputs und 4 Line-Outputs, allesamt auf 6,35 Millimeter Klinke ausgelegt. Sehr schön ist die einfache und innovative Aussteuerungsanzeige der Mikrofon-Preamps. In einem LED-Kranz um die Gain-Regler herum wird mit den Farben Grün bis Rot angezeigt, in welchem Rahmen sich der Signalpegel befindet. Software-seitig kann zudem eine 10 dB PAD Schaltung initiiert werden.
Des Weiteren verfügt das Produkt über folgende Regelmöglichkeiten:
- einen Summenmonitorregler
- 2 individuelle Kopfhörerausgänge nebst Volumeregler
- 48 V Pantomspeisungsschalter
- MIDI In und MIDI Out auf der Rückseite
- zwei Kontrollleuchten für die USB/MIDI Korrespondenz
- je zwei PAD- und Instrumenten-Kontrollleuchten
- eine Kensington Diebstahlsicherungsöffnung
Die beiden unabhängigen Kopfhörerverstärker bieten sich insbesondere für einfache Aufnahmesituationen an, in denen sich Aufnahmeleiter und Künstler im selben Raum befinden. Somit kann sich jeder seinen eigenen, unabhängigen Mix erstellen.
In Sachen Systemvoraussetzung gibt sich Focusrite nicht mehr mit den üblichen RAM-Angaben ab, zumal jeder, der in irgendeiner Form Musik halbwegs ambitioniert produzieren möchte, seinen Rechner ohnehin mit 4 GB RAM oder mehr ausrüstet. Lediglich in Sachen Betriebssystem gibt es den folgenden Leitfaden: Mac – OS X 10.7 oder höher, PC Windows 7 (alle Versionen), Windows 8 (alle Versionen, außer RT). Good-bye Snow Leopard.
Praxis
Optisch ist man mit dem Scarlett direkt mal ganz weit vorne. Losgelöst von allem, was noch kommen wird, das rötlich schimmernde Aluminium vermittelt einen sehr edlen Eindruck, hier haben die Produkt-Designer ganze Arbeit geleistet. Auch wenn es auf den ersten Blick den Anschein erweckt, dank seiner Gummifüße übersteigt das Focusrite Scarlett 6i6 die Abmessungen einer Höheneinheit um ein paar Millimeter und verlangt entsprechend nach einer Platzierung auf dem Arbeitstisch. Dies bedeutet bei stationärem Betrieb zwangsweise einiges an Kabelgewusel auf der Arbeitsfläche, es sei denn, man weist dem Gerät einen festen Platz zu und lässt entsprechende Kabelstränge mittels einiger Bohrungen in der Arbeitsplatte verschwinden.
Klanglich präsentiert sich das Interface erwartungsgemäß routiniert und in diesem Preissegment über alle Zweifel erhaben. Annähernd 30 Jahre britische Schule in Sachen Hardware und Signalfluss kommen auch den Budget Produkten zugute. So auch bei dem Scarlett 6i6, dessen Aufholverstärker eine entsprechend feine Auflösung an den Tag legen. Zudem gelingt es den Preamps, auch leistungsschwache Signale auf den nötigen Arbeitspegel zu hieven, ohne dass die Nebengeräusche signifikant zunehmen.
Das Produkt klingt druckvoll und ermöglichst eine klare, akustische Struktur, ohne dass man einem übertriebenen Enhancer-Effekt zum Opfer fällt. Das Signal ist verfärbungsfrei, dynamisch und sorgt für eine einwandfreie akustische Abbildung des zu verarbeitenden Materials. An die fehlenden LED-Ketten muss man sich in den ersten Betriebsstunden erst noch gewöhnen, allerdings findet dieser Umstellungsprozess nahezu lautlos im Hintergrund statt. Der grüne Signalkranz nimmt seine Arbeit bei -24 dB auf und schwenkt bei 0 dB hinüber ins Rot.
Warum wird immer wieder behauptet, dass Firewire am Mac nicht mehr verfügbar wäre? Thunderbolt ist kompett abwärtskompatibel zu Firewire 400 und 800 und über den von Apple angebotenen Adapter lässt sich das Equipment betreiben. Insofern ist es auch spannend, ob die auf der NAMM vorgestellten Thunderbolt Interfaces tatsächlich solche sind oder einfach USB oder Firewire Interfaces mit integriertem „Adapter“, denn die volle Thunderbolt Leistung benötigen diese kaum.
@Markus Galla Hallo Amaros
dein Einwand bzgl. der abwärtskompatiblen Adapter ist richtig, jedoch liegen mir einige Berichte über Probleme in Kompatibilität und Datendurchsatz vor, was den Eindruck erweckt, dass Apple es sich nicht komplett mit der Firewire Generation verscherzen möchte, jedoch an einer perfekten Problemlösung bzgl. der Adapterverwaltung gespart hat.
Wie dem auch sein, ja, es gibt Adapter, nein, sie sind (z.Zt.) keine vollwertige Ersatzlösung.
Beste Grüße
@Markus Galla Allerdings gibt Thunderbolt weniger Saft als Firewire, weshalb manche Interfaces (z.B. RME Fireface 400) plötzlich bei jenem ein Netzteil brauchen. Das macht den Umstieg dann schon manchmal etwas ärgerlich!
Sehr schöner Test, vielen Dank dafür. Da ich vor kurzem ein USB-Audio-Interface kaufen musste, stand ich vor der Wahl zwischen einem Native Instruments »Komplete Audio 6« (KA6) und einem Focusrite »Scarlett 8i6«. Native Instruments hat schließlich das Rennen gemacht; allerdings nur, weil ich das Interface günstiger bei eBay bekommen konnte, dafür leider ohne die Software. Entsprechend interessiert bin ich an diesem Test.
Anzahl und Ausführung der Ein- und Ausgänge des 6i6 entsprechen wohl dem KA6 (2x Line/Mic In mit XLR/Klinke, 2x Line In Klinke, 4x Line Out Klinke, 2x S/PDIF Cinch, 2x MIDI, USB). Unterschiedlich ist die Anzahl der Kopfhörer-Ausgänge, den gibt es beim KA6 nur einmal. Schickes Feature mit dem doppelten Ausgang beim 6i6.
Als Vorteil beim KA6 verbuche ich, dass dieses auch LEDs für die Ausgangs-Signale besitzt. Das hat mir schon richtig Sucharbeit in Soft- und Hardware erspart. Schön ist beim KA6 auch die Monitor-Funktion per Taster vorne am Gerät sowie die Wahl der abzuhörenden Ausgangs-Signals ebenfalls per Taster vorne am Gerät. Das hat das 6i6 als Hardware/Taster offenbar nicht.
Und ein Netzteil benötigt das KA6 ebenfalls nicht. Gut, da kann man nun drüber streiten. Aber: Netzteil vergessen und das war’s mit der mobilen Aufnahme-Session am Notebook. Dafür kann das KA6 auch schon mal den Dienst versagen, wenn der PC-USB-Anschluss nicht den geforderten Strom liefert. Keine Ahnung, ob so etwas in der Praxis relevant ist, aber die USB-Spezifikation erlaubt theoretisch eine Angabe der nötigen Stromstärke per Software.
Schön fände ich noch eine Nennung der zur Verfügung gestellten Software-Schnittstellen. Klar, ASIO kann man sich bei Focusrite natürlich denken. :) KA6 unterstützt zum Beispiel ASIO, DirectSound, WDM und WaveOut. In der Praxis kann man für Aufnahmen – als Audio rein ins Interface – alles außer ASIO vergessen. Mal eben schnell etwas mit irgend einer Software ohne ASIO aufnehmen, ist also beim KA6 nicht (ausprobiert mit »Reaper« und »Audacity«). Allerdings kann das natürlich auch an meiner Konfiguration liegen, wobei die normale 08/15-Rausche-Audioschnittstelle des Motherboards ohne Probleme für Aufnahmen funktioniert.
Hab erst neulich ein 18i8 erstanden. Die Vorteile des Interface brauche ich hierzu nicht nochmal anführen, es sind spitzen Geräte die in ihrer Klasse ihres gleichen suchen. Einziger wehrmutstropfen ist die fehlende Möglichkeit die Eingangssignale direkt am Gerät mit dem Signal des PC zu mischen. Beim saffire ist das möglich.
Ich hatte damals auch das größte Saffire Interface und war immer sehr zufrieden damit. Das Direct Monitoring ist da sehr gut gelöst. Noch besser als das Saffire empfinde ich nur die PreSonus Produkte (nutze jetzt ein StudioLive 16.0.2), da damit noch geringere Latenzen möglich sind, ohne dass es zu Knacksern kommt.
Die Meinungen zu FireWire und Thunderbolt gehen weit auseinander. Wenn man die Diskussionen in den Technik-Foren so anschaut, bekommt man aber auch den Eindruck, dass bei denjenigen, bei denen Thunderbolt mit Adapter gut läuft, auch vorher FireWire gut lief und bei denjenigen, bei denen das nicht so ist, bereits FireWire instabil war. Oftmals sind es auch die verwendeten Kabel, die Probleme bereiten. Nutze ich mit meinem PreSonus Pult z. B. das beiliegende Kabel, gibt es keine Probleme. Ein anderes Kabel allerdings, welches ich mal früher für eine digitale Video-Cam gekauft hatte, funktioniert wesentlich schlechter. Das darf man nicht vergessen.
Wie dem auch sei. Wer viele Kanäle gleichzeitig und stabil benötigt, kommt um FireWire oder Thunderbolt nicht herum. Die Zukunft wird zeigen, ob die Hersteller bereit sind, sich der neuen Technik anzupassen oder lieber auf die Adapter-Lösung setzen.
Wie stark sind die kopfhörerverstärker im 6i6? Besser als im 2i2? Letzteres ist nähmlich leider seeehr schwach in dieser disziplin..
Schöner Bericht.
Eine kurze frage. Haben die Kopfhörerverstärker des 6i6 einen Leistungsunterschied zu den der scarlett interfaces ohne Netzteil? Auf der homepage ist nähmlich das 2i4 mit 24mw angegeben was ich als ziemlich knapp erfinde und über die KH verst. des 6i6 steht nichts unter Leistungs Daten …