Nicht lernen, sondern einfach machen!
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Die Zahl an auf Podcaster ausgerichtetes Equipment steigt gefühlt täglich und jeder Hersteller hat so seine eigene Lösung: Standalone, Komplettpaket oder hoch integriert, alles ist machbar. Nun reiht sich auch Focusrite mit ein, nicht nur bekannt durch die beliebte Scarlett-Serie. Die Audiointerfaces Focusrite Vocaster One und Vocaster Two richten sich zwar auch an Einsteiger, aber viel mehr an Content-Creators, die keine Zeit oder Interesse daran haben, sich mit der Technik mehr als nötig zu befassen. Für den Focusrite Vocaster gilt: Anstecken, loslegen und nach wenigen Klicks ist alles bereit. Dabei ist das Wortspiel eine Zusammensetzung aus Voice und Podcasting, also typisch zielgruppenorientiert.
Focusrite Vocaster One, Vocaster One Studio, Vocaster Two, Vocaster Two Studio
Zwei Pakete wurden mir für diesen Test zur Verfügung gestellt. Der Focusrite Vocaster One Studio und der Focusrite Vocaster Two, den es mit denselben Extras auch als Studio-Paket gibt. Das Ganze kommt allerdings auch nicht von ungefähr, denn die Podcasting-Plattform Acast hat sich mit Focusrite zusammengetan, um ein einfach zu handhabendes Komplettsystem zu schnüren. Wollte man einen Nachteil finden, wäre es der fehlende Standalone-Betrieb, was die meisten Creators wohl kaum stören dürfte. Mit im Bundle ist deshalb ein sechsmonatiges Abo des Acast Influencer Plans, um den „Podcast auf das nächste Level zu bringen“.
Ich halte von solchem Marketing zwar wenig, denn eine Übersättigung hat längst begonnen und mir persönlich sogar die Lust am Podcasting genommen, aber das ist ein anderes Thema. Was ich in Gesprächen mit Creators immer wieder feststelle ist, dass viele Interessierte eben nicht das audiotechnische Grundwissen mitbringen und sich damit nicht belasten wollen. Und genau da springt der Focusrite Vocaster ein. Daher befasse ich mich primär mit der Hardware und nicht mit dem Software-Bundle, zu dem im Übrigen Hindenburg Lite, eine spezielle Podcasting-Software (plus sechs Monate Hindenburg Pro) und drei Monate Zugang zu SquadCast Pro + Video, drei Jahre weltweite Garantie gibt es oben drauf.
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In vier Varianten ist der Focusrite Vocaster erhältlich. Die kleine Version Focusrite Vocaster One kommt mit einem Mic-Preamp, ohne Bluetooth und nur mit einem Kopfhörerausgang. Er eignet sich für Alleinunterhalter, die gelegentlich Telefon-Interviews führen möchten, das nämlich geht damit per CTIA-Miniklinke. Auch lässt sich das Signal nicht nur an die Studiomonitore schicken, sondern parallel an eine Kamera oder Audiorecorder per Mini-Klinkenausgang. Der Focusrite Vocaster Two kommt mit zwei Mic-Preamps, ebenfalls CTIA-Miniklinke und Kameraausgang, bietet zusätzlich aber noch Bluetooth mit AAC-Unterstützung und einen zweiten Kopfhöreranschluss mit separatem Output-Regler. Die Pakete mit dem Zusatz Studio enthalten ein dynamisches Handmikrofon mit 3 m XLR-Kabel und Klemme vom Typ Focusrite DM1V (bzw. DM14V beim Focusrite Vocaster Two Studio) sowie einen geschlossenen Kopfhörer mit festem Kabel mit der Bezeichnung HP60V. Um es nicht zu kompliziert zu machen, befasse ich mich im Wesentlichen mit dem Focusrite Vocaster Two, wobei natürlich alles ebenso auf den Focusrite Vocaster One zutrifft, bis auf den zweiten Mic-Preamp und Kopfhörerausgang.
Erster Eindruck vom Focusrite Vocaster
Im Karton befindet sich der Focusrite Vocaster mit einem 1 m langen USB-Kabel von Type-A auf Type-C. Er soll sich gleichermaßen auch für den mobilen Einsatz eignen, da ist ein kurzes Kabel schon sinnvoll, eher weniger jedoch für den stationären Betrieb. Optisch und haptisch sind beide ähnlich aufgebaut, oberflächlich erkennt man den Focusrite Vocaster Two am dritten Drehknopf und dem zweiten Kopfhöreranschluss in Form einer 6,35 mm Klinke an der Front. Hier hat man die beiden Bereiche in Host und Guest aufgeteilt, während der Focusrite Vocaster One den Main-Volume-Regler und die Kopfhörerbuchse auf der rechten Seite hat. Er ist 19,45 cm breit, 5,05 cm hoch und 11,3 cm tief, das Gewicht beträgt 348 g. Der Focusrite Vocaster Two ist 3 cm breiter und wiegt mit 420 g etwas mehr. Beide lassen sich übrigens auch direkt am Netzteil oder einer Powerbank betreiben, dabei liegt der Verbrauch bei 900 mAh, das Netzteil sollte 1 Ah liefern können.
Auf der Rückseite befinden sich die nicht verriegelbaren XLR-Mikrofoneingänge, zwei große TRS-Klinkenbuchsen als Line-Out und der bereits erwähnte Miniklinken-Stereoausgang zum Durchreichen des Audiosignals an Kameras oder Recorder, damit erklärt sich auch der eigenständige Betrieb. An eine CTIA-kompatible TRRS-Miniklinkenbuchse kann ein Smartphone oder Line-Gerät angeschlossen werden, zwei Tasten aktivieren die 48 V Phantomspeisung für beide Eingänge und den Bluetooth-Pairing-Modus. Dem Focusrite Vocaster One fehlt diese Taste und natürlich auch der zweite Mikrofoneingang, alles andere ist vorhanden. Beide haben auch eine Kensington-Buchse zur Sicherung des Equipments, über einen Power-Taster auf der Rückseite verfügen beide außerdem.
Die Verarbeitung des ovalen, softbeschichteten Kunststoffgehäuses mit dem roten Rand ist gut, aber auch nicht rekordverdächtig. Die ebenfalls beschichteten Drehregler sitzen fest im Gehäuse und wackeln höchstens minimal. Während die äußeren Regler analog und mit Endanschlag ausgeführt sind, handelt es sich beim mittleren Drehrad um einen Aluminiumknopf als Endlosregler mit entsprechend mehrfarbigem LED-Kranz. Er wird für die Lautstärkeregelung des Mikrofoneingangs genutzt, beim Focusrite Vocaster One ähneln sich die beiden Drehknöpfe, der linke läuft endlos. Der mehrfarbige Lichtkranz darum zeigt den Pegel an und leuchtet bei Stummschaltung rot, beim Focusrite Vocaster Two ist dieser für die beiden Kanäle links und rechts unterteilt. Unter den Reglern befinden sich gummierte Tasten, beim Focusrite Vocaster One sind das von links nach rechts Auto-Gain, Enhancer und Mute. Beim Focusrite Vocaster Two sind die insgesamt sechs Tasten, je spiegelverkehrt angeordnet, die mittleren schalten jeweils den Gain für die beiden Inputs um, für Auto-Gain müssen sie länger gedrückt gehalten werden. Die mehrfarbigen LED-Leuchten glimmen leicht bei Inaktivität und zeigen ansonsten alles Wichtige mit Piktogrammen an. Den Gain für Bluetooth und Aux (TRRS) sowie die vier Podcast-erprobten Enhancer-Presets regelt man über die Software Vocaster Hub. Für den Standalone-Betrieb werden diese Einstellungen beim Abschalten gespeichert, den Focusrite Vocaster Two könnte man eigenständig auch als Bluetooth-Empfänger einsetzen.
Der Focusrite Vocaster in der Tonstudiopraxis
Ich habe schon viel gesehen, Geräte mit WDM-Treibern, mit CD-ROM oder mit Voucher, um die Software downloaden zu können. Hier zeigt der Focusrite Vocaster den wesentlichen Unterschied zu ähnlichen Streaming-Interfaces. Es läuft sofort als USB-Audio-Class und kann daher auch an neueren iPads mit USB-Type-C genutzt werden. Dazu wird im System ein Laufwerk eingebunden, hiervon lässt sich direkt der Weg zur Installations-Website finden. Von dort aus gelangt man zu Einführungs-Videos, Handbüchern und Vocaster Hub zum Download. Auch wird man nach vorhandener Software gefragt oder ob man das Bundle downloaden möchte sowie zur Produktregistrierung aufgefordert, ein Focusrite-Account ist für den Download nicht unbedingt nötig. Installiert man den Vocaster-Hub für Windows, werden auch direkt die ASIO-Treiber mitinstalliert, für MacOS steht dieser natürlich auch zur Verfügung.
Der Vocaster Hub ist ein virtuelles Mischpult, über zwei Loopback-Kanäle können Signale vom Computer beispielsweise über eine Streaming-Anwendung eingeleitet werden. Mix-Minus auch über den TRRS-Eingang ist natürlich selbstverständlich, ein Gate für TRRS und Bluetooth vermindert Hintergrundrauschen und ist werkseitig aktiviert.
Überhaupt ist das ganze System übersichtlich und gut strukturiert, Anschlüsse und Bedienelemente erschließen sich quasi von Selbst. Einzig die Tasten haben neben dem Druckpunkt auch ein leichtes Knackgeräusch, was theoretisch beim Stummschalten hörbar ist. Klanglich würde ich den Focusrite Vocaster eingangsseitig als hervorragend beschreiben, ausgangsseitig ist die Qualität eher durchschnittlich. Etwas blöd finde ich, dass man Lautsprecher und Kopfhörer nicht getrennt regeln kann, wer beides bei der Aufnahme nutzt, muss etwas auf Rückkopplungen achten.
Herausragend ist das Bluetooth-Modul, das wie erwähnt auch AAC unterstützt und HD-Voice. Damit sind qualitativ gute Interviews möglich, ein zweites Gerät könnte parallel sogar noch am TRRS-Anschluss betrieben werden. Genau genommen könnte man mit dem Focusrite Vocaster Two einen Gast, zwei Telefonpartner und noch zwei Computerprogramme über die Loopback-Kanäle einschleifen. Genauso könnte man Bluetooth zum Einspielen von Musik oder Jingles nutzen, es gibt da schon viele Möglichkeiten. Selbst eigenständig ist vieles denkbar, einzig Instrumenteneingänge fehlen. Der Gain der Preamps ist ausreichend selbst für das Shure SM7B, hier ein Klangbeispiel.
Das Focusrite Vocaster Studio-Paket
Werfen wir noch einen kleinen Blick auf das Zubehör des Focusrite Vocaster One Studio, immerhin kosten Kopfhörer und Mikrofon 110,- Euro Aufpreis.
Das dynamische Handmikrofon DM1V mit seiner Plastikklemme mit 5/8″ Gewindeanschluss macht einen guten Eindruck, das 3 m lange XLR-Kabel kommt mit Kabelbinder und kann somit verkürzt werden. Die Klangqualität ist für Sprache recht gut, der integrierte Windschutz reicht aus, wenn man beim Einsprechen etwas aufpasst. Das Metallgehäuse ist robust und der Draht-Einsprechkorb solide.
Dem größeren Bundle liegt das DM14V bei, das sich auch in den Scarlett-Studio-Paketen befindet und mir zum Test nicht vorliegt. Das erklärt möglicherweise auch die etwas höhere Preisdifferenz zwischen Focusrite Vocaster Two und Studio von 120,- Euro.
Der Kopfhörer HP60V mit seinen starren Muscheln und dem fest verlöteten Anschlusskabel hat einen aufgesetzten Adapter auf 6,35 mm Klinke, so dass er notfalls auch am Smartphone betrieben werden kann. Dabei erreicht er auch sehr tiefe Bässe und bildet diese auch recht knackig ab, überzeichnet aber etwas in den unteren Höhen, die Abstimmung ist eher hell bzw. HiFi. Mit 3 m ist das Kabel ebenfalls lang genug. Er wird als geschlossen angegeben, dichtet ausreichend ab und sitzt mit seiner Kunstlederpolsterung recht bequem, aber gerade bei den aktuell heißen Temperaturen wird es auch schnell warm hinter den Ohren. Er ist im Prinzip nichts Besonderes, aber durchaus besser, als man erwarten könnte. Zum Musikhören eignet er sich ebenso gut wie für das Abhören von Sprachaufnahmen. Warum man nicht beim Focusrite Vocaster Two Studio nicht gleich zwei Mikros und Kopfhörer mitliefert, verstehe ich nicht, auch ein einfaches Tischstativ hätte den Lieferumfang komplettiert.
Damit wären wir auch schon bei meiner einzigen Kritik angekommen, dem Preis. Selbst der Focusrite Vocaster One mit derzeit 219,- Euro kostet deutlich mehr als ein zumindest grundsätzlich ähnlich ausgestattetes Audient iD4 MKII. Selbst die einfachen Scarlett-Interfaces sind günstiger, als direkter Konkurrent könnte das Elgato WAVE:XLR gelten. Aber was alle genannten Audiointerfaces nicht können, selbst das in ähnlichem Preisbereich gelistete MOTU M2, ist der direkte Anschluss von Smartphones für Interviews per CTIA-Klinkenbuchse. Hier spielt der Focusrite Vocaster One seine Vorteile aus, vor allem im eigenständigen Betrieb. Klar gibt es in diesem Preisbereich komplette Recording-Konsolen wie den Zoom PodTrak P4, der mit Bluetooth-Modul noch günstiger als der Focusrite Vocaster One wäre, hier fallen aber die Preamps in der Qualität zurück. Dass die Auflösung maximal bei 48 kHz bei 24 Bit Wortbreite liegt, kann man bei Streaming-Interfaces gelten lassen, weil man höhere Auflösungen für reine Sprachaufnahmen ohnehin nicht braucht. Kurzum, die Focusrite Vocaster-Serie ist sicher kein Schnäppchen und bietet einen Gegenwert, den andere Audiointerfaces nicht bieten.
Kann es sein, daß es sich beim Kopfhörer um einen umgelabelten Sony MDR-7506 handelt ?
Dazu würde auch die klangliche Beschreibung passen.
Dann aber mußte ich der Aussage „im Prinzip nichts Besonderes“ vehement widersprechen.😎
@SoundForger2000 Interessante Frage. Den Sony kenne ich leider nicht, aber der hat ja auch ein starres Kabel. Ich schreibe es mal so, verglichen mit den Sony-Kopfhörern, die ich so kenne, ist die Verarbeitung des Focusrite jedenfalls nicht schlechter. Vom Preis wäre es ja auch dieselbe Klasse.